Der Regen über der sumpfigen Moorlandschaft fiel in langen,
stockenden Schnüren und platschte auf die kleinen, trüben Pfützen,
welche sich im Laufe des Schauers gebildet hatten. Von den Hängen
des 'Nebelgebirges', welches ganz und gar von Wolken eingerungen war, flossen
kleine Bäche und Flüsse, die mit etwas Salzgehalt in den Sumpf
flossen, der nur scharfes Sumpfgras und Fliegen beherbergte. Die Büschel
ragten mitten zwischen den großen, matschigen Tiefen auf, von denen
sich Gase erhoben und über die Nebel schwebten. Ein moderiger Gestank
lag in der Luft und ständig drangen schlurfende Geräusche, die
sich ewig hinzuziehen schienen, an das Ohr Millianas. Der Dämon hielt
ihren Arm fest umkrampft und zog sie rücksichtslos mit sich, seine
Haut war verklebt mit Schlamm und hier und da zeigten sich seltsame Male,
die von Kämpfen und dem Sieg danach zeugten. Der Atem des Wesens ging
rasselnd zwischen dessen scharfe Zähne hindurch, die wohl extra zum
Zerkauen von Knochen gedacht waren und stieg dann in leicht dampfenden
Wolken gen Himmel. Es war Nacht, man konnte nur einige Meter weit sehen
und deshalb sanken die Beiden, Räuber und Opfer, oft in die tiefen
Tümpel ein und wurden mit einer schlammigen Haut übergossen,
die der Regen bei Milliana teilweise und bei dem groben Dämon nur
teilweise wieder abwusch. Immer wenn sie stürzten, fauchte und schrie
das Wesen des Schattens auf und bleckte die Zähne so weit, dass man
meinen könnte, es würde den, der das Wasser schickte, auffressen
wollte.
Das rostbraune, lange Haar der Magd war mit Dreck verkrustet und
klebte ihr nass am Kopf während der Dunkle ihr Quetschungen am Arm
zufügte, doch sie schrie nicht, sondern sog immer scharf die muffige
Luft durch die Nase ein und hustete den Dreck heraus.
"Was", sie hustete, "hast du mit mir", sie tat es wieder und diesmal
würgte sie beinahe, "vor?"
Der dunkelhäutige Dämon, der mehr einem kleingeratenen
Bergtroll glich als einem Ork, da er größer war, kräftiger
und dicke Augenbrauenwülste besaß, grummelte kurz und stieß
dann voller Zorn heraus:
"Dein Freund hat sich nicht an die Abmachung gehalten!"
"Welche Abmachung?", versuchte es Milliana weiter, rutschte aus
und wurde solange mitgeschleift, bis sie sich wieder aufgerafft hatte.
"Dass er den Hof nicht verlässt und sich nicht mehr in die
Geschäfte des dunklen Herrschers einmischt!"
"Dunklen Herrschers?", fragte die Magd weiter und zerrte den Saum
ihres klatschnassen Kleides aus einem kleinen Heckengebüsch, in welchem
es sich verfangen hatte. Dabei riss der Stoff und ein Fetzen blieb hängen.
"Muragecht, gepriesen sei er!"
"Wir... Er hatte das nicht vor, er wollte zu seiner Cousine nach
Valance! Das ist ein Missverständnis!"
"Zu spät, Menschenweib, zu spät! Er wird dich als Strafe
nicht so schnell wiedersehen!"
Wieder brüllte er und zerrte die Magd weiter durch den stickenden
Sumpf, wo sie weiter von Mücken und Fliegen gepiesackt wurde.
"Die Abmachung...", stotterte Milchemia und versuchte ein paar Beeren
herunter zu bekommen, was ihm aber schmerzen zufügte. "Wir hatten
eine Abmachung getroffen, jedenfalls denke ich das. Ich sollte mich aus
der Sache von ihnen heraushalten und sie würden mich verschonen. Natürlich
nahm ich an und habe dann genau eine Woche lang Wort gehalten, bis mich
diese Kerle überfallen haben! Sie sagten, ich hätte die Abmachung
nicht eingehalten und darauf haben sie mir Milliana weggenommen..."
In seinen Augen spiegelte sich nachdenkliche Trauer und er sah betrübt
zu Boden. Gerwin wollte etwas sagen, behielt es dann jedoch für sich
und ließ seinen Mund mit den vielen Falten wieder zuklappen. Alles
war still, nur das Prasseln des Feuers lud zu sprechen ein, doch niemand
achtete darauf, nicht einmal Senragor, der die ganze Zeit stumm in Gedanken
verloren zugehört hatte und sich immer wieder die Bilder der Entführung
in den Kopf rief. Um das Feuer herum war es warm und vom See, an dessen
Rand spärlich Sumpfgras in dicken Büscheln wuchs, bis zum Wald
mit den dunkel beschatteten Büschen und der schwarzen Rinde waren
es nur zehn Meter. Das Licht des Mondes, welcher, auch wenn sich eine dunkle
Wolke vor ihn schob, von leicht vernebelt bis silberklar leuchtete, brach
sich in den flachen Wellen wie die Sonne in einem Brennglas, nur die Schatten
die Schatten der Fische waren düster, tief und sichtbar, da sie sich
farblich vom Mondlicht abhoben. Weiter nördlich ging jetzt wahrscheinlich
ein Regenschauer nieder, da die Strömungen, welche sich in den See
schoben, mehr und schneller als sonst war.
"Ich werde dir helfen, deine Frau zu finden! Wir Druiden haben eine
eigene Weise, mit verlorenem Umzugehen, als die Menschen, die ewig nur
nach Spuren suchen. Wir brauchen sie nicht suchen. Wir haben sie immer
direkt vor Augen... Keine Sorge, ich werde deine Frau finden! Du wirst
derweil an anderen Orten gebraucht und zwar in 'Waromir'! Breche nach dahin
auf und warte dort auf einen Mann, der sich als Sendinior ausgibt! Du wirst
vor ihm in Waromir sein, da er noch über das 'Kreuzgebirge' muss...
Er will im Südland nach ein paar Erkundigungen einholen und einen
Vertreter der Elfen beschaffen. Du wirst ihn wahrscheinlich in Begleitung
des Halbelfen Rune Eszentir’ s begegnen. Zwar kein reinrassiger Elf, aber
er wird es auch tun. Nachdem er in 'Waromir' eine Truppe mit euch als Führer..."
Telchman unterbrach ihn mit einer Bewegung seiner Hand, sah den
Zauberer entnervt und ungläubig an und fragte sogleich abstoßend:
"Mit mir als Führer?"
"Ja,", beharrte Cyprian eigenwillig, "mit euch als Führer!
Dafür werde ich eure Frau wiederbringen..."
"Sie ist nicht meine Frau...", sagte Milchemia und sah wieder betrübt
aus der Wäsche.
"Um so besser, dann müsst ihr nichts erklären, falls sie
getötet wird oder...", er stoppte lieber mit den Ausführlichkeiten,
da ihm der Hauptmann böswillige Blicke zuwarf. Im Moment thronte er
im Schneidersitz, die Hände um die Knöchel gekrampft.
"Auf jeden Fall werdet ihr mit dem Druiden und dem Halbelfen nach
'Düsterburg' reisen und dort mit dem Rat der drei Länder sprechen!
Sicher werdet ihr die Vorsitzenden des Gnomenlandes sofort für euch
entscheiden können, da ihr Land ja befallen ist, doch müsst ihr
den Elfen und Menschen erläutern, was passiert, wenn die Gnome fallen!
Muragecht wird zweifellos auch die anderen Länder angreifen wollen."
"Und was ist mit den Trollen und den Orks?"
"Die Trolle leben in den Gebirgen und werden so auf jeden Fall an
die Front gehen, um ihr Gebiet zu verteidigen. Und die Orks", er lachte
spöttisch und abrupt, "die sind schon vor allem anderen dem dunklen
Herrn verfallen!"
Nach einem kurzen, bedenklichen Zaudern aller, meinte Telchman noch
überlegend:
"Na, dann wollen wir mal!"
Der Magier nickte verdrießlich:
"Ja, das denke ich auch!", und dann zu Senragor gewandt, "Komm,
wir gehen besser auch, das heißt, du gehst zur 'Waldenburg' und ich
mache mich nach auf diese Milliana für Telchman zu suchen!"
"Aber ich dachte..."
"Hast du nicht zugehört?", fauchte Gerwin bedrohlich, denn
er wollte den Hauptmann nicht aus seiner Truppe verlieren, "Ich kann nicht
gleichzeitige zur 'Waldenburg' gehen und nach der Dame suchen!"
Seine Stimme war anders als sonst, streitsuchend und gefährlich.
Senragor trat ängstlich ein paar Schritte zurück und sagte, denn
es war eher als eine Feststellung als eine Frage, mit brüchiger Stimme:
"Was bist du?"
"Ich bin Gerwin Cyprian... Der Druide von 'Gordolon'!"
"Was ist mit den anderen Druiden geschehen?"
Milchemia bemerkte den Verdacht des Jungen und legte vorsichtshalber
die Hand auf sein Schwert. Senragor trat weitere Schritte zurück während
der Zauberer ihm eiskalte Blicke zuschickte.
"Die? Der von 'Schattendüster' ist verschwunden... Auf rätselhafte
Weise. Es wäre nicht erstaunlich seine blutigen Überreste im
Wald zu finden, umringt von Knochen, Kadavern und Gebeinen, stinkend nach
Tod und verbrannt...", eine Augen wurden immer durchdringender und auch
ein kleiner Anflug von Wahnsinnigkeit war in ihnen zu erkennen, "Und der
aus 'Barokin'... Zerfetzt... Liegend in einer toten Horde blutrünstiger
Orks...", er stieß ein bösartiges Lachen aus, "Der Druide der
Gebirge wurde von den Trollen vom Thron verdrängt und Sendinior selbst,
ist Herrscher über alles... Oberdruide..."
"Wenn du es nicht genauer weißt,", feigste Senragor bissig,
"dann lass es lieber, alter Mann!"
"So redet man nicht mit seinem Onkel!"
Diesmal entfloh dem Jungen ein Lachen. Er riss dem Magier die Karte
aus der Hand, die zusammengerollt war, drehte sich ohne ein weiteres Wort
um und verließ gefolgt durch den sich auf einen Stab stützenden,
weil seine Wunden noch immer brannten, Milchemia das Ufer des Sees und
bog nach einer schattigen, weit auslaufenden Felsnase am Rand des Sumpfes
in den 'Angorapass' ein. Cyprian lächelte, dann richtete er alles
für die Zeremonie vor, in welcher er die Geister nach dem Mädchen
und den Weg zu ihr fragen wollte...
Sendinior ging etwas schneller, da er bald an die Mine von Schattendüster
kommen würde, die, wie es hieß, von Dieben und Halunken erobert
worden war und da unten jetzt geheime Spiele veranstaltet und Treffen arrangiert
wurden, bei welchen oft viel Gold über den Tisch geschoben wurde und
ahnungslose Händler überfallen wurden. Hoffentlich passiert mir
das nicht, dacht er sich, während er schneller an den felsigen Landschaft
entlang schritt, immer dem Flussarm entlang, der ihn nach Irkwen und Towrin
führen würde und somit auch zu dem Anwesen, in welchem Rune mit
seiner Familie lebte. Sein Weg ging durch eine Klamm, in welcher nur ein
kleiner Bach floss, der sich silbrig zwischen kleinen Steinen wand, die
sich an den Seiten zu großen Kieshaufen und grobem Gestein gestapelt
hatten. Dort, in den Schatten, bei einem großen Riss im Stein, halb
verborgen durch trockenes Gestrüpp, lag der Eingang der Höhle,
die innen zu einer Mine umfunktioniert worden war. Es schienen sich Schatten
darin zu bewegen, Stimmengemurmel wurde laut. Sendinior stutzte einen Moment,
bewegte sich nicht, um zu lauschen, während seine fließenden
Gewänder, dunkel und trauerfarben, aber dennoch mit bunten Perlen
an Schnüren verziert, die in Vielzahl von seinen Schultern hingen,
leicht im Wind wankten.
Oben, am Hang, entdeckte er jetzt etwas, was sich ihm vorher noch
nicht gezeigt hatte, ein Schauer aus dunklen, angefaulten und kranken Blättern
ging da nieder, schwebten sanft in wirbelnden und kreisenden Bewegungen
zu Boden, auf einen großen Felsvorsprung, keine zwanzig Schritte
von dem obersten Riss der Höhle entfernt.
"Der dunkle Zauberer. Ich werde mich ihm stellen müssen!",
murmelte er und umklammerte den Stab fester, während er mit einer
magischen Handbewegung dafür sorgte, dass sich sein Körper vom
Boden löste und er fliegend auf den Hang zusteuerte, an welchem ein
schmaler Streifen Laubbäume wuchs.
Als er auf dem mit dunklem Laub, welches an vielen Stellen festgetrampelt
war, bedeckten Felsvorsprung landete, spürte er starke Windzüge,
die sich wie bei einem Wirbelsturm bewegten, sich vor ihm zu manifestieren
versuchten, dabei das ganze Laub aufwirbelte und es wie von Zauberei schwarz
färbte. Dann verstummte der Wind, das zischende Sausen in Sendinior’
s Ohren erlosch und Muragecht kniete wenige Meter vor ihm, hielt ein prächtiges
Schwert in den mit Lederhandschuhen versehenen Händen. Er war muskulös,
trug ein schwarzes Tierfell um die Schulten und einen schwarzen Tornister.
Vom Tierfell an bis zu seinen schweren, mit Eisen beschlagenen, ebenfalls
schwarzen Lederstiefeln mit der breiten Krempe, die ihm bis zu den Knien
reichten, hing ein giftgrüner Umhang und seine Rüstung war aus
geschwärztem Silber, das abgewetzt im spärlichen Silberlicht
des Mondes schimmerte. Sein kantiges Gesicht war ungewaschen und er hatte
eine große Nase, die gebrochen schien und doch passte sie hervorragend
zu den dunkelgrünen, von Stärke zeugenden Augen. Das ganze Gesicht
wurde von dünnem, silbergrauem Haar umspielt, das ihm in einzelnen
Strähnen vom Haupt hing.
Jetzt blickte er auf, sah seinen Gegenspieler belustigt an, erhob
sich dabei und legte die Hand auf das Schwert, was ohne Zweifel das Schwert
war, welches Milchemia vor einigen Tagen geschwungen hatte.
"Hallo Allagan!", sagte der dunkle Zauberer und Sendinior ging ausweichend
in Angriffsstellung, den Stab kampfbereit schwenkend.
"Was willst du, Muragecht?", fragte er ausspuckend und in dem Moment
griff Muragecht an. Mit einem Kampfschrei stürzte er, mit dem Schwert
weit ausholend. Dann schlug er, das eine Schwert mit nur einer Hand haltend,
zu und Sendinior konnte nur abwehrend den Stab in die Luft reißen,
um den Schlag zu parieren. Funken sprühten, als der Zauberer des Guten
eine Salve Magie in den knorrigen Stock schickte, damit dieser nicht beim
Angriff zerbarst, doch trotzdem war der Angriff des Dunklen stark und brachte
ihn aus dem Gleichgewicht. Allagan stolperte zurück, fing sich aber
im letzten Moment wieder und wehrte den zweiten Schlag ab. In seinen Händen
vibrierte es und ein brennender Schmerz wurde durch seine Hand geschickt,
als die Waffe auftraf, doch Sendinior hielt und drückte dagegen. Jetzt
konnte er alles aus der Nähe sehen, bemerkte die angestrengten Züge
auf Muragecht’s Gesicht, sah Stellen auf dem Schwert, welche Bruchstellen
ähnlich sahen, welche wieder zusammengefügt waren... Das Schwert
musste also schon einmal zerbrochen worden sein! Würde er es schaffen
es zu zerbrechen?
Diesmal drückte er mit voller Wucht gegen das Schwert, riss
es von sich weg und drängte den feindlichen Zauberer mit einem Schlag
des knorrigen Endes des Stabes ins Gesicht zurück, setzte seine Magie
frei, die in gleißender Helligkeit das Ende des Stabes verließ
und auf Muragecht zuschoss.
Dieser wischte sich seinerseits das Blut aus dem Mundwinkel, grinste
höllisch und schickte mit einer starken Geste einen Schwall dunkler
Energie gegen die von Allagan. Beide trafen sich in der Mitte und versuchten
sich gegenseitig aus dem Weg zu drängen, doch keiner der beiden Kämpfer
gab nach, jeder spannte die Muskeln bis kurz vorm Zerreißen an und
drückte seine Macht in den Streich. Ihre Gesichter glänzten vor
Anstrengung und waren mit Schweiß überzogen. Jeder Angriff kostete
sie unglaublich viel Kraft und Beide schienen sich ebenwürdig zu sein,
bis Muragecht zu seinem Schwert griff.
"Das ist unfair!", schnappte Sendinior und stemmte sich gegen die
feindliche Energie, grub seine Zehen in den Boden. Er hatte kaum noch kraft
zum Sprechen und die Energien waren so stark, dass sich wild zuckende Blitze
dort bildeten, wo die Mächte sich bekämpften. Wieder trat Wind
auf, ebenfalls von diesem bestimmten Punkt aus.
"Denkst du, ich mache das ganze hier zum Fair? Das ist meine Freizeit.
Das Mache ich zum Spaß!", erklärte ihm der dunkle Zauberer stockend
und riss seine Waffe in den Energiestrom, welcher dadurch vieles an Kraft
gewann und der dunkle Energieschwall Muragecht’s drängte Allagan’s
Zauber zurück, sodass sich schattige Linien des Bösen durch die
helle Magie des Guten wanden.
Sendinior war alt, viel älter als Muragecht und so konnte er
es auch nicht mehr lange aushalten, verbissen kämpfte er noch einige
Zeit, doch dann verließ ihn seine Kraft auf einmal und er wurde mit
der geballten Power des Bösen zurückgetrieben. Die schwarze Macht
drückte ihn zurück, zerfetzte seine Kleider, warf ihn über
den Abhang und schmetterte ihn gegen die gewaltige Felsnase auf der anderen
Seite der Klamm. Knochenbrechender Schmerz durchdrang sein Kreuz und zerrte
ihn nach einem laut hallenden Schmerzensschrei in die Bewusstlosigkeit...
"Geist der Erde, zeige mir deine Macht!"
Gerwin Cyprian beschwörte mit hallender Stimme den Geist der
Erde, während er mit weit ausgebreiteten Armen über dem See 'Ran'
schwebte. Das Wasser war jetzt alles andere als ruhig, Wind fegte darüber
und rief dabei kleine Wellen hervor. Das Wasser glitzerte mystisch und
eine leichte Stimme in der Luft sprach mit dem Druiden, dann schien ein
Schatten aus dem Wald aufzutauchen, wie ein Geist schwebte er über
das Land; es war die Seele, des Königs, der die Herrschaft der Erde
vor 120 Jahren angekündigt hatte. Jeder Lord, König oder Graf,
der einmal die Herrschaft eines Elements gepriesen hatte, wurde nach seinem
Tod als Herr über diesen Bereich eingeteilt. So auch dieser, König
Gerd Efmadul, der damals der Grund um den Kampf gegen die Gefilde der Gnome
war.
Der Schatten des Toten schwebte auf Gerwin zu, leicht und luftig,
wie ein laues Lüftchen, durchsichtig, flog über die unruhigen
Wasser des Sees und tauchte in Gerwin ein, verschmolz mit ihm. Der Druide
brauchte die Macht aller Elemente, um den Aufenthaltsort eines bestimmten,
unbekannten Lebewesens auszukundschaften, ohne selber erst an den Ort reisen
zu müssen und so redete er weiter wie in Trance versetzt:
"Geist des Himmels, zeige mir deine Macht!"
Da schwebte er an, kam von oben, ebenfalls wie ein Geist in einem
durchsichtigen, zerfetzten Leichengewand und verschmolz mit dem Zauberer.
Es war Lord Graiz Helem, der vor mehr als 500 Jahren die Drachenritter
aufleben hatte lassen, die sich auf den Rücken ihrer fliegenden Drachen
in den Himmel erhoben und somit die Lüfte erobert hatten. Später
wurde er dann zum Geist der Lüfte.
"Geist der Feuers, zeige mir deine Macht!"
Aus dem Lagerfeuer am Rande des Sees, aus der feurigen Glut, entsprang
ein Funke, der zu einem großen Geist des Feuers wurde.
König Brain Beck, ein Gnom, der mit seiner Armee von Bogenschützen
das heutige Ostland erobert hatte und zwar mit Feuerpfeilen, die er auf
seine Feinde hatte regnen lassen.
"Erhabener Geist des Wassers, zeige mir deine Macht!"
Aus den brodelnden Tiefen des Sees stieg die Seele des Lords der
Tiefe auf, ein Drache mit blau glänzenden Schuppen, der sich wie eine
riesige Schlange wand und sich dann ebenfalls mit dem Druiden vereinigte.
In dem Moment, in welchem alle vereint waren, erhielt er seine Vision,
das Wissen über den Aufenthaltsort Milliana’s.
"Ich sehe dich, Weib..."
Dann war er verschwunden und die Seelengeister kehrten in ihre Behausungen
zurück und dies nicht ohne, dass Muragecht die am Laufen gewesene
Magie gespürt hätte...
"Teleport ist die einzige Methode zu reisen, die nur Druiden des
höchsten Ranges zu Teil werden darf!"
Die Stimme Cyprian’s ließ den Dämonen zurückschrecken,
der Milliana’s Handgelenk immer noch fest umklammert hielt und dieser stieß
ein tierisches Gebrüll aus.
"Hilfe!", rief die rothaarige, wurde aber sofort von dem bösartig
grinsenden Dämonen, der sich sogleich wieder gefasst hatte, in den
Schwitzkasten genommen und musste so längere Zeit verharren. Seine
blut- und dreckverschmierten Klauen krallten sich in ihre Haare und zogen
ihr Haupt zurück, sodass ihr schutzloser Hals frei war. Gerade als
der Magier zu einem mächtigen Streich ausholen wollte, setzte der
trollartige Dämon ihr ein geschwärztes, abgewetztes Messer an
die Kehle und begann mit der Spitze leicht ihre Haut zu ritzen. Es war
nicht so, als täte dies ihr sonderlich weh, aber trotzdem rann ein
Faden von Blut aus der Wunde floss ihren Hals hinab und verlief sich auf
ihrer Brust
"Das würdest du nicht wagen!", brachte Cyprian hervor, versuchte
ihm durch eine Geste Einhalt zu gebieten.
"Doch, das würde er!", erklang eine hämische Stimme hinter
ihm und gerade als Gerwin sich umdrehen wollte um festzustellen, wer dies
war, erreichte ihn ein Fausthieb ins Gesicht, welcher ihn zwei Meter weiter
in den Matsch schleuderte. Es war Muragecht. Er wischte sich die blutbefleckten
Handschuhe an seinem Mantel ab.
"Lass sie!", brüllte er dem Dämon mit herrischer Stimme
zu, "Ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte, als ich seine Magie gespürt
hatte. Ich war gerade dabei gewesen, diesen dreckigen Zauberer fertig zu
machen! Dafür, dass du mir die Show vermasselt hast, wirst du büßen!"
Erschrocken trat der höllische Diener ein paar Schritte zurück,
während er das Mädchen aus seinen Fängen ließ. Der
dunkle Zauberer zog sein Schwert, holte aus und der Kopf des Dämon
kullerte über den Boden. Das Blut, welches an der Klinge geklebt hatte,
tropfte ohne auch nur die kleinste Spur zu hinterlassen von der Klinge
und tränkte die Erde.
Von weinerlichem Entsetzen gepackt saß Milliana im Schlamm
und hielt sich heulend und immer wieder schluckend ihr Kleid vors Gesicht.
"Na, wen haben wir denn da?", fragte Muragecht mit weicher, lieblicher
Stimme und bot ihr seine Hand zum Aufstehen an, "Eine schöne Blume,
ganz allein und umgeben von Schlamm."
Sie ergriff seine Hand und ließ sich von ihm in die Höhe
ziehen.
"Sie haben... mich gerettet...", stotterte sie und schob sich ihre
rostroten Haare aus dem Gesicht.
"Lass deine ekligen Grabscher von ihr!"
Die Stimme gehörte Gerwin. Er hatte sich wieder aufgerappelt,
obwohl seine Kleider nun durchweicht und dreckig waren, schaffte er es,
einen guten Eindruck zu machen. Den langen, knorrigen Zauberstab hielt
er kampfbereit Muragecht entgegen, seine Nase war gebrochen und aus ihren
beiden Löchern rann Blut.
"Du willst gegen mich kämpfen?"
Der dunkle Zauberer lachte.
"Was vermagst du schon zu tun, Alterchen? Dein Meister hat mich
nicht besiegt und der war viel stärker als du!"
"Sendinior?", seine Stimme war verstört und gepresst, "Ist
er...?"
"Nein, aber so gut wie!", beantwortete Muragecht ihm seine Frage,
"Wenn er mich nicht besiegen konnte, wirst du es auch nicht können!"
Noch immer forderte Gerwin ihn heraus:
"Es hat nichts mit Kraft zu tun, sondern..."
"...mit Weisheit? Alter, du laberst einen Scheiß daher, ich
könnt’ mich sofort übergeben!"
"Nein, mit Hass!"
Die letzten Worte hatte er geschrieen und ohne Vorwarnung griff
er an, den Stab schwingend. Sein erster Angriff mit dem Stock erwischte
den dunklen Zauberer an der Schläfe, dann, statt dem Schwerthieb auszuweichen,
schlug er abermals zu und diesmal so fest, dass Muragecht benommen einige
Schritte zurücktaumelte. Seine Finger glitten zu der Wunde, die der
Druide ihm zugefügt hatte, dann nahm er sie wieder herunter, betrachtete
sie eingehend und zerrieb das Blut zwischen seinen Spitzen.
"Wie wagst du es..."
Kaum, dass der Dunkle den Satz fertig ausgesprochen hatte, war der
alte Mann in eine Geduckte Haltung gegangen und hatte dann den Stab wirbelnd
in die Luft gerissen. Seine Gewänder hatten sich mit Wasser vollgesogen
und bei der jetzigen Bewegung, spritze es nur so aus den Klamotten.
Der Schlag hatte gesessen, er hatte den Kieferknochen Muragecht’
s zertrümmert und diese Überlegenheit machte den Druiden stark,
er schrie laut und hasserfüllt, während seine Halsschlagader
bedrohlich pulsierte und deutlich hervortrat:
"Gib auf, Muragecht, mein Hass ist größer! Deine Herrschaft
des Bösen ist vorbei!"
Und damit riss er ihm das eine Schwert aus der Hand, unwissentlich,
was er damit anrichten könnte, er bedrohte ihn damit.
"Lass die Waffe fallen, du weisst nicht, was du damit anrichten
kannst!", versuchte ihn der Böse plötzlich wie gewandelt davon
abzubringen, das Schwert zu benutzen. Gerwin hörte nicht auf ihn,
sondern schlug mit dem Schwert zu, Muragecht wich aus und der Schlag drang
in einen Felsbrocken ein, sprengte ihn gar von innen, sodass große
Steinsplitter durch die Luft geschleudert wurden. Einer der Brocken erwischte
Milliana am Kopf und sie wurde bewusstlos.
Der Druide sah staunend, noch nie hatte er eine solche Macht in
Händen halten können und es reizte ihn, sie zu gebrauchen. Mit
geballter Wut hieb er um sich, schlug nach Muragecht, der sich immer wieder
wegrollte und schließlich wieder auf die Beine kam, doch da streifte
der Schwerthieb seine Schulter.
"Ah..."
Die Klinge hatte seinen Schutzpanzer zerfetzt und seine Schulter
blutete stark, obwohl sie nur gestreift worden war. Schließlich hielt
Muragecht inne, versuchte jetzt nicht mehr auszuweichen, sondern blickte
aus glasigen, qualvollen Augen auf, zu dem, der mit dem Schwert weit hinter
dem Kopf ausholte, um den finalen Streich zu tun:
"Mein Lebenssaft versiecht und meine Kraft schwindet... Du hattest
recht... Dein Hass ist größer, Muragecht... Weißt du...
Muragecht ist ein Titel, den du dir jetzt verdient hast... Er bedeutet
dunkler Fürst... oder Fürst des Todes...", dann wandte er seinen
Blick von Gerwin und blickte wieder zum Himmel, wo sich die Wolken wie
unsichtbare Fäuste ballten und wallend in dunklen Farben prangten,
"Herr... Hier ist dein neuer Fürst des Todes...!"
Die dunklen Wolken schienen sich zu verkrampfen und ein Donnern
ertönte, doch dann zerfetzte ein wütender Schrei die Prozedur:
"Nein, das ist nicht war!"
Es war Cyprian’s Stimme, die nun heller, schriller und bösartiger
war als sonst irgendwas und in dem Moment, als er die zerstörerische
Klinge hinabsausen ließ, den Schädel des Bösen genau in
der Mitte zerteilte, wurde Gerwin Cyprian zu einem Fürst der Finsternis,
zu Muragecht...
Der Himmel entlud sich einem weiteren Wolkenbruch und der Regen
floss in Strömen und das tat er nicht nur auf die Erde, sondern auch
auf das Haupt des Totenfürsten, dessen Augen nun wie in einem Blutrausch
glommen und eine unsichtbare Macht von dem nun toten Kerl auf ihn herniederbrach
und seine Seele verunreinigte...
Weiter hinten in einer großen Pfütze, umgeben von Schlamm
und Schlingpflanzen, lag Milliana, schwer atmend und mit einer stark blutenden
Wunde am Kopf, dem Tode nah. Ihre Lippen bewegten sich, sie wollte etwas
sagen, brachte aber nichts mehr heraus, denn die Verletzung war zu stark
und der Blutverlust zu hoch. Schon die Anstrengung der Wanderschaft hatte
ihre Kraft bis auf das letzte Körnchen aufgezehrt.
Jetzt quoll ein Strom Blut aus ihrem Mund, dunkel, es war das Zeichen
für ihren Tod. Der Lebenssaft vermischte sich mit dem Wasser des Regens
welcher immer noch ununterbrochen fiel, dann war sie tot und ihre Lider
schlossen sich ein letztes mal.
Hinter den Bergen ging die Sonne auf, durchdrang den Regen Regenbogenfarben
und erhellte die vielen schattigen Gemüter...
Hätte man hören können, was sie in ihrer heimlichen
Stille vor dem Tod gesagt hatte, hätte man dies hier vernommen:
"Dein einer Meister geht, der andere kommt... Und ewig weilt die
Zerstörung..."
© Benedikt
Julian Behnke
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