Warior war leicht zu finden gewesen, denn er hatte sich nicht unweit
von ihrem Kampfschauplatz entfernt gehabt und sich dort versteckt.
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Er duckte sich noch tiefer hinter dem kleinen Hain und presste die
Hände auf den Mund, um nicht lauter zu atmen. Die Wunde schmerzte
fürchterlich und wollte nicht damit aufhören. Bei jedem Schritt
brannte und stach sie, bis Warior schließlich aufgab und sich ins
Moos fallen ließ, um dort auf den Morgen zu warten, doch nur kurze
Zeit später tauchten seine Freunde auf, keuchend und von Hecken zerzaust
standen sie mit blutbefleckten Klamotten vor ihnen. - |
Schweigend gingen sie dann, nachdem Warior einen Heiltrank getrunken
hatte und der Morgen bereits graute, zu den nicht ganz so weit entfernten
Hütten, um da den weiteren Tag zu verbringen.
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Da die Schattenwesen nur in der Nacht angriffen, konnten die Gefährten
am Tag sicher sein, beim Schlafen nicht überrascht zu werden und waren
darum guter Dinge. Als Warior den roten Heiltrank zu sich nahm, erschauderte
er, denn das Gesöff schmeckte widerlich und als er die Anderen darauf
ansprach, stimmten die ihm gutgläubig zu. Langsam ging die Sonne im
Osten auf, erhellte den finsteren Wald, indem sie ihre Strahlen durch Astlöcher
und die Blätter fallen ließ, und erwärmte den taufrischen
Boden. Alle waren sie verschwitzt und durchnässt, doch der rote Feuerball
am Himmel hatte ihre Kleider schnell getrocknet und nachdem sie ein Bad
im See genommen hatten, ging es ihnen gleich viel besser. - |
Den restlichen Tag verbrachten sie im Wirtshaus und irgendwann am Nachmittag
wachte Savamir auf und schlug die wärmende Decke zurück.
Savamir gähnte ausgiebig, reckte und streckte sich, schlug die
dicke Decke beiseite und richtete sich vorsichtig aus dem Bett auf. Auf
dem kleinen Nachttisch neben ihm standen ein Tablett mit Gebäck und
Milch und seine Kleider waren über einen dunkel lackierten Stuhl gehängt.
Die Fensterläden waren weit aufgerissen, der kalte Wind bauschte die
Vorhänge, der Krieger begann leicht zu frösteln und zog daher
in aller Eile seinen frisch gewaschenen Waffenrock aus Wildleder an. Neben
ihm, am anderen Ende des Raumes, stand ebenfalls ein ziemlich durchwühltes
Bett, was darauf hindeuten musste, dass bis vor kurzem jemand darin geschlafen
hatte. Savamir schüttelte seine Arme und Beine und merkte, dass er
einen leichten Muskelkater in den Gelenken hatte, obwohl er solche Aktionen
beinahe jeden Tag durchstand. Während er noch überlegte, tauchte
er ein Stück Keks vom Tablett in die Milch und begann dann langsam
darauf rum zu kauen. Was hatte die Bäuerin eigentlich zu dem Tod ihres
Mannes gesagt? Er hatte es vergessen, jedenfalls wusste er, dass sie nicht
in Tränen oder Wutanfällen ausgebrochen war, was ja schon ein
mal ein gutes Zeichen war, denn sei konnten eine verzweifelte Frau im Moment
wirklich nicht gebrauchen. Schnell verspeiste er einen weiteren Keks und
trank die Milch leer, wahrscheinlich warteten die anderen schon unten auf
ihn. Sofort legte er seine weiteren Sachen an, schloss das Fenster und
machte die Betten, dann öffnete er die Zimmertür. Er trat in
einen langen Gang, welcher vermutlich im zweiten Stock war, da vor ihm
eine hölzerne Treppe in die Tiefe ragte. Schnellen Schrittes ging
er sie mit schweren Stiefeln herunter und das eine oder andere Knarren
war dabei zu vernehmen. Mit der Hand strich er dabei über das Geländer
und merkte, dass kein Staub wie gestern mehr darauf war, sondern eher eine
wachsige Schicht, als würde es frisch abgewaschen sein. Unten trat
er aus einer Seitentür in einen weiteren Gang, in welchem auch die
Küchentür eingelassen war. Stimmengewirr drang an sein Ohr und
er ging in Richtung Theke, welche ebenfalls am Ende des Ganges aufgerichtet
worden war, um die Gäste nah der Küche bedienen zu können.
Als er an derselben vorbei kam, erfasste er durch das Schlüsselloch
reges Treiben von Kindern und einer breiten Frau in ihr. Alles war blank
geputzt und beschäftigt rannten die Söhne mit Kochmützen
herum. Über einem roten Seidenhemd trug die alte Dame eine weiße
Kittelschürze und befehligte die Truppe. Da wurde die Tür aufgerissen
und ein viel beschäftigt erscheinender Junge mit einem Tablett auf
dem Arm trat heraus.
"Was geht hier vor?" brachte Savamir gerade noch so heraus, bevor
der junge Mann ihn umgerannt hätte.
"Weißt du das noch nicht? Unser Herr Vater ist tot und die
Herrin macht jetzt seinen Job. Die Belagerung der Burg geht erst heute
Nacht weiter, die Schattenwesen haben sich vorerst auf einem Hügel
unweit des Schlosses zurück gezogen und warten dort auf den Abend.
In der Zeit kommen die Leute zu uns, um Vorräte zu kaufen und hier
ein Mittagessen einzunehmen..." Aus dem nachsichtigen, ungläubigen
Ton wurde nun ein jähzorniger Blick. "Der Alte hat den Laden hier
in einen Schrotthaufen verwandelt, doch seit Mama hier putzt und kocht
kommen wieder mehr Menschen her! Sie hatte ihn noch nie gemocht und hätte
ihn auch nicht geheiratet, wenn ihre Eltern das nicht unbedingt gewollt
hätten!" Kaum war er fertig mit seiner Geschichte, ließ er Savamir
einfach stehen und verließ den Korridor in Richtung Schenke. Savamir
folgte ihm und begann, als er neben ihm lief und seinen Rhythmus gefunden
hatte, wieder das Reden:
"Habt ihr eine Karte... von diesem Land hier?" Als er keine Antwort
vernahm versuchte er es weiter: "Ich meine... wir haben nur eine vom Schloss
und die Gegend einen Kilometer darum, das heißt, sie geht nur noch
gerade so bis zu eurer Hütte!"
"Das ist nicht mein Problem!" stritt der Andre ab und verweigerte
seine weitere Hilfe, doch plötzlich blieb er stehen und seine Stimme
klang rauer und wie geflüstert, als er ihm direkt in die Augen sah.
"Es ist mir zwar nicht erlaubt darüber zu sprechen, aber Großmutter
lebt unweit von hier in einem Sumpf im Süden! Sie muss noch Kartenmaterial
haben... aber sagt bitte nichts Mutter", stammelte er plötzlich und
sah sich entsetzt um, "sie hört es nicht so gerne, wenn man darüber
spricht!" Endlich verließ er den Gang und stellte das Tablett auf
die Theke. Wirklich, der ganze Saal war überfüllt von plaudernden
Besuchern. Irgendwo dazwischen mussten auch seine Freunde sein. Zielstrebig
ging er genau zwischen das Getümmel, teilte die Menge, indem er sie
einfach beiseite drückte, und verlor schließlich ganz den Orientierungssinn.
Er seufzte und steuerte dann einfach auf einen runden Tisch in der Nähe
zu, an welchem ungefähr zehn Personen saßen. Es war kein Platz
mehr frei, doch für einen Moment lauschte er den aufgeregten Stimmen
der Besucher:
"Also ich hab gestern die ganze Zeit vor Angst gezittert!" erläuterte
einer der Gäste und ein Anderer stimmte mit einem höhnischen
Lachen ein:
"Angst? Wer hat denn da schon Angst?" Wieder wurde gelacht und die
Person, die gerade schon gelogen hatte, prahlte munter weiter: "Ich hab
schon mal was richtig schreckliches erlebt, als ich achtzehn war!" Der
Mann war etwas ergraut, hatte eine große Nase und einen dichten,
hellbraunen Vollbart um sein doppeltes Kinn. Seine Haare trug er lang und
seine Augen schützten eine Brille. Gekleidet war er mit einem roten
Rock und trug dunkle Lederstiefel. Am Gürtel hatte er einen verzierten
Säbel und auf seinem Kopf trug er einen dreieckigen Hut mit buschiger
Feder. Jetzt gab er seine Geschichte weiter zum Besten:
"Da war ich mal mit meinem Schiff mitten aufm Meer und hab einen
Kutter überfallen! Hah!" Er lachte. "Jedenfalls steh ich da so am
Ruder und ruf: 'Klar zum Entern!' und da schießt der Frachter
plötzlich mit Kanonen!" Jetzt war Savamir sicher, dass dieser Kerl
ein gestandener Pirat war und seine Kleidung erschien jetzt nicht mehr
ganz so lustig. "Eine schwirrt grad neben mir vorbei und zerfetzt den Hauptmast!"
Dabei gestikulierte er mit der linken Hand, welche wahrscheinlich die Kanonenkugel
symbolisieren sollte. "Das Holz zerbarst und die ganzen Splitter sausen
durch die Luft", er pfiff durch die Zähne, "und dabei hab ich mir
die Verletzung hier zugezogen!" Nun fegte er mit dem Arm seinen Mantel
beiseite und ein Stummel ragte da hervor, wo eigentlich sein Arm hätte
sein sollen.
"Na, da guckt ihr was?" feikste er dann als die anderen erschrocken
aufsahen und erschüttert das Gesicht verzogen. Da wo der Stummel des
Arms endete, war der Ärmel mit einer Klammer zusammengehalten und
der fremde Pirat grinste breit und ließ den Beweis seiner Tapferkeit
wieder unter dem Samtmantel verschwinden.
"Nicht umsonst heiß ich doch Kapitän Kampfsporn!" Nach
einem kurzen Blick in die Runde murmelte er entsetzt:
"Oh, schon so spät? Ich muss jetzt auch los, ne! Bis bald!"
Er winkte ihnen zu und hinterließ einen bleibenden Endruck. Nach
einer kurzen Pause des Nachdenkens, folgte Savamir Kampfsporn instinktiv.
Er verließ die Stube, also tat der Kämpfer das gleiche. Draußen
lief der Pirat zu einem Karren in der Nähe, welcher mit Stroh und
Kohl beladen war, und lehnte sich gegen die Deichsel. Dann seufzte er tief
und vielsagend und sah in den endlos blauen Himmel hinein. Die Sonnenuhr
an der Hauswand des Bauern zeigte ihm, dass es bereits vier Uhr abends
war und sie sich unverzüglich in der nächsten dreiviertel Stunde
auf den weiteren Weg machen mussten. Auf einmal hatte Savamir eine Idee,
wie er schnell zu dem besagten Sumpf kommen könnte und genau so flott
auch wieder zurück, also fragte er den Piraten, welcher sich gerade
auf den Kutschbock setzen wollte. Vor dem Wagen war ein Schimmel mit blonder
Mähne festgebunden, welcher das Ganze ziehen sollte.
"Können sie mich mitnehmen?" fragte der Ritter höflich
und stellte sich dann vor, "Savamir Gondolin!"
"Savamir!" erklang eine Stimme hinter ihm und Warior rannte den
kleinen, begrasten Hang zum See hinunter. "Was ist los?"
"Mein Bruder, Warior Gondolin!" stellte er ihn sogleich vor und
meinte dann zu diesem gewand: "Ich habe von einem der Söhne hier gehört,
dass eine alte Frau im Süden weitere Teile der Karte hat! Das würde
unsere Reise erleichtern!"
"Und jetzt wollt ihr fragen, ob ich euch da hin bringen kann?" Die
beiden nickten eifrig, der Pirat klopfte auf das Stroh auf dem Wagen. "Setzt
euch drauf! Ich bring euch so schnell wie möglich hin! Auch übrigens,
Sam Halkman mein Name!" Gerade wollte Savamir auf den Karren klettern,
da stockte er:
"Ich dachte, sie heißen Kapitän Kampfsporn?" Das Holz
am Wagen fühlte sich warm und staubig an. Der Geruch von frisch geschlagenem
Heu lag in der Luft und die Sonne schien warm, doch trotzdem verharrte
Sam ein paar Minuten, bis er fast weinerlich dreinschaute und dann mit
einer kläglichen Stimme murmelte:
"Ich... bin nicht wirklich ein Pirat... oder Kapitän... das
war ich nie gewesen..."
"Aber sie haben doch...", unterbrach ihn der Krieger, "....die Verletzung!"
Kampfsporn zuckte die Achseln.
"Ein Reitunfall!" Er schwieg wieder und setzte dann hinzu: "Ich
wollte für mein Laben gern Pirat sein, doch im Hafen wollte mich keiner
aufnehmen, also..." er begann ohne lautes Schluchzen zu weinen, "....also
erfinde ich meine eigenen Geschichten!" Er beugte sich nach vorne und die
Tränen fielen in das saftige, dunkelgrüne Gras.
"Was ist denn mit dem los?" fragte Savamir erstaunt und zugleich
verwirrt, doch in Wirklichkeit hatte er den Sinn der Erzählung verstanden.
"Wo kommst du überhaupt her und wo sind die anderen?" Der Karren
setzte sich langsam und ratternd in Bewegung.
"Wir haben oben nach den Armeen gesehen! Sie haben sich wirklich
auf einem sandigen Hügel zurückgezogen, fast mitten in der Wüste,
da regt sich nichts, nur kleine Türme aus schwarzen Wurzeln sind zu
sehen! Wahrscheinlich ihre Unterkünfte!" erwiderte Warior. "Die Brüder
vom Orden des weißen Drachen sind noch oben und Gisildur schläft
noch!"
"Wo soll’s noch mal hingehen?" erklang die Stimme des improvisierten
Kutschers.
"Nach Süden, zum Sumpf!" rief Savamir ihm zu und dann begann
er Warior von seinen Erfahrungen zu berichten. Der Weg führte einen
breiten, rauen Pfad mit vielen orange bis gelben Sandsteinen an einer Klippe,
welche in die gleiche Farbe getaucht war, hinauf. Nur spärlich war
der Weg mit Farnen und trockenen Büschen besäht und die Brüder
waren erstaunt, warum es bergauf ging, obwohl die Sümpfe zweifellos
im Tal lagen, also fragte Savamir einfach mal:
"Warum geht’s hier bergauf? Die Sümpfe liegen doch unten!"
Von hier oben konnte man zwischen den Wäldern freie Plätze mit
grauem Boden und dazwischen aufragenden, kegelförmigen Felsen erkennen,
welche dort in großer Anzahl standen. Es waren die Sümpfe und
ein leichter Nebelschleier hing über ihnen und wurde von den Felsspitzen
sanft zerteilt. Hier oben wehten warme Winde, Sam ließ das treue
Pferd schneller traben und antwortete mit einem belehrenden Unterton in
der Stimme:
"Weil es nur diesen einen Weg gibt! Man kann mit einem Karren nicht
durch den Wald!" Jetzt verstanden die anderen und nickten staunend, denn
sie richteten ihren Blick gerade auf die fruchtbare Landschaft unter ihnen.
Der Weg war uneben mit Kies gepflastert und über ihnen hörten
sie das energische Kreischen von kreisenden Geiern.
"Woher kommst du eigentlich?" fragte Savamir, der Wind wehte durch
sein Haar und er musste die Augen zukneifen, um nicht von den Strahlen
der Sonne geblendet zu werden, denn um diese Uhrzeit war der Feuerball
heißer als am Morgen. Fast war er schon hinter einem der aufragenden
kontrastiert, doch immer noch erhellte sein Feuer den unter dem Berg liegenden
Wald.
"Ich komme aus der Bauernburg im Osten!" Auch er bekam Schwierigkeiten
mit der Sonne und schloss die Augen für einen entscheidenden Moment
der Stille. "Soweit ich weiß, ist sie der sicherste Platz hier in
der Umgebung!" Er rümpfte die Nase und hob das behaarte Kinn. "Sie
steht auf einem Berg, klein, abgelegen und sicher! Aber im Moment werden
auch wir belagert! Die Armeen haben den ganzen Fuß des Berges eingenommen
und es wird nicht mehr lange dauern, dann... Also wenn ich euch abgesetzt
habe, muss ich gleich weiter und die Nahrungsmittel abliefern."
"Dann hast du ja nicht mehr viel Zeit!" bemerkte Warior und der
Kapitän drehte sich zu ihm um, musterte ihn und lachte dann:
"Der alte Kampfsporn hat schon schlimmeres erlebt und wird das wohl
oder übel auch noch schaffen!" Er spielte seine Rolle als einsamer
Pirat perfekt. Um seinen Vorsatz zu bekräftigen, klemmte er die Zügel
unter den Armstumpf und zog mit der anderen Hand seinen Säbel. Wie
von der Biene gestochen fuchtelte er mit diesem herum und jauchzte vor
Glück, während die beiden Brüder laut lachten. Plötzlich
wackelte der Wagen sehr stark, da sie über einen großen Stein
gefahren waren, Savamir verlor das Gleichgewicht und aus dem Lachen wurde
ein verzweifelter Aufschrei. Er kippte über den Rand des Wagens, rollte
ein paar Zentimeter über den Boden und fiel schließlich mit
einem Entsetzensschrei Warior’s über die Klippe.
"Verdammt!" rief Sam aufbrausend und zog an den ledernen Zügel,
bis das Tier sich aufbäumte, wieherte und schließlich wieder
stand. Warior sprang noch während der Wagen in der Fahrt war aus diesem
und sah in die Tiefe. Die Wand fiel steil, fast senkrecht, nach unten ab
und Savamir hatte sich noch schnell an einen aus einem Schlitz im Felsen
heraus ragenden Ast klammern können, doch dieser schien sein Gewicht
nicht mehr lange halten zu können und knarrte vor Empörtheit.
"Bist du verrückt, Junge!" schollt Halkman, verließ den
Wagen, kam ebenso schnell wie Warior zur Unfallsstelle gelangt war an.
Mit dem Säbel deutete er auf ihn und schimpfte:
"Mach das nie wieder!"
"Denken sie, ich hänge hier zum Spaß rum?" verteidigte
sich der Unglücksrabe mit scharfer Zunge und versuchte mit den Füßen
Halt zu finden, doch er rutschte immer wieder ab und Steine polterten gebröckelt
in die Tiefe.
"Da!" sagte der Alte und warf Warior ein Seil zu, welches er unter
dem Heu hervor gekramt hatte. "Wir haben wenig Zeit, also mach schnell!"
"Okay!" murmelte der Kämpfer, nickte, zog sich den Gurt, an
welchem sein magisches Schwert befestigt war, über den Kopf und legte
die Waffe neben sich auf den Boden, während er eine Schlinge mit dem
Seil knüpfte.
"Oh, was haben wir denn da?" gluckste der Pirat und ließ seine
Augen über das verzierte Schwert schweifen. "Mama Mia!" japste er
dann und bückte sich, um die Waffe aufzuheben. Seine Augen funkelten
in einem diebischen Licht und als Warior seine Blicke bemerkte, legte er
die Waffe ein Stückchen weiter weg, wobei er den Alten mit bösen
Augen löcherte, dann warf er Savamir das Seil zu und knotete das andere
Ende am Wagen fest. Der Kapitän verzog das Gesicht zu einem beleidigten
Ausdruck.
"Du magst wohl keine Fremden, wie?" rätselte er und Falten
über seinen Brauen verliefen fast senkrecht zu seiner Nase, dann griff
er wieder mit der einen Hand an den Säbel und redete verärgert
weiter: "Hältst dich für den besten, wie?" Sam zitterte vor Wut
am
ganzen Körper. "Willst mich auch ausrauben, hä? Ja, ja, das willst
du, da bin ich mir sicher!" Und damit führte er das lange, in der
Sonne glänzende Messer dicht an Warior’s Wange und begann an dessen
dunklen Haaren herumzuschneiden. Die erste Strähne fiel ab und landete
auf dem Boden. Bisher war Warior ruhig geblieben, doch dieser selbsternannte
Pirat trieb ihn zum Wahnsinn, also sprang er kurzerhand auf, formte die
Hände zu einem Trichter und rief Savamir zu:
"Warte, versuch schon mal alleine weiter zu kommen, wenn du willst!"
Wie Magie hatte das Schwert Halkman angezogen und nun versuchte dieser
es um jeden Preis zu bekommen und am besten ginge dies, wenn er es mit
einem rechtlichen Vorsatz tat, nämlich dass die Beiden ihn überfallen
hätten, doch Warior durchschaute seinen Plan, zog in einer schnellen
Bewegung das Schwert aus der Scheide, vollführte einen senkrechten
Kreis, sodass ein Stück von Sam’s Bart abgeschnitten wurde und dieser
sofort einen Schritt zurück wich.
"Fast hättest du mich getötet! Das ist versuchter Mord,
dafür wirst ins Gefängnis kommen!" Wieder schlug der Kämpfer
schnell, diesmal aber horizontal zu. Der Gürtel des Piraten-Kapitäns
wurde durchtrennt und seine Hose rutschte bis zu den Stiefeln.
"Verzeiht mir, Herr, wenn ich euch belästigt habe..." schlotterte
er plötzlich ängstlich und zog peinlich berührt die Hose
hoch, nur, damit sie sofort wieder rutschte und Warior lachte.
"Ihr braucht euch nicht zu entschuldigen, alter Mann, ihr müsst
uns nur zum Moor fahren!" kicherte der und schob die Klinge wieder zurück
in die Schwertscheide, dann half er Savamir hoch und sie fuhren als wäre
nichts gewesen weiter. Sam war jetzt merklich stiller und murmelte nur
ab und zu ein 'aha!' oder 'hm!', wenn die beiden über bekannte Sachen
redeten. Er fühlte sich eingeengt und, trotz des Trubels hinten auf
seinem Wagen, verlassen und ausgenutzt. Am liebsten wäre er gleich
gestorben, doch wenn er das tun würde, würden ihn die beiden
Brüder sicher töten.... Er überlegte, um nachzuprüfen,
ob sein Gedanke korrekt war, doch er kam so oder so zu dem gleichen Ergebnis,
dass er nämlich nicht mehr wusste, was er soeben gedacht hatte. Nun
ging der Weg etwas bergab und kurvte leicht nach rechts zu den Wäldern
hinunter. Nun war es fast dunkel und bald würden die Schattenwesen
aus ihren Verstecken wieder völlig gesund und munter hervortreten.
Das Problem war, wenn ein Kämpfer für das Gute starb, stünde
er als Schattenwesen wieder auf und würde gegen die eigenen Leute
kämpfen. Aber wenn ein Schattenwesen starb... nein, das konnte es
gar nicht, es konnte nur zerstört werden. Also wenn ein Schattenwesen
zerstört worden war, würde es in der nächsten Nacht wieder
zu neuem Leben erwachen. Solange Muragecht das Schwert besaß, konnten
die Bösen nur zurück gedrängt, nicht aber vernichtet werden.
Weit in der Ferne zwischen den Wolken erkannten sie schließlich die
Bauernburg auf dem Berg. Die Sonne strahlte die prächtigen Türme,
Dächer und Giebel golden an und erhellte die Berge auf ihrer westlichen
Seite. Fast schon war der rotglühende Feuerball untergegangen und
tauchte die bewaldete Umgebung nun in rotes, gleißendes Licht, welches
von den glatten Felsen oder den Seen widergespiegelt wurden.
Kaum eine Stunde bevor die Sonne tatsächlich untergegangen
wäre, erreichten sie den Rand des Sumpfes und Sam machte sich auf
und davon, noch rechtzeitig auf der Bauernburg zu sein.
Ein modriger Geruch schlug ihnen in die Nase und giftige Nebel erhoben
sich von dem dreckigen Tümpelwasser des Sumpfes. Der Wind säuselte
leicht in ihre Ohren und ihre Bewegungen schienen träger zu werden,
doch mutig setzten sie einen Fuß vor den anderen und hinterließen
jedes mal einen tiefen Abdruck im Schlamm. Gerippe von Ochsen oder anderen
Tieren lagen mit Algen behangen in den tiefsten Stellen des Sumpfes und
mitten zwischen den Knochen ragten spitze, zahnartige Felsen empor, und
um einen dieser Felsen waren Fackeln in den schwarzen Schlamm gesteckt.
Hier regnete es leicht und die nieselnden Regentropfen durchnässten
ihre Mäntel, welche sie sich zum Schutze übergestreift hatten.
Die Kapuzen hatten sie Tief in die Stirn gezogen und sie versuchten mit
den Füßen tastend die besten Stellen im Sumpf zu finden, doch
jetzt schon steckten sie fast bis zu den Knien im Matsch. Immer wenn ein
Regentropfen auf dem Wasser landete, tat es ein platschendes Geräusch
und viele kleinere Tropfen explodierten aus dem einen. Bald wurde der Regen
stärker und auch der wild nach allen Seiten tosende Wind nahm zu.
Die Schatten wurden länger, doch war es in dem Sumpf so dunkel, dass
man diese nur schemenhaft auf dem schwarzen Boden erkennen konnte. Nach
geraumer Zeit erreichten sie einen mit Fackeln gespickten Weg, welcher
sich in vielen kurzen und Drehungen zu einem besonders großen, kegelförmigen
Felsen schlängelte. In den Weg hatte man Bambusröhren gelegt,
um sicher über den Sumpf gehen zu können, doch der grüne
Stamm war rutschig und fast wären sie hingefallen. Plötzlich
tauchte aus dem Nebel vor ihnen eine kleine, direkt an den Fels gebaute
Hütte auf. Auf ihrem Dach lagen feuchte Algen und nasser Schlamm und
die Glut der Fackeln beleuchtete nur wenig von den Schatten in der Ecke.
"Das soll das Haus sein? Hier lebt doch eher eine Hexe!" versuchte
Warior seinem Bruder klar zu machen, doch der wusste schon mehr und meinte
über das Tosen des Sturmes hinweg:
"Du bist näher dran als du glaubst, Brüderchen!" Er sagte
das in einem leicht abfallenden Ton und man hätte es als Provokation
aufnehmen können, doch der Schwertträger verstand Savamir nicht
so richtig und versuchte nachzuhaken:
"Was?" Doch dann begriff er: "Was...", echote er und zog die eine
Braue hoch. "Du willst doch nicht etwa sagen, dass da drin eine..." Er
wagte es nicht zu sagen.
"...Hexe ist?" vervollständigte Savamir den Satz seines Bruders
und lächelte. "Es gibt so viel schreckliches in der Welt und du zitterst
vor einer Hexe!"
"Aber was ist, wenn sie böse ist?" warf dieser ein und hob
die Arme um seinem Bruder visionsartig die Gefahr zu zeigen.
"Das sind sie meistens!" Während Savamir weiter über die
Holzplanken auf die Hütte zustieg, blieb Warior stehen und deutete
mit dem Finger auf den vermeintlichen Krieger. Er holte tief Luft und wedelte
weiter anklagend mit dem Finger.
"Ich werde jetzt zu den Andern gehen und... und..." ihm fiel nichts
weiteres ein, er winkte ab und verschwand schließlich wieder in Richtung
Waldrand. Ein Lächeln huschte über Savamir’s Gesicht und er verzog
die Augen, strich sich durch das dunkelblonde Haar und tat dann die letzten
paar Schritte zu der Hütte. Genau in dem Moment als er anklopfte zuckte
ein gleißender Blitz über den Himmel und es wurde schlagartig
dunkel, dann donnerte es polternd und krachend. Mit einem quietschen wurde
die kleine Tür aufgezogen und eine alte, weißgraue Dame mit
Haaren wie Silber stand vor ihm und musterte ihn eindringen.
"Du musst Savamir Gondolin sein!" flüsterte sie mit einer krächzenden
Stimme. Am Körper trug sie fließende Tierfelle und auf dem Kopf
einen wurzelartigen Hut. In ihrer knochigen, mit spitzen Fingernägeln
gespickten Hand hielt sie einen knorrigen, alten Stab und sie hatte tiefe
Falten in ihrem heimtückischen Gesicht. Fast Furchen, konnte man dazu
sagen und ihre Füße steckten in ledernen Pantoffeln.
"Komm doch rein!" hauchte sie dann. "Du musst nass sein und frieren!"
Immer noch schweigend trat Savamir dann ein und obwohl er nicht wusste
,was er zu sagen hatte, versuchte er mit ihr ein angeregtes, aber dennoch
langatmiges Gespräch zu führen.
Als die Türme aus schwarzen Wurzeln, welche lila schimmerten,
aufbrachen, entstiegen ihnen Gilde des Todes, Diener der Unterwelt und
Lakaien des Muragecht.
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Als die drei Gefährten erkannten, dass die Sonne hinter dem
Berg verschwunden war, zersprangen die Kokons der Schattenwesen und sie
wurden mit viel Gekreische und Gebrüll verfolgt. Ein schwarzer Pfeil
durchbohrte Isribus Schulter und dieser fiel, sich noch im Flug krümmend,
in den sogleich aufspritzenden Sand und hielt krampfhaft seine Wunde, aus
welcher Blut hervor trat. Die anderen rannten weiter und versuchten noch
zu entkommen, doch aus den Flüchtenden trat Badenius plötzlich
hervor und stellte sich mit gezücktem Schwert den geifernden Monstern
entgegen. - |
Gisildur wachte auf und ging nach einem ausgiebigen Frühstück/Abendessen
in den Hof hinaus, um kurz auszutreten, denn ihr Abreisetermin war für
den Einbruch der Dunkelheit geplant und sichtlich war es jetzt so weit.
- |
Zum Zeitvertreib schlenderte Gisildur die kleine Böschung zur
Wüste hinauf und pfiff dabei ein frohes Liedchen. Der schon dunkler
werdende Himmel war von Wolkenfetzen verhangen und der Mond schien sachte
hindurch. Weiter vorne im Sand beobachtete er ein reges Treiben und als
er genauen hinsah, erkannte er seine Freunde auf der Flucht vor den Schattenwesen,
die zu Tausenden herumwuselten. - |
Sam erreichte gerade so die Bauernburg, bevor das Gewimmel von Monstern
in der Umgebung losbrach.
Badenius zertrennte mit einem gekonnten Schlag den ersten seiner
Gegner. Das schwarze Blut spritze ihm ins Gesicht, doch das ließ
ihn völlig kalt. Langsam begann Isribus sich wieder zu bewegen und
versuchte sich erneut aufzurichten, doch der Pfeil steckte so tief drin,
dass die Spitze bei jeder seiner Bewegungen auf eine sehr empfindliche
Sehne stieß. Ein Gefühl der Wut umkrampfte ihn nun und er ließ
die Luft durch die Zähne in den aufwirbelnden Staub gleiten, dann
zog er mit einem schnellen Ruck den Pfeil heraus und stöhnte auf.
In dem Moment war ein schwarzes, verbeultes Wesen vor ihm aufgetaucht und
geiferte ihn mit seinen großen, scharfen, geschwungenen Zähnen
an. Wütend ließ er den Schmerz aus seinem Körper heraus
und stieß das schwarze Holz mit der geschliffenen, eisernen Spitze
voran mitten in das verunstaltete Gesicht des Schattenwesens. Es kreischte
auf, doch holte schon zu einem Schlag mit seinen sichelartigen Klauen aus,
aber bevor es Savamir erreichte, schlug Badenius mit einer kreisenden Bewegung
um sich und trennte dem Bösen das Haupt von den Schultern, dann schulterte
er den fast gefallenen und flüchtete vor seinen aufbrausenden Feinden
in die Richtung, in welche seine Freunde verschwunden waren.
© Benedikt
Julian Behnke
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