Das
dritte Schwert |
Der Hengst jagte mit donnernden Hufen über die noch nassen Felder, deren Gräser scharf im dahinpeitschenden Wind flach gedrückt wurden, wie Wellen rauschte das Grün über die Auen, und Allagans Mantel flatterte hart im Zugwind seines schwarzen Gauls. Der Himmel war ein von Wolkenfetzen verschleierter, graublauer Morgenhimmel und völlig durchgenässt vom Tau hatte sich der Druide weit nach vorne gebeugt. Shar klammerte sich fest an ihn, zog sich immer wieder hoch, wenn er vom Sattel rutschte und schloss die Augen, da ihm der Wind die Fliegen ins Gesicht blies, doch Senragor blieb unberührt von den kleinen Insekten und starrte gerade in ihre Laufrichtung. Sie wurden verfolgt, verfolgt von Gnomenreitern, drei an der Zahl, und alle waren sie schwer bewaffnete Kämpfer, die auf ihren grauen Pferden dahinrauschten. In ihren Antlitzen stand Hass und Bosheit, Hass auf die schnellen Reiter vor ihnen und Bosheit, wegen der sich endlos dahinziehenden Gier, der sie folgten. Ihre sonst laternengroßen Augen waren eng zusammengekniffen, glasig schimmerte ihr Blick und verbeult waren ihre grünen Gesichter, die unter der verrosteten Rüstung wie dunkle Bälle herausstachen. Ihre Haare waren schwarz, lang, verfilzt und strähnig und klebten an ihre schweißbedeckten Köpfen. Immer wieder stießen sie ihre Hacken in die Tier, um sie weiter anzutreiben und langsam kamen sie ihren Opfern näher. Schon zogen sie ihre geschwärzten Kurzschwerter hervor und hielten sie Stromlinienförmig gegen die Luft, welche sie somit zerteilten und noch kürzer wurde ihr Abstand. Allagan schrie Shar etwas gegen den Wind zu, doch dieser vernahm nur Bruchteile von Worten, da die meisten von diesem verschluckt wurden. Plötzlich zog Senragor die Zügel hart nach links und das Tier gehorchte, aber fast hätte es den Halt auf dem nassen Rasen verloren, denn beinahe hätten sie sich horizontal gewandt und das Tier keuchte bei jedem Meter und der Schaum stand ihm vor dem Mund. Der Schweif schlug wild aus, der Körper leuchtete feucht im Schweiß gebadet, doch die Verfolger nahmen die Kurve leichter und haarscharf wich Shar einer dunklen Klinge aus und sein Mantel wurde angeschlitzt. Er sah, wie sich die Lippen des Zauberers bewegten, dann schien er irgendwie geistesabwesend und schließlich ließ er die Zügel schießen. Nur noch mit den Beinen umklammerte er den Körper des an Geschwindigkeit zunehmenden Tieres, die Arme ausgestreckt und die Handflächen zum Himmel gerichtet, in starrer Haltung und dann schloss er die geheimnisvollen Augen. Er hatte die Wahl, entweder würde er sie schneller machen, was aber den Tod des Tieres bedeuten würde, und entkommen, oder er sammelte Energie für ein magisches Feuer, womit er wenigstens einen seiner Gegner ausschalten konnte. Es blieb ihm keine Zeit weiter zu überlegen, denn schon war der zweite der Reiter neben ihrem Tier und schlug mit dem Schwert nach Allagan, doch er durchtrennte nur dessen Gewänder und bleiche, weiße Haut kam zum Vorschein, aber er konnte sich trotzdem nicht mehr halten und sackte wieder nach vorne ab und umschlang die Zügel. "Shar..." hauchte dieser entkräftet, bevor er sich gegen den Hals des Pferdes lehnte, denn er war bei einem seiner Sprüche gestört worden und die gesammelte Kraft hatte sich in die Erde, aus welcher sie ihren Ursprung hatte, zurückgezogen. Shar wusste, was er zu tun hatte, zog sein Schwert und hieb in der gleichen Bewegung nach dem Gnom, doch als er ihn verfehlte, rief ihn eine innere Stimme an, er solle die Waffe noch nicht gebrauchen. Widerwillig schob er die Klinge daher wieder zurück und zog dem Magier seinen Wanderstab aus dem breiten Gürtel. Da dieser keine Einwände hatte, musste er Shars Gedanken gelesen haben, oder er war einfach nur bewusstlos. Auf ein mal fragte er sich, ob es gut sei, einen schlafenden Führer zu haben, doch er verschob den lästigen Gedanken und stach mit dem langen, knorrigen Stab nach dem Grünen. Dieser wurde in der Seite getroffen, stürzte schreiend, kullerte über den Boden, die anderen Reiter setzten über ihren Gefährten hinweg und holten immer weiter auf. Der junge Ritter sah jetzt nur noch eine Möglichkeit, er musste die Zügel selbst in die Hand nehmen und sie zum Schutz in ein kleines Wäldchen führen, also griff er an dem großen vorbei, erfasste das Lederband und lenkte den Rappen mit seiner letzten Kraft in ein Gebüsch, an welches ein Wald anschloss. Sie waren jetzt nur noch ein paar Meter von der Waldenburg entfernt. Wenn sie es schafften, sich jetzt noch bis dort hinzuschleppen, würden sie ein gutes Mittagessen und Unterkunft bekommen, doch er hatte nicht mit den Schattenwesen gerechnet und so begann er, als er die rotglühenden, verrückt blickenden Glubscher sah, mit Allagan auf den Schultern, wieder hektisch zu rennen. Der Weg war schmal und hatte mehr Ähnlichkeit mit einem ausgetrampelten Pfad als mit sonst etwas anderem hier in der Nähe des Schlosses oder der weiteren Umgebung. Breite, lederne Blätter schlugen ihm ins Gesicht oder ein Ast peitschte ihn, so langsam kam Allagan zu sich und musste jetzt nur noch gestützt werden. Schwer lag der mächtige Riese mit einem Arm auf seiner Schulter und langsam begannen Shar scharfe Stiche ins Kreuz zu fahren, als ob man ihn mit Nadeln stechen würde. Mit kräftigen Schlägen des knorrigen Stabes zerschlug er einfach die Hecken und Gebüsche vor sich und schaffte somit einen schmalen Gang zwischen den buschigen Brennnesseln und den stark begrünten von Bäumen herab hängenden Lianen. Ab und zu zog er an einem steil in die Höhe ragenden Granitfelsen vorbei und beobachtete sein glattes Relief aus Steinplatten und aus Einbuchtungen herauswachsenden Farnen und dichten Grasbüscheln. Auf dem Boden lagen die goldbraunen Blätter des Herbstes und dämpften ihre Schritte, so dass sie sich durch kleine Schluchten und über Bäche hinwegschleichen konnten. Durch eine Lichtung im Baumwipfel war eine auf einem steil in die Höhe ragenden Felsen eine Burg mit vielen Dächern, Giebeln und Türmen zu erkennen und das schlechte Wetter ließ nun wieder einen leichten Nieselregen herabfallen, dass die glasklaren, dicken Tropfen von den Halmen auf den Waldboden tropften und die Erde tränkten. Zum größten Teil wurden sie durch dichte Blätterdächer und moosige Felsen vor dem prasselnden Regen geschützt und Senragor bekam langsam die gewohnte Kraft wieder, die er brauchte, um die Hänge zu der Burg hinaufzusteigen und dort oben für die nächsten Stunden zu meditieren und mit seinem Lehrmeister zu sprechen. Wie aus dem Nichts hörten sie plötzlich das Geschrei von bewaffneten Feinden, die auf schnellstem Fuße die Pfade und Wege zur Waldenburg hinauf trampelten, um sie später zu belagern. Auch die Gnome auf ihren Pferden waren da und ritten zwischen Steinblöcken und moosartigem Kraut hindurch. All dies sahen die beiden Gefährten durch ein Gebüsch und versuchten sich möglichst unaufmerksam zu verhalten. Shar trat einige Schritte zurück auf ein paar sich überlappende, flache Steine zu und lehnte sich dann an die trockenen Rinde eines hohen Baumes. "Warum sind die noch da? Die müssten doch gleich einschlafen! Es ist doch schon längst Tag!" "Das verstehe ich genau so wenig wie du, Talbewohner, doch haben wir nicht die Gewissheit zu sagen, ob sie wirklich schlafen!" antwortete Allagan, warf noch ein paar suchende Blicke durch die hellgrünen Blätter und verließ dann ebenfalls seinen Posten. "Allerdings", fing er gleich wieder an, "sind Gnome und Trolle keine Nachtgeschöpfe! Orks können nur wenige Zeit am Licht bleiben und Schattenwesen...", er zuckte die Schultern, "...leben eben nur in Schatten, wie der Name ja schon sagt!" Shar nickte und spähte über einen umgeworfenen, mit Nachtpflanzen bewachsenen Baum auf das kleine Gefolge, welches ungefähr hundert Meter neben ihnen den Hang heraufmarschierte. Jetzt geschah etwas ungewöhnliches, ein Führer der Orks hob seine Hand, eine graugrüne Person, muskulös, aber dennoch kleiner als ein Gnom, trug ein rotes Hemd, dessen Ärmel hoch gekrempelt waren, darüber einen rostigen Brustpanzer und hatte seine schwarzen, verdreckten Haare hinten zu einem Zopf zusammengebunden. Er schien immer wieder auf die Reiter einzureden, bis diese sich schließlich von ihren Rössern herab begaben und begannen mehrere Mahlzeiten aus den Satteltaschen zu klauben. Sie zündeten ein kleines Feuer an, um darauf ihr Essen zu kochen und hockten sich auf die am Pfad übereinandergestapelten Felsblöcke. Die Anderen, das waren Orks und ein Schattenwesen, welches verborgen unter einem großen, schwarzen Tuchfetzen war, ließen sich auf den Boden fallen, kauerten sich zusammen und nach wenigen Sekunden hatte sich ihre Haut dunkler und mit einem lilafarbigen Glanz gefärbt. Wie dicke Wurzelknollen mit seltsamen Ausläufen standen sie da und hatten sich fest mit netzartigen Fäden an ihrer Umgebung und der Erde verbunden. Die meisten Kokons lagen im Schatten unter der Hälfte eines Baumes, der, wie es schien, in der Mitte durchgehackt und dann ausgehöhlt worden war. Wie ein halber, aber dennoch sehr schattiger Tunnel kam es ihnen vor und die Trolle und Gnome begannen sich einsilbig bei ihrem Male zu unterhalten. Die Trolle waren steingraue Wesen, meist fettleibig und mit verstümmelten Gesichtern, und schwangen dicke Keulen auf ihren Buckeln, gingen gebückt und schwerfällig mit großen Ringen in den Nasenlöcher. Mit Luchsaugen schielten sie zu den kleinen Gnomen herab und schnauften grimmig, als sie sich mit ihren dicken Kugelbäuchen gegenseitig anstießen. "Los, wir müssen weiter!" murmelte Senragor und verließ den Ort, indem er einen steinigeren Pfad auf offenem Gelände nahm und sich der Spitze des breiten Felsen näherte, worauf die Waldenburg thronte. Savamir schloss die Tür hinter sich. Der beißende Geruch
von brennenden Gewürzen lag in der Luft und ein Blick zu dem steinernen
Kamin ließ ihn sicher sein, dass es Lorbeer war. Die Hexe hatte schon
so etwas von Geistervertreibung gemurmelt und ihm mitzuteilen versucht,
dass man mit den einfachsten Mitteln den Feind zurückschrecken können
würde. Im Haus war es dunkel, bis auf das lodernde und prasselnde
Feuer, welches tiefschwarze Schatten an die Wand warf und ihre rötlichen
Flammen daneben flackern ließ. Er wusste, dass seine Freunde hier
nicht mehr lange sicher waren und sie mussten sich beeilen, um in kürzester
Zeit von hier fort zu kommen. Auch hatte die Alte ihm gesagt, dass sie
alle Zeit der Welt für die Reise, aber nicht für die Kämpfe
hatten, denn es wäre egal, ob die Königreiche fallen und Muragecht
Sieger bleiben würde, eher war es wichtig, dass der dunkle Zauberer
des Bösen besiegt werden konnte. Und auch das war nicht wirklich
wichtig, sondern nur ein Teil einer Aufgabe, wirklich unauslassbar würde
die Existenz eines zweiten Schwertes sein, eines unzerstörbaren. Wann
die Schlacht aller Schlachten geschlagen wurde, stand noch in den Sternen,
bis jetzt gab es die Bestimmung, jetzt diese Waffe zu schmieden.
Badenius rannte so schnell er mit seiner Verletzung konnte den Bach
zu den Hütten entlang, welcher sich bald breit zu einem blauen See
öffnete. Die Nacht war schon längst um und sogar Savamir war
schon lange vor den Anderen in der Hütte angekommen. Kalikor hatte
ihn gerade noch gesehen, seinen blauen Mantel, der dann hinter der Tür
verschwunden war. Da unten im Tal war er es noch etwas finster, denn es
wurde von Klippen und Blätterdächern so von oben verdeckt, dass
die richtigen Sonnenstrahlen erst am Mittag eintreffen konnten.
© Benedikt
Julian Behnke
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