"Allagan hob seinen silbernen Becher und führte ihn dann gierig
auf das Gebräu zu Mund. Der Wein schmeckte sauer, er wischte sich
den breiten Mund ab und verzog für einen Moment das kantige Gesicht,
doch als er die Blicke ihrer Gastgeber bemerkte, lächelte er kurz
und nickte wohlgefällig.
"Ein gutes Weinchen! Irgendwie frisch und interessant!", bemerkte
Shar, schwenkte großtuerisch den goldenen Becher und schmatzte dann
wieder prüfend, "Doch, er ist gut... Aber etwas zu süß,
mein Herr!"
Senragor staunte. Er fand ihn zu süß? Wie bitter mochten
dann die sauren Weine sein und was hatte er davon interessant gebrabbelt?
Der Druide hatte in seinem ganzen Leben erst von ein paar Weinen gekostet,
doch der Schmied, welcher ja einen Gasthausführer als Onkel hatte,
wusste, worauf es ankam.
"Oh, ich sehe schon, ihr kennt euch aus! Wie gefällt euch dieser?"
Er schenkte dem jungen Mann einen weiteren Becher mit einem anderen Wein
ein und seine von schrumpeligen Lidern umrahmten Augen wurden größer,
leuchteten jetzt fast wie Katzenaugen. Sein Name lautete Zorak und er war
der alte Lehrmeister von Allagan, mit einem spitzen, blauen Hut, welcher
eine breite Krempe besaß, schien sein Körper klein, sein Körper
war in einen ebenfalls himmelblauen Mantel gehüllt und wurde größtenteils
von einem zerzausten Bart überdeckt, der dem Alten aus dem Kinn spross.
Seine Haut war vernarbt und faltig, seine Nase groß und die Brauen
buschiger als es Shar schon jemals gesehen hatte. Gerade hockten sie in
der Kammer des Lehrmeisters beim Abendbrot und eigentlich hatten sie vor
gehabt bald zu gehen, doch aufgrund der noch weilenden Schwäche Allagans,
hatten sie sich doch erst ausgeruht. Das Zimmer war vollgestopft mit allerlei
Zauberutensilien und Spinnweben, welche sich wie Seidenfäden durch
den Raum woben. Dieser befand sich in einem kleinen Burgverlies, welches
im höchsten Turm der Burg eher als Abstellkammer diente, als dass
man vermuten konnte, dass sie einem mächtigen Magier unterliegen würde.
Nachdem Shar ausgetrunken hatte und die Flüssigkeit mit der
Zunge im Mund herumschob und schmeckte, sagte er kühl, nachdem der
Wein in seinem Magen verschwunden war:
"Auch nicht schlecht... vielleicht etwas herb, aber sonst ganz ergiebig.
Etwas salzig, daher lässt sich nicht ausschließen, dass es von
einem Weingut nahe eines Salzbergwerkes kommt...", er sah Zorak abschätzend
an, "könnte meine Vermutung stimmen?"
"Gewiss, das tut sie! Der Gutshof liegt bei den Minen von Ksa -
El - Kebir!", antwortete dieser voller Begeisterung und klatschte
in die runzeligen Hände.
"Mein alter Meister hat wohl eine Schwäche für Wein entwickelt!",
stichelte der jüngere Zauberer und grinste überlegen.
"Halt du dich da raus, kleiner! Du weißt ja gar nicht, wovon
wie Kenner reden!" Seine Augen funkelten böswillig, doch der Druide
zuckte die Schultern und wendete sich beleidigt ab. Wieder aufgeregt klaubte
der alte eine dritte, große Flasche mit goldenem Siegel hervor und
staunte über sein Werk, das riesenhafte Ding auf den Tisch zu stemmen.
"Und? Willst du noch einen probieren?" Shar spielte ein Lächeln
und schwankte leicht.
"Wenn’s sein muss...", dann nahm er eine kleine Menge und schluckte
sie schnell hinunter, fühlte wie die feurige Glut des Weines seinen
Gaumen entlang floss und ein ehrfürchtiger Schauer jagte ihm den Rücken
hinunter. Spannende Stille herrschte als er den zweiten Schluck bedachte,
nahm diesmal abermals nur wenig und schmeckte, doch als er nichts Auffälliges
erkennen konnte, außer, dass es der beste Wein seiner Tage war, rief
er dem alten herausfordernd zu:
"Gib mir noch einen!"
Der Zauberer goss, den hinteren Teil der Flasche stemmend, nach
und wusste sogleich, dass sein neugefundener Freund diesen Tropfen nie
erraten würde.
"Sauer im ganzen, doch der Nachgeschmack ist warm und süß...
Er ist mindestens hundert Jahre alt...", er schmeckte weiter, "scheint
von feuriger Glut zu sein. Überhaupt nicht prickelnd oder erfrischend,
sondern eher altmodisch und vertraut...", sein Ton klang unsicherer und
verlor sich schließlich in pure Phantasien, "durch Vulkangestein
geflossen?", Zorak nickte beipflichtend und dem Schmied stand der Schweiß
der Verlegenheit auf der Stirn, "Gut. Es gibt drei Vulkane hier in den
Ländern, den 'großen Vulkan', den 'kleinen Vulkan' und den 'Hadesfelsen'...
Den letzten schließe ich aus, da man dort seit Muragechts Auftauchen
nicht mehr verweilen kann... Bleiben noch die anderen beiden!", dann
schüttelte er den struppigen Kopf mit dem wirren, blonden Haar, fuhr
sich durch den Bart und murmelte, nachdem er das Glas abgestellt hatte:
"Ich komm nicht drauf! Sagen sie es mir?"
"Wie naiv die Jugend heutzutage ist!", zeterte der Zauberer, "Es
ist doch ganz leicht! Sieh mich an und dann Allagan! Na? Kommst du drauf?
Dein Ausschlussverfahren war falsch!"
Shar schlug sich an den Kopf:
"Aber natürlich, wenn der Wein über hundert ist, kann
er natürlich im 'Hadesfelsen' gekeltert worden sein! Bevor Muragechts
Seele wiedergeboren wurde, hatte man doch eine Burg auf den Vulkan gebaut!"
"Genau, Talbewohner!", schaltete sich Senragor ein, der die ganze
Zeit aus dem Fenster gestarrt hatte, "Jetzt hast du’s! Der Wein ist von
meinem Vater, er hat ihn Zorak zum Geschenk gemacht, als dieser mich ausbildete.
Selber hatte er keine Zeit dazu, weil er sich lieber mit Kräutern
und Mixturen beschäftigt hatte. Trotz dieser Angewohnheit hat er es
schließlich geschafft der mächtigste zu werden... Ich weiß
bis heute nicht warum!"
"Was gibt es eigentlich da draußen so interessantes zu starren,
Schüler?"
"Es ist nichts, Meister, nur eine Horde Orks und Gnome stürmen
bereits die Hänge zur Festung! Bis hier oben werden sie es wahrscheinlich
nicht schaffen, die Verteidigungslinien sind viel zu gut ausgerüstet!"
Zorak zog mürrisch die Augenbrauen hoch und meinte belehrend:
"Es sei denn, sie benutzen den Geheimgang!" Allagan schüttelte
verneinend den Kopf:
"Das glaube ich nicht, es sind ungefähr zwanzig Orks, zehn
Gnome, zwei Trolle und...", er stockte, "als wir hier heraufkamen war da
noch ein Schattenwesen!" Mit weiteren Blicken versuchte er das Wesen mit
den verrückten, rotglimmenden Augen unter dem schwarzen Fetzen zu
entdecken, wie es mit zu klauen gekrümmten, schwarzen Fingern gebückt
zwischen den im Mondlicht schimmernden Felsen schlich. "Nein, es ist nicht
da!" sagte er dann schließlich und nur der Alte vernahm die leise
Angst in seiner rauen, harten Stimme.
"Wir müssen diesen Angriff dem König melden!", entfuhr
es Shar und als er sich vom Stuhl erhob, schwankte er leicht, denn der
Wein hatte leicht seine Sinne vernebelt und seine Nase glomm leicht errötet
auf. Er wischte sich den wärmenden Schweiß von der nassen Stirn
und seufzte völlig geschafft:
"Puh, das Zeug hat’s in sich!" Dann ertönte ein Geräusch
wie Donner aus den unteren Kammern, als würde eine starke Holztür
aufgesprengt und Senragor zog sein langes, mit Diamanten besetztes Breitschwert,
das sofort gefährlich aufblitzte.
"Ich glaube, das weiß er schon längst!", murmelte er
und gerade als der junge Schmied seine mit den Elfensteinen verzierte Waffe
hervorreißen wollte, hielt ihn der Zauberer mit einer starken Geste
auf, indem er die flache Hand hob und ihm Einhalt gebot: "Halt! Nute die
Elfensteine nicht unüberlegt! Nur die Schattenwesen sind stark genug,
dass du an ihnen deine Waffe ausprobieren kannst!" Shar taumelte als der
Magier fertig gesprochen hatte und klammerte seine Finger stützend
um die hohe Lehne des Stuhls. "Ich gehe voran!" Er öffnete die kleine
Tür und ging gebückt hindurch, dann als alle außer dem
alten Meister auf der Treppe standen, sagte er gebieterisch zu Zorak gewannt:
"Du bleibst hier, Opa!" Gerade als dieser protestieren wollte, denn er
hasste es mit einer Form des Alters bezeichnet zu werden, schlug der Druide
ihm die Tür vor der Nase zu und ging zielstrebig, den Stock immer
noch im Gürtel, die steinernen, oft uneben Stufen den Turm hinab.
Jetzt saß Zorak, der alte Magier, wieder alleine und verlassen
in seinem stillen Kämmerlein und stocherte mit der Feuerzange in der
kleinen Flamme herum, welche knisternd zwischen den Kohlen in dem winzigen
Ofen herumhuschte.
"Diese Banausen!", murmelte er und spuckte auf das schwarze Holz
(er heizte ebenfalls mit Lorbeer) im Kamin, "Wissen nicht was sie tun!
Welche Chance haben die denn überhaupt gegen solche Gegner!" Eine
mürrische Falte in seinem Gesicht schnitt sich tiefer. "Ich werde
ihnen zeigen, für was ich alles noch gut bin!" Damit richtete er sich
auf, die Finger seltsam zu Klauen verkrampft, die Augen glommen hell auf.
Seine Gestalt schien zu wachsen, sich auszudehnen und irgendwie machte
diese Gestalt Angst, jagte einen kalten Wind durch das Gemäuer und
seine Stellung verhärtete sich, als würde sein Unterkörper
mit dem Boden verschmelzen und die erdende Kraft aus ihm herausziehen.
Er öffnete den zittrigen Mund und sog scharfe Luft ein, während
sich sein Körper aufblähte und bei genauem Hinsehen, konnte man
erkennen, dass er mit den Lippen fremde Worte in einer anderen Sprache
formte, die sich durch die Luft forttragen ließen, der Himmel draußen
verdunkelte sich und schwarze Wolken zogen sich rasend schnell über
das neblige dunkelblau des Nachthimmels. Alles begann zu wackeln und zu
zappeln im Raum, Gläser klirrten, als sie erst über den Tisch
rollten und dann zu boden gingen, langsam hoben sie die Stuhl- und Tischbeine
vom Boden ab und schweben zwei Finger breit über dem hölzernen
Boden, Winde zogen durch das Zimmer und mit einem Mal erlöschte die
Flamme im Kamin, die groben Steine in den Wänden begannen sich vom
Mörtel
zu lösen und immer wieder wiederholte der Zauberer die gleichen unverständlichen
Worte mit den Bewegungen seiner Lippen.
Plötzlich schoben sie die Quader aus dem Mauerwerk, das Dach
mit den roten Schindeln löste sich ebenfalls und stieg in den von
unzähligen, tiefdunklen Wolken verhangenen Nachthimmel auf, sofort
durchfuhr ein Blitz die dröhnende Stille und schickte sein gleißendes
Licht unten auf die Felsen, an denen Gnome mit Rittern kämpften. Schon
lagen viele Orks tot, geschändet oder nur bewusstlos am Boden, aber
Shar und Allagan waren nicht bei ihnen. Die sich aufbäumende Gestalt
in der Luft mit Namen Zorak war blind, da er für starke Zauberei in
sich gekehrt sein musste, doch seine Kraft war noch lange nicht am Ende,
nein, sie begann gerade sich erst aufzubauen. Mit dröhnender, magieenthaltener
Stimme, die nicht wie seine eigene schien, schickte er einen Ruf zu den
Kämpfern unter sich:
"Verlasst diesen Ort, ihr Geschöpfe der Finsternis, oder ich
vernichte euch mit einem einzigen Zucken meiner Wimper!"
Die brüllten trotzig und einer unter ihnen schleuderte eine
kleine Axt in den Himmel. Sie grub sich durch die Luft, wirbelte dem Turm
entgegen... Dann stürzten die Steine und Ziegel wie fallengelassen
dem Boden entgegen und das leise Geräusch eines aufschlagenden Körpers,
auf den Dielen des Turms, wurde von einem herab sausenden Blitz übertönt
und peitschender Regen ging streitsuchend herab und nässte, verwischte
das Blut der leblosen Körpers...
In dem Vorhof der Burg herrschte regest Treiben, Diener und hohe
Lords rannten kreuz und quer, alle in höchster Aufregung, da die letzte
Verteidigungslinie durchbrochen war. Allagan redete gerade mit dem König
und ersann einen Schlachtplan:
"Es sind nicht zu viele Feinde! Ich habe weniger als vierzig gezählt,
das entspricht nicht dem Ansturm auf die zwei königreiche im Norden!
Wir", er deutete auf sich und Shar, der gerade verzweifelt versuchte auch
einen Einwand bringen zu können und somit vergeblich mit dem Finger
fuchtelte, "müssen schnellstens hier weg! Das Leben der gesamten Menschheit
steht auf dem Spiel! Diesmal haben wir die Zwerge und Elfen draußen
gelassen und so werden sie uns nicht in der Schlacht helfen können!
Im Grunde müssen wir, obwohl ich gesagt habe, dass wir alle Zeit der
Welt haben, ganz, ganz, ganz schnell hier weg! Es geht nicht wann wir wo
sind, sondern dass wir nicht bemerkt werden!"
Der König verstand überhaupt nicht was Senragor zu erreichen
versuchte und lachte etwas spöttisch.
"Geht doch! Zuerst müsst ihr es aber durch die Reihe an Feinden
schaffen!"
"Es sind höchstens noch zehn!" schrie der Druide, "Warum können
ihre Männer nicht mit weniger als zehn Gegnern umgehen? Die anderen,
außer den zwei Trollen, sind schon tot...", er hielt mitten in seiner
Wut inne und schlug sich an die Schläfe, "Oh mein Gott, wie konnte
ich das vergessen? Das Schattenwesen! Habt ihr die Geheimgänge bewachen
lassen?" Der König war völlig verblüfft und zuckte wieder
nur die Schulter:
"Welches seltsame Wesen und welchen Geheimgang meint ihr? Es gibt
hier keinen Geheimgang!"
"Doch den gibt es!" Er trat näher auf den König zu und
versuchte ihm direkt ins Gewissen zu reden. "Ich kann es beweisen! Verschließt
alle Türen in die unteren Räume, ich werde die Baupläne
der Burg aus dem Turm holen!"
Sam wachte aus einem ungemütlichen Traum auf. Es schien ihm,
als hätten tausend Mäuse an seinem Fleisch genagt und er fühlte
sich ausgemergelt und alt an, trocken und ledern, irgendwie unweich und
schmutzig... Wahrscheinlich war es das auch, alt und nicht mehr so kraftvoll
wie vor zwanzig Jahren, als er mit seinem Schiff durch die Wellen geprescht
war... Ach, hör doch auf, hörte er sich denken, wir wissen beide,
dass der Traum vom Segeln niemals wahr werden kann! Eine gespaltene Persönlichkeit,
oder warum redete er mit sich selbst? Vermutlich war es nur ein kurzer
Anfall von Selbstmitleid und schon wieder verspürte er die frische
Briese in seinen Haaren und die der Geruch von salzigem Wasser in der Luft.
Ein Traum. Etwas anderes würde ihm wohl nie bleiben... Er schlug die
Decke zurück, stand auf und verspürte schon wieder diese stechenden
Schmerzen auf seiner Brust. Dort hatten sie ihn erwischt, diese elenden
Orks! Gnome hatten mit ihren Piken nach ihm gestochen, doch er hatte sich
mutig verteidigt, doch als er an seinem geschundenen Körper mit den
rosafarbenen Platzwunden heruntersah, entdeckte er die vielen Falten und
die Narben, welche seine Feinde ihm zugefügt hatten. Er zog sich an
und stellte sich während er die Bluse zuknöpfte vor den großen
Spiegel an der Ostwand seiner Behausung. Die Wände waren weiß
gestrichen und die Farbe schien gemütlich und hell. Das einzige Licht
was ihn jedoch begleitete, war eine Kerze auf dem kleinen Schreibtisch
vor seinem Fenster, die oft aufflackerte und ihre Flamme durch den Raum
scheinen ließ.
In dem glasglatten Spiegel erkannte er einen verwitterten, mürrischen,
beinahe toten Mann, der schon vieles erlebt zu haben schein... Sicher habe
ich viel erlebt, vernahm er sich abermals denken, ich war auf dem Meer
und habe Schiffe gekapert, war eben Pirat! Der Pirat ärgerte sich
über diese unheimliche Stimme, die ihm so einfach seine Gedanken vorgeben
konnte. Nun war sein weißes Hemd zu und der rote Mantel mit den goldenen
Verzierungen wurde angelegt, erstaunlich wie seine Kleidung der eines großen
Piratenführers so ähneln konnte... Oder war es seine Bestimmung,
wie er immer vermutet hatte, ein Pirat zu sein? Er verkniff sich ein Lächeln
bei diesem Gedanken, setzte den Kragen ordentlich, zog sich die Schnur
mit dem langen Säbel über den Kopf und zurrte ihn schließlich
um seine Hüfte fest. Wo ist jetzt nur der Hut? Fragte er sich kopfschüttelnd
und sah sich in der kleinen Kammer genau um. Da, neben der Kerze lag er
auch schon. Er war schwarz, hatte die Form eines Dreieck und die buschige
Feder eines Wanderfalken steckte in einem Loch bei der Krempe. Vorsichtig
nahm er ihn in die Hand, befühlte ihn und klopfte ehrfürchtig
den Staub von der Kopfbedeckung, denn sie war das einzige, was ihm je geblieben
war. Als er sich umdrehte und wieder in den Spiegel sah, schien es ihm,
als würde sich ein hoher Schatten aus einem dunklen Winkel des Zimmers
lösen und auf ihn zugeschwebt kommen. Das Gesicht war nicht vorhanden...
Wie konnte er überhaupt glauben, dass dieses Ding ein Wesen mit einem
Gesicht war? Er wusste es nicht, doch konnte er es spüren, als der
Schatten eine zu Klauen gekrümmte Hand auf seine Schulter sinken ließ
und ein eisiger Kälteschauer sich von der Berührungsstelle ausbreitete.
Die Hand war völlig schwarz und hatte eine lähmende, erschreckende
Wirkung in sich, als würde er erfrieren. Plötzlich bekam ihm
das brennende Bedürfnis zu zittern, doch der Schatten erlaubte es
ihm nicht und sein Griff war schwerer als kaltes Blei. Nun glaubte Sam
den Schatten nicht mehr als Schatten, sondern eher als wallenden Rauch
zu sehen, der sich wie durch ein Wunder manifestiert hatte. Bei seinen
vereisten Blicken in die spiegelnde Oberfläche des Glases vor ihm,
versuchte er wieder und wieder ein erkennbares Gesicht und Merkmal dieses
Wesens zu entdecken und da gelang es ihm, zwei Punkte wie Augenhöhlen
aus weißem, nebelndem Licht zu sehen. Ein furchteinflößendes,
kaltes Gesicht war das, nicht vorhanden, nur erahnbar und er spürte
dessen Atem, tot und kalt...
Das Wesen begann mit einer weichen, hallenden Frauenstimme in seinen
Gedanken zu sprechen und auf unerklärliche Art und Weise fühlte
sich der Pirat in den frostigen Krallen geborgen:
"Ich bin Sowem Dun." Die Stimme klang wie ein Zischen, doch Sam
konnte die Frau haargenau verstehen. "Das bedeutet Eisfrau." Die Hand schien
in seinen Körper hinein zu greifen, hindurch zu tauchen und sich an
seine Gefühle zu klammern. "Wie ich sehe, willst du auf eine Schifffahrt
gehen." Sie sprach langsam und in diesem Moment wollte Sam mit ihr sein,
sich mit ihr vereinigen und sich schutzsuchend an sie klammern, denn sie
erriet seinen Gedanken. "Doch ist deine Lebenszeit bald abgelaufen..."
Er schloss die Augen und die wärmende Dunkelheit breitete sich in
ihm aus, wurde aber nach einigen, wohligen Sekunden von der fremden Person
in Gestalt des Nebels zerstört und die Helligkeit des ewigen Eises
spielte sich vor seinem inneren Auge ab. Schnee, ein weißer Himmel
mit ebenso einer Sonne in der Farbe, ein Schneesturm und eine junge, schlanke
Frau in dunkeln Leinen gehüllt, unscharf ihre nackte Haut darunter.
Die Stimme sprach weiter und in seiner Vorstellung bewegte die Frau den
Mund. Sie war wunderschön. Der Pirat konnte nur noch Augen für
sie haben! "Du hast viel gelitten und dein Traum ist immer noch nicht erfüllt."
Sie hatte das Thema gewechselt. "Du sollst deinen Wunsch erfüllt bekommen,
doch nur...", sie hatte ein Geräusch gehört und hielt nun inne.
Von irgendwo kam das klatschende Geräusch von Flügeln und holte
den Mann ins Leben zurück, doch er untersagte es die Augen zu öffnen
und lauschte auf das folgende Gespräch mit der Dame, nach der er sein
ganzes Leben gesucht haben mochte, "Der Vogelmann fliegt weit, doch kann
er nie die ganze Welt umrunden." Die Gestalt in seinen Phantasien hielt
eine verschleierte Hand hin und öffnete sie. Auf ihrer weichen, wie
verzaubert wirkenden Hand lag ein schwarzes, gefiedertes Etwas, verdreht,
zerzaust, abgemagert und zerstochen, wie Gräten stachen spitze, kleine,
dürre Knochen hervor, als hatte man das Tier, es musste ein geschändeter
und gequälter Rabe sein, aufgebrochen. "Der Vogelmann wird, bevor
er es geschafft hat, von seinem Rivalen, einem größerem Tier,
gefangen, getötet und gefressen." Die stimme klang unberührt
und verführerisch. "Hier ist mein Angebot, Sam Halkman: Helfe uns
bei der Verfolgung der Sechs!" Bilder von den Gefährten wanderten
in seinen Kopf und er konnte nicht anders als weiter schweigen, doch in
seinem tiefsten Innersten schrie er laut: 'Ja'.
"Gut", machte Sowem Dun und zog die Hand aus Halkmans zusammenfallenden
Körper. "Du wirst es nicht bereuen. Stirb jetzt und erwache als Diener
Muragechts!" Ein eiskalter, bleierner Schlag durchstieß Sams Körper
und giftiges Eis schien ihn von Innen aufzufressen, umzuwandeln, selbst
seine Augen konnte er nicht mehr öffnen. Schmerzen in unerträglichen
Maßen plagten ihn und ließen seinen Körper ruckartig und
fiebrig zucken, als ob der Teufel in ihm seinen Spaß treiben würde...
Savamir tat ein paar Schritte weiter durch den Nebel und wieder hauchte
ihm etwas Unsichtbares den Geruch von Schwefel ins Gesicht. Das aufeinander
klacken von Steinen ließ ihn den steilen Hang hinauf blicken und
gerade noch erhaschte er zwischen den Nebeln ein Fetzen eines Umhangs.
Er hatte sich also nicht getäuscht! Schnellen Schrittes ging er zurück
zu seinen Freunden und Brüdern:
"Wir müssen hier weg! Ein Sumpf und ein hoher Berg sind zu
große Hindernisse für uns!" Von der Begegnung mit dem Schwarzen
erläuterte er nichts, doch seine Brüder konnten es in seinen
unsicheren Augen lesen, das Blonde Haar war von glänzenden Schweißperlen
durchzogen und er atmete tiefer als gewöhnlich.
"Das wird wohl eine lange Nacht!" bemerkte Gisildur und zog bereits
sein Schwert. Das klirrende Geräusch schreckte Savamir auf und dieser
Legte seine Hand auf die zwei fingerbreit herausgezogene Klinge und murmelte
verständnisvoll:
"Nein, heute nicht. Heute vergießen wir kein Blut! Unser Aufenthalt
muss unentdeckt belieben!"
Lächelnd schob der Ritter die Waffe wieder zurück.
"Du bist ein guter Mensch, Savamir. Komm, lass uns weitergehen!
Bevor die nächste Nacht hereinbricht, müssen wir in Dalap - Uliga
- Darrit sein!"
"Wäre es nicht besser, wenn wir zu Sam auf die Bauernburg gehen
würden?" bettelte Warior und schluckte, bei der Idee, es könnte
sich etwas im Sumpf oder im Nebel verstecken. Die milchige Brühe war
wirklich undurchsichtig und wie eine weiße Wand aus Rauchglas...
"Nein!" Savamir schüttelte den Kopf. "Die Bauernburg ist belagert,
doch in Uliga - Darrit werden wir für einige Tage Schutz finden! Dieser
Allagan soll doch uns folgen und nicht umgekehrt! Was weiß der denn
schon?" "Vermutlich mehr als ihr alle glaubt!" warf Badenius ein. Der Druide
hatte lange und ausführlich mit ihm geredet und jetzt zusehen zu müssen,
wie seine eigenen Brüder und Freunde ihn so niedermachten, war ein
wahrer Schock aus grenzenhafter Wut für ihn.
"Was willst du denn über ihn aussagen können, kleiner?
Er hat dich verführt! Höre lieber auf uns, anstatt auf diesen
Verräter! Unseren Vater wollte er hintergehen!" schnaubte Kalikor.
"Und das aus deinem Munde, Kalikor? Wir wissen beide, dass wir unseren
Vater gehasst hatten!" verteidigte sich Badenius und durch die geballte
kraft seiner lauten Stimme wich der Andere ängstlich zurück und
abwehrend hob dieser die Hand, als Badenius das Zauberschwert aus der Scheide
riss und auf ihn richtete. "Warum bist du zu deinem Vater übergelaufen,
anstatt aus purer Tatkraft und gutem Willens dem Feind gegenüber zu
treten!"
Kalikor lachte laut auf und ein Raunen ging durch die anderen vier.
"Ich?" Badenius nickte. "Ich will das Schwert zurückerobern
und die Hände seines Besitzers legen!"
"Ist unser Vater der Besitzer des Schwertes?" Kalikor schwieg, betrübt
über seinen Fehler, und dann schrie er plötzlich auf:
"Nein! Aber bald!" Er stieß die Klinge mit seiner eigenen
beiseite und wollte auf seinen Bruder einschlagen, mit weit aufgerissenem,
klaffendem Maul und wildem Kampfgeschrei. Badenius sah die Schneide auf
sich herabsausen, taumelte Rückwärts, stolperte erschrocken über
einen Stein, wobei er seine Waffe fallen ließ und Kalikor die Schwertspitze
zwei Finger tief in Badenius Brust versinken ließ. Die Gesichtszüge
des Angreifers wurden trüb, hasserfüllt und auf einmal auch schmerzhaft
entsetzt...
Badenius schrie die Augen zusammenkneifend auf und verkrampfte seine
behandschuhten Hände um die blutige Klinge, welche sich durch seinen
Lederpanzer gebohrt und ins zarte Fleisch gestochen hatte. Sein Schrei
durchschnitt die Ruhe des Entsetzens und aus den verknitterten Lidern drangen
Tränen...
Kalikor ließ seine Hände vom Heft sinken und schleppte
sich noch einige Meter weiter den Hang hinauf, dann fiel er, die Wunde
haltend, bäuchlings auf den harten, kalten Steinboden. Bevor er gestorben
war, hatte ein verrücktes Grinsen auf seinen Lippen gewohnt und seine
letzten Worte waren:
"Meister, ich kehre heim!" Dann lösten sich seine Gebeine in
Asche, Erde und Rauch auf, dessen Fahne von seinem mit schwarzem Ruß
überzogenen Skelett ausging und sich in der kalten Nachtluft verlor,
doch feiner Staub wurde vom Wind in Richtung Hadesfelsen fortgetragen...
Gisildur betrachtete die blutige Klinge seines Dolches und trat
beängstigt einen Schritt zurück und schleuderte die sich auflösende
Waffe in Richtung Sumpf.
"Verdammt!", stieß er aus, "Wenn normale Klingen einen verletzen,
der mit dem Teufel im Bund ist, um sicher zu gehen, dass er ein zweites
Leben bekommen würde, lösen sie sich auf und verleiten ihren
Träger ebenfalls mit dem Tod zu kommunizieren."
"War er denn mit dem Teufel im Bund?" wollte Warior wissen, als
er quengelnden Badenius auf die Beine half.
"Wahrscheinlich wurde er von einer Orkklinge verwundet und der Satansgruß
ist auf ihn übergesprungen!"
"Aber dann ist doch nun auch Badenius davon befallen!"
"Das ist das Problem!", gab Gisildur zu, "Wir müssen auf dem
schnellsten Weg in die nächste Stadt!"
"Vielleicht... nicht...", stotterte Badenius fieberheiß mit
glühender Stirn und völlig nassgeschwitzt, "...die Blätter..."
"Blätter?", fragte Isribus erstaunt. "Welche Blätter meint
er?" Er war völlig verblüfft und das Treiben seiner Brüder
war ihm in irgendeiner Weise rätselhaft, "Und warum hast du Kalikor
getötet?"
"Lorbeerblätter!", fiel es Gisildur plötzlich ein, "Allagan
hat behauptet, dass man Krankheiten, die man nicht mit einem Energietrunk
heilen kann, mit diesen Blättern geheilt werden können!"
Sie bedeckten Badenius’ Wunde mit den grünen länglichen
Pflanzenstücken und gaben ihm zusätzlich noch einen Heiltrank
zu trinken. Nachdem sie Savamir mehrmals angetrieben hatte sich aufzumachen,
waren sie schließlich in Richtung Dalap - Uliga - Darrit losgelaufen,
den Verletzten auf einer Bare aus Hölzern und Schilf tragend. Noch
einmal blickte sich Savamir routineartig nach dem Dunkeln im Schwarzen
Cape um, doch dieser blieb diesmal aus. Die kalten Schwaden lichteten sich
plötzlich und gaben den Blick auf den endlosschwarzen Nachthimmel
mit den wenigen Sternen und dem sichelförmigen Mond frei, der sich
seit ihrer Abreise sehr stark verändert zu haben schien. Die Sumpflandschaft
endete hier und an ihre Stelle trat eine weite, hügelige Ebene, die
den Blick bis weiter nach Südwesten zur Waldenburg, die auf einem
Hügel stand, der mit Bäumen und Sträuchern eingerahmt war,
endlich freigab. Es schien große Unruhe auf der Burg zu herrschen
denn direkt über ihr hatte sich eine dicke, schwarze Gewitterwolke
zusammengebraut, die wild Blitze nach unten schleuderte und der oberste
Turm war völlig zerbrochen, kleine, insektenartige Wesen versuchten
den Felsen wahrscheinlich einzunehmen, so viel konnten sie auch von
Weitem sehen, doch im Moment galt der Weg nach Uliga - Darrit.
Der Pfad, auf welchem sie schritten, war mit dichtem Gras überwachsen
und führte direkt an einer schräg abfallenden Felswand entlang,
endete aber in einem dunklen Wäldchen, zwischen dessen Baumwipfeln
man schon längst die Türme und Mauern der Stadt erkennen konnte.
Fackeln loderten an den Toren und trotz der Lorbeerblätter wurde Badenius’
Befinden merklich schlechter. Auf einmal kam Gisildur eine entscheidende
Idee, er ging zu Badenius und roch prüfend an den Pflanzenauswüchsen.
"Ich hatte es geahnt!", murmelte er griesgrämig, "Die Lorbeerblätter
sind keine Lorbeerblätter, sondern die einer Trauerweide! Man kann
sie nur vom Geruch entscheiden!", er schüttelte verärgert den
Kopf, "Dieser Hund! Er hat sogar die Blätter vertauscht!"
"Kalikor?", fragte Isribus erstaunt.
"Wer denn sonst?", murrte Gisildur, "Wir müssen unbedingt einen
Lorbeerbaum aufsuchen!"
"Wie konnte das bei Kalikor überhaupt passieren? Und wann?"
fragte sein jüngerer Bruder, der ebenfalls ein magisches Schwert auf
dem Rücken trug.
"Fassen wir mal zusammen, die letzten Kämpfe haben vor der
Hütte stattgefunden, als uns dieser Druide begegnet ist!", kurz überlegte
er, "Nein, da wurde er nicht verletzt..."
Badenius wollte etwas sagen, griff nach Gisildurs Kragen und zog
ihn zu sich herunter ums ich beim sprechen nicht richtig anstrengen zu
müssen:
"Er ist... mit mir... zum Schloss oben gegangen... Dort... wurde
er stark... von einem Monster... verwundet... vielleicht... ich wurde...
bewusstlos..." Seine Augen fielen wieder zu, doch Gisildur bedrängte
ihn nicht weiter. Er wusste, dass er nicht mehr wissen musste.
Badenius wurde gequält, finstere Wesen jagten ihn in seinen
Träumen... Seine Wunde brannte wie das gefährlichste aus Feuer
und Eis zusammen... Das schwarze Gift der Toten griff nach ihm, suchte
nach seinem Herzen und wollte es böse, dunkel und verkümmert
werden lassen, doch da war noch etwas anderes, etwas was einer Vision
bis auf das kleinste Teilchen gleichsteht...
- |
Ein Schattenwesen griff nach seinen Freunden, packte sie mit seinen
Spinnendürren Klauenfingern und drückte sie fest zusammen. Ins
Höllenfeuer eines Vulkans wurden sie getragen, unfähig etwas
zu unternehmen und dort wurde einer nach dem anderen grausam hingerichtet.
Der Feind schmiedete Schwerter mit der Macht Muragechts, der nur als Schatten
hinter einem hellen, gleißenden Licht zu erkennen war. Mit einem
Fingerdeut schickte er seine Untergebenen an, die vier hinrichten zu lassen,
doch da betrat ein Fremder das Szenario, schwang behände und wagemutig
sein Schwert, während die Freunde an Ketten in die brodelnde Lava
gelassen wurden. Das Gesicht des Helden war nie zu sehen, denn immer stand
er im Schatten oder mit dem Rücken zu Badenius, der wie ein Passant
zusah und sich nicht rühren konnte. Ein Schwertkampf tobte zwischen
den beiden gleichstarken und nach einigen sich endlos hinziehenden Minuten
war er vorbei... In den Schatten, sacht vom glühen der Lava bestrahlt,
stand ein Kämpfer mit zum sieg erhobenen Armen. Ein schneller, rasender
Schatten brach aus einer dunklen Ecke hervor und köpfte den Sieger
mit einem Schlag, der Boden begann zu Beben und ein breiter, hoher Schatten
trat hinter dem neuen Sieger hervor, dessen Klinge grünlich schimmerte.
Er gebot Zeichen dar, der eindeutig jüngere Schatten stach das Schwert
in die Brust des ersten Scheingewinners... - |
Als der Streich vollzogen wurde, stach es Badenius plötzlich stark
in der Brust und die Vision erlosch, doch dann erweckte sie wieder auf:
- |
... Die Kämpfer hatten den Raum verlassen und die brodelnde
Lava stieg aus dem loch heraus, floss über den Boden zu dem Toten,
der sich plötzlich wieder aufrichtete, der Kopf war auf seltsame Weise
wieder zwischen den Schultern, und mit stummen, schmerzenden Schreien versuchte
die Waffe aus seinem Leib zu ziehen. Die Lava rückte immer näher
und schließlich schaffte er es... Das Schwert schleuderte er fort
in die Lava, die schon bis zu dem gezackten Ausgang geflossen war und die
Wände bebeten. Dicke Steine lösten sich aus der Decke, der schwarze
wich ihnen taumelnd immer wider aus und humpelte stark geschwächt
auf den Ausgang zu, doch da schmolz die Lava den Boden, der Raum fiel ins
sich zusammen und begrub den dunklen... - |
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Sofort wachte Badenius auf. Alle Glieder schmerzten ihm und war
unfähig sich auch nur einen Zentimeter zu rühren. Die Umgebung
war ihm fremd und er fühlte sich schlapp, doch voller Tatendrang.
War dieser Traum wirklich das gewesen, für was er ihn gehalten hatte?
Eine Vision? Oder einfach nur eine Vorahnung? Er wusste es nicht und nun
spürte er, wie jemand ihm warme Hände auf die Stirn gepresst
hatte. Verwundert, doch ohne sich zu weheren schielte er an den Fingern
der Hand entlang zu dem, dem die Hand gehörte. Die Hand war rauchig,
schwarz und ihr Besitzer eher eine Gestalt aus schwarzem Nebel, grün
leuchteten zwei Funken unter dem Kapuzenähnlich geformten Rauch. Badenius
Blicke blieben unverwandt auf dem wesen hängen und schließlich
fragte er:
"Wer bist du?" Erst jetzt fiel ihm auf, dass das Fieber runter gegangen
war und er wieder genügend Kraft zum Sprechen hatte. Hinter dem Schatten
musste ein Feuer sein, denn er hörte es knistern und die Wärme
ging nicht von der Hand, sondern von dem Feuer aus.
Als seine Worte verklungen waren, schrie der Schatten kreischend
auf, ein Kälteschauer stach in Badenius’ Kopf und er zuckte zusammen.
Der schwarze war womöglich auf einem Pferd, zog das schwarze, schnaubende
Tier zurück und zückte ein langes, dünnes Messer, das fragte
es mit zischender Stimme wieder auf ihn zukommend und ihm das Gefühl
gebend, er hätte nichts gegen die Schatten der Finsternis und das
Dunkel auszurichten:
"Hast du gesehen was die Zukunft in sich birgt?" Das Zischen war
eindringlich und Badenius antwortete nicht sofort. Mit einem Blick auf
die Lichtung stellte er fest das es eine Waldlichtung war und keiner außer
ihm und dem Schattenmann waren da. Ein funkeln in den tückischen Augen
des Feindes lies ihn erstarren, er zog ihn in einen Bann und umwickelte
ihn mit Kälte, Kraftlosigkeit und Trauer.
"... Nein..." sagte er traurig und die Augen schon wieder halb geschlossen.
Der Moment seiner Worte war lang und im Feuer brannte alles fast bis auf
die letzte Glut aus.
"Lüg mich nicht an Kerl!" zischte der Fremde Reiter und hielt
die im mondlicht glänzende Klinge näher an Badenius. Dieser öffnete
den Mund, doch schloss ihn gleich wieder und schluckte, wobei er den Frosch
im Hals nicht ganz hinunter bekam, doch dem dunkeln schien es zu genügen.
Schnell zog er das Messer von Badenius’ Kehle und entfernte sich wieder
mit dem unruhig im Boden scharrenden Pferd.
"Vielleicht kommt bald jemand, dem du vertrauen kannst!" das Zischen
war vertraulich und warmherzig. Welches wesen konnte so furchtbar aussehen
und doch eigentlich friedlich sein? Da schienen Fremde Worte durch die
Luft getragen zu werden und der dunkel Hengst stampfte wütend mit
dem stählernen Hufen auf, dessen Reiter jedoch, begann einen inneren
Kampf mit sich selbst zu führen. Er schüttelte den nebligen Kopf,
kiff die lichten Augen zusammen und zog wiederwillig an den ledernen Zügeln.
Auf einmal drang für einen Kurzen Moment ein rotes Leuchten aus den
Augen des Schattenreiters und das Pferd bäumte sich bereit auf. Die
Stimme des Geisterwesen hatte sich verändert und nun bemerkte man
auch, das dieses Lebewesen nur einen Arm hatte, an der Stelle hing der
Mantel einfach nur schlapp herunter. Die geschwärzte Klinge wurde
wieder über Badenius’ Haupt gesenkt. Prüfend wurden einige Schwingungen
damit gemacht, dann hob er den langen Dolch, der plötzlich schwertlang
in die Länge schoss und lies ihn wieder nach unten durch die Luft
gleiten, doch bevor er seinen Hals durchtrennen konnte, hörte er Stimmen
und ein Rascheln im Gebüsch. Der Fremde knurrte bedrohlich, dann galoppierte
er mit erhobenem Schwert und einem grässlichen Kreischen in die Nacht
davon. Der Geruch von Lorbeer lag über Badenius Körper und er
starrte kurz auf seine Wunden herab. War es möglich, dass er sich
in so kurzer Zeit diese Verletzungen zugezogen hatte?
Die Gefährten traten auf die Lichtung und sofort gesellte sich
Isribus zu ihm.
"Wie geht es dir, Bruder?" fragte er frei heraus und fasste seine
Hand.
"Schon besser!" lächelte er ihm zu und wollte unter Schmerzen
Aufstehend, nur um zu zeigen, dass er wieder fitt war, doch sein Bruder
hielt ihn zurück.
"Nichts da! Du musst dich ausruhen!"
"Er kommt!", flüsterte Badenius und wies mit der linken Hand
auf einen Schatten, der sich zwischen den Blättern bewegte, vergessen
war der dunkle Reiter, der wahrscheinlich sowieso nur sein Hirngespinst
war. Der Mönch trat aus dem Gebüsch und Badenius atmete erleichtert
auf und sagte belustigt:
"Was der wohl hier will?"
"Er ist gekommen um sich deine Wunden anzusehen, aber wie es scheint
geht es dir wieder besser!" Der Mönch begrüßte sie und
ging eiligen Schrittes auf Badenius zu. Sein zerschlissener, brauner Mantel
war zugezogen und die Kapuze hing ihm tief in die Stirn, aber als er vor
Badenius stand, zog er sie zurück und er sah sein Gesicht. Erst schien
es normal, doch dann explodierte sein schreck so heftig, dass er auf der
Bare, die man auf einem Felsen abgestellt hatte, zurückkrabbelte.
"Das kann nicht sein, du bist tot!" seine Haltung verkrampfte sich
und er schloss die Augen. So gesund war er wohl doch nicht. Er hatte den
Mönch für den Auferstandenen Kalikor gehalten, welcher ihn bösartig
mit seinem dreckverschmierten und blutbefleckten Gesicht angrinste und
so tat, als ob er jede Sekunde mit einem Dolch zustechen würde.
"Was hast du, Bruder?" fragte Isribus mitleiderregend, doch im selben
Moment huschte auch über sein Gesicht ein böswilliges Grinsen
und nun drehten auch seine anderen Brüder sich zu ihm um, zogen ihre
Waffen und traten einige Schritte auf die Bahre zu. Kalikor zog einen Dolch
aus seinem Gewand hervor und stach zu...- |
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Das konnte nicht sein! Kalikor war tot! Ein Wesen der Finsternis
würde niemals mit sich selbst im Konflikt stehen! - |
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© Benedikt
Julian Behnke
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