Das dritte Schwert von Benedikt Julian Behnke
Die Sechs 11 - Der weiße Drache

Trotzdem verlief das Blutvergießen nicht sonderlich weniger schlimm. Sie hatten zwar schon die Hälfte der Ork- Kokons zerstört, doch ihre Muskeln verloren immer mehr an Kraft, schon schnauften sie und hofften, dass die getöteten Feinde nicht doch wieder aus den Schatten des Hadesfelsen auferstehen würden. Alle hofften sie, dass ihre Feinde für immer weg bleiben würden und der Schweiß rann ihnen bei jedem Treffer und Bächen über die Stirn. Sie machten sich Gedanken darüber, was passieren würde, wenn ihre Feinde aus ihrem täglichen Schlummer erwachen würden und sich dann einem Haufen zerfetzter Leiber vor ihren Füßen gegenübersahen. Sie grinsten und fuhren mit ihrer Arbeit fort und während das Töten rasch voran ging, begann auch schon die Sonne ihren weiteren Lauf zu nehmen.
"Wenn wir uns nicht etwas mehr beeilen, wird hier bald von uns nichts mehr übrig bleiben, Hauptmann!", machte einer der Soldaten seinem Herrn Meldung.
"Du hast recht,", gab Arth Patrinell zu und zog sein Schwert aus einer zerteilten, schleimigen Kokonhülle, "bei der Anzahl von Feinden wird es kein Ende geben. Deshalb schlug ich vorhin vor, dass wir uns gegen den Befehl des Königs die Nachbarländer zu verständigen! Im Endeffekt wird er uns dann doch dafür danken!"
Der Soldat nickte wissend.
"Herr, ich weiß, wie es euch geht, doch mein Dienstgrad ist zu niedrig, um ihnen meine Gefühle offen mitzuteilen!"
Arth seufzte und ließ die Schultern hängen, dann erklärte er seinem Mann:
"Im Krieg sehe ich nicht auf den Dienstgrad. Merk dir das, Freund!" 
Der kleine Mann grinste beflügelt, als Patrinell ihm die Hand aufmunternd auf die Schulter legte, er hatte blonde kurze Haare und ein breites Gesicht, seine Uniform sandfarben und mit Orkblut bespritzt. 
"Ihr seid ein guter Hauptmann!"
"Was wolltet ihr mir sagen?", fragte Patrinell und sah sich um, betrachtete die Zelte der Gnome und der Bergtrolle. Wenn sie weiter solchen Lärm beim Kampf veranstalteten, würden sie es bemerken. Zur Zeit schliefen sie zwar, doch würden sie sich bestimmt bei Einbruch der Nacht erwachen, oder jetzt so fort wenn es zu viel Krach geben würde.
"Es...", er stockte, wollte anscheinend nicht, dass Arth sich beleidigt fühlte, doch Arth hörte ihn weiter ruhig an, "Es... ist so,", sagte er schließlich, "mir gefällt die Sache hier nicht... es ist einfach zu brutal..."
"Ich weiß.", gab Patrinell zu. "Es ist schwer gegen einen Feind zu kämpfen, der eine große Versuchung ist. Wir haben die Wahl zwischen Sterblich- und Unsterblichkeit. Wenn dein Freund sich wendet, wendest du dich normalerweise auch... Aber wenn es der Feind ist, zu dem er sich wendet, dann liegt es bei dir. Ich weiß!"
Der Soldat nickte stumm.
"Gut, Herr, ich werde weiter unter ihrem Dienst stehen!"
Arth nickte bekräftigend und wendete sich dann ab. 
Als er vor einem der lila schillernden Kokons stand, hob er sein Schwert senkrecht über dem Kopf und ließ es dann so schnell in die Hülle gleiten, dass es ein erst zischendes und dann ein krachendes Geräusch gab. Blut und Schleim flog durch die Luft und klatschte auf sein Kettenhemd. Angeekelt wischte er ihn fort und lief zum nächsten, während die Sonne immer höher stieg und sich vermutlich wieder bald zu Tal begeben würde...

Dalap - Uliga - Darrit ragte majestätisch aus den Wipfeln der tiefgrünen Bäume auf, seine Zinnen und Türme spielten im Wind. Diese Feste würde nicht leicht von den Orks und den anderen eingenommen werden können. Kalikor lächelte, als das massige Tor vor ihm prangte, stark waren Uligas Verteidigungssysteme, doch nur klein die Anzahl derer Leute, die sich in der Festung aufhielten.
Links über ihm befand sich ein vergittertes Fenster in der Mauer.
"Hey!", rief er hinauf und das grimmige Gesicht einer Wache tauchte hinter dem Guckloch hervor. Über dessen Kettenhemd hatte sie ein Helm übergezogen. Der Wachmann musterte den jungen Kerl:
"Was willst du? Wir lassen dich nicht rein! Keiner kommt hier durch. Bist wohl ein Ork-Spitzel, hä?" Er lachte kurz und grimmig, doch dann verzogen sich seine Mundwinkel tiefer nach unten und sein Gesichtsausdruck wurde zu einer garstigen Mine. "Verschwinde!", brummte er nur, "Wir wollen hier keine Bettler!"
Als er das sagte, betrachtete er die zerlumpten und blutbefleckten Kleider Kalikors. "Mein Gott... Wen hast du denn gekillt...?" Der Soldat wurde ängstlich und ungläubig, dann schien er etwas vom Boden des Wachraumes aufzuheben. Einen Bogen. Er spannte ihn und legte ihn durch das Gitter an Kalikor tat noch immer nicht, unschlüssig stand er da und sann dem Tod entgegen.
Der Pfeil kam schneller, als er es sich gewünscht hatte, ein glatter Treffer, genau in seinen Hals. Es passierte nichts und auch Kalikor hatte sich nicht bewegt. Die Wache legte ein zweites Mal an und schoss, wobei die Bogensehne sirrte.
Kein Blutrinnsal floss aus seiner Brust. Der Unsterbliche grinste und dachte an die Worte Muragechts: ...dafür schenke ich dir die Unsterblichkeit...; Er brach das buschige Ende des Pfeil in seinem Hals ab und zog ihn dann an der Spitze heraus. Den in seiner Brust riss er gewaltsam vor den Augen des Wächters heraus. Es schien, als wäre nie ein körperfremder Gegenstand in seine Haut gedrungen, alles war unverletzt und unversehrt.
Erst zauderte der Soldat im Wachraum, doch dann verschwand er vom Fenster und rief mit brüchiger, erregter Stimme nach den anderen in der Wachstube sitzenden Leuten.
Kalikor verschwand ruhigen Schrittes im Gebüsch, wartete auf seine Verfolger, denn er brauchte neue Kleider, um nicht innerhalb der Stadtmauern aufzufallen. Er lehnte sich hinter einen dicken Stamm an welchem das Moos heraufgekrochen war und hielt mit der Waffe in der Hand Inne. Um ihn herum wuchs Farn und ähnliches von der Sonne beschienenes Gestrüpp mit dicken, ledernen Blättern.
Ein Mann kam bereits mit schnellen Schritten, das Schwert mit beiden Händen umklammert zwischen den Bäumen hervor. Kaum war er Kalikor nahe gekommen, verließ dieser sein Versteck mit der ausgestreckten Schwerthand und hieb seinem Gegner im Überraschungsmoment den Kopf von den Schultern. Leblos sank dessen Körper zusammen. Schnell packte Kalikor den in voller Montur gewesenen Ritter bei den Beinen und zerrte ihn ins Laub, zog ihn im Schatten eines Gestrüpp aus. 
Nachdem er fertig war und sich nur noch die Handschuhe überziehen musste, stockte er kurz und erinnerte sich an seine Vergangenheit. Heute war es das erste Mal, dass er einen Menschen tötete, ihm das Leben nahm... Was mochte ihm Muragecht für ein Mittel gegeben haben, dass er zu so etwas fähig war? Vielleicht war es einfach nur der Mut der Verzweiflung... oder etwas anderes... Störrisch schleuderte er den Gedanken fort, legte sich schnell den eisernen Brustharnisch mit dem weißen Drachenwappen an und stülpte sich den Helm über. Was er nicht bemerkte war, dass es sein Wappen war... Er hatte einen seiner eigenen Männer getötet, auf blutrünstige, grausame Weise... Nein, er wollte nicht darauf achten, musste weiter, musste es schaffen seine Freunde zu finden und einzuholen.
Entschlossen lief er weiter, die Mine ernst und sogar mit einer Spur Traurigkeit in sich.
Nachdem er sich etwa eine Stunde an Hecken und Gebüschen vorbeigeschlichen hatte, kam er zu einer Mauerstelle, die ziemlich verwittert war und an der eine dichte Efeuwand emporkletterte. Noch immer drangen die gedämpften Rufe der wachen durch die Stille, während sie das Dickicht nach im absuchten. Er wartete auf den richtigen Augenblick, bevor er sich aufrichtete, um noch einmal einen prüfenden Blick durch die Gegend zu werfen, dann kletterte er an der Efeuranke hinauf und überstieg die Mauer, nicht ohne ein weiteres Mal seine Augen über den düsteren Wald schweifen zu lassen.
Die Oberseite der Mauer war zerklüftet und Steine bröckelten schon seit Monaten aus der Verankerung des Mörtels. Nun ließ er sich mit einem Ruck ins Licht sinken. Es war Mittag, die Zeit, zu welcher die meisten Leute am Markt einkaufen oder einfach nur in den Gassen herumhangen.
Aufrechten Hauptes marschierte er als Soldat durch die Menschenmenge, beäugte hier und da die jungen Mädchen und suchte nach einer Gastschenke, die auch Zimmer vermietete. Notfalls würde er sich auch bei den Leuten umhören, aber soweit musste es erst noch kommen.
Dalap - Uliga - Darrit war eine riesige Stadt, bestehend aus vielen, oftmals zweistöckigen Häusern und großen Mauern, auf denen zwischen Zinnen Soldaten partroulierten. Sobald er einem seines Gleichen begegnete, grüßte er ihn mit der Hand an der Schläfe, salutierte oft und gehorsam, achtete auch sorgsam auf seinen und auf den Dienstgrad seiner Gegenüber. Die Stadt schien regelrecht verseucht von Aufpassern und Ordnungshütern.
Schließlich gelang es ihm die Menschenmenge zu durchstreifen und erreichte ein großes Gasthaus, was ihm angemessen für die Unterbringung seiner Brüder schien.

Tief im Inneren seines Schlosses hockte der dunkle Herrscher in den Schatten seiner Gemächer, verhüllt war sein Gesicht und dunkel seine Umgebung. 

- "Er wird mir unterwürfig sein, mir dienen... Mich kann sich keiner so schnell austreiben! Das Böse beginnt bereits zu wachsen, ja, führe mich zu deinen Brüdern, führe mich zu deinen Freunden, führe mich zu ihnen..." Eine Schwertklinge blitzte Eisig kühl in den Schatten auf und Augen, die nicht von dieser Welt schienen glommen bösartig funkelnd aus dem Dunkel auf...  -
"Isribus!" Wariors Stimme schnitt schrill und aufgebracht durch die Stille, als sich seine Zimmertür mit einem Krachen öffnete. Er zog die Bettdecke höher und versuchte sich ängstlich vor dem bedrohlichen Schatten in der Tür verstecken. "Das ist nicht wahr, du kannst nicht leben! Du bist tot!" und nach einigem angsterfülltem Zaudern, "Isribus!"
Keuchend vor hast kam Isribus vom Flur auf Wariors Zimmertür zugerast, während sich der Mann näher an Wariors Bett heranschob, wollte etwas sagen.
"Nein, ich..."
Da traf ihn schon Isribus’ Ellenbogen im Rücken und er taumelte vor, die schwere Rüstung zog ihn unerbittlich zu Boden. Mit einem dumpfen Scheppern landete er.
Warior, noch immer leicht bekleidet, stand aus dem Bett auf und näherte sich dem sich krümmenden Individuum auf dem Boden, welches noch immer von den stählernen Armen Isribus’ gehalten wurde.
"Wer ist es?", fragte er und hatte mühe den sich unter ihm windenden Körper festzuhalten.
"Es war...", er brachte keinen Ton heraus und musste erst einmal schlucken, "Es war Kalikor... Wieder von den Toten erwacht..."
"Das werden wir ja gleich sehen!", presste Isribus heraus und warf seinen Gegner mit einem harten Ruck herum. 
Die anderen drei stürmten nun ebenfalls herein, ihre Gesichter wurden totenbleich.
Kalikor hockte mit verwirrtem Haar am Boden, unverletzt und ohne Narbe, ganz anders, als ihn die Anderen verlassen hatten, doch die frische Farbe in seinem Gesicht war noch nicht wiedergekehrt, blass war er jetzt, fast leichenblass, sein Augen blutleer.
"Kalikor... Welches Hexenwerk hat..."
"Muragecht!", schrie Kalikor, während Isribus begann ihn fesseln. Er ließ es geschehen, wusste, warum seine Freunde das taten, sie mussten sichergehen, dass er auch wirklich der war, für den sie ihn hielten, Kalikor, der Prinz des Drachenordens. "Er hat mich wiederbelebt, mit der Bedingung, dass ich ihm als Sichtfenster diene..."
Etwas unsichtbares schien in seinem Inneren zu rebellieren, sich aufzubäumen, kratzte und schlug wild um sich, ein Kampf sollte ausgefochten werden. Kalikor kämpfte mit aller Kraft, verlor jedoch dann das Bewusstsein und seine Augenlider schlossen sich. Der schlafende Körper wollte vornüber sinken, doch Isribus hatte ihn an einen Stuhl gefesselt und so sank nur sein Haupt schlaff auf seine Brust.
Immer noch erstaunt sahen die anderen, Warior, Gisildur, Savamir, Isribus und Badenius voller Zweifel auf den Bewusstlosen. Der erste begann sich anzuziehen und Gisildur überlegte fieberhaft und entsetzt:
"Wenn das wahr ist, was er sagt, dann weiß Muragecht bereits, wo wir uns aufhalten! Ohne Zweifel ist dieser Kerl hier wirklich Kalikor! Ich würde ihn unter Tausenden wiedererkennen.", er überlegte weiter, während die Anderen seinen Worten lauschten und ihnen versuchten Glauben zu schenken, "Dass er uns die Wahrheit gesagt hat, ist der beste Beweis dafür." Aufgebracht lief er im Zimmer hin und her. "Isribus?"
"Ja?"
"Lass ihn gefesselt! Es könnte sein, dass er uns auf Befehl seines vermutlich neuen Meisters aushorchen will! Muragecht sagte, er wäre für ihn ein Sichtfenster, also... Bindet ihm die Augen und lasst ihn hier allein! Wir müssen sofort mit den hiesigen Soldaten sprechen!"
Seine Stimme trug genug Autorität mit sich, dass die Anderen ihm nicht widersprachen und sich lieber schnell an die Arbeit machten.
Draußen begann es bereits zu dunkeln.

Kurz bevor die Sonne in einem gleißenden Rotgold hinter den Bergen verschwand, sattelten die Aufklärungssoldaten ihre Pferde, alle hatten ihre entschlossenen Gesichter Patrinell zugewand. Der stämmige Kämpfer warf noch einen besonnen Blick auf ihr Gemetzel zurück und rief dann seinen Leuten zu, ohne auf die Gnome oder Trolle zu achten:
"Wir reiten jetzt ohne Stopp zum Wachturm von Pakin durch! Wer schlapp macht, wird zurückgelassen! Also los, Männer!"
Gerade kamen ihre Feinde mit erhobenen Waffen und monströsem Gebrüll aus den Zelten gestürzt, um die Kokons zu bewachen und die Eindringlinge zu beseitigen, galoppierten die Hengste der anderen schon los, mit donnernden Hufen jagten sie Pferde über den heißen Wüstensand. Mit gewaltiger Schnelligkeit durchstoben sie die Reihen der Gnome, die sich bereits durch einen großen Vorsprung vor sie geschoben hatten und sie aus verrückt funkelnden Augen ansahen. Schwerthieb um Schwerthieb schickte einen Gnom nach dem Anderen ins Jenseits.
Da verließen sie auch schon die letzte Reihe an Feinden und stoben in den Tannenwald nahe der Wüste hinein, immer den hohen Turm im Blick, der sich imposant aus den Schatten der fernen Hügel erhob.
Noch einmal blinzelte die Sonne unendlich grell hinter dem Horizont auf, das Gold versiegte hinter Baumwipfeln und die Feinde brachen aus ihren schimmernden Kokons heraus, Massen von geifernden, spuckenden und sabbernden Wesen mit zuckenden Leibern, klauenbewehrten Händen und finsteren Augen, bösartig grinsend und fauchend.
Arth erstarrte einen Augenblick und verlor sich in seinen eigenen Gedanken, wer war es denn, der jetzt nach ihrem Verlust fallen würde und den Nachteil hatte?
Die antwort blieb aus, denn schon wendete er sein schweißnasses Pferd, ritt mit geballtem Mut und dem ausgestrecktem Arm mit dem Schwert gegen seine Feinde an und seine Soldaten taten es ihm gleich, wendeten ihre stämmigen Rösser, sandten Schlachtrufe zum Himmel und stürmten auf den Feind zu, der gerade versuchte auf die Drachenfestung einzuschlagen.
Unhaltbar stürmten sie den Gegnern in die Flanken, zerschmetterten sie und hackten mit erbittert verkrampften Muskeln in das zuckende Getöse, sie würden so lange nicht aufgeben, bis der Feind gefallen war. Mit letzter, widerstrebender Kraft droschen sie die Spitze der wuselnden Angreifer beiseite, töteten Tausende von ihren Pferden aus und umrundeten die südliche Flanke, um hier ein weiteres Mal ins Getümmel zu fahren.
Arth Patrinell schlug ohne nachzudenken um sich, ritt an der Spitze seiner Mannen. Aus den mit Tränen verschleierten Augenwinkeln sah er, dass viele seiner Leute mit samt dem Pferd umgerissen wurden, ins Heer geschleift wurden und dort grausam zermetzelt wurden. Einer nach dem anderen fiel an seiner Seite und er kämpfte weiter, wirbelte sein Schwert schnell um sich, nahm Leben ohne Unterlass, bis er schließlich Unterstützung durch die Pfeile der Bogenschützen auf der Burg erhielt.
So ein Gemetzel hatte es noch nie gegeben, Arth Pferd kam kaum noch vorwärts unter dem ständigen Angriff der Feinde, die sich wie eine nie enden wollende Woge über das Land ergoss. Noch einmal bäumte es sich auf, ein weißer Schimmel prächtig an Gestalt und unverwundet, doch da bohrten sich Lanzen und Piken tief in dessen Bauch und Brustfleisch, Patrinell wurde davon geschleudert, während ihn seine Kräfte immer mehr verließen, die Gedanken versiegten, während er immer noch wild entschlossen um sich schlug, schnell und geschmeidig. Seine Beine zitterten und er vermochte kaum noch zu stehen, blutete schon aus vielen Wunden.
Auf einmal öffneten sich die Tore der Drachenfestung aus Hartholz und unter Quietschen und dem Rasseln von Ketten stürmte die Kavallerie der Burg aus ihrem Schutz und drängten den Feind fast ohne Schwierigkeiten zurück. Ihre Rüstungen waren golden und auf ihren Bannern war das Wappen des weißen Drachen deutlich sichtbar, zeigten auch ihren Rang, es war die Leibgarde des Königs persönlich.
Erleichtert schloss Arth Patrinell die Augen sank auf die Knie und wurde von den sich zurückziehenden Feinden überrannt...

Versonnen sah der König auf das Land vor seinen Füßen, überschwemmt von den kreischenden Dämonenhorden, überflog es mit den Augen, genoss die Höhe seines Aussichtspunktes auf den Zinnen seiner Burg.
"Es wird zuende gehen. Nicht heute, aber bald... Bogenschützen! Feuer!"
Seine Stimme war die Macht in Person und als er das Schwert wie bei einem Angriff schwang, schossen die Kämpfer an den Zinnen mit vibrierenden Sehnen Pfeile ab, die ihr Ziel fanden.
"Bei mir wird der Mut belohnt!", sagte der König betont, "Schafft mir diesen Patrinell herauf!"
Hagel um Hagel donnerte auf die Damonen, immer schneller und stärker prasselten sie hinunter und trieben eine Reihe nach der Anderen von dem Ort zurück, an welchem Arth bewusstlos lag.
Plötzlich, wie durch ein Zeichen drehten die Angreifer ab und wanden ihren unendlichen, zuckenden Dämonenstrom nach Süden. Etwas musste sie beunruhigt haben...
Die Leibwache brachte Arth in das Innere der Festung und schon wurde das Tor wieder verschlossen und das Fallgitter heruntergelassen.

Langsam kam er wieder zu sich und erkannte, wo er war. Das Zimmer war unverkenntlich ein Herrenzimmer und süße Düfte lagen im Raum, wallten unauslöschlich durchs Zimmer und mit einem leisen Klopfen meldete sich auch schon der erste Besucher an. Es war der König, der nun den kunstvoll eingerichteten Raum betrat.
"Das war mutig von euch, Patrinell!" , sagte der alte König, dessen Haar bereits ergraut war und dessen Falten tief und dunkel waren. Sein Körper zeugte von vielen Narben in der Jugend.
Arth wollte sich aus seinem Bett erheben, spürte aber einen tiefen, stechenden Schmerz im ganzen Körper, also sagte er nur achselzuckend:
"Ich war es nicht allein! Wo sind meine Männer? Warum habt ihr sie nicht holen lassen? Sie waren doch viel mutiger als ich, hatten Frau und Kinder! Ich hatte dies nicht!" Seine Stimme schien irgendwie keinen bleibenden Eindruck bei dem König hinterlassen zu wollen, wohl durch dessen sicheres Auftreten.
"Wisst ihr,", begann er, "ich war auch einmal ein freier Schwertkämpfer. Als Hauptmann schlug ich viele Schlachten und schon früher hatte ich Gelegenheit Muragechts Truppen ins Gesicht zu sehen und ich muss sagen, ihre Stärke hat reichlich an Kraft verloren. Die Dämonenhorde, die es früher schon gab, waren menschlicher und nicht so todesmutig wie diese hier. Es betrübt mich, dass ihr so schlecht von mir denkt, Hauptmann!"
"Hauptmann?", fragte Arth verdutzt, immer noch misstrauisch dem König gegenüber, "Ich bin kein Hauptmann! Und schon gar nicht in euren Diensten, König... Wie war noch gleich ihr Name? Und was ist mit meinen Männern geschehen?"
"Folgt mir, wenn ihr könnt!" Patrinell versuchte es wirklich, doch die Schmerzen zogen ihn immer wieder zurück auf sein Bett. Kleinlaut gab er zu: "Ich kann nicht!", sein Ton wurde ruhig, er wusste, dass er dem König unterlegen war, "Sagt mir wenigstens euren Namen, Herr."
"Milchemia Telchman."
Der Name schnitt dem jetzigen Hauptmann hart ins Fleisch. War dieser König wirklich der Milchemia, von dem in den Sagen und Geschichten von den großen Kriegen berichtet wurde?
"Entschuldigt, ich wusste nicht, dass ihr es seid..."
"Macht nichts,", tröstete ihn der König, "dies wissen nur Einige. Früher konnte ich noch selbst gegen ihn kämpfen, doch heute sind meine Kräfte abgeflaut, eingerostet und in einem Kampf Mann gegen Mann würde ich sicher den kürzeren ziehen... Ich verlor viele Freunde an diesen Muragecht. Ich hoffe du weißt, dass Muragecht nur eine Bezeichnung seiner Ranghöhe ist, oder?" Der Andere schüttelte wissbegierig den Kopf. "Der eigentliche Herr über die Dämonen ist der Herr der Winde, der Donnergott! Durch die Magie der Liebe wurde er schließlich unterdrückt..." Nun schwieg er beträchtlich, glaubte offenbar etwas falsches gesagt zu haben, doch Patrinell hörte ihm trotzdem auch im Schweigen zu.
"Gibt es irgendwas, was ich für euch tun kann, Herr?"
Patrinells Frage war berechtigt, er hatte einen Fehler begangen und versuchte ihn nun wieder auszubügeln, indem er seine Dienste voll und Ganz Milchemia anbot.
"Da gäbe es tatsächlich was...", begann der König zu überlegen und legte sich gedankenverloren den Finger ans Kinn, "...sobald es euch besser geht, werdet ihr mit einem kleinen Trupp aufbrechen. Ich sah euch, wie ihr euch zum Wachturm von Pakin durchschlagen wolltet und dachte mir, dass dies eine gute Idee wäre. Der König vom Adlerfelsen ist alt und eingebildet, er sieht nur den Sieg und den Tod. Er würde nie Hilfe holen!"
"Da haben sie recht,", gab Arth zu, "vor einiger Zeit wurden wir losgeschickt, um die Kokons der Orks zu zerstören und auf keinen Fall Hilfe zu holen. Von Anfang an hielt ich das für eine Absurde Idee, also versuchte ich trotzdem Hilfe zu holen... Aber dann sah ich, dass ihr jetzt ganz allein und ohne weitere Kavallerie wart... Ich bekam Schuldgefühle und... Der Rest ist bekannt!"
"Ihr werdet mit Oberleutnant Arend reisen. Unter seinem Kommando stehet meine Leibwache, die Ritter, die euch aus den Klauen der Feinde befreit haben..."
"Was ist mit den Feinden...? Und wer ist dieser Arend...?"
Der Hauptmann begann zu schwächeln und ließ sich wieder zurück in die Kissen sinken. Der Schmerz pochte in seinem Kopf und die Schnittwunden an Armen und Beinen brannten wie Feuer.
"Der Gegner hat sich nach Süden gewand, entweder zieht er sich zurück, oder er sammelt seine Armeen zu einem Angriff im Süden des Landes! ... Arend ist, wie ihr vielleicht schon an seinem Namen gemerkt habt, ein Elf aus den Nordlanden. Sein voller Name lautet Oberleutnant Arend Isidor Hyazinth, Sohn des Odin..."
"Ziemlich langer Name.", bemerkte Arth bissig, "Ich wünsche jetzt allein gelassen zu werden!"
"Wie ihr wollt, schlaft euch ruhig aus!"
Mit den Worten verließ der König das Herrenzimmer und seine Schritte verloren sich gedämpft draußen auf dem Gang.

Allagan stolperte keuchend die bewaldete Hügelkette mit Shar im Schlepptau hinunter, Steine polterten ins Tal und oft lösten sie kleine Erdrutsche aus. Sie rannten den mit verdorrtem Gras bewachsenen Hang hinab ohne sich auch nur einmal umzusehen, den Blick immer starr auf die Felderebene vor ihren Füßen gerichtet. Am Abhang selbst sprossen nur hier und da vertrocknete, dunkle Hecken und Büsche in die Höhe, rissige silberne Borken gab es nur wenige und sie waren weit verteilt. Der kühle Nachtwind streifte über das Gras und raschelte in den Bäumen, während ihnen etwas dunkles, großes folgte, kühl wie die Nacht und tödlich wie aneinandergereihte, spitze Klingenwaffen schoss es auf sie zu. Die scharfen Krallen des Wesens, welches fast unsichtbar bei Nacht war, schlugen sich knirschend und schabend in den Fels und in knorrige Baumstämme, kroch behände wie eine Spinne an Felsnasen entlang und riss Büsche mit sich.
Beide spürten den heißen Atem des Wesens im Nacken, was so viel mehr Ausdauer als sie besaß und unbesiegbar schien. Mit rasselnder Kehle stürzte sich der Dunkle in die Lüfte und schlug mit ledernen Flügeln um Halt in der Luft zu finden. Ruckartig hoben ihn die Aufwinde empor und sein Schrei hallte gellend durchs Tal.
Jetzt warf sich Allagan auf Shar, riss ihn zu Boden. Die Klauen des Wesens verfehlten sie um haaresbreite und so schwebte es wütende Schreie von sich gebend davon und nach einigen Metern machte es kehrt, kam zurück mit roten, verrückt funkelnden Augen, kreischte so laut, dass sie dachten ihnen würden die Trommelfelle platzen. Verwirrt zerrten sie sich aus der Flugbahn des Teufels und verschwanden im dürftigen Schatten eines Baumes. Bei Beiden ging der Atem so schnell, dass er ihnen tief in die Kehle schnitt und sie mit letzter Kraft um Luft ringen ließ. Das Schattenwesen verschwand zwischen den Tannen am oberen Hang. Nur noch kurz konnte man seinen riesigen, klauenbewehrten Körper zwischen den Bäumen sehen, dann verschwand es irgend wo im Dunkeln.
Nach einiger Zeit des Wartens, konnten sie sich wieder erlauben miteinander zu sprechen.
"Was... war... das...", fragte Shar scharf atmend und befühlte die Wunde an seiner Seite, die ihm ein gesplitterter Ast zugefügt hatte.
"Das war Arborak... Dun... Er ist kein... Mensch wie Sowem Dun, doch... gefährlicher und... bösartiger..."
Sein Flüstern war fast unhörbar und weit oben zwischen den dunklen Stämmen schien sich ein Schatten schnaubend auf und ab zu bewegen und Shar nickte vorsichtig.
"Was machen... wir jetzt...? Der sitzt... doch da oben... immer noch rum... und glotzt!"
"Das ist unser Vorteil... Er sucht uns und... kann uns nicht finden... Komm... klettern wir da oben rauf..."
Er erhob sich und versuchte dabei so weit wie Möglich im Schatten zu bleiben, um nicht gesehen zu werden, dann setzte er seinen Fuß auf einen Ast, griff nach dem nächsten und zog sich in die Baumkrone hinauf. Allagan half Shar es ihm gleich zu tun und nach einigen Minuten saßen sie beide und warteten auf den nahenden Tag...

Es war kurz vor Mitternacht, als Oberst Ephraim von General Vedastus den Befehl bekam die Zinnen mit Bogenschützen zu besetzen und ein Kampftüchtiges Heer aufzustellen. Das Zeichen des weißen Drachen wehte auf den Fahnen und Bannern der Fußsoldaten und der Kavallerie.
Prinz Isribus hatte dem General den Befehl gegeben und so war es dann auch geschehen. Warum traute sich niemand zu fragen, doch es gab keinen Zweifel, dass der Prinz extra wegen dieses strategisch wichtigen Feldzuges des Muragecht nach Dalap - Uliga - Darrit gekommen war. Er hatte ihnen gesagt, dass der dunkle Zauberer wahrscheinlich versuchen würde die Stadt zu überfallen und niederzubrennen, nur, um einen Feind weniger zu haben, den er auslöschen musste. Er hatte ihnen gesagt, dass Muragecht die Fahne des weißen Drachen niederbrennen und die Herrschaft von König Milchemia absetzen würde, so, wie es schon seit Jahrhunderten in den Prophezeiungen geschrieben stehen würde.
 

© Benedikt Julian Behnke
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Und schon geht's weiter zum 17. Kapitel (12. Kapitel des 2. Buches): Der dunkle Traum

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