Drachenwirklichkeiten von Marc Kuhn |
In einem tiefen, satten Grün zogen die Wälder unter ihm dahin. Unterbrochen von tiefen Schluchten mit reißenden, klaren Flüssen. Wild stob durch das Unterholz und fügte braune, graue und viele andere Farbtöne dem Bild hinzu. Doch all dies nahm der goldene Drache nicht wahr, der mit kraftvollen Flügelschlägen Meile um Meile hinter sich zurückließ auf der Suche nach seiner Erfüllung. Blass erschienen ihm diese Farben, verglichen mit der Mischung aus Silber und Gold, die ihm im Traum geschenkt worden war. Unbedeutend und unwirklich. Suchend glitt sein Blick über den Horizont, in der Hoffnung, das zu finden, was ihm diesen Traum wiederbringen würde. Unermüdlich arbeitet er sich vorwärts. Unerschöpflich in seiner Gewissheit seinem Glück auf der Spur zu sein. Nur vage war seine Vorstellung wohin er ziehen musste. Lediglich sein Instinkt und ein fast unbewusster Drang führten ihn. Und doch war er sich sicher immer näher an sein Ziel zu kommen. Er gewann an Höhe, als ein kleines Gebirgsmassiv
vor ihm aus dem Dunst, der die untergehende Sonne einzuhüllen schien,
auftauchte. Getragen von warmen Aufwinden kreiste er über den sich
unter ihm ausbreitenden Bergen, sich nur zu deutlich der Tatsache bewusst,
daß gerade ein solcher Ort von seiner Art als Wohnstätte bevorzugt
wurde.
"Schon einmal an die Möglichkeit gedacht
nach oben zu schauen?" riß ihn eine Stimme aus seiner Konzentration.
Er schenkte ihr auch keine Antwort, sondern
erwiderte nur ihr Lächeln, als ein schneller Schlag seiner Schwingen
sie auf gleiche Höhe brachte. Ihre Blicke trafen sich, verloren sich
ineinander und lösten sich wieder, als sie sich herumwarf und mit
einem Blick über ihre Schulter, ob er ihr auch folge, im schnellen
Flug davoneilte.
Bewundern folgte der Goldene ihrer Bahn. Gebannt
von der Energie, die in ihren Bewegungen zum Ausdruck kam und dem Spiel
des Mondlichtes auf ihrem Körper. Jeder Flügelschlag, jedes Lachen,
jedes Klirren ihres Schuppenkleides vermischte sich für ihn zu einem
unwiderstehlichen Sirenengesang, dem er begeistert folgte.
So jagten sie einander im silbernen Schein des Mondes. Umkreisten und neckten sich. Spielten ausgelassen und genossen ihr Glück, sich gefunden zu haben. Genossen das Wahrwerden eines Traumes und fanden in der Wirklichkeit das selbe Glühen in ihren Herzen, die selbe Mischung aus Silber und Gold. Lange währte ihr gemeinsamer Flug, als
ob sie Angst hätten auch diesmal wieder ohne den anderen zu erwachen.
Immer und immer wieder schwangen sie sich zu neuen Höhen auf, ohne
auch nur einen Augenblick die Freude an ihrem gemeinsamen Tun zu verlieren.
Als sie diese simple Wahrheit endlich erkannt
hatten, brach bereits der neue Morgen an und die ersten goldenen Strahlen
der Sonne brachen sich auf den Schuppen der beiden Drachen und taten das
ihre, zu ihrem Glanz beizutragen.
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