Die Schattenstadt von Hyphistos |
1: Die Übernahme |
Tarka fluchte. Wie hatte er sich auch nur auf so eine wahnwitzige Idee einlassen können? Vier Leute, die einen Wachtposten im Alleingang stürmen wollten. Verrückt. Aber gut, sie waren eine Gruppe, auch wenn sie nicht die besten Freunde waren, in Zeiten wie diesen hieß es zusammenhalten. Tarka fluchte kurz und kauerte sich dann im hohen Gras wieder zusammen. Er blickte nach rechts, sah genau in das Gesicht von Lydia und zuckte zusammen. Sie musste ihn die ganze Zeit beobachtet haben. Tarka war sich noch immer nicht sicher, ob sie Gedanken lesen konnte oder nicht. Bei Magiern konnte man nie wissen. Während die vier Gestalten im Hochgras lagen, gingen die beiden
Wachen vorm Wachturm gelangweilt ihre Runden. In Cleos war eben nicht
viel los. Bis zu diesem Zeitpunkt.
Sie rannten in das Gebäude und sahen sich um. Es war erstaunlicherweise ziemlich gut beleuchtet. Pyra schmunzelte. "Sieh an, sieh an. Selbst Anhänger der Finsternis brauchen also Licht. Welch ermutigender Gedanke", dachte sie sich. Der Raum war nur spärlich eingerichtet, da außer Betten und Waffenhaltern von den Wachen nichts benötigt wurde. Die Wand war an manchen Stellen seltsam rot und Pyra wollte gar nicht wissen, ob es Farbe war oder etwas andres. Sie konnte es sich ohnehin denken. Pyra zählte. Es waren fünf Wachen. Ein Kinderspiel also. Doch als sie in das Gesicht einer der Wachen blickte, spiegelte sich in ihrem Gesicht Entsetzen. Eine Dunkelelfe! Was, verdammt, tat eine Drow hier? Auch die anderen schienen die Drow entdeckt zu haben, da auch sie erschrocken blickten. Damit hatten sie in ihrem Plan nicht gerechnet. Drows waren heimtückische Killer. Es waren verstoßene Elfen, die sich der Dunkelheit zugewandt hatten. Eigentlich hassten sie alle anderen Rassen, aber Hyphistos hatte sogar dies schreckliche Wunder vollbracht und alle dunklen Rassen zusammen geführt. Die Drow musste neu in Cleos sein, da sie sie zuvor noch nie auf irgendeinem Wachrundgang gesehen hatten. Als die Dunkelelfe ihre bleichen Gesichter sah, grinste sie diabolisch. Tarka, der nicht tatenlos sterben wollte, hob sein Schwert in die Höhe, ließ einen markerschütternden Schrei los, und rannte blindlings auf einen der Wachen zu. Im Vorteil der Überraschung hieb Tarka ihn mühelos nieder, und wollte zum nächsten übergehen, doch dieser hatte schon sein Schwert gezogen. Als er gerade zum Hieb ansetzte, wurde seine Hand von einem Dolch an die Wand genagelt. "Gott sei Dank", dachte Tarka, "auf Arargh ist Verlass." Während die Drow nur amüsiert zusah, standen die andren beiden Wachen mit gezückten Schwertern zum Kampf bereit. Sie gingen langsam auf Tarka zu. Dieser rannte blitzschnell zu einem der beiden, brach ihm das Handgelenk der Schwerthand und erstach in der selben Bewegung mit dem Schwert, das noch immer in der gebrochenen Hand der Wache lag, die zweiten Wache. Danach schlug er dem ersten mit der geballten Faust ins Gesicht, so dass dieser mit gebrochenen Nase niederfiel und am Boden liegen blieb. Nun trat die Drow aus einer Nische, in der sie sich bis jetzt zurückgehalten
hatte, in den Raum. Sie schien nicht mehr ganz so siegessicher zu sein,
doch versuchte sie, sich nichts anmerken zu lassen. "Für Hyphistos,
den ewigen Herrscher der Dunkelheit", rief sie, öffnete dann die Faust
und ein mächtiger Feuerball flog unter lautem Zischen genau auf Tarka.
Dieser war mit dem Rücken zu ihr gewandt, blickte nach hinten und
weitete die Augen. Er setzte zum Sprung an, um auszuweichen, doch in dem
Moment, als seine Füße den Boden verließen, schlug der
Feuerball auf seiner porösen Lederrüstung auf und schleuderte
ihn gegen die Wand, so dass von ihr ein paar Steinbrocken abbrachen, und
Tarkas Wirbelsäule laut knackste. Er sank mit schmerzverzerrtem Gesicht
nieder. Ein leises "haut so schnell wir möglich ab" verließ
noch seine Lippen, ehe er entgültig zusammenbrach.
Doch ihr Triumph blieb nur von kurzer Dauer, denn einerseits hörten
sie schon das dumpfe Klopfen von Schuhen, die sich langsam die Treppe des
Turmes hinabbewegten, und andererseits hustete und spuckte Tarka immer
schlimmer.
"Seht euch nur diese Waffen und Rüstungen an!" frohlockte Tarka
und brach das Schweigen. Tatsächlich war es wie ein Segen für
die "Rote Hand", die bisher nur Lederrüstungen und primitive Eisenwaffen
zur Verfügung hatte.
Es schien ihnen als hätte sich halb Cleos um den Turm versammelt.
Auch wenn es nicht halb Cleos war, so waren es doch Hunderte von Menschen,
die vom Lärm angelockt wurden und die sie zuerst misstrauisch ansahen,
doch als Arargh dann das Banner Hyphistos' vom Eingang herunterriss, und
das Banner der roten Hand und das des alten Königreiches vor Hyphistos
aufhing, jubelten sie stürmisch.
© Hyphistos
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