Das Drachentor von Florian Großmann
4. Kapitel

"Spüre das Schwert, Jim, es ist dein Freund, dein Begleiter und dein Verbündeter."
Jim hatte schnell Fortschritte in der Schwertkampfkunst gemacht, stets kontrolliert von den wachsamen Augen Trickpas.
Zwei Wochen war er jetzt bereits auf er Hochburg des Schwertmeisters. In diesen beiden Wochen sah er mehr Kampfdrachen, als in seinem ganzem Leben zuvor, außerdem kamen fast täglich Boten und überbrachten die neuesten Nachrichten aus dem Kampfgebiet. Noch begnügten sich die Dunklen mit Hirawa und sammelten ihre Streitmacht, doch das würde nicht ewig so bleiben. Treverios tauchte auch zweimal in dem Fort auf, das für Jim zur neuen Heimat geworden ist. Doch Treverios fragte ihn immer nur nach seinem Befinden und verschwand dann mit Trickpa in dessen Privaträumen.
Die Glocke wurde geschlagen und machte Jim bewusst, wie hungrig er eigentlich war. Er steckte das Schwert zurück in die Scheide und legte es zurück zu den anderen. Dann ging er in die Küche, wo Yaa schon am Tisch wartete. Also wenn sein Volk etwas war, dann hungrig.
"Heute werden wir das Element Wasser noch mal etwas genauer kennenlernen und probieren, nicht schon wieder eine Sintflut hinaufzubeschwören."
Trickpa, der gerade reinkam, gluckste.
"Bei euch läuft es ja anscheinend noch nicht so gut."
"Probiere du es doch mal bei einer Kartoffel, da hast du genau so viele Chancen wie bei ihm." Yaa schnaufte und schüttelte den Kopf.
"Jetzt hör mal zu, Jim. Jeden einzelnen Tropfen, den du heute verschütten wirst, wirst du auch eigenhändig aufwischen, haben wir uns verstanden?!" Dies alles sagte Yaa, während er seinen Teller leerte und den von Trickpa nebenbei auch noch.
"Dieses Essen kann man ja nicht einmal einem Troll anbieten.", schmatzte er bei seinem dritten Teller.
Nach der Mahlzeit hatten sie erst mal eine halbe Stunde Fußmarsch zum Fluss vor sich, denn Yaa wollte dann das Risiko, sein Bett ein zweites Mal als Boot zu benutzten, doch nicht eingehen. Nachdem sie am Fluss angekommen waren musste sich Jim in die Mitte des Flusses stellen. Zum Glück war die Bezeichnung Fluss hier übertrieben und so ging ihm das Wasser gerade mal bis zur Brust.
"Schließe deine Augen und probiere an nichts zu denken."
Das war einfacher gesagt als getan. Augen schließen war ja kein Problem, aber an nichts denken, das war für Jim unvorstellbar schwierig.
Yaa sah wohl ein, dass sein Schüler noch viel Übung brauchte und eisernen Willen, doch dann fiel ihm noch etwas ein.
"Jim, denk an deine Eltern.", sagte Yaa, der es sich mit einem Sandwich unter einem Baum bequem gemacht hatte.
Jim war so verdutzt, dass sein Gehirn schon mal ein Bild seiner Eltern in sein inneres Auge projezierten, bevor er den Befehl dafür gab. Er sah, wie beide ihn umarmten und seine Mutter ihn auf seine Wange küsste. Dann drehten sie sich um und entfernten sich von ihm. Auf einmal waren überall Schatten, die anfingen seine Eltern zu verschlingen. Jim rannte zu seinen Eltern, wollte sie retten, doch die Schatten versperrten ihm den Weg. Jim war verzweifelt. Er wollte wieder zurück zu seinen Eltern, koste es was es wolle.
Jim konzentrierte seinen ganzen Zorn und seine Wut auf eine Stelle der Schattenmauer. Diese schien regelrecht zu explodieren. Ohne sich umzugucken lief Jim zu seinen Eltern, doch diese waren verschwunden.
Yaa verschluckte sich an seinem Sandwich als er wieder zu Jim hinübersah.
Das war unmöglich.
Um Jim hatte sich eine Säule aus Wasser gebildet, so dass Jim, immer noch mit geschlossenen Augen, im Trockenem stand. Doch was Yaa nun zu sehen bekam, ließ ihn an seinem klaren Verstand zweifeln.
Um die Wassersäule, nein, in der Wassersäule begann tatsächlich auch noch eine Feuersäule zu entstehen.
Dieser Anblick war... unbeschreiblich. Die Natur schien die Physikgesetze beiseite zu lassen und machte sich selbstständig. Was nicht hätte noch atemberaubender werden können, wurde dies. Die Wolken am smaragdgrünen Himmel begannen sich langsam, dann immer schneller um die Feuer-Wassersäule zu drehen und verschmolzen dann mit dieser. Und auch die Erde blieb nicht still. Unter Yaas Füßen begann es zu beben, aus dem Boden lösten sich große Stücke, schossen auf die Säule zu und begannen auch, mit dieser zu verschmelzen. Wenn Yaa seinen Augen trauen sollte, schuf Jim soeben ein Gaya-Element, das Ultimative. Das Unvorstellbare.
Die vernichtende Waffe von Rettu-Metse-Bei´d.
Die Säule schoss in den Himmel und ließ den ganzen Himmel weiß erstrahlen. Für den Augenblick der Unendlichkeit, existierte nur noch Gutes.
Dann war es vorbei. Die Wirklichkeit brach wie eine Flutwelle über Yaa hinein.
"Jim? Jim, bist du in Ordnung? Los, Jim, öffne die Augen, bitte!"
Nachdem die Säule verschwunden war, brach Jim kraftlos zusammen und wäre fast ertrunken, hätte Yaa ihn nicht gerettet. Er brachte Jim mit ganzem Körpereinsatz zurück zu Trickpa, der Jim in sein Bett hievte und ihm streng riechende Medizin gab.
"Du musst dich täuschen, Yaa. Jim's versteckte Kräfte sind riesig, aber das heisst doch noch lange nicht, dass er einfach so ein Gaya-Element erschaffen kann. Niemand kann das. Nicht einmal die Macht eines Drachen reicht dazu aus."
"Rettu-Metse-Bei´d konnte es, es war die wahre Quelle ihrer Macht, der Macht, die aus dem..."
"Schweig, du weißt, dass du nicht über solche Dinge sprechen darfst, genausowenig wie ich. Nur die vier Weisen haben die Weisheit mit einem solchen Wissen zu leben ohne verrückt zu werden."
Jim regte sich, drehte sich auf den Rücken und schlug die Augen auf.
"Ich habe meine Eltern gesehen. Sie sind verschwunden. Dann stand ich auf einmal vor einem riesigem Tor, mit dem Kopf eines Drachen im Mittelpunkt und ein Junge stand davor. Was hat das zu bedeuten?"
Yaa verschluckte sich an seinem Apfelwein.
"Du, du, du h-h-h-hast das Tor gesehen?! Das ist nicht, das kann nicht, wie sollte er, ich verstehe nicht."
"Beruhige dich, Yaa. Dafür gibt es bestimmt eine Erklärung. Jim, bitte probiere deine Gedanken auf das Tor zu fixieren. Was hast du noch erkannt?"
"Eine Lichtung, in einem Wald, der so groß war, dass ich ihn nicht beschreiben könnte."
Jim fühlte sich wie eine ausgepresste Zitrone. Eigentlich wollte er nur noch schlafen, doch das Gefühl in seinem Kopf hinderte ihn daran. Dann bemerkte er etwas, das er bis jetzt übersehen hatte.
"Ich habe den Jungen vom Tor schon einmal gesehen. Damals im Hotel hatte ich eine Vision von ihm. Ich glaube, er heisst Joran. Ja, Joran war sein Name und..."
Yaa kippte vom Stuhl und in den Augen Trickpa's schien sich etwas zu verändern, wie Jim es nie zuvor gesehen hatte.
"Schweig! Rede nicht weiter! Sei still! Du weißt ja nicht, was du da sagst!"
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren verließ Trickpa den Raum und ließ Jim und Yaa alleine zurück.
"Jim, ist das wirklich wahr? Hatte der Junge nicht doch einen anderen Namen? Sei bitte ehrlich. Es ist von größter Wichtigkeit."
"Ich schwöre bei allem was mir heilig ist, er hieß Joran."
 
© Florian Großmann
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Und schon geht's weiter zum 5. Kapitel...

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Genauere Infos dazu stehen am Ende des neuesten Kapitels.

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