Treverios lief der Schweiß vor Anstrengung in Strömen
über das Gesicht. Immer wieder betete er den Spruch herunter, der
verhindern sollte, dass ihm die Speicher um die Ohren flogen.
Dieser unplanmäßige Sprung hatte erneut Risse hineingetrieben,
die einige andre Hilfs-Magier-Techniker ihrerseits versuchten mit Schild-Magie
zu kitten, während Treverios bemüht war, die Magie aufzuhalten,
die sich noch in der Speichereinheit befand und nun, durch die komprimierte
Form als eine Art Flüssigkeit, aus dem Speicher heraussickerte, um
sich dann in Wohlgefallen aufzulösen. Das wäre ärgerlich,
wenn sie ihren Kampf verlören, hatte Treverios doch damals so viele
Monate in den Aufbau des Ganzen gesteckt. Mit diesem Hintergedanken verstärkte
er noch mal seine Anstrengungen.
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Nachdem sich Yaa davon überzeugt hatte, dass er beim Speicher
nicht weiter helfen konnte, so sehr hatte er es nicht mit dieser Art von
Magie, verließ er den Bereich und machte sich auf die Suche nach
Jim. Soviel wie im Moment schief lief, war es wohl besser, wenn er Jim
und seinen Drachenpartner so schnell wie möglich zusammenführte.
Wer wusste schon, wie viel Zeit ihnen noch blieb. Yaa war kein Techniker,
aber der Speicher hatte alles andere als gut ausgesehen.
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Fluchend rappelte Lina sich wieder auf. Sie war noch etwa einen Gang
von Semera entfernt, als sie dieser 'Sprung' von den Beinen gerissen hatte.
Um sie herum herrschte nun das Chaos. Frachtcontainer und andere Dinge
waren umgefallen und größtenteils aufgegangen, woraufhin sich
der Inhalt einen neuen Weg in die Freiheit bahnte.
Noch nicht mal in Ruhe schlafen kann man hier, beschwerte
sich Semera träge in Linas Kopf. Beschwer dich nicht. So wie sich
das hier anfühlt haben die echte Probleme mit der Technik. Lina
kickte einige Früchte zur Seite, bevor sie sich eines besseren besann,
diese aufsammelte und zu Semera zurückkehrte. Wenigstens hatte sie
etwas zu essen gefunden. Blieb nur zu hoffen, dass diese Plattform wenigstens
noch so lange in der Luft blieb, bis sie was im Magen hatte. Leerer Magen
flog nicht gern.
Grade als Lina in die dritte Frucht biss, wurde sie sich einer Person
gewahr, die an ihre Unterkunft trat. "Wer’s da?" nuschelte Lina mit halbvollem
Mund, während eine Hand zu dem kleinen Messer griff, mit dem sie eben
die Frucht gehäutet hatte. Eine etwas fremde Nutzart eines Wurfmessers,
aber sie war zu faul gewesen, aufzustehen und einen ihrer Dolche aus der
Packtasche zu holen.
Langsam schob sich ein Junge in ihr Gesichtsfeld, und Lina hob verwundert
eine Augenbraue. War das etwa ein Krieger, ein verdammt junger Krieger,
aber er trug deren Kluft.
Noch bevor sie aber eine diesbezügliche Frage stellen konnte,
erschien eine zweite Gestalt, die den Jungen packte und heftig gestikulierend
hinaus aus Linas Sichtfeld und in eine andere Richtung zerrte. Mach
schon, ich weiß doch, dass du es nicht lassen kannst. Sonst jammerst
du mir wieder ewig die Ohren voll. Semera kannte Lina viel zu gut.
Tu doch nicht so, als ob dich das nicht auch interessieren würde.
In einer flüssigen Bewegung erhob sich Lina und folgte den
Beiden unauffällig, das Messer ließ sie in einer Tasche ihres
Oberschenkels verschwinden.
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"Komm schon, Jim, ich glaube nicht, dass wir noch viel Zeit haben.
Du musst deinen zukünftigen Drachenpartner kennen lernen."
Endlich war es soweit. Jim war schon ganz aufgeregt und hatte dementsprechend
zittrige Knie. Noch vor ein paar Jahren hätte er über jeden gelacht,
der behauptet hätte, er würde mal einen Drachenpartner haben.
Jim folgte Yaa durch die Drachenhöhlen des Horstes hindurch. Er war
noch nicht oft hier gewesen. Normalerweise wollten die Drachen ihre Ruhe,
dafür waren die Höhlen ja auch gedacht, aber die Lage war alles
andere als normal und so bahnten sich viele Personen einen Weg durch das
Höhlensystem.
Ahh, Jim. Endlich ein neuer Begleiter auf meinen Reisen. Ich
habe lange warten müssen, doch nun ist es soweit. Komm näher,
Draganar, komm näher, Gefährte.
Jim wusste zwar nicht, welcher Drache dort Kontakt mit ihm aufgenommen
hatte, aber er spürte es. Es war der Drache direkt vor ihnen und so
schritt Jim zögerlich näher zu ihm hin.
Ja, ich spüre es deutlicher als jemals zuvor, du bist dazu
bestimmt über unser Schicksal zu entscheiden. Komm näher und
streck deine Hand aus, ich beiss nicht.
Immer langsamer werdend kam Jim auf den Drachen zu, bis er kurz
vor ihm stand.
"Berühr seinen Kopf und schließ die Augen, Jim, stell
die Verbindung her, werdet eins, uns bleibt keine Zeit!" Yaa wirkte besorgt,
doch Jim ahnte nicht den Grund dafür, er hatte den Speicher schließlich
nicht gesehen.
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'Nice, Jackpot.' Lina verharrte hinter einer der herumstehenden Kisten.
Der Junge war ein Frischling gewesen. Was hier grad stattfand, war eine
Erwählung.
Eigentlich der freudigste Tag im Leben eines Drachenreiters, der
normalerweise in einem Festakt begangen wurde. Irgendwie tat ihr der Junge
etwas leid, für das, was ihm da entging. Aber wenn man von ihrer derzeitigen
Situation ausging, war für Festivitäten nun am wenigsten Zeit.
Schön, nicht wahr? Semeras Gedanken erklangen in Linas
Kopf, und nun bemerkte sie, dass Semera die ganze Zeit das Gesehene durch
ihre Augen mitverfolgte. Ohne es recht zu bemerken nickte Lina leicht und
Erinnerungen an die Verbindung mit Semera tauchten vor ihrem Inneren Auge
auf. Die Freude, die sie Beide empfunden hatten und das Band, welches zwischen
ihnen damals geknüpft wurde und sogar heute, obwohl es schon Jahre
zurücklag, immer noch mit jedem Augenblick fester wurde.
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Ganz langsam streckte er die Hand aus und berührte die Schuppen
des Drachen und schloss die Augen. Ein durch und durch angenehmes Gefühl
durchströmte seinen Körper.
Jim, wir sind jetzt eins, wir kennen ab sofort alle Sorgen, Ängste,
Freuden, Stärken, Schwächen und Besonderheiten unseres Begleiters.
Uns kann ab jetzt nichts mehr trennen, bis auf den Tod und selbst dieser
wird es schwer haben dich und mich zu trennen. Du gehst nun den Pfad, den
das Schicksal für uns bestimmt hat. Es wird keine Wiederkehr geben.
Das Band, was uns verbindet, darf nie reißen! Einst hatte ich einen
Reiter, doch dieser war schwach in der Seele, er hat das Band durchtrennt
und sich und mir damit großes Leid zugefügt, das darf nie wieder
geschehen, die Folgen wären nicht auszudenken. Von dieser Sekunde
an fließt mein Blut durch deine Adern und umgekehrt. Wenn einer von
uns Not leidet, wird der andere es wissen. Ich werde deinen Befehlen gehorchen,
doch bin ich dir gleichgestellt, vergiss das niemals, du könntest
es bereuen.
Mit diesen Worten brach die Verbindung ab und Jim taumelte ein,
zwei Schritte zurück, ehe er sich wieder fing. Er schaute dem Drachen
direkt in sein Antlitz und erkannte den selben Stolz in den großen,
gelben Augen, wie schon damals bei Shiw.
Er wollte etwas sagen, doch in diesem Augenblick brach das Chaos
in der Höhle los. Ein dunkler, riesiger Schatten kam viel zu schnell
durch die Höhlenöffnung nach draußen hereingeflogen und
prallte mit einem entsetzlichen Geräusch an die gegenüberliegende
Wand, fiel wie ein Stein zu Boden und blieb regungslos liegen.
Yaa erkannte das Geschöpf sofort.
Es war Draew.
16. Kapitel: © Pai
& Florian Großmann
Anfangs-Story: © Florian
Großmann
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