Die Stunde der Meisteringenieure von Imladros
2. Kapitel: Die Reise

Der Wind donnerte heulend über den Pass und schien die kleine Gruppe von Kamelreitern mit aller Kraft in die Tiefe fegen zu wollen. Migdo hielt sich so gut er konnte an seinem viel zu großen Reittier fest, aber dennoch fiel es ihm schwer, sich im Sattel zu halten. Seine menschlichen Gefährten und der alte Zurgin schienen vergleichsweise wenig Schwierigkeiten zu haben, sie waren bereits ein gutes Stück vor ihm und arbeiteten sich gerade um einen scharfkantigen Felsvorsprung. Das dicke Tau, das Kijenas Kamel mit dem seinen verband, spannte sich durch die Luft wie eine Eisenstange.
Die rüstige Soldatin schien dies auch gerade zu bemerken, sie bremste ihr Tier ab und sah zu Migdo zurück.
"Alles in Ordnung, kleiner Mann?" fragte sie. "Oder hat der Wind dich fort getragen?"
Der Zwerg brummelte und trat seinem Kamel in die Seite. Das Tier antwortete mit einem wütenden Brüllen und versuchte, ihn von seinem Rücken zu schütteln. Seit sie sich vor vier Tagen von der Mine aus auf den Weg gemacht hatten, tat es das eigentlich andauernd. Aber es hatte feststellen müssen, dass Zwerge mindestens genauso störrisch und dickköpfig waren wie Hochlandkamele...
Er trieb das Tier voran und schloss zu den Anderen auf, als Kijena gerade um den Felsvorsprung bog, so dass das Seil sich um das vereiste Gestein legte. Wenn er sich nicht beeilte, würde es reißen, und dann war er so gut wie tot.
Hinter dem Vorsprung fiel der Pass merklich ab und führte in ein kleines, scheinbar völlig von Schnee bedecktes Tal hinab, in dessen Mitte ein fast unsichtbares Licht brannte.
"Ah, endlich!" rief Malcolm Kelmatson. Er hatte sich einen Teil seiner Stoffmaske aus dem Gesicht gezogen, sein Atem kräuselte sich in der kalten Luft. "Der Talposten von Kel Utaz. Hier werden wir für die Nacht rasten."
Migdo runzelte die Stirn. Da unten war kaum mehr als eine einzelne Fackel, vielleicht auch eine Kohlenpfanne. Sie ritten dicht hintereinander den serpentinenartigen Pfad hinab und machten erst Halt, als sie die Mitte des Tals erreicht hatten. Der Schnee bedeckte hier eine flache, aus weißen Ziegeln gepflasterte Kuppel, auf der eine Art kleines Fackelhäuschen stand, das eine rot schimmernde Flamme behütete. Es war eindeutig ein magisches Feuer, wie die Zwerge in der Erzmine es zum Schweißen verwendeten.
"Und was nun?" fragte Migdo. Das Heulen des Windes trug seine Worte fort, und auch so schenkte ihnen niemand Beachtung. Kijena stieg aus dem Sattel und ging auf eine glatte Felswand am südlichen Rand des Tals zu. Ein weißer Schneewirbel verdeckte sie für einen Moment, dann wurde sie wieder sichtbar: sie untersuchte die Wand mit den bloßen Händen, klopfte an verschiedenen Stellen gegen den Fels und wartete.
Nichts geschah.
Schließlich kehrte sie zur Gruppe zurück und sagte in Malcolms Richtung: "Hier stimmt etwas nicht. Die Geheimtür ist da, aber niemand öffnet."
"Wahrscheinlich haben sie sich in den unteren Teil verkrochen, als es ihnen hier oben zu zugig wurde", meinte Roban.
"Unsinn", knurrte Malcolm. "Hauptmann Harbert würde die Tür nie unbewacht lassen." Er blickte kurz zum Himmel, wo sich immer dunklere Wolken zusammenbrauten. Der Wind wurde immer schärfer. "Wir haben keine große Wahl, hier draußen erfrieren wir. Aber wir gehen nicht durch die Vordertür..."
Sie stiegen von den Kamelen ab und führten sie hinter Malcolm her zum westlichen Rand des Tals, wo ein paar tote Sträucher den Blick auf die Felswand versperrten. Mit vereinten Kräften schoben sie sie beiseite und legten so ein etwa einen Meter durchmessendes Loch frei, das mit einer grob gezimmerten Klappe abgedeckt worden war.
"Schau an", murmelte Zurgin ironisch. "Eine zweite Geheimtür für alle, denen die erste Geheimtür nicht geheim genug ist."
Die Menschen ignorierten seinen Spott und hoben die Holzklappe in die Höhe. Der darunter liegende Gang war schwarz wie die Nacht und kaum wärmer als der Außenbereich.
"Hier ist etwas oberfaul", flüsterte Kijena.
"Haltet eure Waffen bereit", gab Malcolm zurück und legte seinen Fellumhang und seine Bullenlederrobe ab. Darunter trug er einen eng anliegenden, mit stählernen Nieten beschlagenen Harnisch aus schwerem Leder und eine feste Fellhose. Kleidungsstücke, die für den Kampf geschaffen waren. "Roban, du bleibst mit Meister Zurgin hier. Herr Migdo, versteht ihr euch auf den Umgang mit dem Hammer an eurem Gürtel?"
Migdo nickte. "Ich wurde in der Kampfschule der Minengarde ausgebildet."
"Gut. Ich gehe voran, ihr folgt nach. Kijena bildet das Schlusslicht."
Beide nickten. Der hoch gewachsene Anführer der Menschen zog einen breiten Dolch von seinem Gürtel und ließ sich kopfüber (!) in das schwarze Loch im Boden fallen. Einen Moment lang herrschte Stille, dann war ein leises Gepolter zu hören, gefolgt von einem kurzen Pfiff.
"Alles klar", wisperte Kijena hinter Migdo. "Rein mit dir!"
Der junge Zwerg kletterte vorsichtig über den Rand des Lochs und suchte mit den Füssen nach Halt. Zu seinem größten Unbehagen musste er feststellen, dass es keinen gab.
"Auch gut", brummte er und ließ sich fallen.

-

Der Sturz war nicht so tief wie erwartet, aber er landete doch recht unsanft auf seinem Hosenboden.
"Kek ut!" fluchte er leise auf Zwergisch, ehe er sich aufrappelte und misstrauisch umsah. Der Geheimgang mündete in eine kleine Höhle, von der zwei weitere Gänge wegführten. Malcolm hockte im rechten Gang und spähte in die Dunkelheit. Die Luft roch muffig und tot.
Hinter Migdo kam Kijena den Gang hinuntergeschlittert. Ihr gelang eine wesentlich elegantere Landung als ihren beiden Gefährten. "Wie sieht es aus?" hauchte sie sogleich in Malcolms Richtung. Er schüttelte den Kopf und kroch tiefer in den Gang hinein. Die anderen beiden folgten ihm vorsichtig.
Der schmale Tunnel führte durch einige Drehungen und Wendungen nach Süden - Migdos Zwergensinne ließen ihn dies auch unter der Erde wahrnehmen - und mündete nach endlos erscheinenden fünf Minuten in einen größeren Raum, der jedoch ebenso finster war wie alle bisherigen.
"Herr Migdo, was seht ihr?" fragte Malcolm.
Migdo wurde klar, dass er ziemliche Schwierigkeiten hatte, hier etwas zu erkennen. Die beiden Menschen mussten hier praktisch blind sein.
"Auf dem Boden liegen ein paar Fässer und Kisten", raunte er. "Und ein kaputter Tisch und ein paar Säcke..."
"Links von uns müsste eine Tür sein..." gab der Mensch zurück.
Der Zwerg kniff die Augen zusammen und stierte in die Finsternis. "Ja", meinte er dann. "Ich sehe sie. Die Türangeln sind aus der Wand gebrochen, sie ist in den Rahmen geklemmt."
Kijena sog alarmiert die Luft an.
"Also gut", sagte Malcolm. "Sehen wir, was uns erwartet..."
Sie gingen vorsichtig zu der Tür hinüber und hoben sie mit vereinten Kräften beiseite, immer bemüht, nicht unnötig viel Lärm zu machen. In dem Raum dahinter brannte eine weitere magische Fackel - und eröffnete den drei Neuankömmlingen ein schreckliches Bild.
Die Kammer, die wohl einmal der Speiseraum des Talpostens gewesen war, war völlig verwüstet. Tische und Stühle lagen überall verteilt und waren nur noch schwerlich als solche zu erkennen. Vorratsschränke und -kisten waren aufgerissen und umgeworfen worden, und über einem halb zerfetzten Kartoffelsack lag der blutverschmierte Körper eines menschlichen Soldaten. Der Mann war nicht älter als zwanzig gewesen, aber von seinem wohlgeformten Gesicht war jetzt nicht mehr viel übrig, bis auf den deutlich sichtbaren Schrecken in seinen toten Augen.
"Oh nein", fluchte Malcolm und stürmte an dem Toten vorbei zur nächsten Tür. Hinter dieser erstreckte sich ein langer Gang, von dem Migdo vermutete, dass er direkt zu der Geheimtür im Tal führte. Er war ein einziges Schlachtfeld, ein gutes Dutzend toter Menschen lag mehr oder weniger verstümmelt in einem Chaos aus geborstenem Holz und zerbrochenen Waffen. Ein Mann mit den Schulterklappen eines Hauptmanns lag an eine Wand gelehnt da, in seiner Brust steckten drei schwarze Speere.
"Harbert", meinte Kijena nur.
Migdo atmete schwer. Trotz seiner Kampfausbildung war dies das erste Mal, dass er ein echtes Schlachtfeld zu Gesicht bekam. Er spürte, wie sein Magen sich schmerzhaft zusammenzog.
Seine beiden Begleiter traten indes vorsichtig zwischen die Leichen und untersuchten sie. Danach gingen sie von Gang zu Gang durch das Höhlensystem, das sich offensichtlich unter der gesamten Fläche des Tals erstreckte. Sie fanden noch ein Dutzend weiterer Toter in den Höhlen verstreut, bevor sie schließlich in den Speiseraum zurückkehrten. "Keine Toten", meinte Kijena knapp, nachdem sie die Tür zum Geheimgang hinter sich geschlossen hatte.
"Wie bitte?" fragte der Zwerg. "Tote sind doch hier wirklich genug!"
"Ja, tote Menschen, die Mannschaft des Postens", meinte die Kriegerin trocken. "Aber kein einziger Angreifer. Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass Harberts Männer keinen von ihnen erwischt haben."
Eine bedrückende Stille kehrte ein. Sie alle kannten die Eigenart eines ganz bestimmten Volkes, seine Toten unter keinen Umständen zurückzulassen.
"Zurück zu den Anderen", befahl Malcolm schließlich. "Schnell!"

-

Roban hatte die Kamele an den Rand der Felsen geführt und ihre Zügel an einem der gezackten Vorsprünge befestigt. Der alte Zurgin häufte derweil einen kleinen Berg aus Schnee an, den er ordentlich festklopfte, als wolle er einen Schneemann bauen. Dann zog er eine zierliche Glasphiole aus seinem Brustgurt und träufelte einige Tropfen einer dunkeln Flüssigkeit auf sein eisiges Kunstwerk.
"Was soll das werden, wenn’s fertig ist?" fragte Roban.
Zur Antwort zog der alte Zwerg ein kunstvoll gearbeitetes Zwergenfeuerzeug aus der Tasche, entzündete es und richtete seine Flamme auf den mit der Flüssigkeit durchtränkten Schnee. Das gefrorene Wasser knisterte hörbar, dann ging der kleine Haufen lichterloh in Flammen auf und verbreitete eine Aura der Wärme und des Lichts.
Der menschliche Soldat trat überrascht einen Schritt zurück. "Wie kann das sein?" fragte er. "Schnee ist doch Wasser! Und Wasser brennt doch nicht!"
Zurgin lächelte. "Nennt es Magie. Oder Chemie, was ihr wollt, eines ist so gut wie das andere. Das Ergebnis zählt."
Verblüfft ließ Roban sich in den Schnee fallen und betrachtete den winzigen Scheiterhaufen vor seinen Füssen, der keine Anstalten machte, zu schmelzen. Das Feuer schien von dem Schnee zu zehren wie eine Kerze vom Wachs. "Ihr seid wahrhaftig ein Meister eures Fachs, Meister Zurgin", meinte er fasziniert.
Zurgin lachte leise. Er wollte dem Menschen gerade erklären, dass dies kaum das Wissen war, das man sich aneignen musste, um ein Meisteringenieur zu werden, als plötzlich Malcolm und Kijena zwischen sie gestürzt kamen und sie mit sich rissen. Kaum einen Wimpernschlag später zischten zwei kleine Brandpfeile an ihnen vorbei und traf die Stelle, an der sie eben noch gesessen hatten.
Malcolm ließ von Roban ab, sprang halb auf und löschte mit einem gut gezielten Fußtritt Zurgins magisches Lagerfeuer, das zu tausend kleinen Funken zerstob und dann erlosch.
"Verdammt, wer...?" wollte Roban fluchen, als ein plötzlich aus dem Nichts auftauchender Schatten sich auf ihn warf und ihn mit Schlägen und Tritten traktierte.
Ein solches Wesen hatte Zurgin schon seit sehr langer Zeit nicht mehr gesehen. Es war nicht viel größer als ein Zwerg, aber so dürr und knochig, dass sich selbst ein Vulgoblin vor Ekel geschüttelt hätte. Auf seinen spitz zulaufenden Schultern saß ein langer Schädel mit spitz zulaufenden Ohren und einer schnabelartigen Hakennase. Die winzigen Augen waren unter den tiefen, grauen Brauen kaum zu erkennen. Seine Haut war fast schwarz und von einem widerlichen, klebrigen Glanz.
Entsetzt versuchte der alte Zwerg sich aufzurichten, während er mit ansah, wie der kreischende Dunkelelb immer neue Schläge auf den viel größeren Menschen niederprasseln ließ, der jedoch viel zu langsam war, um sich ihrer zu erwehren. Schon kratzten die scharfen Klauen nach seinem Hals und suchten sich einen Weg zu seiner Kehle.
Da schoss plötzlich ein wirbelndes Etwas durch die Luft und traf das schwarze Geschöpf mit solcher Gewalt in den Rücken, dass seine Wirbelsäule mit einem hörbaren Krachen zersprang, es wurde vom Schwung mitgerissen und landete mehrere Meter weiter im Schnee. Migdos Kampfhammer löste sich von ihm und polterte ein wenig weiter.
Zurgin sah sich erschrocken um. Sein junger Zwergenfreund stand über dem Loch, aus dem er offenbar gerade erst mit Mühe hinausgeklettert war, und atmete schwer.
Roban kam inzwischen wieder auf die Füße und zog sein Schwert. Sie sahen sich um und stellten fest, dass etwa ein Dutzend Dunkelelben sich ihnen näherten, ihre roten Augen glühten in der zunehmenden Dunkelheit des Schneesturms. Malcolm und Kijena hatten bereits zwei von ihnen niedergestreckt, die kleine Schleudern bei sich getragen hatten, und kehrten mit schnellen Schritten zu den Anderen zurück. Im Lauf schnappte die Kriegerin Migdos Hammer und gab ihn an ihn zurück, als sie ihn erreichte.
"Rücken an Rücken, mit den Füssen fest auf die Erde!" rief Malcolm und stellte sich dicht neben Roban. "Migdo, behaltet eure Waffe ab jetzt in der Hand! Ihr werdet keine weitere Gelegenheit bekommen, sie euch wiederzuholen!"
Der junge Zwerg nickte und stellte sich breitbeinig zwischen Kijena und Zurgin, den Hammer mit beiden Händen fest umklammert. Sie rückten noch ein wenig enger zusammen und richteten ihre Waffen gegen den Feind.
Die Dunkelelben keiften, geiferten und knurrten, entblößten verzerrte Mäuler mit unendlichen Reihen langer Stiftzähne. Die meisten von ihnen waren unbewaffnet, schabten mit ihren bloßen Klauen durch den Schnee. Nur zwei trugen Waffen, einer eine grob aus seinem Stück Holz gehauene Keule, der anderen einen an beiden Enden zerborstenen Speer.
"Haltet euch bereit", ließ Malcolm vernehmen.
Wie auf Kommando stürzten die Dunkelelben vorwärts, eine kreischende und geifernde Wand aus Krallen und Zähnen, die Augen von wildem Hass erfüllt. Einer von ihnen stieg im Lauf auf seinen Nebenmann und sprang von dessen Schultern aus auf die kleine Gruppe von Menschen und Zwergen zu.
Malcolm sprang vor, wirbelte sein Langschwert durch die Luft und hackte den Leib der Kreatur noch im Flug entzwei. Bevor die Leiche auch nur zu Boden gefallen war, hatte der Mensch sich bereits ein weiteres Mal um sich selbst gedreht und einem zweiten Angreifer, dem Elb mit dem Speer, seine Klinge in die Brust gerammt. Blut spritzte und Knochen splitterten, und dann waren die Dunkelelben heran und verwickelten auch die übrigen Kämpfer in wilde Gefechte. Ein schrill keifendes kleines Monstrum mit langen weißen Haaren und einem vernarbten, blinden Auge ging auf Migdo los und riss bereits mit dem ersten Schlag eine tiefe Wunde in seinen rechten Arm. Er wich erschrocken zurück, benutzte aber gleichzeitig seinen Hammer, um den Gegner auf Distanz zu halten.
Erstaunt sah er mit an, wie Zurgin neben ihm eine kleine Armbrust aus seinem Gürtel zog, sie mit einem einzigen Handgriff spannte und in Richtung des Dunkelelben abfeuerte. Der kleine Stahlbolzen traf das Geschöpf genau zwischen die Augen und schleuderte es zurück.
Um sie herum drängten ihre menschlichen Gefährten den Gegner mehr und mehr zurück. Nachdem Roban einmal wieder auf die Beine gekommen war, wütete er nun wie ein Berserker unter den Dunkelelben. Kijena und Malcolm bewegten sich Rücken an Rücken durch den Schnee und hieben immer wieder auf die heulenden Kreaturen ein, die jetzt merklich im Nachteil waren, da sie keine Waffen bei sich trugen. Eines der Monster wandte sich von den Menschen ab und sprang Zurgin an, wurde aber noch in der Luft vom Robans Schwert durchbohrt. Die Klinge riss den Elb mit sich und verfehlte den alten Zwerg nur um eine halbe Armeslänge.
"He!" kreischte Zurgin. "Passt doch auf!"
Der kräftige Mensch ignorierte ihn, zog sein Schwert aus dem reglosen Körper und ging auf den nächsten Dunkelelb los, der ihm seine Keule entgegenschleuderte. Roban tauchte unter dem tödlichen Geschoss hinweg und sprang vor, seine Klinge trennte seinem Gegner den Kopf von den Schultern, bevor dieser auch nur einen Schritt tun konnte.
Nur Sekunden später rammte Malcolm dem letzten noch stehenden Angreifer den Ellenbogen seines Schwertarms ins Gesicht und stieß ihm mit der Linken seinen Dolch in die Kehle. Das Geschöpf starb mit einem ungläubigen Röcheln und kippte nach hinten in den Schnee.
"Holt die Kamele", rief Malcolm, kaum dass er seine Waffen wieder in den Gürtel geschoben hatte. "Wir müssen sofort weg von her!"
Alle nickten und wandten sich ihren Reittieren zu, die am Rande des Tals unruhig im Schnee scharrten. Als Zurgin sein Kamel fast erreicht hatte, wurde er plötzlich von einem schwarzen Schatten zu Boden geschleudert, der ihn am Kragen hochriss und ihm eine kleine Klinge an den Hals hielt. Der Dunkelelb hatte sich offenbar um die Kämpfer herumgeschlichen und zwischen den pelzigen Tieren verborgen.
"Kainarührtsichhhh!!!" kreischte die zitternde Kreatur, und Migdo erfasste erst nach einigen Sekunden, dass es sich in der Sprache der Menschen auszudrücken versuchte. "Ikmachintotwensichainarührt!!!"
"Ruhig", rief Malcolm. "Keiner bewegt sich."
Langsam näherten sie sich dem schlotternden Dunkelelb, der Zurgin fest an sich drückte und sie abwechselnd fixierte. In seinen kleinen, roten Augen glänzte pure Panik.
"Ganz ruhig, mein Freund" sagte Malcolm leise. "Alles ist in Ordnung. Niemand wird dir etwas tun – Nein, Roban!"
Der andere Mensch hatte sich an die rechte Flanke des Gegners geschlichen und griff blitzartig nach einem kleinen Dolch an seinem Stiefel. Der Dunkelelb reagierte mit einem wütenden Kreischen und holte aus, um Zurgin das Messer in den Hals zu rammen.
Als er gerade zustechen wollte, durchfuhr plötzlich ein Ruck seinen Körper. Seine Augen weiteten sich und sein hässliches Maul stieß einen ungläubigen Seufzer aus, er blickte an sich herab und sah gerade noch, wie die Spitze einer schmalen Klinge sich aus seiner Brust ins Freie schob.
"Was zum...?" fluchte Roban.
Der Dunkelelb ließ Zurgin los und kippte nach vorn.
"Das glaub’ ich nicht", keuchte Migdo.
Der sichtlich verstörte Zurgin erhob sich und drehte sich um. Mit einem verlegenen Grinsen auf den Lippen griff sein Retter nach seinem Dolch und zog ihn aus der Leiche des Dunkelelbs. Seine langen, aschgrauen Ohren zitterten im Wind, und seine kleinen, schwarzen Augen glitzerten spitzbübisch. Mit einer übertriebenen Geste schob Xergi, der Vulgoblin, seine Waffe wieder zwischen seine Kleider und meinte: "Äh... hallo, Leute."
 

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Und schon geht es weiter zum 3. Kapitel: Die Straße nach Hamarsburg

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