Dudelsack und Vogelfedern von Latsi
2. Kapitel: Im "Gefleckten Flusskrebs"

"Hallihallöchen zusammen!" rief eine fröhliche Stimme in die für aus der hellen Sonne kommende Augen recht düstere Gaststube des "Gefleckten Flusskrebses", nachdem die dazugehörige kleine, dicke Person die Tür mit Schwung aufgestoßen hatte. Dann marschierte sie auf einen Tisch in der hintersten Ecke des Raumes zu, an dem sich lebende Wesen zu befinden schienen - sehen konnte man sie nicht, wegen der dichten Rauchschwaden, die sich über dem Tisch ballten. Aber zu hören waren sie: sie stießen seltsame Grunzlaute aus und schienen zu versuchen, mit der flachen Hand Dellen in den Tisch zu schlagen.
"Tag, ich heiße Konstantin. Führt dieses gastliche Haus einen Mittagstisch?"
"Selbstverständlich", antwortete einer der drei Männer, die sich nun, wo Konstantin näher kam, aus dem Qualm herauszuschälen begannen, und stand auf, so dass man seine weiße Schürze sehen konnte. "Setzt Euch!"
Er zog einen vierten Stuhl heran, schob die auf der Tischplatte verteilten Karten beiseite, verschwand in einem Hinterzimmer und kam mit einem Teller zurück, in dem sich eine weißliche, breiartige Substanz befand. "Muus à la Kreem Brülee!" verkündete er stolz, während er die Pampe vor Konstantin auf den Tisch stellte. "Französisch!"
Konstantin probierte vorsichtig, zuckte dann die Achseln und mampfte schmatzend drauf los. Es schmeckte wie Kartoffelsuppe mit Sahne drin. War es vermutlich auch.
Während der Wirt noch ein paar Fleischreste für den "werten Herrn Hund" holte, fragte einer der beiden anderen Kartenspieler: "Ich habe Euch noch nie hier gesehen. Ihr seid auf der Durchreise, nehme ich an?"
"Ja", nickte Konstantin und leckte den Teller aus (Feine Tischmanieren hatte er erstens keine, und zweitens wären sie in einer solchen Spelunke auch völlig unangebracht gewesen). "Ich bin ein wandernder Dudelsackpfeifer. - Möchtet Ihr, dass ich Euch etwas vorspiele?"
Die drei sahen sich zweifelnd an. "Lieber nicht", antwortete schließlich der Wirt, "das wäre hier drin sicher zu laut. - Aber sagt, wohin wollt Ihr eigentlich weiterziehen? Hier ist das Ende der Welt, denn unser Städtchen liegt umgeben vom Dunkelwald, und da wollt Ihr doch sicher nicht hindurch!?"
Kostantin setzte den Teller ab. "Äh, doch, sonst müsste ich ja wieder zurück... Was ist's denn mit diesem Wald?"
Der zweite Kartenspieler schlug die Hände zusammen. "Ja, wisst Ihr denn nicht, was der Dunkelwald ist? Der finsterste aller finsteren Wälder, der gefährlichste aller Orte in unserem schönen Land - bewohnt von dunklen Wesen: Trollen, Drachen, Dämonen, Wölfen, Schlangen, Säbelzahntigern... So mancher mutige Held ist hineingegangen, aber niemals kam jemand wieder heraus!"
Konstantin schob den Teller von sich. "Aber ich muss doch wandern, das ist mein Beruf!"
Der Wirt nahm das schmutzige Geschirr auf. "Wenn ich Euch einen Rat geben darf: Geht lieber nicht. Wenn es sich denn nun aber gar nicht vermeiden lässt, dann schaut wenigstens bei Elmar vorbei. Der hat das Reisebüro am Marktplatz, und dort könnt Ihr wenigstens eine Karte bekommen. Und dann seht zu, dass Ihr Euch irgendwo noch Empfehlungsschreiben besorgt, und am besten einen Reisegefährten. Die Chance steht allerdings eins zu hundert. Denn wer geht schon in den Dunkelwald?"
Konstantin konnte sich zwar nicht ganz erklären, wozu, du liebes Gänseblümchen, man Empfehlungsschreiben brauchte, wenn man einen derart wilden Wald durchreisen wollte, aber er bedankte sich trotzdem herzlich für den Rat, zahlte, verabschiedete sich von den drei Stammtischlern, die sofort ihr unterbrochenes Spiel wieder aufnahmen, und verließ den "Gefleckten Flusskrebs".
Draußen reckte er sich gähnend, dann sah er sich erst einmal gründlich um und entdeckte, dass er sich gar nicht weit entfernt vom Marktplatz des kleinen Städtchens befand.
"Na, dann gehen wir doch mal da hin", murmelte er mehr zu sich selbst als zu seinem Hund und stapfte los.
 
© Latsi
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Und schon geht es weiter zum 3. Kapitel: Hundedamen, Gummitiere und ein komischer Vogel

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