Dudelsack und Vogelfedern von Latsi
5. Kapitel: Kaninchen

Stille herrschte im Raum, aber Konstantin konnte gerade noch so weit denken, dass er tatsächlich sein Hündchen auf den Arm nahm. Dann konnten er und Ferdinand nur noch mit offenen Mündern dastehen.
"He, was ist? Habt ihr noch nie ein Kaninchen gesehen?" fragte das Tierchen angesichts dieser völligen Verblüffung.
Konstantin fing sich als erster wieder. "Äh, doch, natürlich! Aber wir haben noch nie eines sprechen gehört!"
"Ach sooo!" stöhnte das Kaninchen und schlug sich mit der Pfote gegen die Stirn, "Natürlich! Dass ich das vergessen konnte! - Also schön, seid ihr fertig mit Staunen? Dann kommen wir zur Sache. Ich hab' da ein ganz heißes Angebot für euch. Meine Freunde und ich, wir machen euch diese Bude sauber, und ihr bringt uns dafür von jenseits des Dunkelwaldes einige Mohrrüben mit, die sind da nämlich besonders gut, aber unsereiner kommt da schließlich nicht hin - ihr wisst schon, die wilden Kreaturen im Wald: Katzen, Marder und was weiß ich noch... Also abgemacht?"
"Aber klar doch! Mohrrüben - kein Problem! Wieviele wollt ihr denn?" Ferdinand hätte es beinahe gerufen.
"Tja, also, wenn ich mir diese Sauerei hier so angucke - zwei Kilo müssten da schon drin sein. Das wird schließlich 'ne Heidenarbeit!"
"Fairer Preis", nickte Konstantin, bekam dann aber plötzlich Falten auf die Stirn und rieb sich mit der Hand das Kinn, "Bloß - was ist, wenn sie auf dem Rückweg an irgendwelche Räuber verlorengehen? Und überhaupt, ich für meinen Teil will eigentlich gar nicht so bald wieder zurück, sondern die Gegend dort ein wenig bereisen! - Ich bin nämlich ein wandernder Musikant, musst du wissen", fügte er hinzu.
"Musikant? Ei, was spielst du denn - oh, ich seh schon, ein Dudelsack! Spitze! Klasse! Hyperkaninisch! Du, wenn du uns was spielst, könnten wir sogar die Möhren sausen lassen!"
"Aber natürlich spiele ich euch eins! Mit dem größten Vergnügen! - Hier, halt mal!", damit drückte er Ferdinand das Hündchen in die Arme und begann, den Dudelsack auszupacken.
Das Kaninchen sprang aus dem Loch, drehte sich um und rief hinein: "Kumpels! Der Dicke spielt Dudelsack!"
Wenige Sekunden später flutete eine ganze Horde von Kaninchen durch das Loch in den Raum und begann sofort, immer im Takt zu Konstantins Spiel, mit den in tausend kleine Fetzen zerrissenen Putzlappen Zimmer achtundneunzig zu säubern.
Ferdinand saß während der ganzen Zeit in einer Ecke, bis die Tiere auch diese putzen mussten, und hielt das Hündchen fest, das sich nahe an einem Herzinfarkt befand, weil so viel Jagdbeute vor seinen Augen umherwuselte, ohne dass es die Chance gehabt hätte, auch nur eine davon zu erreichen. Aufgrund dieser Zappelei war es dem verzweifelten Ferdinand nicht einmal möglich, sich die Ohren zuzuhalten, so dass er Konstantins schrille Quetschtöne ungedämpft ertragen musste, was besonders schlimm war, weil er unglücklicherweise ein sehr musikalischer Mensch war.
Niemand war darum glücklicher als er, als die Kaninchen nach ungefähr fünf Stunden endlich fertig waren - wobei das "endlich" natürlich nicht auf die Arbeit der Tiere bezogen sein soll, die ja wirklich unglaublich schnell verrichtet war.
Sie bedankten sich überschwänglich und versprachen, zu versuchen, es doch irgendwie möglich zu machen, ihnen die Mohrrüben zukommen zu lassen. Und nachdem das letzte Kaninchen im Loch verschwunden war und dasselbe sorgfältig hinter sich verschlossen hatte, verließen auch sie aufatmend das Zimmer, wobei sie unabsichtlich dem Diener, der so schnell nicht mit ihnen gerechnet hatte und sich mitten in einem Bimbospiel mit einem Kollegen befand, die Tür in den Rücken rammten. Humpelnd brachte er sie in den Thronsaal zurück.
Auch der König war völlig baff, als er sich höchstselbst von der blitzenden Sauberkeit in Raum achtundneunzig überzeugt hatte, und er gab ihnen sogar ohne eine weitere Erwähnung des Zolls, den sie ja eigentlich noch hätten bezahlen sollen, die erwünschten Empfehlungen. Auch Konstantins anfängliche Befürchtungen, sie seien nicht zu benutzen, weil er sie darin als wahre Putzkünstler beschrieben habe, bewahrheiteten sich nicht, und so verließen sie zufrieden das unterirdische Königreich, um - nicht etwa das Sonnenlicht, sondern einen schon zur ziemlich schmalen Sichel abgemagerten Mond zu begrüßen, denn es war inzwischen Nacht geworden. Also packten sie ihre Decken aus und legten sich schlafen, wo sie gerade waren. Dicht aneinander gedrängt lagen sie im bald taunassen Gras und schnarchten bis zum nächsten Morgen.
 
© Latsi
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Und schon geht es weiter zum 6. Kapitel: Ein 'dunkles Wesen'

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