Der Elfenlord von Bastian Bernig
Melboro

Als Kora am nächsten Morgen aus ihrem behelfsmäßigen Nachtlager aufstand und sich umsah, stellte sie fest, dass der Druide weg war.
"Sh´cérlas*, ich hätte wissen sollen, dass man dem Typ nicht trauen darf. Und ich dumme Schnepfe habe ihm auch noch vertraut. Ich hätte allein bleiben sollen", schimpfte sie vor sich hin.
Bis jemand plötzlich hinter ihr sagte: "Dein Frühstück, mehr ließ sich hier nicht finden. Morgen suchst du was."
Es war Xuji, peinlichst verunsichert dreht sie sich um und nahm die Schüssel mit verschiedenen Beeren, um sie still und leise zu essen.
Hatte er ihren Wutausbruch mitbekommen?
Wenig später setzten sie ihren Weg nach Süden fort. Plötzlich stolperte Kora und fiel ins dichte Gras.
"Was ist los?", fragte Xuji schmunzelnd.
"Ich bin über diesen blöden Stock hier gefallen. Dafür mach ich jetzt Kleinholz aus ihm", erklärte sie, hob den Stab und holte ein kleines Messer aus ihrer Tasche.
Der Jugendliche sah sich den Stock genauer an und gerade als Kora den Stab zu Sägemehl verarbeiten wollte, riss er ihn aus ihrer Hand. Als Xuji ihn aufstellte, fiel er Richtung Osten auf den Boden.
"Was machst du da?", fragte die Jugendliche völlig konfus.
"Könnte nur ein Zufall sein", war die gemurmelte Antwort. Er stellte den Stab wieder auf und wieder fiel er nach Osten, Xuji wiederholte diese Prozedur mehrere Male. Der Stab fiel immer nach Osten. Ohne ein weiteres Wort machte er sich auf in diese Richtung. Kora folgte ihm nun vollkommen verwirrt.
Hinter einem kleinen Wäldchen stand ein kleines Schlösschen. Es brannte an einigen Stellen. Als die beiden Jugendlichen durch ein Fenster spähten, sahen sie einen großen Saal. Dort standen mehrere umgefallene Tisch und Stühle, auf dem Boden lagen einige Dutzend umhangtragende Leichen. Aber das Hauptgeschehen bildete ein Mann, der sich schwer auf seinen Stab stützend eine Flammenwand erzeugte und damit die Angriffe von fünf Elfen abwehrte. Aber sowohl der erschöpfte Gesichtsausdruck des alten Mannes als auch das siegesgewissen Lächeln der Elfen, zeigte wer die Gewinner des Kampfes werden würden.
Xuji holte ein Fläschchen mit grüner Flüssigkeit hervor, gab es Kora und flüsterte: "Gib es dem Magier, ich werde die Elfen ablenken. Wenn er es getrunken hat, versteckt euch irgendwo!"
Sie wollte gerade sagen, dass sie keine Befehle befolgte, aber als sie sah, wie der Mann auf die Knie niedersank, folgte sie ihm stillschweigend. Über einem eingefallenen Tor stand in großen Lettern 'Melboro - Schule der Magie'. Durch dieses Tor liefen sie durch einen Gang, bis zu einer Tür, hinter der sich der große Saal befand.
Kora rammte die Tür ein, schlug einen Purzelbaum und rollte sich auf die linke Seite des Saals ab. Xuji´scor hatte, sobald sich das Mädchen aus seinem Schussfeld entfernt hatte, die Elfen mit Feuerbällen eingedeckt. Die Jugendliche hatte unterdessen den Mann erreicht, der nun völlig auf dem Boden lag. Sie hob seinen Kopf und flößte ihm den Trank ein.
Dieser schlug fast augenblicklich wieder die Augen auf. "Was ist passiert?", fragte er sofort.
"Das ist jetzt egal, er wird die Elfen nicht ewig aufhalten. Wir müssen wo hin, wo wir sicher sind", sprach Kora.
Und der Mann antwortete fast augenblicklich: "In den Kamin, er lässt sich mit einer magischen Barriere schützen!"
Also gingen beide, die Jugendliche den Zauberer stützend, in den Kamin, direkt zwischen die alte Asche, der Alte drückte eine Wandplatte und eine schützende magische Mauer erschien. Durch diese beobachteten sie nun den Kampf. Xuji hatte den Überraschungseffekt auf seiner Seite und auch seine Fähigkeiten waren der einer einzelnen Elfe weit überlegen. Der Ausgang des Kampfes war zwar noch relativ ungewiss, aber vier Elfen waren mehr als ebenbürtige Gegner für den jungen Druiden. Blitze zuckten hin und her, Feuer und Wind stürmte herum. Eine Elfe wurde plötzlich gegen eine Wand geschleudert und blieb reglos liegen. Eine andere landete, sie hatte keine Kraft mehr, um die Flügel zu bewegen und gleichzeitig zu kämpfen. Während die zwei anderen Elfen Xuji ablenkten, schlug die auf dem Boden gelandete ihm den Boden unter den Füßen weg. Der Jugendliche landete hart auf dem Rücken und nun kickte ihm die Elfe auch noch seinen Stab aus der Hand.
"Nein", schrie Kora und hämmerte gegen den magischen Schild, "machen sie das Ding wieder auf, ich muss ihm helfen!" Die Elfen sammelten ihre Energien für den entscheidenden Schlag. Die Jugendliche hielt den Zauberer nun am Kragen fest und er antwortete:
"Der Schild wird erst wieder aufgehen wenn die Sonne untergegangen ist. Das dauert noch mindestens zehn Minuten. Wir können deinem Freund nicht helfen."
Gerade in dem Moment, in dem die Elfen ihn erledigen wollten, rollte sich Xuji weg, streckte die Hand nach seinem Stab aus, der zehn Meter entfernt lag. Er bewegte sich wirklich, bis die gelandete Elfe ihn packte und festhielt. Der Druide riss die Hand plötzlich nach oben, sein Stab folgt der Bewegung und die Elfe knallte gegen den Kronleuchter. Damit waren es nur noch zwei Gegner gegen Xuji, der inzwischen mit seinen Stab in der Hand erschöpft wiederaufgestanden war.
"Karaz´k shcú lek", rief eine der Elfen und die andere antwortete erschrocken: "Òká xlé!"
Die beiden drehten sich zueinander um und hoben ihre Handflächen aneinander. Die Luft um sie schien heißer zu werden.
"Was machen die da?", fragte Kora.
"Krús´k dábéi", murmelte der Alte, "ein sehr seltener und schwieriger Elfenzauber. Durch den Zauber werden diejenigen, die ihn ausführen, zu einem Wesen, sie verschmelzen sowohl körperlich als auch psychisch. Ihre Kraft und ihr Geschick verbindet sich nicht nur, sondern verdoppelt sich auch noch!"
Die Jugendliche erstarrte und hämmerte weiter gegen den Schild. Aber die Sonne würde erst in drei Minuten untergehen.
Entschlossen rannte der Jugendliche auf die, bereits glühenden, Elfen zu und holte weit mit seinem Stab aus, Magie knistere auf der Spitze.
Zwischen den Elfen zuckten Blitze umher. Zwei Minuten.
Xuji war kaum noch einen zwei Meter entfernt und verlagerte sein Gewicht.
Die Elfen verschmolzen an ihren Händen bereits. Eine Minute. Xuji schlug zu. Dreißig Sekunden.
Die Elfen explodierten. Die Decke des Saales wurde zerstört und viele Dutzend Splitter flogen herum. Selbst noch vom magischen Schild geschützt wurden Kora und der Magier nach hinten geschleudert. Dieser öffnete sich nun und der Rauch verzog, vier Elfenleichen lagen herum. Auf der anderen Seite lag Xuji, der über und über mit Brand- und Stichwunden übersät war. Sein Umhang und seine Robe waren zerrissen und verkohlt (sie rauchte sogar noch an einigen Stellen).
Kora rannte sofort zu ihm, seine Augen waren geschlossen, aber er atmete noch langsam. "Können sie ihm helfen?", fragte sie.
"Ich werden es versuchen. Bring ihn in dieses Zimmer dort und lass uns allein", befahl der Zauberer.

Einige Stunden später kam er wieder hinaus, in der Hand hielt er einen Sack.
"Er wurde ziemlich schwer verletzt, aber er wird es überleben. Er schläft jetzt, du kannst zu ihm, wenn du willst, aber weck ihn nicht", antwortete der Zauberer und bevor die Jugendliche fragen konnte, "ich wasche jetzt seine Kleidung!"
Kora trat leise in das Zimmer und blickte auf Xujis muskulöse und gebräunte Brust, die sich langsam und beständig hob und senkte. "Er sieht wirklich gut aus", gestand sie sich leise zu. Und setzte sich auf das Fußende des Bettes.
Nach einiger Zeit murmelte die Jugendliche: "Mit dir erlebt man schon was, Xuji."
"Da hast du wohl recht", antwortete er und schlug langsam die Augen auf.
"Man kann bei dir wohl nie sicher sein, dass du nicht zuhörst", meinte sie säuerlich.
"Da hast du wohl auch recht", meinte Xuji grinsend. 

Als Kora am nächsten morgen aufwachte, zog sie sich schnell an, um nach Xuji zu sehen. Doch der lag nicht in seinem Bett. Schnell rannte sie auf den Innenhof des Schlösschen. Dort sah sie ihn, er hatte sich angezogen und schlug auf einen Sandsack ein.
"Was machst du da“, schrie Kora, „du solltest im Bett liegen. Weißt du, was für Sorgen ich mir gemacht habe!" Sofort bereute sie den letzten Satz.
"Tut mir leid, aber ich kann nicht den ganzen Tag im Bett liegen", entschuldigte Xuji sich.
In diesem Moment kam der alte Zauberer herein und sprach: "Ah, ihr seid wach. Trinkt etwas Tee. Und dann unterhalten wir uns ein bisschen."
Die drei nahmen Platz und der Jugendliche begann zu erzählen: "Ich bin Xuji, der Druide. Mein Lehrmeister war ´Sgarek, der Druidenmeister. Dies ist Kora. Auf unserem Weg nach Süden fanden wir einen der weisenden Stöcke eurer Schule. Deshalb kam ich hierher, um euch vor den Elfen zu warnen. Zu spät, wie ich feststellen musste."
"Ich bin Debaara, Oberster Lehrer der Schule der Magie Melboro. Es passierte gestern morgen während des Frühstücks, zwanzig Elfen griffen auf einmal überraschend an. Die jüngeren Schüler und die ältesten Lehrer starben sofort. Die erfahrenen Schüler und fast alle Lehrer starben in den darauffolgenden zwei Stunden. Etwa zehn Minuten bevor ihr kamt, starben mein bester Schüler und mein Stellvertreter. Ohne euer Eingreifen wäre auch ich tot", erzählte Melboro.
Kora fühlte sich langsam etwas unbehaglich, die beiden Männer redeten so würdevoll und erhaben.
"Ich werde bald weiter nach Süden ziehen, vielleicht gelingt es mir noch andere zu warnen", meinte der Jugendliche und der oberste Lehrer antwortete:
"Ich werde nach Südosten gehen zur Schule von Hexan. Deswegen werde ich euch, falls ihr nichts dagegen habt, nach Süden folgen und dann nach Osten gehen."
"Natürlich", antwortete der Druide, "brechen wir am besten sofort auf."


* Nepisch für Verdammt
 

© Bastian Bernig
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