Der Elfenlord von Bastian Bernig
Die Beschwörung der Ahnen

"Was hast du getan?", fragte Xuji.
"Ich habe meinen Geist von meinem Körper getrennt", erklärte die Jugendliche, "mit dieser Anleitung auf der Schriftrolle aus deinem Beutel ging es ganz einfach!"
"War die Schriftrolle an einem Stück?", fragte der Druide.
"Nein, ein Stückchen war abgerissen", antwortet Kora unbekümmert, "wieso?"
"Weil dort die Warnung stehen müsste, dein Körper stirbt wenn dein Geist zu lange fortbleibt! Du musst zurück und zwar schnell", schrie der Jugendliche.
"Reg dich nicht so auf", versuchte die Jugendliche ihn zu beruhigen, "ich gehe gleich wieder, aber erst wenn ihr mir euren Plan verraten habt!"
"Wir haben noch keinen richtigen Plan", erklärte Xuji kleinlaut, "soweit sind wir noch nicht."
"Was für Ressourcen können wir einsetzen?", fragte Kora. "Das ist die grundlegende Frage. Zumindest bei Einbruchsplänen."
"Wir haben meine Druidenmagie, die verankerte Natur und die Macht des Gottes", antwortete der Jugendliche.
"Ich kann nicht direkt gegen sie kämpfen", widersprach der Gott, "aber mir ist gerade etwas anderes eingefallen, was ich tun kann, die normalen Leute werden dadurch wahrscheinlich am kämpfen gehindert."
"Die obersten Priester sind die gefährlichsten, gegen die werde wohl nur ich ankommen", meinte der Druide.
"Und was soll ich bitte machen?", fragte die Jugendliche.
"Ich brauche meinen Stab, du könntest ihn mir bringen", schlug Xuji vor.
"Außerdem muss ich, um meinen Teil zu erfüllen, nach draußen", erklärte der Gott, "ich kann nicht sehr schnell laufen, deshalb wäre es besser, wenn du mich trägst."
"Wenn es sein muss, aber es gibt immer noch ein Problem: Mein Körper ist nach wie vor in diesem Haus eingesperrt!", rief Kora.
"In meinem Beutel müsste ein Fläschchen sein, auf dem Irtu steht. Ein Tropfen auf die Tür, auf keinen Fall mehr", schärfte Xuji ihr ein.
"Ja ja, also ich gehe zurück in meinen Körper, breche aus und bringe dir deinen Stab. Nehme den Gott und bring ihn dorthin, wo er was auch immer macht, während du diese Oberpriester verkloppst, okay, das sollten wir hinbekommen", meinte die Diebin und verschwand im Fels.
"Wie genau lautete der Wunsch der Hohepriester, bezüglich meiner Gefangenschaft?", fragte der Jugendliche.
"Ich sollte dich vorerst festhalten", antwortete der Gott.
"Vorerst ist keine sehr genaue Zeitangabe, oder?", meinte der Druide und der Gott nickte, "es könnte sogar schon vorbei sein!" Die beiden begannen zu grinsen, als nach einer Bewegung des Gottes die Käfigtür aufschwang und Xuji hinaustrat.

In der Zwischenzeit war Kora wieder in ihren Körper zurückgekehrt und hatte das Fläschchen gefunden. Allerdings bekam sie es nicht auf. Sie zog mit aller Kraft daran, und plötzlich flutschte er ab. Über die Hälfte des Inhalts spritzte auf die Tür, die kurz darauf explodierte. Die Jugendliche wurde daraufhin an die gegenüberliegende Wand geworfen. Sie blieb kurz benommen liegen, rappelte sich dann aber wieder auf, schnappte sich Xujis Stab und rannte hinaus.
Die Dorfbewohner, die zu dem Zeitpunkt auf der Straße waren, starrten nur völlig perplex auf das noch immer rauchende Haus. So gelangte die Jugendliche ohne Probleme zum Tempel. Doch in der Haupthalle standen die höheren Priester und versperrten ihr den Weg.
"Du wirst dich sofort ins Gästehaus zurück begeben", rief der höchste der höchsten, hohen Hohepriester.
"Tut mir leid, aber ich habe hier noch was zu erledigen", rief sie und schmiss das Fläschchen, das sie immer noch in der Hand hielt, auf die Männer. Die Explosion warf die fünf hohen Priester in verschiedene Richtungen. Kora wartete nicht, bis der Rauch sich verzog, sondern rannte hindurch und begann die Winde herabzulassen.

Xuji wartete schon ungeduldig, als die Winde herunter kam. Er sprang zusammen mit dem Gott auf die Plattform und rief Koras Namen. Sie musste es gehört haben, denn die Winde setzte sich wieder in Bewegung. Als sie die Hälfte des Weges zurückgelegt hatten, als die Felswände von Steinplatten abgelöst wurden, begannen in diesen sonderbare Zeichen zu glühen. Der Gott begann sich plötzlich vor Schmerzen zu winden.
"Die Runen von Eschario, so konnten sie ihn festhalten", dachte Xuji und streckte die Hand nach ihnen aus. Wurzeln brachen durch die Wand, zerstörten die Zeichen und brachen so den Zauber.
Als die Winde schließlich den Tempel erreichte, wurde Kora bereits wieder von den Priestern umkreist. Sie warf dem Druiden seinen Stab zu und dieser begann die Hohepriester zu attackieren.
"Schnell, nimm mich auf deine Schultern", rief der Gott der Jugendlichen zu.
Diese tat wie er ihr geheißen hatten und rannte mit ihm hinaus. Doch vor dem Tempel hatten sich die restlichen Dorfbewohner versammelt.
"Beeile dich, ich muss auf die andere Seite des Dorfes", erklärte der Gott.
"Warum nicht gleich auf die andere Seite der Welt", murmelte Kora, als sie sich von einem Balkon zum nächsten hangelte. Die meisten der Priester starrten verunsichert den Gott an. Doch einige besonders mutige, oder besonders dumme, schmissen mit Steinen nach den beiden. Doch die Jugendliche bewegte sich geschickt und so wurden die beiden nie getroffen. Es dauerte nicht lange, und schon hatten sie die Dorfgrenze erreicht.
"Ein Friedhof?", fragte Kora ungläubig, "sollen wir sie mit den Grabsteinen erschlagen, oder was?"
"Setz mich in der Mitte ab", befahl der Gott, ohne auf ihre Frage einzugehen.

"Glaub ja nicht, dass du den Jüngern Giras gewachsen bist, Druide", rief der höchste Hohepriester
"Was ist aus den Jüngern Fliqes geworden?", rief Xuji fragend.
"Fliqes mag unser Gründer gewesen sein, aber erst Giras vermochte uns die wahre Erleuchtung zu bringen", erklärte einer der Hohepriester.
"Neben euren ganzen Luxus noch", meinte der Jugendliche.
"Schweig, Unwissender und spüre unsere Macht", schrie einer der Männer, auf seinen Händen bildeten sich Flammen. Doch die Macht, die er in seinem Körper konzentrierte, konnte dieser nicht verkraften. Der Hohepriester verlor die Kontrolle und das Feuer verzehrte seinen Körper innerhalb weniger Sekunden.
Plötzlich spürte der Druide ein magisches Aufflackern. Es kam von außerhalb des Tempels, also konnte es kein Priesterangriff sein. Auch die Priester spürten es und rannten hinaus. Xuji folgte ihnen schnell. Vor dem Friedhof, auf der anderen Seite des Dorfes, hatten sich bereits alle Dorfbewohner versammelt. Er und die Priester drängelten sich durch die Menge. Nur um von dem überwältigenden Anblick überrascht zu werden. Der Gott stand in der Mitte, umringt von Hunderten kleiner leuchtender Kugeln.
"Seelenlichter", schoss es dem Jugendlichen durch den Kopf.
Plötzlich flogen die Kugeln auf den Boden zu, doch sie prallten nicht ab oder explodierten. Sondern sie verschwanden einfach in dem harten Boden. Dann begann die Erde leicht zu beben und überall schossen Hände aus dem Boden. Ihnen folgten Köpfe und schließlich auch noch die restlichen Körper. Fast alle waren vermodert und verfault, die ältesten bestanden gar nur noch aus Skeletten.
"Seht eure Nachkommen, ein jeder trägt die Robe des Priesters", erklärte der Gott, "ist das rechtens, so wie ihr, die vorherigen Generationen sie gelehrt habt?!" Die Ahnen des Dorfes schüttelten ihre Schädel.
"Es ist rechtens", sprach einer von ihnen, der ein prachtvolles Totengewand trug.
"Du irrst Giras", zischte der Gott. Aber dieser wollte nicht hören und stürzte sich auf ihn. Doch Xuji stellte sich ihm in den Weg. Das verfaulte Gesicht des toten Priester verzog sich zu einem bizarren Grinsen und er sprach:
"Glaub nicht, dass ich mit dem Tod meine Macht verloren habe!" Und tatsächlich, um die beiden begann ein wütender Sturm zu toben, der sie beide einschloss.
Währendessen wollten sich die Hohepriester auf den Gott stürzen, doch aus der Menge der Ahnen lösten sich nun mehrere, die die Robe der Priester trugen.
"Wir sind eure Ahnenpriester, die wahren Jünger unseres Gottes", erklärten sie wie aus einem Mund, und der monotonen Stimme, die allen Untoten gegeben war, gesellte sich ein warnender Unterton hinzu, "wir schützen ihn, so wie er uns im Leben geschützt hat." Auch die anderen Verblichenen setzten sich nun langsam in Bewegung, und gingen auf die Dorfbewohner zu.
"Ihr habt unser Andenken beschmutzt, eure Familienehren beschmutzt, die Traditionen unseres Dorfes mit Füßen getreten", riefen sie, und auch in ihre Stimme gesellte sich ein Unterton, allerdings war es keine Warnung, sondern strahlte einfach nur Wut aus.
"Wir, wir wollten das nicht", versuchte einer von ihnen sich zu rechtfertigen.
"Wir haben immer nur das getan, was die Hohepriester befohlen haben", rief ein anderer.
"Wir konnten uns ihnen nicht widersetzen", erklärte eine der Dorfbewohner.
"Nein, wir hätten etwas tun müssen. Wir hätten uns wehren sollen, aber das tat wir nicht, aus Angst, wir könnten unseren luxuriösen Lebensstil verlieren. Träge und faul wie wir waren, wollte keiner von uns etwas an den Umständen ändern. Wir sind selbst schuld, dass es nun soweit gekommen ist", schrie Tchiko, der aus der Menge getreten war und sich nun vor den Untoten aufgestellt hatte, die, als sie seine Worte hörten, stoppten.
"Gebt ihnen eine zweite Chance, ich bin mir sicher, sie können wieder zu eurer früheren Lebensweise zurückkehren", rief Kora nun, "sie wussten nicht, was sie taten, die Schuld trifft die Hohepriester, die sie dazu angestiftet haben und bestimmt auch jeden Widerstand im Keim erstickt haben!"
"Sie hat recht, wir können uns ändern. Wir können diesen Fehler wieder ungeschehen machen", bat Tchiko.
"Das ist zwar nicht unsere Entscheidung", grollten die Ahnen, "aber wir werden in unsere Gräber zurückkehren. Nutzt diese Chance. Es ist eure letzte!"
Zur selben Zeit dauerte der Kampf zwischen Xuji und Giras noch immer an. Seine Angriffe hatten bisher nur seinen Körper verletzt. Doch der Tote spürte weder Schmerz, noch ließ ihn sein Körper im Stich.
"Ich muss seinen Körper völlig zerstören oder direkt seine Seele angreifen", überlegte der Jugendliche. Er entschied sich für den Körper und rief aus den Tiefen unter dem Dorf einen kleinen Teil der dort gespeicherten Natur. Zwei dicke Wurzeln schlossen sich um die verfaulten Beine. Xuji schlug daraufhin mit seinem Stab zu und es gelang ihm, die morschen Knochen seiner Arme zu brechen. Selbst die ganze Kraft seiner untoten Muskeln nützte ihm nun nichts mehr.
Doch nun schlug Giras mit seiner Priestermagie zurück. Der Druide konnten den Angriff gerade noch so abwehren. Nun, da sich der Körper des Toten kaum noch bewegen konnte, entfachte der Jugendliche eine Flamme in seiner Hand und warf sie auf den Untoten Obwohl Druiden nicht sonderlich gut mit Feuermagie umgehen konnten, bot der vertrocknete Körper dem Feuer genug Angriffsfläche und innerhalb weniger Sekunden zerfiel Giras Körper zu Asche. Nun verschwand auch der Sturm, den dieser herbeigerufen hatte. Xuji sah sich um, die Ahnenpriester waren, nachdem sie die Hohepriester besiegt hatten, den anderen Ahnen in ihre Gräber gefolgt.
Plötzlich schoss Giras Seelenlicht aus der Asche hervor und wollte sich auf den Druiden stürzen. Doch es wurde von magische Fäden gefangen, und in die Hand eines Untoten befördert, der ganz abseits stand und bisher von niemandem bemerkt worden war.
"Wer ist das?", fragte Kora misstrauisch.
"Fliqes", antworteten der Gott und Tchiko wie aus einem Mund.
 

© Bastian Bernig
Vor Verwendung dieser Autoren-EMail-Adresse bitte das unmittelbar am @ angrenzende "NO" und "SPAM" entfernen!
.
Und hier geht's zum 7. Kapitel: "Der Teleportationsbaum"

.
www.drachental.de