Geschichten der legendären Welt Rim von Frederic
Die Legende des Donnermar
3. Der Grat der Welt und der Wolkendrache

Bis zum Fuß des Berges war die Reise relativ unbeschwerlich verlaufen, aber als die Gegend begann in Eis über zugehen wurde sie mehr und mehr zu einer Tortur. Der tiefe Schnee erschwerte ihre Schritte und die kalte Luft stach in der Lunge. Dann wurden sie zu allem Überfluss auch noch von einer Horde Eismiridonen angegriffen. Eismiridonen sind kleine, graue Salamander mit drei Klauen anstatt Händen und einem skorpionsartigem Schwanz.
Sie waren müde und so entwickelte sich dieser Kampf zu einem gefährlichen Überlebenskampf. Meraphim versuchte sie von seinen Kameraden fernzuhalten , während Gramrot, der noch vom letzten Kampf geschwächt war, hintenbleiben musste.
Auch Dakon hatte genug damit zu tun, sich selbst zu verteidigen, indem er kleine brennende Kugeln auf die von allen Seiten angreifenden Eismiridonen schleuderte, und Miladienna murmelte ein heilendes Gebet. Sima schoss mit ihrem Bogen auf einen auf sie zu stürmenden Unhold, als sie plötzlich von der Seite angegriffen und schwer verwundet wurde.
Meraphim stürzte von ihrem Schrei aufmerksam geworden herbei, was Dakon den Platz für einen den Rest vernichtenden Feuerball gab, und enthauptete die beiden letzten und über Sima knieenden mit einem Schlag seines kräftigen Breitschwertes!
Sima, noch kurz zuvor in Todesangst, küsste den schwer atmenden Meraphim innig, ganz zum Erstaunen selbigens. Miladienna heilte, jetzt wo sie Ruhe hatten, die keuchende Sima. Sie beschlossen, angeschlagen wie sie waren, hier zu rasten.
Meraphim schlug das Zelt mit Hilfe von Miladienna auf, Dakon entfachte ein Feuer mit dem gerade von Gramrot gesammelten Holz und Sima war, nachdem der Schmerz der Wunde verschwunden war, sofort eingeschlafen!

Am nächsten Morgen hatte sich die Gruppe wieder erholt und war guter Dinge, bis auf Sima. Sie hatte bisher wohlbehütet bei ihrer relativ reichen Familie gelebt, hatte immer ein warmes Bett gehabt und dadurch ein für die meisten Kinder normales Gefühl von Unverwundbarkeit entwickelt! Sie hatte zwar immer von Abenteuern geträumt, aber gestern durch die sehr starke Verletzung, den grausamen Schmerz und die Intensität mit der dies alles über sie herein brach wurde sie aus ihrem Traum gerissen und begriff, dass dies kein Spiel war! Sie sah alles mit anderen Augen, die Erzählungen ihres Großvaters über dessen Abenteuer und die Art, in der sie vor allen davon sprach, eine Abenteurerin zu werden. Sie erkannte ihre Kindlichkeit und dass sie verletzbar war. Hätte man sie gefragt, ob sie weiter hätte träumen wollen, so hätte sie dies nun mit ja beantwortet, aber es war zu spät. Und die Erkenntnis lastete wie ein Stein auf ihr.
Der kalte Wind blies vom Berg herab und drang selbst durch Meraphims Rüstung aus silbernen Drachen- Schuppen. Sie konnten nur langsam gehen, da der Süd Hang steil war und der Wind sehr stark blies, sie konnten keinen Absturz riskieren, da ein solcher fatal wäre. Der Aufstieg verlief glücklicherweise zwischenfallslos und so hatten sie bis zum Abend die Hälfte des Weges geschafft, aber dann rutschte Gramrot weg. Meraphim schaffte es aber, ihn zu halten, trotzdessen verloren sie das Zelt, welches den Abhang hinunter donnerte. Sie hatten Glück im Unglück, denn ein paar Meter weiter fanden sie den Eingang zu einer Höhle. Es wurde dunkel und so beschlossen sie, in der erstaunlich warmen Höhle zu übernachten.

Doch kurz nachdem die meisten eingeschlafen waren fing Miladienna an, die Gruppe nach und nach  zu wecken.
Dann fing sie an zu flüstern: "Ich sah dort hinten Licht, wir sollten nachsehen, damit wir nicht eine böse Überraschung während dieser Nacht erleben!"
Sie nickten sich zu und schlichen den Gang hinab. Doch es wurde immer dunkler und so murmelte Dakon kurz darauf ein paar Formeln und eine hell leuchtende Kugel kam aus seiner geballten Hand und setzte sich an die Spitze der Gruppe! Nach ein paar Metern ging der kantige Fels in Stufen über und sie stiegen eine breite Wendeltreppe hinab. Es wurde heller und so ließ Dakon die Kugel mit
einer Hanbewegung verschwinden! Unten angekommen wurden sie von sechs Gestaltwandlern angegriffen, kein Problem für Meraphim und Gramrot.
Sie erkundeten die Umgebung und mussten ab und zu zwei bis drei Gestaltwandler erledigen, die aus Kojen kamen. Es handelte sich anscheinend um ein Basislager der Gestaltwandler. Nachdem sie alles erkundet hatten, kamen sie zu einem lezten Raum und betraten ihn. Es bot sich ihnen ein grausiger Anblick:
Eine große Halle mit Sitzreihen und einem Altar aus Menschen-, Orgern- und Zwergenknochen gebaut. Ein großteil der Sitzreihen war von Gestaltwandlern besetzt und auf dem Altar lag ein junger Mann gefesselt. Hinter dem Altar stand ein gigantischer Eismiridon, der größte, den die Gruppe je gesehen hatte, und sie hatten schon viele gesehen, aber der hier war unnatürlich groß! Ohne Dakon wären sie verloren gewesen. Er rannte vor und schleuderte zwei Feuerbälle mitten in die Sitzreihen, was schon den Großteil der Gestaltwandler niederstreckte. Aufgrund der Sitzreihen musste der Rest in einer Reihe auf Dakon zu stürmen; er schoß einen Blitz aus seinem Zeigefinger auf den Ersten und dieser sprang immer weiter nach hinten. Danach waren nur noch drei übrig.
Meraphim und Gramrot schalteten diese schnell aus, dann war nur noch der Eismiridon übrig.
Er erhob seine Stimme: "Abenteurer, ihr habt meine Truppen ausradiert, ich habe drei Monate gebraucht, um sie zu sammeln! Rechtfertigt euch!"
"Ihr widerliche Kreatur baut eine blasphemische Kirche aus Knochen meines Volkes und der anderer und verlangt auch noch Rechtfertigung!" Bei den letzten Silben schrie Meraphim in blinder Wut.
"Dann sterbt, Abenteurer!" sagte der Eismiridon.
Miladienna stimmte einen mächtigen Gesang an, in dem sie ihren Gott anrief und die Gruppe wurde von einem Goldenen Schimmer umgeben, der sich wie eine Rüstung auf sie legte. Sima spannte ihre wertvollen Feuerpfeile in ihren Bogen, Meraphim und Gramrot schluckten einen Trank der Stärke und stürzten sich in den Kampf. Dakon musste sich zurückziehen, da er seine drei stärksten Zauber gesprochen hatte, aber der Eismiridon nicht mal eine Schramme abbekommen hatte! Meraphim kämpfte in heiliger Wut und auch Gramrot schlug sich wacker. Dakon konnte sich nicht verstecken, denn er sah wie Meraphim und Gramrot langsam die Kräfte verließen und so rief er dann:
"Los, rennt weg , ich brauche Platz!"
Völlig erschöpft ließen sich die beiden Krieger das nicht zweimal sagen und sprangen zur Seite. Dakon erhob seine Arme und formte mit seinen Fingern ein Oval, dann murmelte er ein paar Formeln und er schrie die Worte "Gleißendes Auge".
Es schoß ein blau glühender Strahl auf den Eismiridon und verband sie wie eine übernatürliche Nabelschnur. Der Unhold ging in die Knie und von ihm aus wanderte ein roter Knoten immer weiter zu Dakon und wurde, als er genau zwischen den beiden ankam, gegen die Höhlendecke geschleudert und zerscholl in tausend kleine, sich langsam auflösende Stücke.
Sie hatten es geschafft, doch wärend der Rest der Gruppe im Freudentaumel war, stand Dakon nach Luft ringend und mit schmerzverzerrtem Gesicht in der Mitte des Raumes und fiel in sich zusammen. Sofort versammelte sich die Gruppe um ihn und Miladienna verkündete, er hätte sich volkommen verausgabt und müsste sich nur eine Weile ausruhen.
Sima begab sich zum Altar, der Mann war schon Tod. Sie hätte ihn gern gerettet, aber sie sah etwas, das ihre ganze Aufmerksamkeit beanspruchte! Auf der Rückseite des Altars war dieser mit einem schweren Schloß gesichert. So wie sie es gelernt hatte fing sie an, nach Schutzmechanismen zu suchen, fand aber nichts auffäliges. Also holte sie ihr Diebeswerkzeug aus ihrer Tasche und begann das Schloß zu öffnen.
Sie war äußerst überrascht, denn das, was sie dort sah, schien ein echter Schatz zu sein, also rief sie den Rest der Gruppe und fing an, die Gegenstände einzusammeln. Sie förderte ein großes und reich verziertes Langschwert, einen seltsamen grauen Umhang und ein paar Handschuhe ans Tageslicht!
Meraphim nahm sich ohne zu zögern das Schwert, Sima die Handschuhe und Dakon fiel der Umhang sofort ins Auge!
Sima erkannte bei näherer Betrachtung, dass die Handschuhe für Diebe gefertigt worden waren. Am Zeigefinger war jeweils ein Dietrich und an dem daneben eine vergrößernd wirkende Linse angebracht.
Meraphim setzte sich auf eine der Bänke und besah sich seine Errungenschaft. Am Schaft war ein goldenes Kreuz angeschweisst und darauf war "Dem gerechten Krieg" eingraviert. Es sah selbst einem der ehrwürdigsten Paladine würdig aus, er würde es auf immer in Ehren halten und es würde ihm wahrlich gute Dienste leisten.
Auch Dakon starrte gebannt auf seinen Umhang, denn dieser war reichlich seltsam! Er war ungewöhnlich rau, von grauer Farbe und außerdem unversert, wenn man bedenkt, wie lange er in dieser Gruft gelegen haben musste , war dass das ungewöhnlichste. Dakon ging mit ihm zu Meraphim und bat, er solle mit seinem Schwert versuchen, eine Ecke abzutrennen. Meraphim
fing an zu schneiden, was wirkungslos blieb. Dann erhob er sich und schlug mit ganzer Kraft auf ihn ein, wieder wirkungslos! Dakon war immer noch ratlos, dafür umso erstaunter. Dakon beschloss, seine letzte Schriftrolle zur Identifikation zu nutzen, er wollte sie zwar noch aufheben, aber seine Neugier war zu groß!
Er breitete sie auf dem Umhang aus und murmelte die ihm wohl bekannten Formeln: "Ratio eo dei a me datus sum." Die Erkenntnis überkam ihn wie eine Welle. Es war ein Umhang aus echtem Drachenflügelleder! Ein legendärer Gegenstand, von dem ihm schon sein Großvater, als Dakon noch ein kleines Kind war, Geschichten erzählt hatte. Man erzählt sich, dass das Leder weder
durch Feuer, noch Säure oder irgendwelche Hieb- oder Stichwaffen zerstörbar ist. Dakon legte ihn an, er war wohlig warm und trotz der Größe und der sehr dicken Struktur kaum merkbar leicht!
Die Gruppe war froh hier her gekommen zu sein und schlug in der warmen, in den Fels gehauenen, Grotte ihr Lager auf.

Am nächsten Tag waren sie ausgeruht und bereit, den Rest des Berges zu erklimmen. Sie kletterten weitere sechs Stunden und kamen endlich am Gipfel an.
Die Luft war schreklich dünn und alle atmeten schwer, doch dann rief Miladienna, sie sehe eine Höhle, also gingen sie ihr nach und standen schon bald am Eingang einer großen Höhle. Sie traten ein, es war dunkel und Dakon ballte wieder seine Faust, um eine Licht-Kugel zu erschaffen. Nach einer Weile wurde die Höhle heller und ein großer Schatten spiegelte sich an einer der hinteren Wände.
Sie näherten sich und dann stand er vor ihnen:
Ein gigantischer Drache mit eisblauen Schuppen, zwei kleineren Flügeln, zwei Vorder- und zwei Hinterläufen mit jeweils sieben krallenbewehrten Zehen, und zwei kleineren Händen mit vier Krallen, also insgesamt sechs Extremitäten, Stacheln auf dem Rücken und dem Bauch und einem menschenähnlichen Gesicht mit zwei nach unten gebogenen Hörnern seitlich vom Kopf, zwei kleineren auch nach unten zeigenden Hörnern auf der Stirn und einem bis auf den Boden
reichenden, hellblauen Bart. Seine Augen waren groß, wach und wirkten ausgesprochen freundlich. In der linken Hand hielt er einen krummen Stab, der unten einen Büschel Kräuter umgebunden hatte und oben von einem roten Rubin gekrönt wurde, welcher anscheinend mit dem Stab verwachsen war! In der Rechten hatte er einen zwölfeckigen, blau glühenden Stein, jede Ecke zeigte ein sich bewegendes Bild. Sein Schwanz zuckte leicht, als er die Besucher bemerkte, dann drehte er sich um und betrachtete sich unsere Gruppe.
Er erhob seinen Stab und sagte laut: "Erna me dadisse sum, mortus est!"
Ein blaues Licht begann zu leuchten und unsere Gruppe wurde von einer blauen Kugel umschlossen. Dann wurde das Licht so grell, dass sie nichts mehr sahen. Als sie wieder sehen konnten, hatte der Drache sich bis auf wenige Meter genähert und sie mussten erschrocken feststellen, dass sie sich nicht mehr bewegen konnten!
"Was willst du von uns?" schrie Sima panisch.
"Was wollt ihr von mir!" antwortete der Drache.
In ruhigem Ton sprach Meraphim: "Nichts böses, Freund, aber warum greifst du uns an?"
"Weil ich keinen Kampf riskieren wollte", sprach der Drache.
"Warum sollten wir dich angreifen wollen?"
"Betrachte dich und deinen mitreisenden Magier, ihr tragt tote Artgenossen meiner Spezies! Was würdet ihr tun, wenn ich mich mit Knochen eurer Rasse kleiden würde!" sagte der Drache mit angeheiteter Stimme.
"Aber" - er stockte - "nein, ihr habt Recht, verzeiht. Währt ihr bitte trotzdem bereit, uns unsere Fragen zu beantworten?" antwortete Meraphim.
"Sprecht, Ritter."
Und Meraphim schilderte alles rund um die seltsamen Ereignisse.
Der Wolkendrache schwieg und sah angestrengt aus. Dann sprach er: "Gut, ich denke, dass ich weiß, wovon ihr redet, und ich denke, ihr sucht nach dem Donnermar, einer legendären Kreatur aus dem frühen Zeitalter. Eigentlich ist sie aber sehr friedlich und auch nicht von größerer Intelligenz. Sie wohnt in dem nördlichen vergessenen Tal, welches eingeweihten als Mildov-Tal bekannt ist. Hier ist eine Karte, nehmt sie. Reicht euch das, Ritter?"
"Ja, habt Dank."
Und so machten sie sich auf zum Abstieg. Der Drache wirkte fast schon traurig über die schnelle Abreise, aber es war wichtig, so schnell wie möglich alles aufzuklären. Sie beschlossen aber, vorher noch zurück nach Sidall zu gehen, um ihre Vorräte aufzufrischen und sich auszuruhen! Zwei Tage später war es dann soweit. Sie wollten aufbrechen.
 

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Und schon geht's weiter zum vierten Kapitel: Mildov-Tal

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Denkt bitte daran: auch diese Geschichte nimmt am Drachentaler-Wettbewerb teil.
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