Bis zum Fuß des Berges war die Reise relativ unbeschwerlich
verlaufen, aber als die Gegend begann in Eis über zugehen wurde sie
mehr und mehr zu einer Tortur. Der tiefe Schnee erschwerte ihre Schritte
und die kalte Luft stach in der Lunge. Dann wurden sie zu allem Überfluss
auch noch von einer Horde Eismiridonen angegriffen. Eismiridonen sind kleine,
graue Salamander mit drei Klauen anstatt Händen und einem skorpionsartigem
Schwanz.
Sie waren müde und so entwickelte sich dieser Kampf zu einem
gefährlichen Überlebenskampf. Meraphim versuchte sie von seinen
Kameraden fernzuhalten , während Gramrot, der noch vom letzten Kampf
geschwächt war, hintenbleiben musste.
Auch Dakon hatte genug damit zu tun, sich selbst zu verteidigen,
indem er kleine brennende Kugeln auf die von allen Seiten angreifenden
Eismiridonen schleuderte, und Miladienna murmelte ein heilendes Gebet.
Sima schoss mit ihrem Bogen auf einen auf sie zu stürmenden Unhold,
als sie plötzlich von der Seite angegriffen und schwer verwundet wurde.
Meraphim stürzte von ihrem Schrei aufmerksam geworden herbei,
was Dakon den Platz für einen den Rest vernichtenden Feuerball gab,
und enthauptete die beiden letzten und über Sima knieenden mit einem
Schlag seines kräftigen Breitschwertes!
Sima, noch kurz zuvor in Todesangst, küsste den schwer atmenden
Meraphim innig, ganz zum Erstaunen selbigens. Miladienna heilte, jetzt
wo sie Ruhe hatten, die keuchende Sima. Sie beschlossen, angeschlagen wie
sie waren, hier zu rasten.
Meraphim schlug das Zelt mit Hilfe von Miladienna auf, Dakon entfachte
ein Feuer mit dem gerade von Gramrot gesammelten Holz und Sima war, nachdem
der Schmerz der Wunde verschwunden war, sofort eingeschlafen!
Am nächsten Morgen hatte sich die Gruppe wieder erholt und war
guter Dinge, bis auf Sima. Sie hatte bisher wohlbehütet bei ihrer
relativ reichen Familie gelebt, hatte immer ein warmes Bett gehabt und
dadurch ein für die meisten Kinder normales Gefühl von Unverwundbarkeit
entwickelt! Sie hatte zwar immer von Abenteuern geträumt, aber gestern
durch die sehr starke Verletzung, den grausamen Schmerz und die Intensität
mit der dies alles über sie herein brach wurde sie aus ihrem Traum
gerissen und begriff, dass dies kein Spiel war! Sie sah alles mit anderen
Augen, die Erzählungen ihres Großvaters über dessen Abenteuer
und die Art, in der sie vor allen davon sprach, eine Abenteurerin zu werden.
Sie erkannte ihre Kindlichkeit und dass sie verletzbar war. Hätte
man sie gefragt, ob sie weiter hätte träumen wollen, so hätte
sie dies nun mit ja beantwortet, aber es war zu spät. Und die Erkenntnis
lastete wie ein Stein auf ihr.
Der kalte Wind blies vom Berg herab und drang selbst durch Meraphims
Rüstung aus silbernen Drachen- Schuppen. Sie konnten nur langsam gehen,
da der Süd Hang steil war und der Wind sehr stark blies, sie konnten
keinen Absturz riskieren, da ein solcher fatal wäre. Der Aufstieg
verlief glücklicherweise zwischenfallslos und so hatten sie bis zum
Abend die Hälfte des Weges geschafft, aber dann rutschte Gramrot weg.
Meraphim schaffte es aber, ihn zu halten, trotzdessen verloren sie das
Zelt, welches den Abhang hinunter donnerte. Sie hatten Glück im Unglück,
denn ein paar Meter weiter fanden sie den Eingang zu einer Höhle.
Es wurde dunkel und so beschlossen sie, in der erstaunlich warmen Höhle
zu übernachten.
Doch kurz nachdem die meisten eingeschlafen waren fing Miladienna
an, die Gruppe nach und nach zu wecken.
Dann fing sie an zu flüstern: "Ich sah dort hinten Licht, wir
sollten nachsehen, damit wir nicht eine böse Überraschung während
dieser Nacht erleben!"
Sie nickten sich zu und schlichen den Gang hinab. Doch es wurde
immer dunkler und so murmelte Dakon kurz darauf ein paar Formeln und eine
hell leuchtende Kugel kam aus seiner geballten Hand und setzte sich an
die Spitze der Gruppe! Nach ein paar Metern ging der kantige Fels in Stufen
über und sie stiegen eine breite Wendeltreppe hinab. Es wurde heller
und so ließ Dakon die Kugel mit
einer Hanbewegung verschwinden! Unten angekommen wurden sie von
sechs Gestaltwandlern angegriffen, kein Problem für Meraphim und Gramrot.
Sie erkundeten die Umgebung und mussten ab und zu zwei bis drei
Gestaltwandler erledigen, die aus Kojen kamen. Es handelte sich anscheinend
um ein Basislager der Gestaltwandler. Nachdem sie alles erkundet hatten,
kamen sie zu einem lezten Raum und betraten ihn. Es bot sich ihnen ein
grausiger Anblick:
Eine große Halle mit Sitzreihen und einem Altar aus Menschen-,
Orgern- und Zwergenknochen gebaut. Ein großteil der Sitzreihen war
von Gestaltwandlern besetzt und auf dem Altar lag ein junger Mann gefesselt.
Hinter dem Altar stand ein gigantischer Eismiridon, der größte,
den die Gruppe je gesehen hatte, und sie hatten schon viele gesehen, aber
der hier war unnatürlich groß! Ohne Dakon wären sie verloren
gewesen. Er rannte vor und schleuderte zwei Feuerbälle mitten in die
Sitzreihen, was schon den Großteil der Gestaltwandler niederstreckte.
Aufgrund der Sitzreihen musste der Rest in einer Reihe auf Dakon zu stürmen;
er schoß einen Blitz aus seinem Zeigefinger auf den Ersten und dieser
sprang immer weiter nach hinten. Danach waren nur noch drei übrig.
Meraphim und Gramrot schalteten diese schnell aus, dann war nur
noch der Eismiridon übrig.
Er erhob seine Stimme: "Abenteurer, ihr habt meine Truppen ausradiert,
ich habe drei Monate gebraucht, um sie zu sammeln! Rechtfertigt euch!"
"Ihr widerliche Kreatur baut eine blasphemische Kirche aus Knochen
meines Volkes und der anderer und verlangt auch noch Rechtfertigung!" Bei
den letzten Silben schrie Meraphim in blinder Wut.
"Dann sterbt, Abenteurer!" sagte der Eismiridon.
Miladienna stimmte einen mächtigen Gesang an, in dem sie ihren
Gott anrief und die Gruppe wurde von einem Goldenen Schimmer umgeben, der
sich wie eine Rüstung auf sie legte. Sima spannte ihre wertvollen
Feuerpfeile in ihren Bogen, Meraphim und Gramrot schluckten einen Trank
der Stärke und stürzten sich in den Kampf. Dakon musste sich
zurückziehen, da er seine drei stärksten Zauber gesprochen hatte,
aber der Eismiridon nicht mal eine Schramme abbekommen hatte! Meraphim
kämpfte in heiliger Wut und auch Gramrot schlug sich wacker. Dakon
konnte sich nicht verstecken, denn er sah wie Meraphim und Gramrot langsam
die Kräfte verließen und so rief er dann:
"Los, rennt weg , ich brauche Platz!"
Völlig erschöpft ließen sich die beiden Krieger
das nicht zweimal sagen und sprangen zur Seite. Dakon erhob seine Arme
und formte mit seinen Fingern ein Oval, dann murmelte er ein paar Formeln
und er schrie die Worte "Gleißendes Auge".
Es schoß ein blau glühender Strahl auf den Eismiridon
und verband sie wie eine übernatürliche Nabelschnur. Der Unhold
ging in die Knie und von ihm aus wanderte ein roter Knoten immer weiter
zu Dakon und wurde, als er genau zwischen den beiden ankam, gegen die Höhlendecke
geschleudert und zerscholl in tausend kleine, sich langsam auflösende
Stücke.
Sie hatten es geschafft, doch wärend der Rest der Gruppe im
Freudentaumel war, stand Dakon nach Luft ringend und mit schmerzverzerrtem
Gesicht in der Mitte des Raumes und fiel in sich zusammen. Sofort versammelte
sich die Gruppe um ihn und Miladienna verkündete, er hätte sich
volkommen verausgabt und müsste sich nur eine Weile ausruhen.
Sima begab sich zum Altar, der Mann war schon Tod. Sie hätte
ihn gern gerettet, aber sie sah etwas, das ihre ganze Aufmerksamkeit beanspruchte!
Auf der Rückseite des Altars war dieser mit einem schweren Schloß
gesichert. So wie sie es gelernt hatte fing sie an, nach Schutzmechanismen
zu suchen, fand aber nichts auffäliges. Also holte sie ihr Diebeswerkzeug
aus ihrer Tasche und begann das Schloß zu öffnen.
Sie war äußerst überrascht, denn das, was sie dort
sah, schien ein echter Schatz zu sein, also rief sie den Rest der Gruppe
und fing an, die Gegenstände einzusammeln. Sie förderte ein großes
und reich verziertes Langschwert, einen seltsamen grauen Umhang und ein
paar Handschuhe ans Tageslicht!
Meraphim nahm sich ohne zu zögern das Schwert, Sima die Handschuhe
und Dakon fiel der Umhang sofort ins Auge!
Sima erkannte bei näherer Betrachtung, dass die Handschuhe
für Diebe gefertigt worden waren. Am Zeigefinger war jeweils ein Dietrich
und an dem daneben eine vergrößernd wirkende Linse angebracht.
Meraphim setzte sich auf eine der Bänke und besah sich seine
Errungenschaft. Am Schaft war ein goldenes Kreuz angeschweisst und darauf
war "Dem gerechten Krieg" eingraviert. Es sah selbst einem der ehrwürdigsten
Paladine würdig aus, er würde es auf immer in Ehren halten und
es würde ihm wahrlich gute Dienste leisten.
Auch Dakon starrte gebannt auf seinen Umhang, denn dieser war reichlich
seltsam! Er war ungewöhnlich rau, von grauer Farbe und außerdem
unversert, wenn man bedenkt, wie lange er in dieser Gruft gelegen haben
musste , war dass das ungewöhnlichste. Dakon ging mit ihm zu Meraphim
und bat, er solle mit seinem Schwert versuchen, eine Ecke abzutrennen.
Meraphim
fing an zu schneiden, was wirkungslos blieb. Dann erhob er sich
und schlug mit ganzer Kraft auf ihn ein, wieder wirkungslos! Dakon war
immer noch ratlos, dafür umso erstaunter. Dakon beschloss, seine letzte
Schriftrolle zur Identifikation zu nutzen, er wollte sie zwar noch aufheben,
aber seine Neugier war zu groß!
Er breitete sie auf dem Umhang aus und murmelte die ihm wohl bekannten
Formeln: "Ratio eo dei a me datus sum." Die Erkenntnis überkam ihn
wie eine Welle. Es war ein Umhang aus echtem Drachenflügelleder! Ein
legendärer Gegenstand, von dem ihm schon sein Großvater, als
Dakon noch ein kleines Kind war, Geschichten erzählt hatte. Man erzählt
sich, dass das Leder weder
durch Feuer, noch Säure oder irgendwelche Hieb- oder Stichwaffen
zerstörbar ist. Dakon legte ihn an, er war wohlig warm und trotz der
Größe und der sehr dicken Struktur kaum merkbar leicht!
Die Gruppe war froh hier her gekommen zu sein und schlug in der
warmen, in den Fels gehauenen, Grotte ihr Lager auf.
Am nächsten Tag waren sie ausgeruht und bereit, den Rest des
Berges zu erklimmen. Sie kletterten weitere sechs Stunden und kamen endlich
am Gipfel an.
Die Luft war schreklich dünn und alle atmeten schwer, doch
dann rief Miladienna, sie sehe eine Höhle, also gingen sie ihr nach
und standen schon bald am Eingang einer großen Höhle. Sie traten
ein, es war dunkel und Dakon ballte wieder seine Faust, um eine Licht-Kugel
zu erschaffen. Nach einer Weile wurde die Höhle heller und ein großer
Schatten spiegelte sich an einer der hinteren Wände.
Sie näherten sich und dann stand er vor ihnen:
Ein gigantischer Drache mit eisblauen Schuppen, zwei kleineren Flügeln,
zwei Vorder- und zwei Hinterläufen mit jeweils sieben krallenbewehrten
Zehen, und zwei kleineren Händen mit vier Krallen, also insgesamt
sechs Extremitäten, Stacheln auf dem Rücken und dem Bauch und
einem menschenähnlichen Gesicht mit zwei nach unten gebogenen Hörnern
seitlich vom Kopf, zwei kleineren auch nach unten zeigenden Hörnern
auf der Stirn und einem bis auf den Boden
reichenden, hellblauen Bart. Seine Augen waren groß, wach
und wirkten ausgesprochen freundlich. In der linken Hand hielt er einen
krummen Stab, der unten einen Büschel Kräuter umgebunden hatte
und oben von einem roten Rubin gekrönt wurde, welcher anscheinend
mit dem Stab verwachsen war! In der Rechten hatte er einen zwölfeckigen,
blau glühenden Stein, jede Ecke zeigte ein sich bewegendes Bild. Sein
Schwanz zuckte leicht, als er die Besucher bemerkte, dann drehte er sich
um und betrachtete sich unsere Gruppe.
Er erhob seinen Stab und sagte laut: "Erna me dadisse sum, mortus
est!"
Ein blaues Licht begann zu leuchten und unsere Gruppe wurde von
einer blauen Kugel umschlossen. Dann wurde das Licht so grell, dass sie
nichts mehr sahen. Als sie wieder sehen konnten, hatte der Drache sich
bis auf wenige Meter genähert und sie mussten erschrocken feststellen,
dass sie sich nicht mehr bewegen konnten!
"Was willst du von uns?" schrie Sima panisch.
"Was wollt ihr von mir!" antwortete der Drache.
In ruhigem Ton sprach Meraphim: "Nichts böses, Freund, aber
warum greifst du uns an?"
"Weil ich keinen Kampf riskieren wollte", sprach der Drache.
"Warum sollten wir dich angreifen wollen?"
"Betrachte dich und deinen mitreisenden Magier, ihr tragt tote Artgenossen
meiner Spezies! Was würdet ihr tun, wenn ich mich mit Knochen eurer
Rasse kleiden würde!" sagte der Drache mit angeheiteter Stimme.
"Aber" - er stockte - "nein, ihr habt Recht, verzeiht. Währt
ihr bitte trotzdem bereit, uns unsere Fragen zu beantworten?" antwortete
Meraphim.
"Sprecht, Ritter."
Und Meraphim schilderte alles rund um die seltsamen Ereignisse.
Der Wolkendrache schwieg und sah angestrengt aus. Dann sprach er:
"Gut, ich denke, dass ich weiß, wovon ihr redet, und ich denke, ihr
sucht nach dem Donnermar, einer legendären Kreatur aus dem frühen
Zeitalter. Eigentlich ist sie aber sehr friedlich und auch nicht von größerer
Intelligenz. Sie wohnt in dem nördlichen vergessenen Tal, welches
eingeweihten als Mildov-Tal bekannt ist. Hier ist eine Karte, nehmt sie.
Reicht euch das, Ritter?"
"Ja, habt Dank."
Und so machten sie sich auf zum Abstieg. Der Drache wirkte fast
schon traurig über die schnelle Abreise, aber es war wichtig, so schnell
wie möglich alles aufzuklären. Sie beschlossen aber, vorher noch
zurück nach Sidall zu gehen, um ihre Vorräte aufzufrischen und
sich auszuruhen! Zwei Tage später war es dann soweit. Sie wollten
aufbrechen.
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