Hope von Jini und Rebell
1. Kapitel: Licht in der Nacht - Teil 1

Grummelnd drehte Hope sich von der einen auf die andere Seite, in der Hoffnung nun endlich Schlaf zu finden. Einige Minuten später gab sie es allerdings auf. Sie war ja nicht mal richtig müde und dann kamen von unten auch noch laute Fernsehergeräusche, wie sollte sie da schlafen?
Gähnend setzte sie sich auf und rieb sich die Augen. Nachdem sie sich auch noch gestreckt hatte knipste sie die kleine rote Schreibtischlampe auf der Kommode neben ihrem Bett an und kroch langsam unter der warmen Decke heraus.
Der Boden unter ihren nackten Füßen war kühl. Anscheinend hatte ihre Tante vergessen die Fußbodenheizung anzuschalten.
Im schwummerigen Schein der kleinen Lichtquelle tapste Hope zu ihrem großen Fenster, aus dem man direkten Blick auf den Pferdestall hatte, der nur wenige Meter neben ihrem Haus gebaut worden war.
Nachdem sie ein paar Sekunden hinausgeschaut hatte öffnete sie das Fenster und atmete die kalte, frische Luft ein.
Eine leichte Gänsehaut bildete sich auf ihren Armen, während sie da am weit geöffneten Fenster stand, nur mit einem leichten Neglige bekleidet, doch sie störte sich nicht daran und blickte hinauf in den wolkenverhangenen Himmel.
Nur an ein paar kleinen Stellen ließ sich mal ein Stern sehen, ganz im Gegensatz zum Mond, der völlig verdeckt war.
Ein Windstoß ließ ihre Haare leicht hoch wehen, während sie die Augen schloss und den Geräuschen der Nacht lauschte - oder es zumindest versuchte.
Die Stimmen und Geräusche des Fernsehers eine Etage tiefer dröhnte die Wendeltreppe hoch und übertönte sogar das sonst so durchdringende Zirpen der Grillen.
Also öffnete sie ihre Augen und blickte wieder in den Himmel.
Die Wolken waren ein Stück weiter gezogen und gaben ein wenig vom hell leuchtenden Mond preis. Ein Lächeln erschien auf Hopes Gesicht. Sie mochte den Himmel, wie er so unendlich schien und seine Bewohner' faszinierten sie geradezu. Sie konnte sich kaum vorstellen, dass ein Stern, der doch so klar und hell leuchtete, schon seit einigen Wochen nicht mehr existiert und sie nur das Licht sehen konnte, das er zurückgelassen hatte.
Immer noch lächelnd wandte sie ihren Blick wieder zum Pferdestall, in dem ihr Pferd untergebracht war. Eigentlich war Pride das Pferd ihres Vaters gewesen, aber seit er tot war, war Hope diejenige, die sich um Pride kümmerte, mit ihm ausritt und ihn pflegte.
Im Stall stand auch noch ein zweites Pferd, Darkness, die Stute ihrer Tante. Doch diese kümmerte sich sowieso nicht um ihr Tier. Das übernahm ein Pfleger, mit dem Hope sich ganz gut verstand.
Ein paar Momente stand Hope noch so da am Fenster, dann schloss sie es und ging zu ihrem Kleiderschrank, der direkt neben dem Fenster stand.
Sie öffnete ihn und zog sich eine Hose, eine Stoffjacke und ein Paar Socken heraus. Schnell schlüpfte sie in die Hose, zog sich die Jacke an und streifte die Socken über ihre Füße, nachdem sie sich des Negliges entledigt hatte. Aus der Jackentasche zog sie ein Haargummi, machte sich schnell einen Pferdeschwanz und stieß die Schranktüren dabei mit den Ellenbogen zu.
Dann ging sie hinüber zu einem kleinen Schuhschrank, der an der Tür stand, nahm ein paar Schuhe heraus und zog sie an.
Plötzlich hörte sie ein Geräusch, als wenn etwas auf dem Boden aufgeschlagen wäre. Hope fuhr herum und stellte fest, dass es bloß ihr Bogen gewesen war, den sie gestern mit in ihr Zimmer genommen hatte, um ihn neu zu spannen. Sie hatte nur vergessen ihn zurückzustellen.
Dann würde sie ihn eben jetzt mit nach unten nehmen und in den Schrank stellen, den ihr Vater extra für ihren Bogen und die Pfeile gebaut hatte.
Er stand in der Diele im Erdgeschoss.
Sie hob den Bogen auf und machte sich dann auf den Weg nach unten.
Die Treppe führe direkt ins Wohnzimmer des Hauses, in dem ihr größerer Bruder Alec sich in den Sessel gekuschelt hatte und schnarchend schlief. Hope musste bei dem Anblick lächeln und zuckte zusammen, als plötzlich ein Schuss fiel. Er kam vom Fernseher.
"Lass die Waffe fallen, Fred!", tönte eine Stimme aus diesem, "Sonst spielt deine kleine Freundin bald mit den Piranhas!" Fred ließ die Waffe langsam sinken und sah sein Gegenüber mit hasserfüllten Augen an. "Na bitte, geht doch.", sagte der andere Mann.
Hope fragte sich wie man bei so einem Lärm schlafen konnte, nahm sich die Fernbedienung, die lose in Alecs Hand lag, und schaltete ab.
Jetzt lag der Raum dunkel und still da, denn Alecs Schnarchen war verstummt und er blinzelte Hope an.
"Hope...", stellte er müde fest, "Was machst du hier?"
Sie lächelte ihn an: "Geh ins Bett, Alec. Ist schon spät."
"Wie viel Uhr haben wir denn?", fragte ihr Bruder.
"Genau zwanzig Minuten vor vier.", antwortete Hope mit einem Blick auf ihre beleuchtete Armbanduhr.
"Und warum bist dann nicht im Bett?", gähnte Alec.
"Ich geh ja nachher. Nur im Moment kann ich nicht schlafen. Ich wollte nur kurz runter zu Pride und Darkness."
"Und was willst du dann mit dem Bogen? Die Pferde haben doch nichts getan, oder?", scherzte Alec und erhob sich.
Hope schüttelte grinsend den Kopf: "Nein, ich hab ihn bloß neu gespannt und wollte ihn runter stellen."
"Na dann..." Alec schlurfte in Richtung des angrenzenden Raums, "Jedenfalls: schlaf gut, Kleine. Und mach nicht mehr zu lange, okay?"
"Okay. Träum was Schönes!"
"Du auch, Kleine..."
Hope lief die Treppe hinunter, ins Erdgeschoss. In der Diele angekommen öffnete sie den Schrank, in dem sie immer ihren Bogen, die Pfeile und ihren Köcher verstaute, wenn sie nicht gerade trainierte. Hope erschrak, als die Scharniere beim Öffnen laut quietschten.
Doch sie beruhigte sich schnell wieder. Es war ja niemand da, den sie hätte wecken können. Ihre Tante war unterwegs mit ihrem Bridgeclub und würde vor morgen nicht wiederkommen und Alec schlief bestimmt noch nicht wieder.
Er hätte es eine Etage höher wahrscheinlich sowieso nicht hören können.
Hope verstaute den Bogen in der dafür vorgesehenen Halterung und schloss den Schrank wieder, auch diesmal begleitet von einem lautem Quietschen.
Hope griff schnell nach ihrer schwarzen Steppjacke, streifte sie über und nahm ihren Schlüssel von Schlüsselbrett, dann lief sie den langen Flur entlang, bis zur Tür, die nach draußen führte.
Als sie die Haustür öffnete um hinauszugehen fiel ein wenig Licht nach draußen, doch als sie die Tür wieder hinter sich schloss umhüllte sie die dunkle Nacht, wie ein Schleier, der sich übers Land gelegt hatte.
Hope steckte ihren Haustürschlüssel in ihrer Jackentasche und machte sich auf den Weg zu Pride und Darkness.
Im dunklen Stall angekommen hießen die beiden Pferde sie schläfrig willkommen.
Pride hatte sich in der großen Doppelbox auf den Boden gelegt, gleich neben Darkness. Beide hoben interessiert den Kopf, als Hope hereinkam.
Diese lächelte bei dem Anblick der beiden Pferde, ging zu ihnen und setzte sich neben sie ins Heu.
"Na ihr beiden?" Hope strich Darkness, die ihr am nächsten lag, sanft über den Kopf, "Ich konnte mal wieder nicht schlafen..." Mit der anderen Hand kraulte sie Pride hinter den Ohren. Die beiden Tiere schienen es zu genießen.
Hope hatte bestimmt schon zehn Minuten lang so dagesessen und Pride und Darkness gestreichelt, als plötzlich etwas merkwürdiges passierte.
Der Wind, der bis gerade nur leicht geweht hatte, blies jetzt durch jede Ritze, ließ Heu und Staub hoch wirbeln, zerzauste Hopes Haare, stürmte pfeifend umher.
Der Donner grollte verheißungsvoll, ein Blitz jagte den anderen und erhellte jedes Mal für kurze Zeit das Land.
Verwirrt stand Hope auf und versuchte ihre schwarzen Haare, die sich aus dem Zopf gelöst hatten, hinters Ohr zu streichen, doch der Wind holte sie immer wieder hervor. Anscheinend schien ein richtiges Unwetter aufzuziehen.
Schnell huschte sie durch den Stall und schloss die Fenster, die bei gutem Wetter immer leicht geöffnet waren, doch auch das schien den Wind nicht zurück halten zu können.
Als auch das letzte Fenster geschlossen war, machte Hope sich auf den Weg zurück ins Haus.
Sie wollte nicht unbedingt draußen sein, wenn ein Gewitter losging. Sie fürchtete sich ein wenig vor Gewittern.
Der Wind schlug ihr ins Gesicht, als sie aus dem Stall trat, ließ ihr Haar und die Enden ihrer Hosenbeine im Wind flattern und pfiff laut um ihre Ohren.
Wieder zuckte ein Blitz über den Himmel und der Donner brach nur wenige Sekunden später los.
Sie wandte ihren Blick kurz und ein wenig ängstlich gen Himmel, der so grau und verhangen von Wolken war, dass man hätte glauben können, dass die Sonne nie wieder ihr Gesicht hätte zeigen können, auch wenn sie gewollt hätte.
Hope fragte sich, warum es noch nicht begonnen hatte zu regnen. Sie wollte sich natürlich nicht darüber beschweren, dennoch war es ungewöhnlich.
An Stelle des Regens kam noch mehr Wind auf und Hope musste sich wirklich anstrengen, um vorwärts zu kommen. Sie lehnte sich schon fast in den Wind hinein.
Und dann, ganz plötzlich, so plötzlich, dass Hope beinahe zu Boden fiel, wurde es windstill.
Von der einen auf die anderen Sekunde. Auch ein Donnerschlag, der losgeschmettert war verstummte augenblicklich.
Mit einer Mischung aus Schreck, Verwirrtheit und ein bisschen Angst wandte sie ihren Blick wieder zum Firmament, an dem nun nur noch vereinzelte Wolken zu sehen waren, die einfach so vorbeizogen, als wäre der merkwürdige Sturm gerade nicht gewesen.
Doch dann wurde ihre Aufmerksamkeit auf etwas anderes gelenkt.
Zirka fünfzehn Meter von ihr entfernt leuchtete ein Licht auf. Es befand sich ungefähr einen halben Meter über dem Boden und flackerte auf. Mal heller, mal dunkler. Wie bei einer Glühbirne, die im Begriff war den Geist aufzugeben.
Was ist das?, fragte Hope sich leicht zittrig. Doch wenn sie ehrlich war wollte sie es gar nicht so genau wissen und so stolperte sie weiter in Richtung des Hauses.
Immer wieder warf sie Blicke über ihre Schulter, während sie sich dem Haus näherte, als würde dieses Licht jeden Moment etwas Gefährliches ausspucken.
Sie hatte sich dem Haus bis auf wenige Zentimeter genähert, doch dann blieb sie plötzlich wie erstarrt stehen und riss die Augen auf.
Sie beobachtete gebannt wie das Licht immer größer und dünner wurde, gerade so, als wolle es sich als ein Rahmen um einen nicht vorhandene, riesigen Spiegel oder etwas ähnliches legen.
In dem Spiegel erschien ganz plötzlich ein Bild. Ein Bild von einem Ort, wie Hope ihn noch nie gesehen hatte.
Sie sah eine wunderschöne große Wiese, auf der vereinzelt Bäume standen. Die Grashalme wiegten im leichten Windhauch hin und her und ein kleines Tier huschte über sie hinweg. Und auch wenn es auf den ersten Blick ziemlich gewöhnlich schien, wirkte es auf eine gewisse Art und Weise magisch.
Es war so bezaubernd schön, doch dann ließ sie etwas sich wieder furchtbar erschrecken.
Sie hatte wohl gerade drei Sekunden die Wiese betrachtet, als plötzlich ein dunkelhaariger Mann ins Bild hastete, so schnell ihn seine Beine zu tragen vermochten. Nur wenige Meter hinter ihm liefen hässliche, menschengroße Wesen. Sie sahen gefährlich aus.
Hopes Herz raste unnatürlich schnell, während sie beobachtete, wie der Mann und die Wesen immer näher kamen. Es schien, als würde der Mann geradewegs auf den Spiegel zulaufen. Er kam immer näher und bald würde er vor den Spiegel prallen.
Doch das tat er nicht. Er sprang durch ihn hindurch.
Hope rieb sich die Augen. Das war unmöglich!
Doch jetzt stand er da, hob die Hände und fuchtelte hektisch dirigierend mit ihnen herum.
Hope klappte der Unterkiefer herunter, als, wie auf sein Kommando, der Lichtkreis sich zu schließen begann.
 
© Jini und Rebell
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Und schon geht's weiter zum 2. Kapitel: Licht in der Nacht - Teil 2

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