Die Krieger des Ostens von Dragonsoul Lianth
In Mijar

Annähernd zwei Wochen waren die drei Männer bereits unterwegs, als sie die Mauern von Mijar erblickten. Mijar war eine kleine Stadt, die noch nicht lang existierte. Vor nicht ganz einem Jahrhundert war sie gegründet worden und seit diesem Tag nicht besonders gewachsen: Sie beherbergte nur dreihundert Einwohner, die sich hauptsächlich von eigenem Ackerbau ernährten. Handel war hier fast undenkbar, denn Mijar lag abseits aller gesicherten Wege und die Kosten für Söldner, die die Karawanen beschützen, waren nur für wenige Händler lohnenswert.
Erstaunt hielt Relow sein Pferd an und besah sich die Stadt genauer. "Erstaunlich!" meinte er plötzlich, "man möchte meinen, eine Stadt in so unsicherem Gebiet sei besser geschützt!" Während er noch den Kopf schüttelte, lachte Hagen amüsiert vor sich hin. "Welch behütetes Leben Ihr doch geführt habt!" neckte er leise. "Die Menschen hier können sich wahrscheinlich keine bessere Verteidigung leisten. Was eigentlich nicht verwundern sollte!" Relow zischte wütend und sandte Hagen einen tödlichen Blick zu.
Xerxes hatte die beiden stumm belauscht und trieb nun sein Pferd seufzend an. Er hatte sich inzwischen an die stetigen Zankereinen zwischen den beiden gewöhnt und ignorierte sie meistens. Und wie er erwartet hatte, beließen die zwei es nun dabei und folgten ihm. "Wer weiß", murmelte Xerxes versonnen, "vielleicht haben wir Glück." – "Wie?" blinzelte Hagen verwirrt. – "Es ist anscheinend eine Karawane in der Stadt. Vielleicht können wir uns ein wenig Geld verdienen. Wir können es schließlich gut gebrauchen, wenn wir nach Kanjak wollen."

Das Stadttor hatten sie schnell passiert, da die Wächter sich nicht viel Mühe machten, die Fremden zu mustern. Nachdem Relow ihnen je ein Kupferstück gegeben hatte, ließen sie sie ohne Fragen passieren. "Wirklich dürftig!" beschwerte Hagen sich. "WIR hätten uns das niemals erlauben dürfen!" – "Meldet Euch hier doch als Wächter!" zischte Relow. "Dann haben wir unsere Ruhe und Ihr könnt Euer Können beweisen!" Wütend knurrend hielt Hagen sein Pferd an und starrte Relow an. "Ihr wagt es!?"
Das reichte Xerxes nun endlich. "Schlagt euch doch die Köpfe ein!" knurrte er leise vor sich hin. Er hatte das Gefühl, dass die beiden heute erst Ruhe geben würden, wenn sie sich wieder einmal gemessen hatten. Also ließ er sie, wo sie waren und machte sich auf den Weg zum Gasthaus der Stadt. Er hoffte, dort auch auf den Händler der Karawane zu treffen. Schließlich brauchten sie Geld und mit mehreren Leuten war es sicherer zu reisen. 
Den Gasthof fand er auch sehr schnell, ohne dass er jemanden fragen musste. Solch kleine Städte erwiesen sich als einfach und übersichtlich: Der Gasthof lag stets am Marktplatz. Lächelnd stieg er vor der Tür ab. "Dann wünsch uns Glück", flüsterte er zu Nerfa, während er sie streichelte. "Behandle sie gut, dann bekommst du eine Münze extra", sagte er dann zu dem Stalljungen, der herbeigeeilt gekommen war, und übergab ihm die Zügel. Mit einem Grinsen nickte der Junge und führte die Stute weg. "Na denn", murmelte Xerxes leise und trat zur Tür herein.

Der Raum war kein, dunkel und rauchig. Unwillkürlich musste Xerxes husten. Er hatte schon viele Tabakmischungen gerochen, aber die hier verwendete übertraf sie alle an Strenge. Fast augenblicklich drehten sich alle Anwesenden zu ihm um und musterten ihn misstrauisch. Doch der junge Krieger blickte ungeniert zurück, weshalb sich die meisten bald wieder wegdrehten. Insgesamt saßen dreizehn Leute im Raum. Dennoch war es ein leichtes, den Händler ausfindig zu machen: Er war sehr gepflegt gekleidet und machte nicht den Eindruck eines hier lebenden Mannes.
Lächelnd trat Xerxes zu dem Mann heran. "Ich nehme an, die Karawane gehört Euch?" fragte er ruhig. Der Mann machte ein beeindrucktes Gesicht und sah kurz zum Mann zu seiner Rechten. "Fürwahr", nickte er, "ich bin Händler." Er deutete Xerxes, sich zu setzen. "Doch weshalb interessiert Euch das?" Xerxes zuckte gleichgültig die Schultern. "Ich bin Krieger", antwortete er schließlich unbefangen. "Und als solcher nutzt man jede Möglichkeit, sich ein wenig Geld zu verdienen." Der Händler lachte lauthals los und klopfte Xerxes auf die Schulter. "Diese Einstellung gefällt mir!"
Plötzlich wurde er wieder ernst. "Wie viel verlangt Ihr?" fragte er misstrauisch. Xerxes zuckte die Schultern und sah zum Fenster heraus. "Kommt ganz darauf an, wohin die Reise gehen soll. Und wie gefährlich es ist." Der Händler lächelte müde: "Durch die Berge, nach Gehit." Xerxes biss sich auf die Lippen. Über diese Stadt hatte er in Fai-ten nichts gehört, genauso wenig, wie über den Weg dorthin. Er konnte sich also nicht vorstellen, wie weit oder wie gefährlich der Weg war.
"Nun, was sagt Ihr?" hakte der Händler nach. Xerxes lächelte ihn zuvorkommend an. "Wie viel seid Ihr denn bereit, zu zahlen?" fragte er listig. Es würde sich zeigen, ob es gefährlich werden würde. Denn der Händler wusste zum Glück nicht um Xerxes Unwissenheit. Die Höhe des gebotenen Soldes würde ihm genug Auskunft geben, da die Händler die Angewohnheit hatten, nie mehr als ein Silberstück unter dem normalen Sold anzubieten. 
"Seid ehrlich", mischte sich der Nebenmann des Händlers ein, "Ihr seid nicht ortskundig?"
Xerxes sah ihn einen Augenblick lang verblüfft an. Es war bei weitem nicht unnormal, dass ein Krieger erst den angebotenen Sold erfragte. Woher konnte der Mann es also wissen? "Ihr habt mich wohl durchschaut", gab er schließlich zerknirscht zu. Der Mann lächelte zufrieden. "Doch sagt mir", fragte Xerxes neugierig, "wie seid Ihr darauf gekommen?" Der Mann lachte leise. "Erstens: Ihr seht nicht aus wie die hiesigen Krieger." Er stoppte und sah Xerxes vielsagend an. "Zweitens: Alle, auch der mutigste Kämpfer, werden im ersten Moment blass, wenn diese Strecke erwähnt wird. – Außer die, die sie nicht kennen."
Xerxes nickte lächelnd. "Ich sehe, Ihr habt eine gute Beobachtungsgabe." – "Die muss man haben, wenn man hier überleben will." Mit einem Räuspern mischte der Händler sich nun ein. "Kommen wir doch bitte wieder zum geschäftlichen zurück!" meinte er zuvorkommend und lehnte sich vor. "Wie lautet Eure Antwort?" Xerxes lachte leise. "Also ICH bin dabei." antwortete er ebenso zuvorkommend. "Wie es aber um meine Begleiter steht weiß ich nicht..." – "Begleiter?" horchte der Händler auf. "Wie viele?" Xerxes lehnte sich zurück und hob zwei Finger knapp über Tischhöhe.
"Könntet Ihr sie herholen?" fragte der Händler leise. Xerxes schüttelte entschieden den Kopf. "Aber..." begann der Händler verwirrt. "Ich werde die beiden garantiert nicht bei ihrem Streit stören", erklärte Xerxes düster. "Ich bin doch nicht lebensmüde!" – "Wie?" Xerxes Gegenüber sahen sich erstaunt an. Der junge Krieger hingegen zuckte lächelnd die Schultern. "Nur Geduld, sie werden hierher kommen, sobald sie sich wieder beruhigt haben." Er lächelte leise. "Wir müssen nur warten."

Und sie mussten nicht besonders lange warten. Nach nicht ganz einer halben Stunde kamen Relow und Hagen in das Gasthaus. Beide machten einen leicht zerknirschten Eindruck, und auf Relows Wange prangerte eine blutende Wunde. Ohne den Händler und seinen Begleiter zu beachten, setzten sie sich neben Xerxes, der sie amüsiert betrachtete.
"Sehr freundschaftlich von Euch, ohne ein Wort zu verschwinden!" bemerkte Hagen trocken. Xerxes sah ihn ganz erstaunt an. "Was hätte ich denn tun sollen?" fragte er erstaunt. "Euch beim Köpfe einschlagen zusehen?" Einen Augenblick lang schwieg Hagen, dann mischte Relow sich ein. "Uns davon abhalten können!" knurrte er, während er sich die Wange rieb. "Damit ihr zwei auf MICH losgeht, wie beim letzten Mal?" versetzte Xerxes von der Seite.
Während die beiden Männer noch verlegen auf ihre Hände starrten, wandte Xerxes sich dem Händler zu. "Meine Begleiter, Relow und Hagen." Er deutete auf die beiden. Der Händler nickte zufrieden. "Ihr seht aus, wie erfahrene Kämpfer", stellte er fest. Hagen lachte leise. "Natürlich!" brüstete er sich. "Ich war schließlich 18 Jahre lang Soldat." – "So?" konterte der Mann zur Seite des Händlers. "Und warum jetzt nicht mehr?" Hagen fixierte ihn wütend, schwieg aber.
Xerxes seufzte leise. "Also", mischte er sich ein., "der gute Mann hätte Interesse daran, uns als Schutz anzuheuern." Relow sah Xerxes misstrauisch an. "Und wo ist der Haken?" Xerxes zuckte lächelnd die Schultern. "Die Strecke scheint sehr gefährlich zu sein..." Hagen lachte wieder. "Habt ihr etwa Probleme damit?" Xerxes schüttelte betont langsam den Kopf und auch Relow verneinte grinsend.
Der Händler nickte zufrieden. "Also kann ich mich auf euch verlassen?" – "Ich schätze schon", nickte Xerxes. Nun hob Relow den Kopf. "Vorher aber noch eine Frage:" versetzte er, "Ihr habt Euch noch nicht vorgestellt..." Der Händler lächelte verlegen. "Ach ja, stimmt." Er sah seinen Nebenmann an. "Mich nennt man nur Tai, und das ist Akira, der beste Söldner dieses Kontinents." Akira nickte mit einem leichten Lächeln.
 

© Dragonsoul Lianth
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