NIDADIN von Marcel Möller
Eine Geschichte zwischen zwei Völkern
Gorlos Stamm

Die Nacht brach herein und Nida verhüllte sich in ein schwarzes Kleid. Wolken zogen über den Sternenhimmel, der Wind strich sanft durch die Baumkronen. Ein Nebelschleier bedeckte den größten Teil des Waldes. Hinter dieser undurchsichtigen Wand erschienen zwei seltsame Gestalten. Sie bewegten sich mit kurzen, ungeordneten Schritten, wahrscheinlich um ihre Stärke zu verbergen. Somit konnte anscheinend keine Beute von den Spuren verschreckt werden. Das dunkelgraue Fell dieser Wesen machte ihre schlanken, starken Körper in der Dunkelheit fast unsichtbar.
"Hoffentlich finden wir hier etwas.", sagte eines der Wesen.
"Keine Sorge, Zita. Wir Zynta verlassen uns doch immer auf unseren Jagdinstinkt."
Die Gestalten, die sich aus dem Nebel heraus enthüllten waren die Bewohner Nidas, die Zynta, ein friedliebendes Volk, das das sinnlose Töten verabscheut. Der einzige Lebensort der Zynta war der Ostkontinent Rukoranda. Der Westkontinent Olandoris war unerforscht und bot wahrscheinlich keinen Schutz vor dem Sonnenlicht. Es wurde durch die Gelehrten erzählt, dass dort nur Ödland existierte, obwohl nie ein Zynta diesen Kontinent betreten hat. Zynta konnten durch ihre kleinen, empfindlichen Augen kein starkes Licht vertragen. Sie würden erblinden und somit eine leichte Beute für andere Tiere werden. Sie trugen alle ein Symbol auf ihrer Brust. Es war ein Friedenssymbol, ein runder Kreis mit Bildern von drei Zynta von verschiedenen Stämmen die sich gegenseitig die Hände schütteln. Alle bauten ihre Dörfer zwischen großen, dichten Bäumen, so dass sie niemals direkten Strahlen ausgesetzt waren. Sie blieben tagsüber in ihren Dörfern, um kleinere Arbeiten wie das Ernten bzw. Anpflanzen auf den Feldern oder das Saubermachen ihrer Hütten zu erledigen. Nachts hingegen, beobachteten die Gelehrten den Himmel, die Jäger gingen auf die Jagd, kurz gesagt spielte sich fast alles nachts ab. Die Zynta schliefen nur sehr wenig, ein paar Stunden vor dem Lichteinbruch gingen sie ins Bett. Sie wussten wann es hell und wann es dunkel wurde, eine innere Uhr sozusagen. Jäger waren die wichtigsten Zynta eines Stammes. Für die Jagd wurden die meisten Jungen von ihren Vätern ausgebildet. Sie sind sehr hoch angesehen, denn ohne sie wäre die Versorgung mit Fleisch sehr spärlich und das Überleben fast undenkbar.
In dieser ruhigen Nacht waren Zita und ein anderer Zynta durch die neblige Nacht gewandert und durch den dichten Wald geschlichen, um nach Beute zu suchen. Sie bedeckten ihr Fell mit einer dunklen Weste und mit einer kurzen Hose aus der Lederhaut eines Schildur, einem Wassertier, das in Gewässern lebt. Die zwei Zynta waren auf der Jagd.
"Du Zita, ich frage mich, ob es da draußen auf dem Westkontinent und im außerhalb von Nida noch andere intelligente Lebewesen gibt. Ich hatte wieder diesen verrückten Traum."
"Ach Unsinn Zaso, unsere Gelehrten sagen, dass wir die Einzigen sind, die höher entwickelt sind und es immer so bleiben wird. Außerdem lehrten sie uns, dass es da draußen im All nichts mehr gibt, nur noch die Sterne, Asteroiden und andere Kleinstkörper."
Zaso, der beste Jäger des Stammes der Gorlos, welcher durch das gelbe Armband symbolisiert wurde, wollte einfach nicht wahrhaben, dass der Planet Nida der Einzige ist, auf dem Leben existiert und dass die Zynta die einzigen intelligenten Lebensformen waren. Doch Zita, ein Gehilfe des Gelehrten, glaubte nicht daran. Er glaubte an das, was er gelernt hatte.
"Aber woher wissen die Gelehrt...". Zaso konnte seinen Satz nicht beenden.
"Pssst, da vorne hat sich etwas bewegt. Sah wie ein Varokla aus."
Varoklas waren große, aber schwache Tiere, die auf dem ganzen Ostkontinent verteilt waren und die Hauptnahrung der Zynta darstellten.
"Los du Jäger", sagte Zita, "jetzt zeig mal, ob du wirklich so gut bist."
"Na gut."
Zaso kletterte auf einen Baum, von dem er das Varokla beobachten konnte. Zita lauerte gespannt in einem Gebüsch. Als es am Baum war, um zu fressen, sprang Zaso herunter und betäubte das Tier, indem er seine langen Krallen in seinen Hals rammte. Zynta haben die einzigartige Fähigkeit, ihre Beute durch ein Betäubungsgift, das in ihren Pfoten erzeugt wird, zu lähmen. Ihnen selber macht das Gift nichts aus. Zaso sprang vom Varokla herunter und Zita fing es mit einem Seil ein damit es nicht doch noch abhauen konnte und in den Wäldern verschwand. Die beiden zogen fest an dem Seil aber das Varokla auch. Zum Glück waren beide zusammen stärker als das Tier. Kurze Zeit später war es betäubt und wehrlos. Sie brachten es zum Dorf des Gorlos-Stammes.
Auf dem Weg nach Hause erinnerten sich die beiden Freunde an ihre Kindheit zurück, als sie den anderen Kindern einen Streich spielten. Sie taten so, als ob sie ihnen die Hand zum Gruß geben wollten, fuhren dann ihre Krallen aus (was sie nur als Kinder können) und stachen damit zu. Die Reaktionen waren sehr variabel, aber immer lustig. Mal musste sich einer übergeben, mal fiel einer in Tiefschlaf und am häufigsten traten grässliche Kopfschmerzen zum Vorschein. Zita und Zaso freuten sich über jeden gelungenen Streich. Obwohl das Gift den Zynta nichts ausmacht, hat es trotzdem einen gewissen Einfluss auf die Jüngeren. Aber es war nie etwas lebensgefährliches, nur einige Übelkeitserscheinungen usw. Sie erinnerten sich gern an ihre Schulzeit, obwohl sie wegen ihrer Streiche oft von den Gelehrten getadelt wurden.
Nach langem Fußmarsch rief Zaso: "Wir sind da!"
"Ein Glück", schnaufte Zita erleichtert, "das Varokla ist ganz schön schwer."
Als sie im Dorf ankamen übergaben sie das Tier dem Dorfältesten Zopasa. Er musste das Tier mit einem Speer töten.
Nur Dorfälteste hatten das Recht die Lebewesen zu töten, die als Beute galten. Deshalb trugen sie auch das Symbol der Älteren, ein Zynta mit einem Speer in der rechten Hand, den er als Gehstütze gebrauchte. Falls ein anderer Zynta tötete, wurde ihm das Symbol des Friedens abgenommen und er wurde aus dem Stamm verbannt. Bis jetzt gab es nur wenige dieser Fälle und das war gut so.
Die erfolgreiche Jagd von Zita und Zaso wurde natürlich gefeiert. Alle saßen an einem Lagerfeuer zusammen und sprachen über die Jagd, machten Witze, aßen natürlich alle etwas von der Beute und tranken becherweise Barup, ein süßliches Getränk aus den Blätterextrakten des gleichnamigen Barupbaumes. Kinder bekamen nur das ähnlich schmeckende, aber alkoholfreie Purab. Es wurde genauso hergestellt aber mit Wasser und ein paar Kräutern vermischt um es kindgerecht zu machen.
"Weißt du,", sagte Zita, der trotz seines Jugendalters noch Purab trank, "ich habe dich wirklich unterschätzt Zaso. Wie du das Tier festgehalten hast. Das erfordert eine Menge Kraft."
Zaso blieb bescheiden, nahm auch einen Schluck Purab und sagte: "Oh, Varoklas sind doch schwache Tiere. Du warst doch auch klasse. Ohne das Seil wäre mir das Varokla abgehauen."
"Das mag ja sein, aber wenn du nicht mit festgehalten hättest, wäre...".
Ehe Zita seinen Satz zu Ende sprechen konnte, trat der Gelehrte Zekalo in die Mitte der Runde. "Meine Freunde, entschuldigt, dass ich eure kleine Feier unterbreche, aber ich habe euch etwas zu sagen."
Alle schauten gespannt auf ihn. Der Gelehrte trug einen rotbraunen Umhang, der aus Varoklafell gefertigt war. Anders als die anderen Zynta trug er das Symbol des Wissens auf seinem Fell. Ein großes Fragezeichen mit Sternen rundherum zierten dieses Symbol.
"Ich wollte dieses Symbol für immer unter diesem Umhang vor euch verbergen, denn ich glaubte nicht an anderes Leben im Weltall. Aber diese Nacht ist etwas besonderes für mich."
Zaso fragte sich, was er damit meinte. Zita zuckte mit den Schultern.
"Heute vor vier Monden habe ich am Himmel, weit im Weltall etwas blitzen sehen. Es war kein Stern, nein, es war heller als das und es bewegte sich. Es war auch keine Sternschnuppe, es war viel langsamer. Was immer es auch war, es hat mir wieder Hoffnung gegeben, Leben außerhalb unserer Welt zu finden. Ich habe das Gefühl, dass diese Nacht wieder so etwas passiert. Ich will euch beweisen, dass ich recht habe."
Als er mit seiner Rede fertig war, waren die Meisten schon gegangen. Es lag wahrscheinlich an der Wirkung des Barups, denn der macht bekanntlich sehr müde und bereitet einem höllische Kopfschmerzen. Die Kinder mussten auch früh ins Bett gehen. Zita und Zaso waren die einzigen die, immer noch wie betäubt von dieser Geschichte, auf ihren Platz saßen.
"Eines Tages", murmelte Zekalo, "eines Tages werde ich euch beweisen, dass ich Recht habe." Er schwang seinen Mantel herum und wollte gerade gehen als Zaso aufstand und rief: "Ich glaube dir jetzt schon."
Zita zog ihn zurück. "Beleidige ihn doch nicht noch mehr."
Zaso stand empört auf und sagte: "Jetzt hör mal, ich beleidige den Gelehrten nicht, ich glaube seine Geschichte!"
Zekalo stand schon neben den beiden Streithähnen. "Ach ja, ihr zwei wart schon immer wie Brüder, hört auf euch zu streiten und kommt mit. Ich werde euch etwas zeigen."
Zekalo kannte Zita und Zaso schon seit ihrer Geburt und hat sie immer bewundert. Sie begleiteten ihn mit zu seiner Hütte. Sie war voller wundersamer Dinge. Zaso und andere Zynta durften sie noch nie betreten, aber jetzt traute er seinen Augen nicht. Am Fenster stand eine lange Röhre mit einem gewölbtem Glas an jeder Seite. Er schaute hindurch und sah die Sterne plötzlich ganz nah. Es war unglaublich, so ein kleines Gerät holt das All in greifbare Nähe.
"Zaso, komm her.", rief Zekalo. "Ich habe durch dieses Gerät dort am Fenster einige Aufzeichnungen über den Weltraum gemacht. Schaut, hier ist die Erscheinung, von der ich euch erzählt habe."
Zaso konnte seinen Augen nicht trauen. Im Gegensatz zu Sternen und Sternschnuppen war dieses Ding viel größer.
"Und wenn es nur einer dieser Asteroiden war?", fragte Zita lässig.
"Unmöglich", antwortete Zekalo, "es hat eine ganz andere Form".
Beim genaueren Hinsehen erkannte man, dass an der Hinterseite etwas ausgestoßen wurde, etwas feuerähnliches.
"Was ist das für Feuer hinter dem Ding?", fragte Zaso.
"Feuer? Ach ja, deswegen zweifle ich ja daran, dass es ein Asteroid ist."
Zita beeindruckte das gar nicht. Er schaute sich in Ruhe um, stöberte in den Sachen von Zekalo herum, was ihm natürlich gar nicht gefiel, und demolierte eines seiner Forschungsgeräte.
"ZITA!!!! Was hast du jetzt wieder angestellt. Das war mein Mikroskop." Zekalo dämpfte seinen Zorn. "Komm, räum den Müll hier weg. Zum Glück habe ich zwei von dieser Sorte."
Zaso fragte neugierig: "Was macht ihr mit ein Mi-k-roskop?"
"Ach, damit kann man auch Dinge vergrößern, aber nur kleinste Teilchen. Warte, ich zeig es dir mal."
"AUA!!" Zekalo zog aus Zasos Fell ein Haar heraus, das tat ihm natürlich weh. Er zündete neben dem Mikroskop eine Kerze mit einem Feuerstein und einem Metallpfeil an.
"Diese Kerze brauche ich, um Licht für das Mikroskop zu bekommen.", erklärte er. "Das Haar lege ich nun auf ein kleines Glasplättchen und dieses auf die kleine Holzplatte über dem runden Spiegel. Wie du siehst ist ein Loch in der Platte um das Licht einzufangen. So, jetzt noch richtig einstellen, so. Sieh hindurch, Zaso."
"Da.., das ist eins meiner Fellhaare. So viele Muster und Formen auf einem einzigen Haar. Warum habt ihr uns das damals nicht gelehrt, in der Gilde der Schüler. Solche wundersamen Geräte kennt doch keiner hier im Dorf."
"Ich weiß was du meinst. Wir Gelehrten wollen euch nicht zu Astronomen oder Forschern machen. Ihr sollt etwas über euer Leben, eure Aufgaben erfahren, nicht über die Astronomie. Ihr wollt doch eure Jugend nicht mit Kartenzeichnen und Haare untersuchen vergeuden, oder?"
"Nein, Zekalo. Ihr habt Recht. Aber was ist mit Zita, er ist doch kein Gelehrter und darf euch trotzdem unterstützen."
Zekalo wollte eigentlich nichts über die Identität von Zita erzählen, aber er vertraute Zaso, denn er war ja wie ein Bruder für... "Mein Enkelsohn.", sagte Zekalo plötzlich.
"Zekalo, ich denke nicht, dass...".
Bevor Zita etwas sagen konnte fuhr der Gelehrte fort: "Zita ist mein Enkelsohn."
Plötzlich wurden Zasos müde Augen ganz groß und munter. "W.. Wirklich?"
"Ja, er ist es. Ich wollte es geheim halten, denn er will ein ganz normales Leben führen und nicht wie ein Gelehrter behandelt werden. Bitte versprich mir eins. Verrate es bitte niemanden anders im Dorf. Die Leute glauben, dass er nur bei mir ist, weil er der beste Schüler war," Zita war ganz stolz auf diesen Satz und sein Gesicht strahlte vor Freude, "obwohl er auch viel Unsinn gemacht hat.".
Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, fühlte er sich gar nicht mehr so stolz, aber dieser Zustand war nur von kurzer Dauer.
"Wenn es jemand erfährt, könntet ihr nie wieder Freunde sein. Er müsste zur Gilde der Gelehrten gehen und zehn Jahre dort bleiben. Denn ein junger Gelehrter darf nur mit anderen Gelehrten leben. Bitte, versprich mir zu schweigen.", Zekalo war aufgeregt und besorgt zu gleich.
Zaso hatte ein Einsehen mit den Sorgen des Gelehrten und er wollte Zita nicht verlieren. "Ihr habt mein Wort, Zekalo, ich verrate niemanden etwas."
Zekalo fiel ein Stein vom Herzen.
"Aber trotzdem habe ich noch eine Frage", sagte Zaso. "Seit Generationen haben die Gelehrten aller Stämme der Zynta noch nie gelogen. Warum brecht ihr diese Tradition."
Zekalos Blick wurde ernst. "Ich habe niemals gelogen, das wäre eine Schande für die Ära der Gelehrten. Ich hatte nur das Glück, dass mich noch niemand nach Zita gefragt hat. Du warst der erste Zynta, der mich das fragte und ich habe die Wahrheit gesagt."
Ein Schuldgefühl kam in Zaso auf: "Entschuldigt vielmals, ich hätte so etwas nie fragen dürfen, ich.."
Zekalo beruhigte ihn: "Aber nein, ich mache dir doch keine Vorwürfe. Du warst die ganzen Jahre über ein netter und gelehriger Junge. Du bist fast wie ein Sohn für mich. Keiner schenkt mir mehr große Beachtung, du bist eine Ausnahme."
Tränen der Freude und Erleichterung tränkten den Holzboden der Hütte. Zekalo und Zaso umarmten sich und klopften sich auf den Rücken. Eine Geste des Vertrauens zueinander. Zaso war immer für Zekalo dagewesen wenn er ihn brauchte, er konnte ihn gar keine Schuld für irgendetwas geben.
Zita war unberührt von der Sache, fühlte sich aber trotzdem für kurze Zeit vernachlässigt. Er schaute durch das Teleskop um die Sterne zu sehen. "Einen Moment mal! Jetzt fällt mir das erst einmal auf. Warum kann ich mit diesem Gerät das All sehen obwohl doch die Bäume des Waldes die Sicht stören müssten?" Doch als er erneut durch das Teleskop sah, war die Frage für ihn unwichtig geworden, denn plötzlich sah er ein helles Objekt am Himmel auftauchen. Es sah genauso aus wie das, was der Gelehrte damals gesehen hat. "Zekalo, kommt schnell her! Schaut durch das Teleskop, schnell!"
Er wischte sich die Augen trocken, schaute durch das Teleskop und sagte: "Schau, Zaso. Das habe ich damals gesehen."
Zaso betrachtete sich das Objekt und bemerkte wieder diesen Feuerschweif hinter ihm. "Was ist das nur für ein Ding? Es ist wirklich faszinierend. Wie es sich geschmeidig durch den Weltraum bewegt, wie es... !!! Zekalo, was ist denn jetzt los? Da bewegt sich etwas sehr großes auf das Objekt zu!"
Das gewaltige Etwas kam dem Objekt näher und zwei seltsame Lichtstrahlen trafen es. Der leuchtende Punkt am Himmel bewegte sich direkt auf den Planeten zu und wurde beim Eintritt in die Atmosphäre schneller während sich das andere, riesige Gebilde immer weiter entfernte und schließlich verschwand. Der Feuerschweif verlor sich hinter dem Horizont... 

"DES GIBT‘S DOCH NET!! Das iss unmöglich!", schallte es aus einer grün schimmernden Ecke...

Zekalo war entsetzt: "Bei Zyntalas, das Objekt ist wahrscheinlich auf dem Westkontinent eingeschlagen. Wer weiß was passiert wäre, wenn es hier auf Rukoranda eingeschlagen wäre."
Nach einiger Zeit beruhigten sie sich wieder. Zita bemerkte Zasos steigende Neugier und kannte seine Abenteuerlust. "Wir können nicht zum Westkontinent, Zaso. Es ist unerforschtes Land, außerdem sind deine..."
Zekalo hinderte ihn am weiterreden: "Es ist gut Zita, er weiß das doch selber. Doch nun etwas anderes." Zekalo öffnete eine versteckte Luke am Boden der Hütte. Er holte ein Amulett heraus. Es war doppelt so groß wie die, die alle Zynta auf dem Fell tragen. "Zita, Zaso. Bei Tagesanbruch werde ich euch etwas überreichen. Ihr seht es jetzt schon, aber erst am Morgen werdet ihr erfahren, was es ist. Ich habe lange überlegt, seid morgen früh am Versammlungsplatz und sagt allen anderen Dorfbewohnern Bescheid, dass die auch kommen sollen." Die beiden Freunde fragten sich, was er wohl vorhatte. "Ihr solltet jetzt besser schlafen gehen. Morgen ist ein großer Tag für euch zwei."
Sie verabschiedeten sich von Zekalo und gingen hinaus. Er winkte ihnen noch einmal zu, dann deckte er die Vorderseite der Hütte mit einem Vorhang aus Baumblättern ab.
"Deshalb konnte man die Hütte also nie sehen.", dachte sich Zaso.
"Sag bloß du hast den ungewöhnlichen Vorhang noch nie bemerkt."
Zaso war zu müde um noch etwas zu sagen. Er legte sich auf eine Steinbank und schlief sofort ein.
"Zaso? ZASO!!!" Er schlief schon tief und fest. "Du holst dir bei der Kälte hier draußen doch den Tod. Komm ich bring dich in deine Hütte." Zum Glück war Zita kein schwacher Zynta, denn Zaso war nicht gerade leicht. Auf den Schultern trug er ihn in seine Hütte und legte ihn in sein Bett. Es war auf jeden Fall bequemer und wärmer als draußen. Das Bett war aus kräftigen Ästen geflochten und mit dem weichen Fell eines Landoras überzogen. Landoras wurden von den Zynta auf Weiden gehalten und ihr Fell wurde im Frühling geschoren, so dass es bis Herbst wieder nachwächst. Außerdem gaben sie wunderbare Milch. Zum Essen wurden sie nur im Notfall benutzt. Meistens waren aber immer genug Varoklas oder andere Tiere in der Nähe, die man jagen konnte. Ebenfalls aus Landorafell war die Decke mit der Zita Zaso zudeckte. Zita musste nun auch gehen denn seine Eltern suchten schon nach ihm. Er sagte noch einmal leise "Gute Nacht." zu Zaso und ging nach Hause.
In dieser Nacht schlief Zaso wie ein Murmeltier. Er träumte von damals, von seinen Eltern. Wie sie ihn großzogen, wie sein Vater ihm das Jagen beibrachte und wie sich seine Mutter um ihn sorgte. Er hatte sie geliebt und konnte ihr Verschwinden von damals bis heute nicht vergessen. Plötzlich wurde es still um ihn herum. Zaso stand ganz allein auf dem Dorfplatz. Er hörte seine Eltern schreien und folgte dem todesähnlichen Geräusch. Er sah sie an einen Baum gebunden, sie waren verletzt. Ihr graues Fell vermischte sich mit der roten Farbe des Blutes. Es war schrecklich. Er wollte nach ihnen greifen. Plötzlich stand vor ihm ein unförmiges Wesen, ein Wesen mit großen roten Augen. Mehr sah er nicht, es war zu dunkel. Die Augen leuchteten aber so hell, dass er geblendet wurde. Das Wesen riss das Maul auf. Ein Geräusch, ein Schrei, dann war Ruhe. Er stand in einem leeren Feld. Plötzlich tauchte am Himmel etwas leuchtend gelbes auf. Es war das Licht, das Todesfeuer strahlte ihn direkt an. Kein Baum war mehr in der Nähe und er war dem Licht ausgeliefert. Es musste der Westkontinent sein, das Ödland. Wie war er dorthin gekommen. Zaso schrie um sein Leben, er wollte zu seinen Artgenossen. Er schrie, aber es hörte niemand. Ein heller Blitz traf ihn.......
Zita, in der anderen Hütte, hörte ein lautes Schreien aus Zasos Hütte. Auch Zekalo wurde munter und beide rannten Richtung Hütte. Dort stießen sie beinahe miteinander zusammen. Drinnen saß Zaso schweißgebadet in seinem Bett und schrie immer weiter. Zita versuchte ihn zu beruhigen, aber er hörte einfach nicht auf
 "Geh zur Seite", sagte Zekalo, "ich werde ihn aus diesem Alptraum befreien." Er legte seine rechte Hand auf Zasos Stirn und murmelte einen unaussprechlichen Spruch vor sich her. Das Symbol des Wissens fing an, blau zu leuchten und ein magischer Lichtstrahl durchdrang Zekalos Körper. Er wanderte bis zu Zasos Stirn, wo er dann verschwand. Zekalo wurde ohnmächtig und Zita stütze ihn.
Zaso beruhigte sich endlich: "Ic.. Ich l.. lebe noch? Wo bin ich?" Er sah aus, als ob er einen Geist gesehen hat.
Zita erklärte ihm alles.
Kurze Zeit später kam Zekalo wieder zu sich. "Zaso, bin ich froh, dass es dir wieder gut geht. Der Alptraum, den du hattest, war ja fürchterlich."
Zaso war erstaunt. "Da...das war nur ein Traum?".
Zekalo stützte sich auf: "Nein, Zaso. Es war ein Alptraum. Und ein schlimmer dazu. Schrecklich!"
Zita musste sich setzen und Zasos Augen starrten Zekalo fragend an: "Woher wisst ihr, was ich geträumt habe?"
Der Gelehrte hielt das Amulett hoch: "Wir Gelehrten kennen seit langem das Geheimnis der Gedankenübertragung. Wir können die von Alpträumen besessenen Zynta wieder heilen. Leider verlieren wir dabei auch viel unserer eigenen Kraft. Ich bin froh, dass es diesmal geklappt hat. Ich glaube nicht, dass ich das noch mal machen kann, du musst zwischen Realität und Traum unterscheiden Zaso, es war nur Fiktion weiter nichts."
"Aber ich habe alles gespürt, ich.."
"Der Alp ist stark, aber er kann niemals den Besitz eines lebenden Körpers erringen, glaube mir. Reg dich jetzt nicht auf, bitte. Ich möchte, dass du dich jetzt hinlegst. Du wirst diesen Traum nicht noch mal träumen. Das verspreche ich dir. Schlaf jetzt. Zita komm, wir gehen."
"Geht ihr schon mal, Zekalo, ich bleibe noch etwas hier.", sagte Zita.
Zekalo ging mit den Worten: "Bleib nicht zu lange, morgen in aller früh müsst ihr raus."
Was hatte er nur vor?
"Zita? Kann ich mit dir über etwas reden?", fragte Zaso traurig.
"Natürlich Zaso, dazu sind Freunde doch da." Zita setzte sich neben Zasos Bett und hielt seine Hand, wie es damals immer sein Vater tat um ihn zu trösten.
"Die ganze Sache mit meinen Eltern geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Jede Nacht träume ich von ihnen, aber noch nie war es so schrecklich wie heute nacht. Warum erzählt mir niemand, was wirklich mit ihnen geschehen ist. Alle sagen, sie sind bei einer Expedition von einem wilden Varokla getötet worden. Das kann doch nicht sein. Varoklas haben gar nicht die Kraft, jemanden zu töten. Weißt du, als Enkel des Gelehrten etwas darüber?"
Zita nahm einen tiefen Atemzug und machte die Tür zu. "Hör zu Zaso, ich will, dass du das, was ich dir jetzt erzähle für dich behältst. Zekalo erzählte mir die Geschichte vor 5 Jahren und er hätte nie gelogen, wie du weißt: Deine Eltern wurden vom damaligen Dorfältesten Zerala beauftragt, den Westkontinent zu erforschen, den noch nie ein Zynta betreten hat. Sie sollten die Ersten sein. Zerala war jemand, dem das Leben Anderer egal war. Er wollte nur Abenteuer und neue Länder entdecken. Aber er war zu alt für so eine Expedition, also heuerte er deinen Vater an, sie zu begehen. Da er nicht ohne seine Frau gehen wollte, gestattete Zerala ihm, sie mitzunehmen. Beide bekamen große, lange Umhänge, um dem Sonnenlicht zu entgehen. Diese Umhänge wurden speziell für diese Expedition von den magiebegabten Gelehrten gefertigt. Sie hatten die Kraft, das Licht abprallen zu lassen, so dass die Augen nicht geschädigt werden können. Du warst gerade mal 2 Jahre alt und ich 3 Jahre. Wir konnten nichts unternehmen. Nach 3 Jahren kam dein Vater alleine, schwer verletzt und halb verhungert ins Dorf zurück. Du und ich waren gerade beim Jagdtraining im Waldgelände in der Nähe des großen Küstengebietes. Dein Vater schnaufte und erzählte mit kurzen Pausen und krächzender Stimme etwas wie <..große Gefahr, Floß im Westen, geschwommen, Frau verschwunden, konnte entkommen, andere...> Danach war Ruhe. Er brach vor den Augen der Dorfbewohner zusammen. Alle Versuche, ihn zu heilen, alle Magie der Gelehrten halfen ihm nicht zu überleben. Man verbrannte seine Leiche und füllte eine Urne mit seiner Asche. Das war vor zehn Jahren und sie existiert heute noch. Seinen Tod selbst hat man vor uns Zweien und den anderen Kindern vertuscht. Alle Zynta, die dieses Ereignis miterlebt hatten, wurden von den Gelehrten gebeten, niemanden davon zu erzählen. Nun, ob wirklich jeder geschwiegen hat? Ich glaube es nicht, aber Zekalo war der einzige, von dem ich es erfahren habe."
Zaso war traurig und gleichzeitig wütend. "Danke Zita, danke für die Wahrheit, danke für alles. Du bist ein echter Freund. Von meiner Mutter fehlte also jede Spur. Vielleicht lebt sie ja noch. Ich muss es herausfinden. Zita, bitte sag mir, wo ist die Urne meines Vaters."
Zitas Kopf senkte sich nach unten, er schaute in Richtung Fenster und fragte sich, was die Urne mit seiner Mutter zu tun hatte. Er hoffte, dass Zaso keinen Unsinn machen würde. Aber als Freund wollte er es ihm erzählen. "Sie existiert wirklich noch. Sie haben sie damals bis zur Grenzschicht von Ost- und Westkontinent gebracht, an die letzte Ruhestätte des Zynta. Es war ein langer Fußmarsch von mehreren Monaten, aber er hatte es verdient."
Zaso wusste von diesem Ort: "Ich kenne diese Ruhestätte, dort werden die Zynta aller Stämme begraben, die Helden waren. Sie liegt doch am Ufer des großen Meeres der Ungewissheit, oder?"
Zita nickte: "Ja, an dessen Ufer wurde die Urne beigesetzt. Früher war es ein Leichtes dort hinzugehen. Heute kann man kaum noch dahin kommen, es wurden Fallen aufgestellt um Tiere zu fangen. Das war vor 3 Jahren. Seitdem wurde es jedem Zynta im Stamm der Gorlos verboten, dahin zu gehen."
Zaso fragte erstaunt: "Wieso?"
"Man erzählt sich, dass es dort spukt."
Zaso lachte: "Das glaubst du wirklich?"
Zita stupste ihn und sagte: "Hey, lach nicht über mich."
Zaso stupste zurück. "Ich lache dich nicht aus. Ich dachte nur gerade an unsere Schulzeit. Bei den Zauberkünsten unserer Gelehrten dachten wir auch, dass es spukt, oder? Vielleicht ist dort etwas geschehen und die Gelehrten wollen uns nun von diesem Ort fernhalten. Vielleicht spielen sie uns allen einen Streich, wie wir damals. Erinnerst du dich noch?"
Zita lächelte: "Ach ja, das waren Zeiten. Die Streiche waren ohne dich nur halb so lustig."
"Genau, ich hatte immer eine Idee und du hast sie in die Tat umgesetzt."
Sie erinnerten sich an ihre verrückten Aktionen und lachten zusammen über die verärgerten Gesichter der Reingelegten.
Plötzlich stand Zekalo vor der Tür: "Komm Zita, du musst jetzt schlafen gehen. Der Morgen kommt mit großen Schritten. Nach dem Frühstück müsst ihr alle Zynta im Dorf zum Platz bringen."
Beide fragten sich immer noch, was er wohl damit meinte. Sie sagten sich alle noch einmal Gute Nacht und konnten diesmal ohne Zwischenfälle durchschlafen...
 

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Und schon geht's zum 3. Kapitel: Der Prototyp
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Denkt bitte daran: auch diese Geschichte nimmt am Drachentaler-Wettbewerb teil.
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