NIDADIN von Marcel Möller
Eine Geschichte zwischen zwei Völkern
Die falsche Beute

Die Blätter der Bäume glitten zu Boden, das Wurfseil durchdrang die Baumkronen und ließ mit sich ein großes Wesen vom Himmel stürzen.
"Bei Zyntalas, schnell wir müssen das Tier betäuben, bevor es wegfliegt", rief Zita und rannte zu der frisch gefangenen Beute. Er zog sie aus einem stacheligen Gestrüpp heraus. "Nein, oh nein. Das war ich nicht, so etwas kann doch nicht passieren. ZASO!"
Zita hielt sorgvoll den Kopf des Birados, in dem sich kein Leben mehr zu regen schien. Er schaute unsicher zu Zaso hinüber, der mit missmutigen Versuchen letztendlich das Seil, welches das Schicksal des ungewöhnlich großen Birados besiegelte, ergatterte.
"Lass doch das verdammte Ding.", schrie er aus Verzweiflung und Wut. Das galt eigentlich seiner Tat und das wusste er.
Zaso fuhr erschrocken zusammen und ließ von seinem vergeblichen Versuch ab, das Gewirr aus einem Dornenbusch zu befreien.
Zita war verzweifelt: "I..Ich habe ihn getötet. Das wollte ich nicht! Oh Zyntalas, vergib mir!" Große Tränen rollten über das Fell der länglichen Schnauze, über seine kleine schwarze Nase, bis sie nach freiem Fall auf den weichen Federn des Birados zur Landung ansetzten.
Zaso legte seine Pranke auf die kalte Schulter seines Freundes. "Komm, wir müssen gehen, der Morgen beginnt in ein paar Stunden. Hier sind wir nicht sicher."
"Und was ist mit dem Dorfältesten?" Beide Vorstellungen, die eines wütenden, oder eines zutiefst enttäuschten Dorfrates machten die Sache nicht unbedingt einfacher zu verdauen. "Ich bleibe hier! Zopasa würde mich sowieso fortschicken."
Zita war sich seiner Entscheidung sicher und aus dem Klang seiner Stimme konnte Zaso deutlich vernehmen, dass er die Sache, die er sich in seinen Kopf gesetzt hatte durchführen würde. "Das hat doch keinen Zweck! Bis zu den schützenden Wäldern ist es ein langer Fußmarsch. Durch diese dünne Baumschicht hier wird das Licht garantiert nicht abgeschirmt. Wenn du jetzt hier bleibst, wird das Licht dich in ewige Dunkelheit stürzen."
"Wenn das mein Schicksal ist, so sei es. Ich habe keine Wahl, Zaso. Ich habe eins von Zyntalas Wesen getötet."
"Red‘ doch keinen Schwachsinn." Zaso fühlte die Verantwortung seines Freundes gegenüber in sich aufblühen. Das jedoch war nicht nur eine Folge der >Zeremonie<, sondern auch der schönen Einzigartigkeit zahlreicher Momente, die sie beide zusammen erlebt haben, zu verdanken.
"Ich will lieber blind und am lebendigen Leib von Raubtieren zerrissen, als von Zopasa aus dem Stamm verbannt zu werden. Was würde mir anderes blühen als die Verdammtheit des Nichtsehens, wenn ich mich nicht mehr im Schutz der "tiefen Wälder" befände?"
Er brach zusammen, lehnte sich an den Baumstamm eines Nadelgehölzes und ließ den Kopf schluchzend zwischen seine Beine sinken. Seine Krallen bahnten sich unruhig eine Schneise durch die Federn des leblosen Körpers. Ein Strahl aus Schmerzen brachte das Schluchzen abrupt zum Verstummen. Zaso stand mit vorgestreckter und blutverschmierter Hand vor Zita, der sich verwundert seine Wange rieb. Vier feine Schnittwunden brachten die rote Flüssigkeit dazu, sich auf das tränengetränkte Gefieder des Birados zu ergießen. Riesige Pupillen, die jeder Zynta sein eigen nannte, starrten Zaso hasserfüllt an. Dieser Moment, obwohl nur wenige Herzschläge lang, kam beiden wie eine Ewigkeit vor. Als Zaso dachte, Zita würde total die Kontrolle über sich verlieren, durchzuckte plötzlich ein mildes Lächeln die hintersten Mundwinkel seines Freundes.
"Mann, du hast eine rüde Art anderer Leute Probleme zu lösen. - Was ist, ... willst du mir nicht aufhelfen?"
Zaso reichte Zita schnell seine Hand, aber nicht ohne sie vorher an seiner Weste grob abgewischt zu haben. Er wollte schon die Richtung zurück zum Dorf einschlagen, aber Zita nahm die entgegengesetzte. "Was bei ..."
Mit einer kräftigen Bewegung versuchte der Zynta, die Hinterläufe des Birados zu packen und den Rest des Körpers über seine Schulter zu schwingen. Ohne Erfolg, der gefiederte Körper glitt ab und kam auf dem nassen Moos zum Stillstand. Zita machte keine Anstalten den missglückten Versuch einen weiteren hinzu zu gesellen. Sein Gesicht hatte sich wieder in eine Maske des Entsetzens verwandelt.
"Zita was hast...?"
Zaso konnte seinen Satz, sein Denken, sogar die Schlussfolgerungen aus seinem Instinkt, dass sie langsam alle in Gefahr gehen zu erblinden, nicht zu Ende führen. Er starrte auf das Bild, welches sich vor ihnen ergab und es schien mit aller Deutlichkeit zurück zu starren. Sein Blick wiederholte die vorherigen Bahnen immer wieder, um das Unbegreifliche zu erfassen. Der Birados lag jetzt auf dem Rücken und alle Einzelheiten waren erkennbar. Die Flügel die aus den Rücken herauswuchsen und fast ein zweites Schulterpaar zu bilden schienen, waren weit abgespreizt, einer stand in einen unnatürlichen Winkel ab, soweit es Zaso beurteilen konnte. Der zweite auffällige Merkmal des vermeintlichen Tieres war der große Kopf, mit Augen, die fast eine gewisse Intelligenz auszustrahlen schienen. Diese Augen, blutrot gefärbt, ließen Erinnerungen an einen nicht ganz so frühen Schrecken wieder aufleben. Entsetzt war ihr Ausdruck, mit dem sie beide das Wesen anstarrten. Zasos Blick löste sich von den unangenehm anziehenden Augen und begutachtete den eigentlichen Grund von Zitas Schrecken. Das Wesen war bekleidet.
"Das kann niemals ein Birados sein. Was denkst du, Zita?"
"Schau...." Zita zeigte auf die Vordergliedmaßen. "Nein, kein Birados, aber mit Flügeln und bekleidet."
Er stammelte diesen Satz nur noch zusammen, währenddessen Zaso die Arme genauer untersuchte. Beide waren mit schönen Armschienen versehen, auf denen, ähnlich wie auf Zekalos Mantel, fremdartige Symbole eingraviert waren. Gehalten wurden diese durch schlichte, lederne Schnüre. Eigentlich war alles schlicht an der Kleidung des Wesens, angefangen von dieser komischen kurzen Oberbekleidung, bis auf die einfache blaue Hose, die durch eine große Lederschnüre, gebunden unterhalb des Bauches, erst richtig saß. Etwas extravaganter waren da schon diese Metalldinger an den Krallen des Nicht-Birados. Diese schienen nur den Zweck zu haben, Dreck und Verletzungen von den Füßen fern zu halten. Der Dorfälteste nannte solche Kleidungsstücke Sandalen und hatte auch ein paar (nicht so gut aussehende), die an seine Beinform speziell angepasst waren. Zita empfand das als Verschwendung. Er trug keine der zusätzlichen, nach seiner Meinung unnützen Kleidungsstücke. Aus diesem Metall hätte man etwas besseres herstellen können. An einem Gürtel, so wurde von den "Weiseren" ein Trageriemen, den man sich umschnüren kann genannt, waren Gerätschaften und eine kleine Tasche befestigt. Aus den Gerätschaften wurde er nicht schlau, aber die Tasche interessierte ihn. Obwohl der Schrecken, dem Tod des Wesens gegenüber, immer noch tief saß, streckte er die Hand danach aus. Sein Vorhaben wurde unterbrochen als Zaso einen Versuch startete, das Wesen unter seinen Armen zu packen, um es für den Transport fertig zu machen. Zita fasste die Beine, hielt sie auch noch dann fest, als ihn die Krallen neue Schnittwunden zu seinen alten hinzufügten.
Sie wussten beide nicht, warum sie sich die Mühe machten, den reglosen Körper mitzunehmen. Ob Lichtstrahlen oder nicht, wegkommen würde er bestimmt nicht. Wilde Tiere hätten auch keine Absicht gehabt ihm Schaden zuzufügen, denn der Geruch der beiden würde für Tage an ihm haften.
Unendlich Zeit schien verstrichen und sie schienen keine große Strecke vorwärts gekommen zu sein. Er, (deshalb er, weil er durch seine Kleidung männlich aussah) war leicht, aber seine Flügel sehr sperrig. Sie würden ausgebreitet etwa fünfzig Fuß messen. Zur Zeit maßen sie etwa 10 Fuß und machten sich trotzdem zur Aufgabe an jedem Ast, jedem Busch und jedem Strauch hängenzubleiben. Zaso zog in einem Akt der Erschöpfung den Fremden näher an sich heran, so dass der Hals an den seinen rieb und schlaff über seine Schulter fiel. Ein Zucken brachte Zaso ganz aus der Fassung und die ungewöhnliche Karawane zum Stillstand. Zita rutschte überrascht von den plötzlichen Stop, unter die Füße des Fremden und  Schwanzfedern verdeckten sein Gesicht.
Er spuckte ein paar Federn aus und kroch unter einem der Flügel hervor. "Etwas nicht in Ordnung?"
"Bilde ich mir das nur ein oder hat dieses Wesen sich bewegt."
"Was? Erzähl doch keinen Quatsch." Zitas Gesicht war eine Mischung aus Unglauben und Erleichterung, hauptsächlich Unglauben.
"Er lebt wirklich, ich habe das Pulsieren seines Blutes gespürt."
Keiner hatte die Möglichkeit sich dieser neuen Gegebenheit zu erfreuen, geschweige denn, diese auf ihre Wahrheit zu untersuchen. Ein greller Schrei zerriss die Nacht... Der Mond verhüllte sich, etwas schnellte vorwärts. Wären die beiden nicht so erschöpft gewesen, hätten Sie auf jede Bewegung reagiert, aber die Sorgen um ein Lebewesen und ihre Zukunft schien jede Vitalität aus den Körpern der zwei felltragenden Freunde gesogen zu haben. Das Toben des Wesens war schlimm. Zaso wurde von den großen Klauen davongeschleudert, währenddessen Zita die Gewalt der Hinterläufe in seiner Magengegend zu spüren bekam. Der Fremde tobte und schrie. Diese Wut war nicht gegen sie beide gerichtet, sie schien einfach grundlos, vielleicht aus Angst zu erfolgen. Der Fremde ließ sich auf einmal fallen. Er saß einfach da, in einer Pose die der Zitas ähnlich war, nachdem sie ihn beide vom Himmel geholt und damit fast umgebracht hatten. Seine Schwingen wirbelten krankhaft vorwärts und wieder zurück. Langsam begann er sich den Kopf zu raufen und riss ein Federbüschel nach den anderen aus, wobei er Schreie von sich gab, die denen eines Zynta unter großen Qualen ähnlich waren.
Zaso konnte das Bild des Elends, das sich ihm zeigte, nicht mehr ersehen und stürzte sich auf die schemenhafte Gestalt. Mit seiner restlichen Kraft die er aufbieten konnte brachte er ihn zum Fall und zwang jeder der beiden kräftigen Arme auf eine Seite. Es wäre bestimmt nicht zu schaffen gewesen, hätte Zita nicht so schnell reagiert und die Beine gepackt. Auch in einer solchen Stellung in der Gegenwehr praktisch nicht mehr möglich war, aktivierte der Fremde unglaubliche Kraftreserven, indem er sich aufbäumte und mit seinem Schnabel nach dem Kopf von Zaso zu schnappen versuchte.
Auf einmal ließen die ruckartigen, aufbäumenden Bewegungen nach und die Augen des Fremden schienen sich auf eine unbekannte Art zu klären. Er schaute die beiden Zynta fragend an.
Dann begann er, mit einer ungewöhnlich klingenden, aber doch verständlichen Stimme zu reden: "W...Wo bin ich? Was ist geschehen? Ich kann mich nicht mehr erinnern?"
Zaso ließ langsam von dem Wesen ab und half ihm auf. Es reagierte aus Angst vor den Zweien noch etwas abwehrend, hatte aber seine Aggressivität gegenüber beiden eingestellt.
Zita schien ein Stein vom Herzen zu fallen: "Ein Glück, er lebt. Ich habe ihn also nicht getötet. Danke, Zyntalas."
Das Wesen neigte den Kopf zur Seite und fragte misstrauisch: "Wer seid ihr beiden? Was habt ihr mit mir vor?"
Zaso machte ein beruhigendes Gesicht und sagte mit einer ruhigen Stimme: "Du brauchst keine Angst zu haben. Wir wollen dir bestimmt nichts tun. Ich bin Zaso und das hier ist mein Freund Zita. Wir gehören zu Gorlos-Stamm."
Die Verletzungen machten dem Wesen wirklich zu schaffen. "Ich kann mich nur noch an einen drückenden Schmerz erinnern, als ob mich jemand ersticken wollte, mehr nicht."
Zita senkte seinen Kopf und gestand: "Ich bin es gewesen, der dich mit dem Seil gefangen hat."
Zaso funkte dazwischen: "Nein, wir waren es. Wir gehen jede Nacht auf die Jagd und fangen für gewöhnlich Varoklas. Aber durch einen großen Sturm sind irgendwie alle vertrieben worden. Deshalb wollten wir einen Birados vom Himmel holen. Wir hatten ja keine Ahnung, was wir erwischt hatten. Es tut uns leid."
Mit seinen kräftigen Händen hielt das Wesen sich eine tiefe Schnittwunde am Bein zu. "Ihr konntet nichts dazu. Ihr habt nur euren Job erledigt."
Zita schaute ihn fragend an: "Unseren was?"
"Job. Eure Arbeit."
Von sowas hatten beide noch nichts gehört. Plötzlich sackte das Wesen wieder zusammen.
"Zita, hilf mir ihn festzuhalten." Beide setzten ihn mit letzter Kraft auf einen großen Felsblock.
"Seine Kräfte lassen nach. Wir müssen die Wunden behandeln, schnell such etwas Gelgatkraut. Beeil dich, Zaso."
Trotz der starken Schmerzen konnte das Geschöpf sich aufstützen. "Danke, dass ihr mir helft, obwohl ich euch solchen Ärger bereitet habe."
Zita fragte erstaunt: "Warum glaubst du, dass du uns Ärger bereitest. Wenn das der Fall wäre, dann würden wir dich einfach liegen lassen und zum Dorf gehen...Oh, nein! ZASO! BEEIL DICH!"
"Was ist los? Warum bist du auf einmal so aufgeregt?", fragte der Verletzte kleinmütig.
"Wir Zynta können kein grelles Licht vertragen, unsere Augen würden die Sehkraft verlieren. Wir müssen uns beeilen, damit wir den Wald bis zum Tagesanbruch erreichen."
Zaso kam mit einem Riesentempo und ein paar Kräutern angerannt. Zita begann sofort mit der Verarztung.
"Warum tut ihr das alles für mich. Warum setzt ihr euer Leben für mich aufs Spiel?"
Zita antwortete ruhig: "Weil wir keine intelligenten Lebewesen hilflos zurücklassen. Du bist etwas Besonderes für uns, denn wir dachten nie, dass es noch andere Wesen dieser Art gibt."
Die Kreatur schien schwächer zu werden. "Oh, mein Kopf, ich kann mich an so wenig erinnern. Ich weiß nicht einmal mehr meinen Namen, woher ich komme... alles weg. Als ob meine Gedanken im Winde verstreut wurden."
Zita kannte diese Erscheinung. Von Zekalo lernte er einiges über solche Krankheiten. "Amnesie!", sagte er plötzlich.
Zaso, der wieder eine Trage zusammenbaute, fragte verwundert: "Was meinst du damit, Zita?"
"Zekalo sagte, dass diese Krankheit als Amnesie bezeichnet wird und die Folge eines schweren Schocks sein könnte. Die Gedanken eines Wesens schlummern im Inneren, sind gefangen im eigenen Körper."
Das Geschöpf fragte keuchend: "Wer ist dieser Zekalo, kann er mir helfen?"
"Das werden wir später diskutieren. Jetzt müssen wir erst mal in den dichteren Wald zurück und das so schnell wie möglich. Das Todesfeuer wird uns sonst unangenehm überraschen."
Es war schon seltsam, der Fremde hatte ihnen sofort Vertrauen geschenkt, nachdem seine Wut nachließ. Noch dazu hat sich Zasos Frage auf die andere Existenz endlich beantwortet. Ein weiteres intelligentes Lebewesen, welches in Zyntalas Lehre nie erwähnt wurde. Doch war es wirklich friedfertig oder würde es, wenn es seine Kräfte wiederbekäme, die beiden angreifen? Diesen Gedanken schlug Zita sofort wieder aus dem Kopf. Er musste dem Fremden helfen, er war an seinen Verletzungen schuld. Zaso war inzwischen mit der Trage fertig und beide hievten den jetzt fast reglosen Körper darauf. Dabei mussten sie darauf achten, dass seine Flügel nicht eingeklemmt wurden, es würde diesem Lebewesen höllische Schmerzen bereiten und er hatte schon genug. Die beiden Freunde stemmten die Trage mit letzter Kraft nach oben. Dann ging es auf den beschwerlichen Weg zurück zum schützenden Wald.
"Wir werden es nicht schaffen, das Licht wird uns einholen.", sagte Zita nervös.
Zaso redete mit ernstem Ton: "Um so mehr wir jetzt reden, desto mehr Zeit geht uns verloren, lass uns jetzt weitergehen. Wir haben noch einen langen Fußmarsch vor uns."
Schweigend trug Zita die Trage weiter, immer auf das ungewöhnliche Wesen achtend, welches ein Mysterium für sich war.

"Glaubst du immer noch, dass wir schlechte Absichten haben. Wir wollen doch nur nicht, dass jemand unsere Forschung stört, verstehst du das denn nicht."
"Eigentlich schon, ich habe schon genug Erfahrungen darin gemacht. Aber was hat es mit >ehemaliger Niederlassung< auf sich?"
"Zerbrich dir darüber nicht den Kopf. Tu einfach was wir dir sagen und du wirst respektiert."

Getrieben durch die drohende Gefahr nahmen Zita und Zaso alle ihre Kräfte zusammen, um den langen Weg zu den dichten Wäldern zu schaffen. Dieser Weg wurde natürlich durch den >Patienten< erheblich erschwert. Daher beschlossen sie, eine Abkürzung über ein großes Feld zu nehmen. Diese hatten sie fast nie benutzt, da dort kein Schutz vor wilden Xelberkas existierte. Dennoch war es die einzige Möglichkeit, vor dem Licht im Wald zu sein.
"Wenn wir diese Geschwindigkeit beibehalten, dann werden wir es geradeso schaffen, also weiter."
Viele Meilen wanderten sie über die großen Wiesen, durch die hohen Gräser. Ohne Pause trugen sie das Wesen mit sich, es war kaum zu glauben, welche Kraft diese beiden Zynta hatten. >Er< war immer noch bewusstlos und schwer verletzt, obwohl die Verbände die Blutungen zum Teil stoppten. Lange würde er das sicher nicht mehr durchhalten.
"Vater.", sagte Zita keuchend.
"Was meinst du damit?", wollte Zaso wissen.
"Oh, nichts. Ich dachte nur gerade an meinen Vater, den wir gerettet hatten. Der war auch bewusstlos und schwach, genau wie dieses Wesen hier."
Zaso war besorgt: "Ich hoffe, dass Zekalo Zuska wieder heilen konnte, nicht nur wegen Zelsa. Auch unser neuer Kamerad hier macht mir momentan Sorgen, Zekalo und alle anderen Dorfbewohner werden sicher verrückt, wenn sie ihn sehen."
"Du hast Recht. Aber wir können ihn doch nicht im Wald liegen lassen und warten, bis Zekalo zufällig auftaucht... Mhhhh... Warte mal, ich hab‘ da eine Idee." Zita blieb kurz stehen. "Ich kenne einen unterirdischen Zugang zur Hütte des Gelehrten, er hat dort seine gesamten Wertsachen verstaut, die streng geheimgehalten werden. Nie durfte ich dort mit offenen Augen hindurchgehen. Doch ich kenne den Eingang vom Wald aus. Leider ist die Tür versperrt, wir werden vielleicht gar nicht hereinkommen."
Zaso drängte Zita: "Das ist eine gute Idee, aber lauf jetzt weiter, wir haben wirklich keine Zeit mehr."
Also setzten sie ihren Weg fort, immer in der Hoffnung, dass Zyntalas das Licht aufhält, bis sie in Sicherheit sind. Nach einem Mehrstundenmarsch hielten die beiden Zynta erschöpft an.
"Nein, ich kann nicht mehr, meine Arme schmerzen zu sehr.", schrie Zita verzweifelt.
"Ich fühl mich genauso, Zita. Wir machen eine kurze Pause. Es bringt sicher nicht viel, wenn wir jetzt erschöpft weitergehen, früher oder später würden wir gar keine Kraft mehr besitzen."
Bis zu den Wäldern war es nicht mehr weit, aber sie waren spät dran. Sie legten die Trage vorsichtig ab und ließen sich in das weiche Gras fallen. Ein schwaches Licht verbreitete sich schon langsam am Himmel, der Morgen begann.
Zita schaute träumend nach oben: "Warum ist so etwas herrliches, so etwas einmaliges so gefährlich? Die Sonne, das Licht? Wer sind sie, dass sie uns schaden?"
"Manchmal denke ich genau das gleiche, Zita. Warum schaden sie uns? Das ist eine Frage, die mich schon seit langem beschäftigt. Tun sie es mit Absicht oder wissen sie gar nicht, was sie tun. Zyntalas gab mir nie eine Antwort darauf, ob er es wohl weiß?"
Die beiden Zynta waren müde, sie hatten kein Auge seit ihrem Aufbruch zugemacht.
"Zyntalas, wer ist das denn eigentlich?"
Zita und Zaso fuhren erschreckt hoch. Ihr neuer Kamerad hatte die Augen geöffnet und schien wieder kräftiger zu wirken. Die Stimme war nun stärker als vorher.
"Zyntalas ist unser Schöpfer, der uns alle erschaffen hat."
Das Wesen machte eine verwunderte Miene: "Ach ja, es ist schön, einen Gott zu haben, an den man glaubt."
Wie konnte er so schnell wieder zu Kräften kommen? Zaso kratzte sich am Kopf.
Das Wesen schien seine Frage zu kennen: "Ich weiß nicht mehr, wozu dieses Mittel hier gut ist", sagte er und holte eine kleine Flasche aus einer Gürteltasche, "aber ich hatte das Gefühl, dass es helfen würde. Also nahm ich etwas davon, als ihr gerade geredet habt." Sein Gedächtnis schien langsam wieder zurückzukommen.
Zita sagte: "Hey! Du hast dich an das Mittel erinnert. Deine Erinnerungen kommen schon zum Teil zurück, ich bin sicher, dass du mit Zekalos und natürlich unserer Hilfe wieder der wirst, der du warst."
Das Geschöpf machte einen besorgten und zugleich traurigen Eindruck. "Ich wäre schon glücklich genug, wenn ich mich wenigstens an meinen Namen erinnern könnte. Ich schulde euch so viel."
"Nein, du schuldest uns gar nichts. Es war unsere Schuld, dass du dein Gedächtnis verloren hast und außerdem ist es nicht sicher ob Zekalo dir helfen kann." Zaso war das wahrscheinlich ein wenig peinlich, denn so machte er seinem Wegbegleiter nur mehr Angst als Hoffnung.
"Ich bin sicher, dass euer Gelehrter ein weiser Mann ist. Wenn er mir nicht helfen kann, dann kann es niemand anders." Er saß inzwischen aufrecht und schaute zum Himmel. Der frühe Morgen vervollständigte sich mehr und mehr.
"Jetzt wäre es am besten aufzubrechen", meinte Zaso. "Das Licht wird stärker und wir haben den Wald noch nicht erreicht."
Zita stimmte zu. Das Wesen breitete seine Flügel aus. Die beiden Zynta wollten ihn zurückhalten, aber ehe sie ihn erreichten, hatte er schon abgehoben und ließ sich durch die Lüfte gleiten.
"Es ist unglaublich, welche Stärke er besitzt, Zita! Er kann trotz seiner Wunden fliegen."
Zita schaute zu der Trage: "Ich glaube, die können wir hier liegen lassen, er..."
Ein Schatten, der nicht von dem Wesen kam streifte das Feld und kam kurz vor den beiden Zynta zum Stillstand. Über ihnen verdunkelte sich der Himmel.
"Was bei Zyntalas ist das?" Zita versteckte sich hinter Zaso.
Ein großes, pfeifendes Geräusch ertönte, der Schatten wurde größer.
"D..da kommt etwas auf uns zu. Bleib ruhig, vielleicht bemerkt es uns nicht."
Mit einem warmen Luftzug erschien es vor ihnen. Die Landschaft verschwamm durch die Hitze und ein unscharfes Bild von etwas war erkennbar. Es hatte eine runde Form die in zwei Halbkreisen am unteren Ende angeknüpft waren. Das Objekt bewegte sich in einiger Entfernung um die Zynta.
Zaso wagte sich näher heran: "Ähh..h..ha...Hallo? Wer bist du?"
Das Ding piepste nur in unterschiedlichen Tönen und blinkte in verschiedenen Farben. Zaso versuchte, es anzufassen, kalt und leblos hing es in der Luft, aber er war jetzt nah genug dran, damit er sich die Vorderseite anschauen konnte. Schriftzeichen und Formen, die er nicht kannte, zierten die glänzende Oberfläche des Wesens. Als er sich die Unterseite anschauen wollte ratterte das Objekt und eine riesige Druckwelle stieß Zaso weg. Zita rannte sofort zu seinem Freund um ihm zu helfen. Zum Glück war er nicht schwer verletzt, nur eine leichte Verbrennung am rechten Arm und am Bein.
"Schau Zita! Das Wesen fliegt zum Weltraum hinaus. Was ist das nur gewesen?" Er dachte an den großen Sturm auf dem Feld. Er konnte nicht glauben, dass es dieses Objekt war, das sowas verursacht hatte.

"Hat es auch nicht!", brüllte es aus dem Ende des Raumes. "Es hat niemals Krieg gegeben, nirgends ist dieses Ereignis verzeichnet."
"Du wirst es bald erfahren."

Sie hielten Ausschau nach dem Nicht-Birados. Nicht weit von ihnen entfernt fanden sie ihn auf der Wiese. Seine Flügel waren zusammengeklappt und er schien wieder Schmerzen zu haben.
Zita war wütend: "Warum bist du geflogen? Du bist schwer verletzt und hättest leicht abstürzen können!"
Das Wesen senkte den Kopf: "Ihr habt Recht. Meine Flügel sind nicht mehr so stark wie sonst, sie müssen erst wieder heilen. Ich habe ein Objekt gesehen, welches in den Raum hinaus geflogen ist. Es erinnerte mich an etwas, das mir sehr vertraut vorkommt. Aber ich weiß es wirklich nicht mehr, ich weiß so wenig." Er schien wirklich verzweifelt zu sein. Immer wieder erwähnte er, dass er so wenig wüsste.
Sie wollten jetzt nicht über diese Dinge nachdenken, denn sie hatten schon zu viel Zeit verloren und das Licht wäre bald zu hell für die beiden Zynta. Also nahmen sie ihren Weg wieder auf. Trotz der Schmerzen wollte ihr neuer Kamerad nicht mehr getragen werden. Aus seiner Tasche holte er eine runde Dose mit einer cremigen Masse, die er sich auf die offenen Flügelwunden rieb. Er verzerrte sein Gesicht, es schmerzte wahrscheinlich sehr. Zita riet ihm davon ab, zu fliegen und er wollte es auch gar nicht, bis seine Wunden komplett geheilt wären. Also ging er lieber zu Fuß mit den beiden mit. Da er es nicht gewöhnt war, weite Strecken zu laufen, ging er etwas langsamer als die beiden Freunde, aber hielt immer Sichtkontakt.
Ein roter Schein umgab den Himmel, der Morgen war angebrochen. Bald würde das Licht das Land erhellen und das Leben erwecken. Doch war es wirklich das Leben für die Zynta? Eigentlich bräuchten sie gar keine Angst davor zu haben, wenn ihre Augen nicht so lichtempfindlich wären. Wenn es nur irgendeine Abschirmung gegen den hellen Schein gäbe. Noch kein Zynta hat je einen Schutz gegen dieses Licht erschaffen können, außer durch Magie, die aber auch nicht ewig hielt. Und die Energie der Gelehrten wäre schnell aufgebraucht, wenn sie jedem Zynta einen Magieschutz geben müssten.
 

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Und schon geht's zum 7. Kapitel: Die Erinnerungen
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Denkt bitte daran: auch diese Geschichte nimmt am Drachentaler-Wettbewerb teil.
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