Die drei Gefährten stiegen über einen riesigen Hügel,
der auf der anderen Seite in einem großen Wiesental nach unten ragte.
Die ersten Bäume des großen Waldes waren in Sichtweite.
Zaso stieß einen Freudenschrei aus: "Da vorn! Wir sind fast
da, wir schaffen es!"
Innerhalb des großen Waldes fühlten sich die Zynta immer
geschützt, aber sie hatten nie gesehen, wie er von außen aussieht.
Nachts war das ja kaum zu erkennen, doch jetzt am Morgen war der Anblick
atemberaubend. Obwohl das schützende Baumkleid schon zu sehen war,
war der Weg noch weit. Zaso war zwar zuversichtlich, dass sie es schaffen
würden, aber das Licht hatte schon fast einen neuen Tag begrüßt.
Ihr seltsamer Weggefährte tat sich immer noch schwer mit dem Laufen.
Seine Flügel schmerzten immer noch und die Wunden heilten sehr langsam.
Die spitzen Krallen vertieften sich nicht selten im lehmigen Boden und
es dauerte etwas, bis er sich weiter befreien konnte. Der Weg der drei
Wanderer führte über eine große Wiese mit hohem Graswuchs,
sie mussten darauf achten wo sie hintraten.
"Hilfe!", schrie es hinter den beiden Zynta und ein Berg von Schlamm
flog auf sie zu. "Igitt! Das ist ja ekelhaft", stellte das Wesen mit Entsetzen
fest.
Zita lachte leise, aber er ließ es sich nicht anmerken. "Du
musst halt aufpassen, wo du mit deinen Sandalen hintrittst. Hier ragen
überall Wurzeln aus dem Boden und warten nur auf ein neues Opfer,
dass..." Zita blickte stutzig auf den Boden vor ihm. Etwas glitzerte dort.
"Was ist denn das hier?" fragte er sich, während Zaso nachschaute.
Mit einem neugierigen Blick hob er zwei harte, unförmige Dinger
auf. Sie bestanden beide aus einem schwarzen Überzug mit zwei ovalen
Gläsern, die links und rechts in einem Gestell eingebaut waren. "Das
erinnert mich an eine Erfindung von Zekalo. Es sah genau so aus und sollte
das Licht davon abhalten, unsere Augen zu durchdringen. Leider hat er es
nie fertiggebaut, da es nicht so recht funktionieren wollte."
Die Kreatur hatte sich inzwischen wieder aufgerichtet und schaute
sich diese Gegenstände eine Minuten stillschweigend an. Ein trauriger
Blick verzerrte das sonst sehr gefühlslose Gesicht des Wesens und
er kniete sich nieder und senkte seinen Kopf. Eine Träne bahnte sich
ihren Weg auf das Glas und glitzerte durch das Licht auf.
"Was hast du denn?", fragte Zaso.
Ein betrübtes Gesicht schaute zu ihm auf: "Hier war er also.
Es ist die gleiche Form wie bei meinen Lichtgläsern."
Verunsichert schaute Zaso zu Zita hinüber. "Was meinst du mit
>Er war hier<?"
Die Erinnerungen schossen auf einmal in dem Wesen hoch: "Mein Vater!
Er war hier."
Die beiden Freunde waren verwundert aber doch froh, dass er sich
langsam wieder erinnerte.
"Es ist sein Lichtglas, ich weiß es, sieht genauso aus wie
meins. Nach etlichen Jahren habe ich endlich einen Hinweis gefunden, er
ist nicht am Tag des Schicksals gestorben, wie ich es glaubte."
Der Fund dieses Gegenstandes war ein glücklicher Zufall, ein
sehr großer Zufall wohlgemerkt. Auf dieser großen Wiese so
etwas zu finden, grenzt an ein Wunder.
Zita konnte sich nicht erklären, wie der schwache Geist es
schaffte, die Erinnerungen wieder zurückzubringen. "Vielleicht brauchst
du gar nicht die Hilfe von Zekalo, dein Gedächtnis scheint sich wieder
zu füllen."
Das Geschöpf erhob sich und breitete seine Flügel aus.
Wiedereinmal schienen die Schmerzen verschwunden zu sein. Doch er wollte
gar nicht fliegen, nur seine Wunden überprüfen. Vor nicht all
zu langer Zeit waren sie noch tief, aber sie schienen nun fast geheilt.
Auch die Körperwunden waren gut zusammengewachsen, dank Zitas Hilfe
und der rätselhaften Medizin, mit der sich das Wesen die Wundmale
beschmiert hatte.
"Ja! Es ist unglaublich! Dieser Moment, als die Erinnerungen mich
überrollten war wie ein kühler Schauer gewesen. Ich sah die Bilder
vor mir, meine Heimat, meine Eltern, alles! Ohne euch hätte ich sicher
nie dieses Glas gefunden, einen Beweis, dass mein Vater hier war. Er hat
es tatsächlich geschafft."
Zaso hörte zwar gerne zu, aber er drängte: "Entschuldigung
wenn ich unterbreche, aber ich befürchte wir haben wieder den Morgen
vergessen. Wir müssen uns jetzt einen Unterschlupf suchen, wir schaffen
es niemals zum Wald vor dem großen Lichteinfall."
Das Wesen reichte beiden jeweils eines seiner Lichtgläser.
"Was sollen wir damit?", fragte Zita.
"Es tut mir leid, dass es mir vorher nicht eingefallen ist. Aber
du hattest Recht, als du von Zekalos Erfindung sprachst. Diese Gläser
schützen die Augen vor einem zu starken Lichteinfall. Ihr könnt
diese beiden nehmen. Ich habe noch einen Ersatz in meiner Tasche." Mit
diesen Worten holte er ein weiteres dieser Lichtgläser heraus. Dieses
sah aber anders aus, mit bunten Verzierungen und Formen. Ohne langes Zögern
setzte er es auf. Die beiden Freunde machten es ihm nach. Zita schien das
Gestell auf Anhieb zu passen, nur bei Zaso rutschte es ständig von
den Ohren weg. Doch nach ein paar Hilfen seines Kameraden hielt es auch.
"Wisst ihr was, ihr seht damit richtig cool aus."
"Cool?" fragten Zaso und Zita wie aus einem Mund.
"Ach so, ich meine damit, dass ihr richtig toll damit ausseht."
Beide sahen sich an und lachten.
"Und dieses ähhh Lichtglas schützt uns wirklich vor dem
Licht?"
"Wenn es mich schützt, dann auch euch."
"Woher willst du das wissen? Wir haben sehr lichtempfindliche Augen
und können nur in der Dunkelheit den schützenden Wald verlassen,
du hingegen brauchst so etwas nicht", behauptete Zaso.
"Das mag zwar sein, aber ich konnte mit diesem Glas hier in das
große Lichtzentrum sehen, ohne Schaden zu nehmen. Selbst ich würde
es nicht ohne dieses hier wagen."
Das reichte Zaso als Begründung. "Hab‘ vielen Dank...ähhh.
Ach so, du kannst dich ja nicht an deinen Namen erinnern."
Das Wesen schaute empört und stemmte seine kräftigen Arme
in die Hüfte. "Natürlich weiß ich meinen Namen. Ich heiße
Vios."
Die beiden Zynta freuten sich, endlich seinen Namen zu kennen.
Zaso fragte: "Dein Geist scheint sich wieder vollständig erinnert
zu haben. Bei Zyntalas, bin ich froh."
Zita war überglücklich: "Du kannst dir gar nicht vorstellen,
wie froh ich bin, dass du wieder zu dir selbst gefunden hast. Ich dachte
schon, dass ich meine Schuld nie begleichen könnte."
Vios erwiderte: "Was? Schuld? Nein, ich bin sogar froh darüber,
dass ihr mich gefangen habt."
"Warum das?"
"Nur durch euch habe ich eine Spur meines Vaters gefunden. Wisst
ihr, mein Vater ist damals auf Erkundungsflug nach Osten gekommen um diesen
Kontinent zu erforschen, doch er kam nie zurück. Jeder bei uns sagte,
er sei tot, zerstört durch die Naturgewalten des großen Meeres.
Doch ich glaubte niemals daran und habe bis zum heutigen Tag, nachdem ich
diese schwere Reise hinter mir hatte, an Beweise für das Gegenteil
gesucht. Dank euch habe ich jetzt endlich etwas gefunden."
Zaso freute sich für Vios, musste aber auch an seine Eltern
denken: "Wenn ich nur irgendetwas von meiner Mutter erfahren würde.
Jede Nacht, während der Jagd blicke ich zu den Sternen und bete sie
um Rat, doch sie helfen mir nicht."
Zita setzte wieder seine >Spezialfähigkeit< ein: "Ach Zaso,
ich bin sicher, dass du eines Tages deine Mutter wiedersiehst, ich weiß
es und ich verspreche es dir." Das mit dem Versprechen war ihm zwar nicht
so geheuer, aber noch mehr Tränen mussten seiner Meinung nach nicht
mehr vergossen werden.
Vios hatte sich inzwischen die Verbände von den Flügeln
entfernt. Die Wunden waren nun endgültig geheilt und er begann, sie
zu bewegen. "So! Jetzt werfe ich diese Dinger ein für allemal weg.
Die haben mir schon genug Probleme bereitet." Er zog die, sehr abgenutzt
scheinenden, Sandalen aus und warf sie ins Gras. Dann ließen ihn
seine kräftigen Beinen vom Boden abheben und in die Lüfte emporsteigen.
Langsam gleitete er über die Zynta und flog mehrere Runden um das
Wiesengebiet. Es machte ihm Spaß, nach so vielen Stunden endlich
wieder ohne Schmerzen fliegen zu können.
"Komm Zita. Wir laufen lieber zum Dorf zurück. Ob nun mit oder
ohne Lichtglas, die Zynta im Dorf machen sich sicher Sorgen. So lange waren
wir noch nie fort."
Als sie loslaufen wollten erhob sich ein Schatten hinter ihnen.
Ruckartig drehten sie sich herum: "Vios! Hast du uns erschreckt."
"Sorry, aber ich wollte euch fragen, ob ich nicht mit euch mitkommen
kann. Obwohl ich nun meine Erinnerungen wieder habe, ist meine Kraft erschöpft
und ich würde kaum den Weg nach Hause schaffen. Ich hoffe es macht
euch nichts aus."
Die beiden Freunde waren zwar nicht ganz sicher, was die Dorfbewohner
sagen würden, wenn ihr Glauben auf einmal durch dieses Wesen in Frage
geriet, aber sie konnten Vios gut leiden und beschlossen daher zuzustimmen.
"Danke, ich fühle mich wirklich erleichtert. Zu Hause habe
ich niemanden, der so freundlich zu mir ist, nicht mal meine Mutter."
"Wo wohnst du denn? Nie hat ein Zynta ein Wesen wie dich gesehen,
seit dem Beginn des Lebens."
"Sag nicht immer Wesen. Ich bin ein Mitglied der Falcon-Rasse, die
jenseits des großen Meeres im Wes...oh. Aufgepasst! Es beginnt."
"Genau in diesem Moment lösen sie die von dir beschriebene Lichtreaktion
aus. Es muss ein atemberaubendes Schauspiel sein."
Aus dem fernen Osten kommend zog ein breites, helles Lichtband über
den Himmel.
"Bei Zyntalas. Das Licht begrüßt den neuen Morgen. Unsere
Augen werden erblinden!", schrie Zaso mit Entsetzen.
"Beruhig dich! Wir haben doch die Lichtgläser von Vios", vertraute
ihn Zita an.
"Hoffentlich halten die auch wirklich das Licht von unseren Augen
fern."
Vios erhob sich wieder in den Morgenhimmel: "Schaut euch dieses
Schauspiel an, ihr werdet die ersten Zynta sein, die es unbeschadet erleben.
Ihr werdet Geschichte machen."
Seine Übertreibungen hatten zwar viel Bezug zur Realität,
aber Zaso hatte trotzdem Angst.
"Mir ist das ja auch nicht geheuer, aber wir können eh nichts
mehr tun."
Beide Zynta stellten sich dicht zusammen und hofften. Der helle
Schein überzog die Wiese wie Farbe eine weiße Fläche. Für
einen kurzen Moment wurde die ganze Ebene erhellt und ein ungeschützter
Zynta wäre dabei zu Schaden gekommen, selbst wenn er nach unten schauen
und die Augen schließen würde.
"Zaso. Schau dir das an. Es ist wunderschön! Das Licht erfüllt
alles mit Leben. Zaso?"
Er war verschwunden. Das Licht schien nachzulassen.
"Was? Das Licht ist nur einen kurzen Moment so hell? Da..das ist
unglaublich." Zita nahm das Lichtglas ab und blickte sich um. Die Wiesen
und Wälder schienen noch imposanter zu sein als vor ein paar Minuten.
Zitas Augen waren in Ordnung und hatten keinerlei Schaden vernommen. Es
war ein wunderbarer Anblick außerhalb des Waldes. Doch Zita interessierte
jetzt, wo Zaso war.
Vios, der in der Luft Pirouetten drehte, rief: "ZASO! WO WILLST
DU HIN?"
Unter Vios rannte Zaso wie von einem Xelberka gejagt ziellos durch
die Gegend: "Das Licht wird mich vernichten, es wird..." Er hielt inne.
Vios landete neben Zaso und nahm ihm das Glas ab. "Schau Zaso. Du
brauchst keine Angst mehr zu haben. Das Lichtzentrum hat den Planeten umkreist,
der Morgen ist angebrochen und der Tag beginnt."
Zaso schaute sich unsicher um. "Wa..was? Das Licht schadet uns nicht.
Wie ist das möglich. Jeder der es jemals auf freiem Feld gesehen hat,
ist erblindet."
Zita ist nun auch zu ihnen geeilt und schnaufte: "Bei Zyntalas.
Hast du mir einen Schrecken eingejagt. Ich kann dir vielleicht sagen, warum
die anderen nicht so viel Glück hatten. Jeder Zynta, der es je versucht
hat, hat direkt in das grelle Morgenlicht gesehen, nachdem die Nacht zu
Ende war. Anders kann es nicht sein."
Vios fügte hinzu: "Genau so wird es gewesen sein. Nur das Lichtzentrum
ist augenschädlich, sogar für uns. Solange ihr nicht direkt in
die Lichtbündel schaut, kann euch gar nichts mehr passieren."
Es war doch keine Übertreibung als Vios sagte, dass sie in
die Geschichte eingehen würden. Sie waren wirklich die ersten Zynta,
die dem Todesfeuer direkt gegenüberstanden.
"Dieser Traum!", erinnerte sich Zaso. "Ich habe von diesem Moment
geträumt. Ich träumte von meinen Eltern, als plötzlich ein
unförmiges Wesen vor mir stand."
Zita sagte: "Das, was in den Weltraum geflogen ist. Was war das
nur?"
Vios überlegte: "Irgendwo habe ich sowas schon mal gesehen,
wirklich, aber mir fällt es nicht ein."
Zaso fuhr fort: "Dann träumte ich von einem großen Feld
ohne Bäume und vom Licht. Das war die Morgendämmerung! Das ist
verrückt."
Zita lächelte: "Du hast eben hellseherische Fähigkeiten."
"Wenn du meinst, Zita. Aber lass uns jetzt zurück ins Dorf
gehen. Ich will nicht wissen, was die anderen Zynta sich alles ausmalen."
Zita stimmte zu: "In Ordnung. Vios, es ist am besten du fliegst
in einiger Entfernung von uns. Falls wir auf Zynta stoßen wäre
die Reaktion sicher nicht gerade erfreulich."
"Du hast leicht reden. Meine Flügel sind müde. Lange werde
ich sicher nicht mehr in der Luft bleiben können."
"Versuch es einfach, alles klar?"
"Na gut."
Da Vios in der Luft agiler war als auf dem Boden konnten die beiden
Zynta ihr Schritttempo erhöhen und rannten jetzt mit schnellen Schritten
Richtung Wald. Sie konnten es noch immer nicht fassen, was sie in dieser
Nacht alles erlebten. Doch eins war sicher: So schnell würden sie
das nicht vergessen.
Einzelne Wolken überzogen den sonst klaren Himmel. Zita, Zaso
und Vios erreichten endlich den dichten Wald.
"Endlich sind wir da! Das Dorf ist nicht mehr weit", rief Zita erleichtert.
Die Birados zogen über die Bäume und Vios schloss sich ihnen
sofort an. Sie kamen an dem Feld vorbei, das kürzlich zerstört
wurde.
"Wow! Was ist denn hier passiert?", rief der Falcon den beiden zu.
"Das erzählen wir dir später. Jetzt müssen wir erst
mal eine Möglichkeit finden, dich ungesehen zu Zekalo zu bringen."
Mit einer etwas beleidigten Miene flog er wieder los und machte
eine großen Bogen um die freie Fläche, da er dort gut sichtbar
gewesen wäre. Zaso beneidete Vios um seine Flugfähigkeit. Wie
gerne würde er dort oben die Welt betrachten und den Wind an seinem
Körper spüren. Aber leider war das unmöglich, da er keine
Flügel hatte.
"Einen Moment..."
Zita zuckte zusammen als in einem Moment sich die mächtigen
Klauen auf seine Schulter legten. Er drehte sich in einer ruckartigen Bewegung
um und schnellte zurück als seine Schnauze unsanft Bekanntschaft mit
Vios Schnabel machte. "Naua meihne Njase, knanst dnu njicht snagen wenn
dnu dich sno heranschneichst."
"Sorry, aber was... Da kommt jemand!"
Zita lenkte seinen Blick in die Richtung der schattenhaften Gestalt,
die immer näher zu ihnen durch das Unterholz kroch. Er war im Begriff
Vios zu warnen, doch die Stelle an der er den jungen Falcon zuletzt erblickt
hatte, war leer, nur ein paar tiefe Krallenabdrücke und bedächtig
zu Boden fallende Federn zeugten von seiner Existenz.
"Er ist weg, einfach verschwunden!" Kaum ausgesprochen, hätte
er sich wieder auf die Zunge beißen können. Hatten ihn die Geschehnisse
der letzten Stunden so mitgenommen, dass er die Kontrolle über bestimmte
Situationen verlor? "Natürlich...", sagte er sich selbst. Er hatte
mehr Emotionen erlebt, die man innerhalb von "...wie viel Stunden waren
es eigentlich?", durchstehen konnten. Trauer, Freude, Überraschung
alles durchtränkte immer noch seine Gedanken. Wenn Vios nicht dicht
neben ihm ging, flog, hinweg gleitete "...was weiß ich nicht alles...",
dann glaubte er alles das sei nur Bestandteil eines großen schönen
Traumes. Und dann die Gewissheit, dass es nicht so war, eine Gewissheit,
die ihn die ganzen Stunden begleitete. Er wusste/wollte dass der riesige
Birados am Leben war, er wusste/wollte ihm vertrauen, ihm helfen, wie er
Zaso die Jahre immer geholfen hatte. Es war in ihm, diese Gewissheit. Er
wusste nicht woher, aber sie war da, immer.
"Na, ihr seid ja schöne Jäger!".
Der glasige Ausdruck in Zitas Augen wich von einem Augenblick auf
den anderen von seinem Gesicht.
"Natürlich ist er weg!"
"Zuko!"
Ein selbstsicheres Grinsen auf dem Gesicht des Zynta zeigte die
gefährlichen Reißzähne, die bei Zuko besonders ausgebildet
waren. Zaso fletschte die seinen und ein tiefes Grollen stieg ihm den Hals
hinauf.
"Moment, ich will keinen Ärger machen!" Er hielt die Pranken
in einer übertrieben gespielten Abwehrhaltung von sich gestreckt.
"Aber ein bisschen dumm finde ich das schon, dass ihr den Birados habt
entkommen lassen, obwohl er euch so dicht am Rücken herumgeflattert
ist. An deiner Stelle hätte ich ihn mir geschnappt und ihn an seinem
Hals zum Dorf gezerrt, wo er sein letztes Urteil bekommen hätte. Hä,
hä! Gäbe bestimmt ein Festessen für den Zeitraum von 7 Monden
ab!"
Zaso ging gar nicht auf das Geschwafel ein und übernahm die
Redeführung, da Zita im Moment doch sehr mit sich selbst beschäftigt
schien. "Musst du nicht die Arbeit auf den Feldern überwachen?"
Obwohl Zuko die Arbeit auf den Gemeinschaftsfeldern organisierte
und beaufsichtigte, war die Jagd sein zweites Aufgabengebiet. Die Tatsache,
dass er mit Zopasa verwandt war, rettete ihn aus manch misslicher Lage.
Zuko brachte Beutetiere eher halbtot statt betäubt ins Dorf. Nur das
notwendige Töten durch den Dorfältesten, bevor sich Zyntalas
Geschöpfe ihren ‚natürlichen‘ Tod hingaben, bewahrte ihn davor,
verbannt zu werden. Zuko war neben Zaso einer der besten Jäger, aber
seine Methoden waren brutal und das war die dritte Gegebenheit, welche
Zaso aus tiefsten Herzen verabscheute.
"Ich musste nach euch Ausschau halten. Falls ich euch nicht erspähen
sollte, würde eine Suchtruppe nach euch angesetzt, wenn das nicht
schon geschehen ist. Der Dorfrat macht sich schon große Sorgen. Wird
mächtig Ärger geben." Sein Blick durchbohrte Zita. "Besonders
für dich, Einfallspinsel. Zekalo war die Person, die sich die größten
Sorgen gemacht hat. Vielleicht denkt er, dir sei die Zeremonie zu Kopf
gestiegen." Zukos Blick senkte sich auf die Krallenabdrücke. Er schwang
herum währenddessen er weiter vor sich hin murmelte. "Einfach entkommen
lassen, tststs..."
"Warum nur, das Leben könnte so schön..." Zita beendete
diesen Satz nicht und begann einen neuen: "Komm verschwinde von hier!"
sagte er in einem, für die Situation ungewöhnlichen, Ton.
Zuko grinste: "Willst du mir etwa mit diesen Worten Angst machen.
Hu! Jetzt fürchte ich mich aber. Hähähähä..."
Zita wurde wütend: "Mach dich nicht über mich lustig!
Und nenn mich nie wieder Einfallspinsel. Du bist nichts weiter als ein
Angeber, nichts weiter. Glück magst du zwar haben, aber bestimmt mehr
als Verstand."
Zuko ballte seine Pranken zu einer Faust zusammen und fletschte
die Zähne: "So was lasse ich mir nicht gefallen!"
Als er zum Angriff auf Zita ansetzte, wurde er auf halber Strecke
aufgehalten.
"STOP!"
Zuko fuhr erschreckt zusammen.
"Versuch gar nicht erst dich zu wehren, du könntest dabei draufgehen",
schrie die Gestalt.
"HILFE!!!!!" Mit einem Riesentempo flüchtete Zuko in Richtung
Dorf.
Zaso, der gerade eingreifen wollte, stieß mit der Gestalt
zusammen, die sich im Schatten hielt. "VIOS!", rief er erstaunt. "Wir dachten
du bist davongeflogen."
Vios tat empört: "Was? Nach allem was wir zusammen durchgemacht
haben, werde ich doch nicht einfach so davonfliegen!"
Zita war überglücklich: "Danke, dass du Zuko vertrieben
hast. Ich kann diesen Besserwisser nicht ausstehen. Der ist völlig
durchgedreht, kann keine Kritik vertragen."
Vios nickte: "Solche Idioten gibt es bei uns auch. Und die sind
noch viel schlimmer als euer Kollege. Wenn denen was nicht passt, kann
es manchmal tödlich ausgehen."
Zaso fuhr erschreckt hoch: "Bei Zyntalas! Es gibt bei dir wirklich
welche, die den Lebewesen die Existenz nehmen, ohne Grund? Gibt es bei
euch keine Regeln dafür?"
Vios senkte den Kopf: "Doch! Man lebt nach solchen Verbrechen viele
Jahre in einem Arbeitslager, in dem man hart arbeiten muss."
"Aber... das ist doch keine gerechte Strafe für einen Mord."
"Das darfst du mir nicht sagen. Wenn die Strafen härter wären,
dann..." Vios schluckte und sagte mit einer leisen Stimme: "Dann wäre
ich jetzt nicht hier."
Die beiden Zynta schauten verwundert in das hasserfüllte Gesicht
von Vios. "Ich verstehe nicht ganz.", sprach Zita. "Was soll das heißen?"
"Ich möchte jetzt nicht darüber reden, ihr würdet
es sicher nicht verstehen."
Zita wollte ihn nicht noch weiter aufregen und wechselte schnell
das Thema, während sie ihren Weg zum Dorf fortsetzten.
"Ich muss dich etwas fragen, Zita", sagte Vios, als er gerade die
Flügel ausbreiten wollte. "Bist du ein Abkömmling eines Geisteswissenschaftlers."
Zita, dessen Identität eigentlich niemand erfahren durfte,
stimmte Vios zu: "Wenn du damit einen unserer Gelehrten meinst, dann hast
du recht. Aber niemand darf das sonst wissen, außer Zaso und du."
Auf die Frage "Warum?" erklärte ihm Zita die Folgen davon.
"Und in dieser Gilde lernen junge Zynta die Magie?"
"Nur die, die mit den Gelehrten verwandt sind. Zekalo macht bei
mir eine Ausnahme und bildet mich persönlich aus. So brauche ich nicht
in diese Gilde zur Ausbildung."
Vios Neugier stieg: "Welche Arten der Magie lernen die Zynta eigentlich?"
"Die geistige und körperliche Heilung ist die Magie, die jedem
Lehrling zuerst beigebracht wird. Wunden und geistige Verwirrung können
damit geheilt beziehungsweise gelindert werden. Leider sind meine Magiekenntnisse
nicht so gut, wie meine Kräuterkunde, sonst hätte ich deine Wunden
sicher schneller heilen können. Die anderen Magiearten werden kaum
genutzt, da sie sehr an der eigenen Lebenskraft zehren. So ist die Auraübertragung
eine sogenannte >Notfallmagie<."
Zaso meinte: "Bei einem schlimmen Alptraum zum Beispiel."
Zita nickte: "Genau. Den Alp zu vertreiben ist schwerer, als man
annimmt und es braucht eine enorme Menge an Energie. Einmal hatten es die
Gelehrten geschafft, zwei Mäntel zu fertigen, die immun gegen das
Licht waren, leider ging diese Technik verloren."
Zaso fauchte ärgerlich: "Und gerade meine Eltern mussten sich
auf diese bescheuerte Expedition begeben."
Vios spürte den Zorn und fragte nicht weiter nach. Auch beschloss
er, dicht über ihnen zu fliegen, um ihnen zuhören zu können.
Wenn ein Zynta auftauchen würde, könnte er blitzschnell durch
die Bäume nach oben abtauchen. Es war noch ein ganzes Stück bis
zum Dorf, also führten sie ihre Unterhaltung fort.
Zita fragte: "Gibt es bei euch auch Magie?"
Vios murmelte etwas unverständliches und machte eine komische
Handbewegung.
"Was... ZUKO?" Zitas >Erzfeind< stand vor den beiden Freunden.
"Was willst du denn noch?" fragte Zaso zähnefletschend.
Ohne zu antworten stand er da, bewegte sich nicht.
"Verschwinde von hier!" Er rannte mit diesen Worten auf Zuko zu.
Immer noch stand dieser wie versteinert da. "Hörst du schwer? Du sollst
verschwinden!" Mit diesen Worten stieß er seine Faust in sein Gesicht.
"Was ist das? Warum geht meine Faust durch das Gesicht durch?" Nun verschwand
Zuko plötzlich, ohne eine Fluchtbewegung zu machen. "Was war das?"
Zita wusste es auch nicht.
Vios lachte: "Ihr wolltet doch wissen, ob es bei uns Magie gibt,
oder? Das war eine amüsante Antwort darauf."
Zita zeigte sich beeindruckt: "Unglaublich. Du kannst einfach Dinge
und Lebewesen erscheinen lassen?"
"Nur ihr körperliches Bild und nur für kurze Zeit."
"Lernt ihr sowas auch bei Gelehrten?"
"Im gewissen Sinne schon, nur dass bei den Falcon jeder entscheiden
kann ob und wann er die Magie erlernen will. Es ist keine Pflicht. Die
Ausbildung ist sehr anstrengend, nicht für jeden Geschmack."
"Welche Arten der >schwarzen Kunst< gibt es denn bei euch?"
"Bei uns gibt es zwei verschiedene Magiegruppen. Zum einen die direkte
Magie, dazu gehören zum Beispiel Heilungssprüche und die Manipulation
der Umgebung. Falcon dieser Gruppe werden als Gewaltenherrscher bezeichnet.
Dem überlegen ist jedoch die indirekte Magie, die weitaus stärker
ist und daher auch beliebter. Zur dieser Gruppe gehört die Fähigkeit
der Zukunftsbestimmung und die der Wirklichkeitsbeeinflussung."
Zaso folgerte daraus, dass Vios auch die indirekte Magie gelernt
hat. Durch eine Realitätsveränderung hat er ein falsches Bild
von Zuko erscheinen lassen.
"Falcon mit diesen Fähigkeiten nennt man Hohepriester, die
auch die Ausbildung übernehmen."
"Also bist du ein Hohepriester?", fragte Zita.
Vios lachte: "Nein! Ich habe meine Ausbildung frühzeitig abgebrochen,
der Ausbilder war zu streng. Bei jedem Fehler hätte er am liebsten
die Einrichtung demoliert."
"Bei Zyntalas! Da hast du dich ja richtig entschieden.", meinte
Zita fröhlich.
Vios meinte, dass Zita mehr zu der zweiten Form gehöre (aus
den Ereignissen der letzten Stunden) und dass Magie bei den Falcon sehr
selten sei.
Zita ließ sich davon nicht beeindrucken: "Wenn nur wenige
eurer Rasse Magie beherrschen, dann gibt es in Notfällen doch kaum
Hilfe."
Vios wollte gerade antworten: "Ich weiß, aber... Da! Schrittgeräusche.
Ich hoffe, das ist nicht wieder euer Kollege."
Zita machte eine Handbewegung zu Vios. "Bleib in Deckung!"
Ein paar Zynta aus Gorlos Stamm kamen in ihre Richtung.
"Wir können es jetzt nicht riskieren entdeckt zu werden. Die
würden uns sofort ins Dorf mitnehmen und uns mit Fragen überhäufen.
Dann hätten wir keine Möglichkeit mehr, um Vios zum Gelehrten
zu bringen", meinte Zita.
"Ich glaube eher, dass wir erst mal Mecker kriegen, da wir so spät
sind", entgegnete Zaso.
"Ach erzähl nicht. Denen würde ein Stein vom Herzen fallen,
wenn sie uns träfen."
"Mir gefällt das zwar gar nicht, aber Vios wegen will ich keinen
Ärger bekommen."
"Sei jetzt ruhig und schimpf nicht immer. Vios braucht unsere Hilfe,
ob es dir nun gefällt oder nicht."
Grummelnd folgte Zaso seinem Freund und sie versteckten sich zwischen
den dichten Bäumen. Vios überwachte das Geschehen in sicherer
Entfernung.
"ZITA! ZASO! WO SEID IHR?", rief einer der Zynta. Es war Zelsa,
Zitas Mutter, die sich mächtige Sorgen um die beiden machte. Eine
weitere Gestalt trat aus dem Hintergrund hervor.
"Mach dir keine Sorgen, die finden wir schon wieder." Es war Zuska.
Zekalo hatte ihn von seinen Schmerzen befreit.
"Vater?", stellte Zita erstaunt fest.
"Pssst! Nicht so laut, Zita." Plötzlich wollte auch Zaso nicht
mehr entdeckt werden.
Der kleine Suchtrupp näherte sich ihrer Position und blieb
kurz stehen. Zuska schaute in alle Richtungen, hielt kurz inne. Er schien
etwas zu merken. Zita befürchtete, dass sein Vater sie gleich finden
würde. Dieser lief nun hin und her, erreichte fast ihr Versteck und
rief dann: "Da lang."
Sie gingen in entgegengesetzte Richtung weiter.
Zaso atmete auf: "Puh! Das war knapp. Jetzt lass uns hier schnell
verschwinden, bevor sie... Was?..." Ein kalter Lufthauch kühlte Zasos
Nacken. Langsam drehte er sich um. "Danke für die Abkühlung."
Vios ist für eine kurze Verschnaufpause gelandet und hatte
ihn ungewollt erschrocken. Zita war inzwischen schon losgelaufen und die
anderen folgten ihm, Zaso zu Fuß, Vios per Flügelschlag.
Als sie ins Dorfgebiet kamen suchte Zita nach dem fraglichen Geheimeingang
zu Zekalos Hütte. "Irgendwo hier muss er sein, aber ich weiß
es nicht mehr genau. Es ist schon Jahre her, seitdem ich dort war. Obwohl
Zekalo mir davon erzählte, habe ich noch nie das Innere ohne ihn betreten.
Ich weiß nicht, was da unten ist."
Zaso gähnte laut: "Ich bin hundemüde. So lange war ich
noch nie wach."
Vios landete mit einem wahnsinns Bremsmanöver. "Beeilt euch!
Eure Dorfleute sind hierher unterwegs!"
Zita hielt kurz inne. Dann ging er entschlossen zu einem großen
Barup-Baum, an dessen Rinde ein kleiner Kreis geritzt war. "Das ist es.
Dieses Symbol habe ich in diesen Baum geschnitzt, um ihn wiederzuerkennen.
Zaso, wir müssen irgendwie die Klappe aufstemmen."
Sie versuchten es, aber es war zwecklos. Nachdem sie das Moos entfernt
hatten kam ein Eisenschloss zum Vorschein, das nur mit einem speziellen
Schlüssel geöffnet werden konnte.
"Mist! Nur Zekalo besitzt etwas, um den Eingang zu öffnen.
Wir müssen uns etwas anderes einfallen lassen."
Ihr neuer Falconkamerad kramte in seiner Gürteltasche und holte
nach kurzer Zeit ein metallenes Stück Draht heraus. "Lasst mich mal
da ran." Vios stocherte in dem Schlüsselloch herum und nach einem
kurzen Klacken sprang das Schloss vom Riegel. "Sesam öffne dich",
rief er.
"Die Suche war umsonst. Wir haben keine Spur von den beiden."
Zelsa und die anderen waren schon verdammt nah und so stemmte Zita
mit aller Kraft die Klappe hoch: "Los Zaso, los Vios rein mit euch!"
"Und du, Zita?"
"Ich komme dann nach."
"Aber..."
"Das diskutieren wir später, los jetzt."
Zaso gab nach und zwängte sich in den engen Gang. Vios hatte
mal wieder Probleme mit den Flügeln. Doch mit Nachhilfe von Zaso quetschte
er sich auch noch hinein.
Zita wollte gerade hinterher als plötzlich eine Stimme vor
ihm sagte: "Wir können nur hoffen, dass es ihnen gut geht."
Er ließ ruckartig den Deckel fallen und bedeckte ihn schnell
mit Moos. Er schaffte es nicht, sich zu verstecken. Der Suchtrupp war schon
zu nah. Also setzte er sich auf den Boden und versuchte, erschöpft
auszusehen. Jetzt waren die anderen Zynta in Sichtweite.
Zelsa machte große Augen: "Da... Da ist jemand! Das... JA!
ZITA!!!!!"
Besorgt eilten alle zu ihm.
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