Die Prophezeiung von Dulmyth von Dragonsoul Lianth
6: In Feindesland
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Silberwald von Thath
2. Xatar, Anno 1036

Die kleine Truppe unter Likah war nun schon sechs Tage unterwegs. Und Lortacs Taktik schien funktioniert zu haben: In den sechs Tagen war ihnen kein einziger Dämon begegnet. Sie waren stur nach Norden geritten, obwohl dies einen großen Umweg bedeutete. Das Gebirge hatten sie vor einem Tag hinter sich gelassen. Es war später Vormittag, als sie den Silberwald erreichten, der seinem Namen alle Ehre tat.
Andächtig hielten die Söldner ihre Pferde an. "Gjarth hat nicht übertrieben, als er die Schönheit des Waldes angepriesen hat", murmelte Sealla.
Gjarth landete geschickt neben ihrem Pferd. "Im Gegensatz zu den Menschen haben wir Drachen keinen Drang zur Übertreibung!" grollte er. In den letzten Tagen hatten die Pferde sich allmählich an die Anwesenheit des Drachen gewöhnt und schraken beim Klang seiner Stimme nicht mehr zusammen.
Sealla schüttelte den Kopf. "Scheint es nur so, oder ist der Wald wirklich silbern?" fragte sie bewundernd.
"Er ist es und ist es wieder nicht", antwortete Gaia und blickte Gjarth spitz an.
"Wie?" ließ sich nun Cullyn hören.
Likah lachte leise. "Es ist kein echtes Silber, aber die Pflanzen dort haben silberne Farbe", erklärte er.
Gaia drehte beleidigt den Kopf weg. Seitdem Gjarth sich der Gruppe angeschlossen hatte, stritten er und Gaia fast ununterbrochen oder waren beleidigt miteinander. Wobei zweites besser zu ertragen war. Likah, der nicht die Nerven hatte, den Streitereien der beiden zuzuhören, gab seinem Pferd leicht die Sporen und ritt wortlos auf den Wald zu. Die anderen Söldner lächelten sich kurz an und folgten Likah dann in geringem Abstand.
Gjarth bemerkte als erster, dass die Söldner schon wieder unterwegs waren und nutzte das sofort, Gaia zu ärgern, indem er sich wortlos in die Luft erhob und sie stehen ließ. Gaia stieß einen lauten Fluch aus und ritt dann ebenfalls den anderen nach.
Als sie Likah eingeholt hatte, blickte sie ihn wütend an. "Was sollte das?" zischte sie wütend.
Likah zuckte lächelnd die Schultern. "Es war der beste Weg, euch Streithähne auseinander zu bringen."
"Was erlaubt Ihr Euch!?" fauchte sie ihn an.
Likah hielt sein Pferd an und sah sie wütend an. "Diese Mission ist verdammt wichtig!" fuhr er sie an. "Und ich werde nicht zulassen, dass sie durch Eure Streitereien mit Gjarth gefährdet wird! Und wenn ich euch beide irgendwo an einen Baum fesseln muss!" Gaia verzog die Mundwinkel.
"Das würdet Ihr nicht wagen!"
"Ach nein?" Likah sah sie einen Augenblick lang zweifelnd an und trieb sein Pferd dann wieder voran.  Am Waldrand hielt er noch einmal an und sah sich die Bäume genau an. "Er ist größer geworden?" fragte er Gaia, als sie wieder in Hörweite war.
Sie nickte ernst und presste die Lippen aufeinander. "Mit jedem Jahr wächst er mehr."
Sealla schüttelte den Kopf. "Was stört Euch daran?" fragte sie sichtlich verwirrt.
Gaia lachte nur. "Nichts", sagte sie amüsiert, "ich mag solche Wälder nur nicht."
Likah sah Sealla kurz nachsichtig an. "Die Asrai glauben, dass solch verzauberte Wälder nichts in der Welt der Sterblichen zu suchen haben", erklärte er ruhig. "Sie sind der Ansicht, dass nur die Götter sich daran ergötzen sollten."
"Zu schade für das menschliche Auge, oder wie?" zog Cullyn Gaia auf. Gaia blies ihre Wangen auf und wendete sich beleidigt ab. Cullyn wollte sich weiter über sie lustig machen, doch Likah gebot ihm, zu schweigen.

Tiefer in dem Wald ließ Likah dann halten und absitzen. "Reiten wir nicht weiter?" fragte Norton misstrauisch.
Likah schüttelte den Kopf. "Heute nicht mehr."
"Aber..."
Likah schnitt Norton mit einer unwirschen Bewegung das Wort ab. Ohne sich weiter um die verwirrten Blicke seiner Begleiter zu kümmern, sattelte Likah sein Pferd ab und band es an einem Baum fest.
Mit einem schicksalsergebenen Schulterzucken tat Cullyn es ihm gleich. "Was ist los?" fragte er Likah leise, als die anderen es nicht mehr hören konnten.
Likah lächelte dünn und schüttelte den Kopf. "Eine Vermutung nur", tat er es ab.
Cullyn zuckte wieder die Schultern. "Schieb es nicht zu weit weg", riet er leise, "ich habe lernen müssen, dass Vermutungen oft die einzige Rettung sind."
Likah blickte ihn kurz an. "Ich werde es mir merken", versprach er und wendete sich wieder zu den anderen.
"Dieser Wald ist seltsam", murmelte Sealla leise, als Likah sich an ihrer Seite niedergelassen hatte. "Irgendwie gespenstisch."
Likah lächelte gedankenverloren. "Schon, aber er ist fast wie jeder andere Wald auch. Nur haben hier die Pflanzen aufgrund eines magischen Minerals diese silberne Farbe."
Sie zog die Schulter hoch und blickte sich noch einmal um. "Warum sind wir hier? Wir hätten doch schon längst nach Osten reiten können."
Likahs Mundwinkel verzogen sich bitter. "Hier sind wir vor Jufgarrs Magie sicher", murmelte er leise.
"Wie?" keuchte sie erschrocken.
"In diesem Wald sind alle magischen Kräfte neutralisiert. Einschließlich der unseren", mischte sich Gaia erklärend ein.
Arton schluckte schwer. "Aber, das heißt doch auch, dass Likah seine Magie nicht nutzen kann!" flüsterte er tonlos.
Likah nickte gepresst. Ihm gefiel der Gedanke auch nicht. "Es muss sein", beharrte er leise, "Jufgarr wird wahrscheinlich eine Falle vermuten. Und nur hier sind wir vor seinem Blick sicher."
Cullyn sprang erschrocken auf. "Wie!?" keuchte er. "Jufgarr kann hiervon wissen?"
Müde lächelnd nickte Likah. "Es ist mir erst vor zwei Tagen eingefallen, dass diese Taktik im Endeffekt unserer Strategie in fast jeder Schlacht entspricht." Er sah einen nach dem anderen an. "Und ich halte Jufgarr für intelligent genug, dass er sich über seine Feinde informiert hat."
Cullyn zischte wütend und ließ sich wieder in das Gras sinken. "Das sieht nicht gut aus."
Noch am frühen Abend saßen sie an Ort und Stelle und hingen ihren Gedanken nach. Schließlich wagte Arton es, Likah anzusprechen. "Wie werden wir weiter vorgehen?" fragte er vorsichtig.
Likah seufzte und rieb sich den Nacken. "So wie geplant, nur etwas langsamer und vorsichtiger", antwortete er endlich.
"Es ist im Endeffekt aber berechenbar", murmelte Cullyn.
Doch Likah lachte nur abfällig. "Eine bessere Idee?" Als bedrücktes Schweigen auf seine Frage folgte, nickte er. "Wir werden die nächsten zwei Tage im Wald bleiben und jeder Begegnung aus dem Weg gehen, damit wir nicht verraten werden können."
"Und das ist alles?" forschte Arton unmutig.
"Sonst können wir nur auf das beste hoffen", murmelte Likah.
Gaia schüttelte heftig den Kopf. "Es dürfte eigentlich nichts schief gehen, wenn wir in dem Wald bleiben. Jufgarr kann uns hier nicht finden."
Likah nickte angespannt. "Ich hoffe nur, dass er uns noch nicht entdeckt hat."
"Was wenn?" fragte Sealla unsicher.
Likah sah sie einen Augenblick von der Seite an. "Dann mögen die Götter gnädig sein."
"Überschätzt Ihr Jufgarr nicht etwas?" fragte Gaia leise.
Likah schürzte die Lippen. "Ich hoffe, dass es so ist." Mit einem Ruck erhob er sich und sah von einem zum anderen. "Wir sollten die Vorkehrungen für das Nachtlager treffen", schlug er vor.
"Jetzt schon?" fragte Sealla erstaunt.
Cullyn sprang geschickt auf. "Natürlich!" sagte er kühl. "Wir müssen die Umgebung absuchen, Feuerholz sammeln und so weiter. Und zwar bevor er dunkel wird." Dann beugte er sich zu ihr herunter. "Und außerdem will Likah jetzt allein sein."
Sealla hob den Blick und betrachtete Likahs angespannte Züge. Er muss sich ziemlich schutzlos vorkommen, ohne seine Magie. Aber sie stand gehorsam auf und trat an Cullyns Seite. "Wollen wir dann?" fragte sie die anderen frech.
Likah nickte kurz. "Ich sehe mir die Umgebung genauer an", sagte er leise, "vielleicht finde ich eine Quelle." Mit diesen Worten drehte er sich um und verschwand zwischen den Bäumen.
Sealla sah ihm einen Augenblick lang nach, dann hob sie den Blick zum Blätterdach. Was wohl Lortac gerade macht? Leben sie noch?

Lortac stand starr auf einem hohen Fels und beschattete seine Augen gegen das grelle Sonnenlicht. Die Dämonen liefen ohne jede Ordnung durcheinander und kreischten ihren Unmut frei heraus. Lortac nickte entschlossen.
"Lasst sie nicht aus den Augen", befahl er den beiden Spähposten neben sich, "Ich will über alles informiert werden!" Die Posten nickten stumm und starrten weiter auf die zersplitterte Dämonenschar. Langsam drehte Lortac sich um und sprang von dem Fels.
Während er durch die Reihen seiner Männer ging, wurde er immer besorgter. Viele waren bereits verletzt. Die meisten nicht ernst, aber es hatte auch Tote gegeben. Ein Glück, dass es nur eine relativ kleine Schar ist. Mehr hätten wir vielleicht nicht so glimpflich überstanden. Schließlich erreichte er das Zelt des Heilers. Es war nur notdürftig errichtet. Langsam trat er an die Seite des Heilers und sah in das bleiche Gesicht eines jungen Söldners.
Er schüttelte traurig den Kopf, denn die Schmerzen in den Zügen des Jünglings waren sehr gut zu erkennen. "Wie viele?" fragte Lortac den Heiler leise.
Dieser sah sich einen Augenblick lang um. "Achtzehn Tote, um elf Männern ist es ungewiss", murmelte er schließlich.
Lortac seufzte resigniert. "Wir haben Glück, dass es nur eine kleine Abteilung war."
Der Heiler lächelte milde. "Es war immerhin eine Übermacht. Ihr seid ein guter Kommandant." Er sah auf den Jungen herab. "Er wird es überleben, aber wenn ein anderer an Eurer Stelle gewesen wäre, könnte ich das jetzt wahrscheinlich nicht sagen."
"Versucht nicht, mich aufzumuntern, es hat doch keinen Sinn", antwortete Lortac mit einem bitteren Lächeln.
Die nächsten Stunden verbrachte Lortac damit, sich den Zustand seiner Männer genau vor die Augen zu führen. Und es sah verhältnismäßig gut aus: Fast alle, die nicht im Zelt des Heilers lagen, waren kampffähig.
Nach drei, fast vier Stunden kam die bittere Nachricht, die Lortac bereits erwartet hatte: Die Dämonenschar hatte sich neu formiert und schien wieder angreifen zu wollen. Lortac lauschte den aufgeregten Worten des Postens und starrte finster zu Boden.
"Lasst die Männer sich kampfbereit machen. Und das schnell!"
Der Mann verneigte sich hastig und verschwand in der Menge. Die Truppe war es gewohnt, den Posten besondere Aufmerksamkeit zu schenken und erkannte fast augenblicklich, wenn sie mit einem Angriff zu rechnen hatten. Darum waren auch dieses Mal nicht viele Worte von Nöten.
Noch bevor die Schar der Dämonen sich richtig in Bewegung gesetzt hatte, saßen die Söldner bereits zu Pferde und erwarteten gespannt das Angriffszeichen von Lortac. Mit einer Handbewegung nach vorne gab er das Zeichen zum Angriff und gab seinem Pferd die Sporen.
In geschlossener Keilformation preschten die Söldner auf den Feind zu. Die Dämonen waren keine Soldaten, darum war ihre Formation auch sehr locker, was dem Ansturm der Reiter vieles an Wirkung nahm. Doch ein Teil der Dämonen wurde dennoch einfach von den Hufen der Pferde niedergestreckt.
Als die Männer durch die Linie waren, sprangen sie  aus ihren Sätteln. Die Pferde würden nun nur noch hinderlich sein, da sie nun vor den angreifenden Kreaturen scheuten.
Lortac war aufgrund dessen, dass er an der Spitze geritten war, nun unter den hinteren Männern. Das Schwert in der Hand stürmte er jedoch augenblicklich nach vorne, um sich auf die Feinde zu stürzen. Der erste unglückselige Dämon, der ihm in den Weg trat, wurde kurzweg aufgeschlitzt.
Ohne sich weiter um das sich am Boden windende Untier zu kümmern, sah Lortac sich blutrünstig nach einem neuen Gegner um. Als er sich auf die nächsten Dämonen stürzte, schien die ganze Welt in Stille zu versinken. Wie im Rausch schlug er zu, wich aus und stürmte voran. Für den Zeitraum des Kampfes war jedes Denken für ihn völlig unnötig: Schlagen, parieren, ausweichen, ein völlig automatischer Vorgang.
Neben ihm stürzte Kystar mit einem langgezogenem Schrei zu Boden. Der Laut drang an Lortacs Ohr wie aus einer anderen Welt. Als er wieder Luft hatte, wendete er sich zu dem Mann, der sich neben ihm wand. Dessen Gegner hatte in der Zwischenzeit nicht von ihm abgelassen und wollte ihn gerade töten. Wütend fuhr Lortac dazwischen: Seine Klinge beschrieb eine perfekte Linie, auf der der Hals des Dämonen lag.
In dem Moment, in dem Lortacs Klinge die Kreatur enthauptete, traf ihn die Waffe, die eigentlich für den Verwundeten vorgesehen war. Doch spürte Lortac nichts davon. Er sah sich eilig um, ob noch weitere Dämonen in der Nähe waren, doch seine Männer hatten einen schützenden Kreis um ihren Anführer gebildet und ihn so von den Angreifern abgeschirmt.
Am liebsten hätte er sich auf seine Männer gestürzt, sie sollten endlich aufhören, ihn zu beschützen, doch er beherrschte sich und kniete statt dessen neben dem Verwundeten nieder. Die Wunde war tief und die Blutung war nicht zu stoppen. Lortac sah es auf den ersten Blick. Als er in die schmerzerfüllten Augen sah, zwang er sich zu lächeln.
Langsam legte er ihm die Hand auf die Schulter. "Das wird schon wieder", log er erstickt.
Wie zum Hohn seiner Worte richtete Kystar sich einen Augenblick später erschrocken halb auf und sank anschließend tot zurück. Lortacs Blick wurde bitter. Langsam schloss er dem Toten die Augen und richtete sich dann ruckartig auf. Das Schwert in der Hand trat er an den Ring der Söldner heran und scheuchte sie energisch zur Seite. Hasserfüllt stellte er sich einem Dämon in den Weg und schlug wild auf ihn ein.
Der Kampf endete ebenso plötzlich, wie er begann. Mit einem Mal waren keine Dämonen mehr da, die man töten konnte. Auf den Kampflärm folgte nun eine bedrückte Stille. Lortac hielt sein Schwert noch immer so, wie es seine tödliche Bewegung beendet hatte: Ausgestreckt, in Brusthöhe. Der letzte Dämon, der von Lortacs Hand gestorben war, lag zerfetzt auf dem Boden. Lortac wusste gar nicht mehr, wie viele Dämonen von seiner Hand hatten sterben müssen.
Mit dem Kampflärm waren auch seine Wut und sein Hass erstorben. Langsam legte sich eine Hand sanft auf seine Schulter. Wie mechanisch ließ Lortac das Schwert sinken und drehte den Kopf zu Tellarh, der ihn traurig ansah. "Es ist vorbei? Wir haben gesiegt?" fragte Lortac leise.
Tellarh nickte betont langsam und sah über das Schlachtfeld. "Kein einziger Dämon lebt noch", antwortete er tonlos.
"Doch zu welchem Preis!" seufzte Lortac.
Tellarh senkte betroffen den Blick. Dann sah er wieder zu Lortac. "Ihr seid verletzt! Geht besser zum Heiler!" bemerkte er plötzlich.
Lortac starrte auf seinen rechten Arm, der vom Handgelenk fast bis zur Schulter aufgerissen war. Er nickte schließlich und ging langsam zurück zum Heiler.
Doch er bestand darauf, dass der Heiler und die beiden Asrai erst die schwerer Verletzten versorgen sollten. Er selbst half ebenfalls, die Wunden der anderen zu säubern und zu verbinden. Der Heiler musste ihn schließlich zwingen, dass er sich auch versorgen ließ. Während er die Wunde säuberte, mit Heilsalbe bestrich und sie anschließend verband, sprach er kein einziges Wort. Doch Lortac wusste jedoch auch so, dass er seinen Arm wahrscheinlich nie wieder richtig nutzen konnte.
Den Rest des Tages waren die Söldner damit beschäftigt, die Verwundeten vollends zu versorgen und die Toten vom Schlachtfeld zu verbrennen. Erst als die Sonne bereits aufging, waren die letzten Feuer entzündet Und die Männer fanden endlich etwas Ruhe.
Doch an Schlaf war nicht zu denken. Zu viele Freunde waren bei dieser Schlacht gestorben. Lortac selbst sah dem Sonnenaufgang nachdenklich zu. Wer wusste, was dieser neue Tag bringen würde... Doch er hielt an seinem Plan fest, Jufgarrs Schloss um jeden Preis zu erreichen. Denn niemand konnte gewährleisten, dass Likah Erfolg haben würde. Auch wenn er selbst es vielleicht nicht miterleben würde, seine Truppe musste siegen, koste es, was es wolle.

Sealla wurde noch vor Sonnenaufgang geweckt. Als sie die Augen aufschlug, sah sie Likahs Gesicht. Er legte den Finger auf die Lippen und deutete dann hinter sich. Arton und Cullyn war bereits wach und suchten vorsichtig ihre Sachen zusammen, immer die Schatten der Bäume beobachtend.
Was ist los? formten ihre Lippen lautlos.
Doch Likah deutete ihr nur, ihr Schwert zu nehmen. Dann trat er zu Norton heran und berührte ihn leicht an der Schulter. Norton brauchte er gar nichts zu deuten, er wusste auch so Bescheid. Ohne abzuwarten, stand er auf und nahm seine Waffen an sich. Plötzlich fiel Sealla auf, dass Gaia gar nicht anwesend war. Fragend blickte sie zu Cullyn, der in ihrer Nähe stand. Als er es bemerkte, deutete er ihr, dass Gaia auf Kundschaft war.
Es dauerte keine fünf Minuten mehr, dann saßen die Söldner alle im Sattel. Likah trieb sein Pferd wortlos voran und bedeutete den anderen somit, dass sie ihm folgen sollten. Doch zu Seallas Verwunderung ritten sie nicht in die Richtung, in die Gaia gegangen war, sondern weiter nördlich.
Nach einiger Zeit hielt sie es nicht mehr aus und ritt an Likah´s Seite. "Was ist los?" fragte sie ihn energisch.
Einen Augenblick sah er sie wütend an, doch dann seufzte er. "Dämonen."
Erschrocken zischte Sealla. "Und Gaia?"
"Sie behält sie im Auge", er starrte zu Boden. "Wir müssen wissen, ob es ein Spähtrupp ist."
Sie nickte abwesend. Wenn es kein Spähtrupp war, dann war es sicher, dass Jufgarr ihren Plan kannte. Und das machte ihr große Angst. "Wenn er es nun weiß?" forschte sie vorsichtig.
Cullyn lachte abfällig. "Dann wird er trotzdem sterben!"
"Deine Zuversicht möchte ich haben", knurrte Arton im Hintergrund, "denn das ist ziemlich unwahrscheinlich."
Likah schüttelte den Kopf. "Ihr solltet Euch nicht den Kopf darüber zerbrechen." Er sah Cullyn und Arton hart an. "Noch steht nichts fest!"
Cullyn grinste breit. "Ich bin Assassine. Ich erfülle jeden Auftrag zur Zufriedenheit meines Kunden!" Er lachte lauthals los. "Und ich will verdammt sein, wenn wir an so einem kleinen Attentat scheitern!"
Arton knurrte einen unverständlichen Satz und starrte dann wieder zu Boden.
Kurz nach Sonnenaufgang holte Gaia die kleine Truppe ein. Sie schien sehr aufgeregt. "Macht euch auf etwas gefasst", riet sie den Söldnern, "die haben eure Spur entdeckt und sind jetzt wenige Minuten hinter euch."
Likah hob den Blick zum Himmel und nickte ernst. "Also gut", murmelte er, "dann kämpfen wir!"
Arton ergriff sein Schwert und wollte sein Pferd wenden, doch Likah hielt ihn am Arm fest. "Das ist zu gefährlich", zischte er eindringlich. "Was sollen wir dann machen?"
"Wir legen einen Hinterhalt."
Cullyn machte mit einem leisen Pfiff auf sich aufmerksam. "Vergisst du nicht, dass unsere Pferde diese Bestien nicht riechen mögen und diese Viecher verdammt gute Fährtenleser sind?"
Likah nickte. "Das habe ich bedacht." Er stieg aus dem Sattel und gab Gaia die Zügel in die Hand. Dann deutete er auf den Boden. Seine Stiefel hinterließen nur leichte Abdrücke, die man einfach verwischen konnte. "Gaia, Ihr reitet mit den Pferden in gemäßigtem Galopp weiter." Er blickte die anderen an. "Wir haben keine schweren Rüstungen an, deswegen werden die Hufabdrucke nicht niedriger. Die Dämonen werden denken, dass wir noch immer im Sattel sitzen."
Arton lachte anerkennend. "Und wir lauern im Gehölz."
Likah nickte lächelnd.
Gaia ritt schließlich mit den Pferden weiter. Sie würde knapp eine halbe Stunde weiter anhalten und warten. Likah blickte ihr nach und spielte nervös mit seinem Schwertgriff. Dann drehte er sich zu den anderen um. "Wir haben nicht viel Zeit, also beeilt euch!"
Er selbst brach sich einen Ast ab und begann, damit seine Spuren zu verwischen. Dabei bewegte er sich auf das Unterholz zu. Die anderen beeilten sich, es ihm gleich zu tun. An Likahs Seite kauerten sie sich nieder und starrten auf den Pfad.
Und es dauerte in der Tat nur wenige Minuten, bis die Dämonen in Sicht kamen: Wieder Werwölfe, sechs an der Zahl. Likah hob ganz leicht die Hand. Jetzt durfte sich wirklich niemand bewegen, sonst war alles verloren. Die Bestien folgten der Spur sehr schnell und zielstrebig. Zum Glück bemerkten sie die verwischte Spur in das Unterholz nicht und zogen an den lauernden Söldnern vorbei, ohne sie zu bemerken. Likah war sehr erleichtert, als die Werwölfe ihnen den Rücken zukehrten.
Er wartete, bis die Dämonen zwanzig Schritt von ihnen entfernt waren, dann gab er Arton und Norton ein Zeichen, zwei der Dämonen mit der Armbrust abzuschießen. Die bereits gespannten Sehnen surrten einen kurzen Augenblick später bereits tödlich und zwei der Dämonen heulten schmerzhaft auf. Norton legte sofort einen neuen Pfeil ein und zielte wieder auf die aufgescheuchten Dämonen. Die Kreaturen waren völlig überrascht und starrten verwirrt in alle Richtungen, ohne den Feind auszumachen. Norton wusste, dass dieser Pfeil der letzte war, den er abschießen konnte, bevor die Werwölfe ihr Versteck ausgemacht hatten, darum zielte er genau, um noch einen in die Hölle zu schicken.
In der angespannten Stille, die sich über die Kontrahenten gesenkt hatte, klang das leise unscheinbare Sirren der Sehne wie ein Peitschenhieb. Es war eine ewige Sekunde, bis der Pfeil in der Stirn eines der Dämonen einschlug. Ohne einen Laut von sich zu geben, sank er langsam zu Boden. Die übrigen drei fuhren zu den Söldnern herum, die ihre Deckung nun aufgegeben hatten und mit gezogenen Waffen auf sie zustrebten. 
Die Dämonen stießen ein wütendes Geheul aus, erbost darüber, in eine Falle getappt zu sein. Dann zogen sie ihre Langmesser und gingen auf ihre Gegner los. Likah deutete Cullyn nach rechts und Sealla nach links auszuweichen, um die Kreaturen somit zu verwirren. Die Werwölfe zögerten einen kurzen Atemzug lang, dann setzten sie ihren Weg zielstrebig fort.
Doch auch sie änderten plötzlich ihre Taktik: Zwei von ihnen stürmten ohne Vorwarnung vor und stürzten sich auf Arton und Norton, die Likah flankierten. Der dritte verharrte regungslos. Sealla und Cullyn eilten ihren Freunden sofort zu Hilfe. Kaum dass sie die Schwerter erhoben hatten, sprang der dritte plötzlich auf Likah zu.
Dieser fuhr zurück und wich dem Angriff instinktiv aus. Doch er kam nicht dazu, sein Schwert zu erheben, denn die Schläge des Gegners folgten so schnell aufeinander, dass er große Mühe hatte, ihnen unverletzt auszuweichen. Innerlich fluchte Likah wütend. So etwas hätte er sich ja denken können! Das Schwert war in dieser Situation nutzlos, deshalb ließ er es fallen und griff in der Bewegung an seinen Gürtel, um seinen Dolch zu ziehen.
Als der Werwolf wieder nach ihm schlug, wich dieser geschickt zur Seite aus und stieß ihm den Dolch in den Brustkorb. Sofort ließ er den Griff los und packte seinen zweiten Dolch. Der Dämon jedoch war wie erstarrt und schien nicht mehr angreifen zu können. Doch der Schein trog. Plötzlich fuhr der Dämon herum und schlug mit der bloßen Krallenhand nach Likah. Wieder entging er der Attacke nur mit Mühe. Er stieß den Dolch nun dem Dämonen in das ungeschützte Genick. Mit einem seufzenden Laut sank dieser tot zusammen.
Schwer nach Atem ringend sah Likah zu den anderen herüber. Sie hatten ihre Gegner ebenfalls bereits getötet und blickten ihrerseits zu ihm. Müde nickte Likah und hob sein Schwert vom Boden auf. Sealla trat zögernd an seine Seite und sah ihm eindringlich in die Augen.
"Ich kann mich nicht erinnern, dass unsere vorherigen Gegner so stark waren!" stieß sie atemlos hervor.
Cullyn nickte zustimmend und trat einem der Kadaver in die Seite. "Das verheißt nichts Gutes..."
Likah schüttelte den Kopf. "Die Kraft der Dämonen will nichts aussagen!" Er ballte die Hand zur Faust. "Es ist doch verständlich."
"So?" Cullyn hob argwöhnisch eine Augenbraue.
Likah lächelte leise. "Ich würde die stärksten meiner Kämpfer auch als hintere Reihe behalten. Es ist taktisch einfach sinnvoller."
"Jetzt verstehe ich gar nichts mehr", murmelte Sealla.
"Wenn der Feind unerwartet siegreich ist, ist er geschwächt. Und wenn er dann gegen noch stärkere Gegner kämpfen muss, dann sind die Siegeschancen gegen nicht vorhanden", erklärte Likah.
Cullyn nickte. "Das ist ja verständlich", gab er zu, "aber wir sollten trotzdem nicht unvorsichtig werden und die Situation unterschätzen."
Knapp eine Stunde später erreichten sie Gaia, die bereits nervös geworden war. Den Weg über hatten sie bedrückt geschwiegen. Denn wenn Jufgarr von ihrem Vorhaben Bescheid wusste, wären die Folgen verheerend. Aber Likah bezweifelte das doch eher, denn Jufgarr hätte in diesem Fall mehr Dämonen geschickt, um wirklich sicher gehen zu können, dass die Angreifer die Burg nicht erreichen konnten.
So kurz als möglich erzählte Likah Gaia, was passiert war und unterband jegliche Nachfragen mit einer unwirschen Bemerkung. Ohne weitere Zeit zu verlieren, stiegen die Söldner auf und ritten auf ihrem Weg weiter. Gesprochen wurde die restliche Zeit nicht mehr. Jeder malte sich in Gedanken die nächsten Tage aus.
Likahs Laune senkte sich von Minute zu Minute mehr. Etwas an dem Verhalten der Dämonen gefiel ihm nicht. Vielleicht war es ja nur Zufall gewesen, aber dass sie die anderen geschickt von ihm abgelenkt hatten, machte ihn sehr nachdenklich. Er war nun einmal der einzige, der Jufgarrs Macht gewachsen sein würde. Vielleicht hatten sie nur erraten, dass er der Anführer war, weil die anderen seinem Befehl gefolgt waren. Dieser Gedankengang beruhigte ihn ein wenig, doch er beschloss, vorsichtiger zu sein.

Sie verließen den Silberwald am Mittag des folgenden Tages. Als sie zwischen den Bäumen hervorritten, erstreckte sich vor ihnen eine kleine Wiese. Die Berge waren nur vier Kilometer von ihnen entfernt. Und über der Wiese lagen überall mannshohe und größere Findlinge verstreut.
Likah kniff seine Augen zusammen und beobachtete die Umgebung minutenlang genau, doch nirgendwo regte sich etwas. Schließlich seufzte Likah leise und lenkte sein Pferd auf die Berge zu. Noch waren sie zu nah an dem Wald, als dass er seine Magie benutzen konnte. Cullyn folgte ihm nach kurzem Zögern. Diese Wiese war perfekt für einen Hinterhalt.
"Gibt es keinen anderen Weg?" fragte er Likah leise.
"So wenig es mir auch gefällt," murmelte er angespannt, "müssen wir hier entlang."
Cullyn stieß einen harten Fluch aus und zog seine Axt. Arton, der hinter ihnen ritt, grinste breit über Likahs und Gaias Gesichtsausdrücke. "Und darum bin ich so froh, dass ich kein Elbisch spreche", kommentierte Norton trocken.
"Das war doch nicht Elbisch!" gluckste Arton. "Elben haben keine solch kräftige Flüche. Das war Trollisch."
Norton verzog das Gesicht. "Dann verstehe ich das", zischte er. "Deren Sprache soll ja nur aus Flüchen und Beschimpfungen bestehen."
Arton lachte leise. Doch dann blickte Likah sich nervös zu ihnen um. "Seid lieber auf der Hut!" knurrte er.
Arton nickte nun wieder völlig ernst und zog sein Schwert. Auch Norton und Sealla nahmen ihre Waffen zu Händen. Vorsichtig und die Umgebung aufmerksam beobachtend bahnten sie sich ihren Weg durch die Felsbrocken, den Bergen entgegen. Als sie sich auf halbem Wege zwischen dem Wald und dem ersten der Berge befanden, regte sich auf einmal zwischen zwei Findlingen leicht ein Schatten. Cullyn stieß einen lauten Fluch aus und hob seine Axt, bereit sie im nächsten Augenblick auf den Feind hernieder zu stoßen.
Likah packte sein Schwert fester und lenkte sein Pferd vorsichtig in die Richtung der Bewegung. Ein kurzes Zischen ließ sich plötzlich vernehmen. Likah fuhr leicht zusammen und hob sein Schwert, bereit sich zu verteidigen, ein wenig höher. Aufmerksam lauschte er den leisen Schritten, die sich auf ihn zu bewegten. Sein Pferd tänzelte leicht verängstigt zurück. Langsam schob sich der Kopf des Wesens hinter dem Fels hervor.
Völlig perplex ließ Likah das Schwert sinken. "Gjarth!" stieß er vorwurfsvoll hervor, als er das Gesicht des Drachen erkannte.
Gjarth beäugte die Söldner misstrauisch. "Ein netter Empfang", bemerkte er zynisch.
"Was erwartet Ihr denn, wenn Ihr Euch so anschleicht?!" fauchte Gaia ihn wütend an. Dann drehte sie beleidigt den Kopf zur Seite. "Aber wie kann man etwas anderes von einem Drachen erwarten?"
Likah seufzte leise.
"Schon gut", murmelte Arton schlichtend, "es ist ja niemand verletzt. Außerdem..."
"Ihr hättet genauso gut Dämonen sein können!" verteidigte Gjarth sich plötzlich energisch. "Also macht mir keinen Vorwurf!"
"Wozu habt Ihr denn Eure Flügel?" zischte Gaia spitz.
"Ruhe jetzt!" fuhr Likah die beiden an. "Wir haben wichtigeres zu tun, als zu streiten. Man kann hier nun einmal nicht vorsichtig genug sein!" 
Gaia biss sich auf die Lippen und starrte wütend auf den Boden. Auch Gjarth musste sich beherrschen, Likah nicht wütend anzufahren.
"Was bewegt Euch dazu, am Boden zu bleiben und so vorsichtig zu sein?" fragte Likah Gjarth plötzlich.
Gjarth starrten einen Augenblick über die Schulter zurück. "In der Luft bin ich zu auffällig", antwortete er schließlich, "Ich hatte das Gefühl, dass mich jemand verfolgte, darum bin ich gelandet, um ihn abzuschütteln."
Likah ballte seine Fäuste. "Was hat Jufgarr davon, Euch verfolgen zu lassen?"
Gjarth lachte grollend. "Misstrauen", vermutete er, "ich war wohl einmal zu oft in der Nähe seiner Burg."
Likah nickte gedankenverloren. "Seid Ihr Eure Verfolger losgeworden?"
Gjarth lachte wieder, diesmal triumphierend. "Die wissen wahrscheinlich jetzt noch nicht, in was sie hineingeraten sind!"
Cullyn lächelte über den selbstgefälligen Ton des Drachen. Doch er zog es vor, nicht nachzufragen, was er denn mit den armen Kerlen angestellt hatte. Statt dessen blickte er sich kurz um. "Wir sollten hier weg", murmelte er plötzlich, "es ist nicht sicher genug."
"Als ob wir hier irgendwo sicher wären", knurrte Arton. Likah schüttelte den Kopf, sagte aber nichts.
Während sie weiterritten, berichtete Gjarth in knappen Sätzen, was er gesehen hatte. Und das Gehörte beruhigte Likah ein wenig. Jufgarr schien nichts von ihrem Plan zu ahnen, denn er hatte viele seiner Wächter gegen Lortacs Einheiten geschickt. Natürlich machte dies Likah wiederum Sorgen, musste Lortac nun gegen noch mehr Gegner kämpfen. Aber da er sowieso nichts unternehmen konnte, zwang er sich, sich ganz und gar auf seine Mission zu konzentrieren.
Gjarth blieb diesmal am Boden. Auf Gaias spitze Frage, warum, ließ er nur ein Knurren vernehmen.
Likah lachte leise. "Weil er uns sonst verraten könnte", antwortete er kurz und brachte Gaia mit einer Handbewegung zum Schweigen.
Gjarth beobachtete Likahs Verhalten die nächsten Minuten genau. "Was besorgt Euch?" fragte er plötzlich.
Likahs Augen wurden schmal und für einen Moment lang sah es aus, als wolle er nicht antworten. Dann jedoch seufzte er und sah den Drachen resigniert an. "Der Wald", murmelte er leise.
Gjarth blickte über seine Schulter zu den silbernen Bäumen zurück. "Den haben wir doch hinter uns gelassen. Was beunruhigt Euch denn daran?"
Likah lachte abfällig. "Die Tatsache, dass ich meine Magie noch immer nicht nutzen kann!"
Gjarth fuhr zischend zu Likah herum. "Was!?" keuchte er erschrocken. "Das kann doch nicht angehen! Solch einen großen Einflussbereich darf dieser Wald eigentlich nicht haben!"
"Das ist es ja, was mir Sorgen macht." Likah starrte zu Boden. "Es ist absurd, aber wahr."
Gjarth wiegte den Kopf nachdenklich. "Ist es bei der Asrai auch?" fragte er kurze Zeit später.
Likah zuckte die Schultern. "Wenn, dann sagt sie es nicht." Er schüttelte den Kopf. "Ich verstehe das nicht..."
Gjarth wiegte wieder den Kopf, diesmal jedoch entschieden länger. "Die einzig sinnvolle Erklärung ist, dass wir uns auf einer Ader befinden."
Likah schürzte die Lippen. "Das würde auch erklären, warum der Wald weiter wächst." Dann lachte er leise. "Bei den Göttern! Ich hasse dieses Mineral!"

Als sie die Wiese verließen und in ein lichtes Wäldchen am Berghang einritten, entspannten sich die Söldner. Sie waren in keinen Hinterhalt geraten und nun war ein Hinterhalt ziemlich ausgeschlossen. Sealla trieb ihr Pferd an Likahs Seite. "Was jetzt?" fragte sie leise, "Werden wir direkt auf die Burg reiten?"
Likah starrte stumm nach vorne und überlegte eine Weile. Dann nickte er. "Wir müssen..."
"Ist das nicht gefährlich?" forschte sie nach. "Es wird auffallen. Wir sind seiner Burg schon nahe."
Likah lachte leise. "Ob wir uns beeilen, oder langsam tun, wir fallen immer auf." Sealla schluckte schwer. "Jufgarr hat bisher nur Dämonen in den Kampf geschickt", sprach Likah weiter, "er wird wahrscheinlich keine Krieger haben. Und niemand wird sich ihm freiwillig anschließen."
"Und wie sollen wir dann unbemerkt an, geschweige denn in, die Burg kommen?" mischte Cullyn sich plötzlich von hinten in das Gespräch ein.
Likah zuckte die Schultern. "Daran wollte ich denken, wenn wir lebend die Burg erreicht haben", gab er zu.
Cullyn fluchte. "Ich hoffe doch, dass ich jetzt den falschen Hintergedanken vermute!" Likah blickte schweigend zur Seite. Cullyn, der diese Geste wohl verstand, sog erschrocken die Luft ein und trieb sein Pferd dicht neben Likahs. "Wir werden nicht versagen!" fauchte er wütend. "Und wir werden dich auch nicht allein da hinein gehen lassen!" Likah sah ihn fest an, doch er schwieg. Cullyn zischte wieder. "Nein! Das kommt nicht in Frage!"
Sealla hatte dem schweigend und entsetzt zugehört. Nachdem Cullyn den Satz beendet hatte, ließ er sich wieder zurückfallen. Sealla sah Likah noch einen Augenblick lang abschätzend an. Warum habe ich nicht gleich an so etwas gedacht? Ich hätte es doch wissen müssen... Schließlich hielt sie ihr Pferd an und wartete, bis Cullyn an ihrer Seite war. "Das hast du ernst gemeint?" fragte sie leise.
Cullyn nickte. "Das wäre nur zu typisch für Likah!"
"Aber warum?" Sie schüttelte verständnislos den Kopf.
Cullyn lachte abfällig. "Deswegen wollen wir ihn alle als Lortacs Nachfolger. Das Leben der Männer ist ihm wertvoller als seines."
Sealla biss sich auf die Lippen. Das war ein doppelter Stich. Am liebsten hätte sie Cullyn gesagt, dass nach diesem Auftrag die Söldnertruppe nicht mehr existieren würde, doch sie durfte nicht. Statt dessen ging sie auf Cullyns zweite Aussage ein. "Er darf sich nicht opfern! Von seinem Leben hängt doch die Mission ab!"
Cullyn nickte resigniert. "Sag das nicht mir, sag es ihm."
Sealla starrte bedrückt auf ihre Hände. "Er wird nicht auf mich hören...."
Likah war den anderen inzwischen ein paar Meter voraus geritten. Dass er so einfach zu durchschauen war, gefiel ihm nicht. Aber Cullyn hatte recht: Er musste sich langsam überlegen, wie sie in die Burg kommen würden.
Völlig gedankenverloren ritt er den Weg entlang. Weder achtete er darauf, dass die anderen öfters außer Sicht kamen, noch darauf, was sich links und rechts des Weges abspielte. Die Landschaft war wieder felsiger geworden und auch die Sonne versank langsam hinter den Bergen. Doch Likah war so sehr in Gedanken, dass er dieses nicht bemerkte.
Plötzlich war hinter ihm ein leises Knirschen zu hören. Er hob kurz den Kopf. Jetzt fiel ihm auch auf, dass es langsam dunkel wurde. Darum ging er davon aus, dass es Cullyn oder Arton war, der ihm vorschlagen wollte, zu lagern. Mit einem leicht schuldigem Lächeln drehte er sich nach hinten um – und stieß einen lauten Fluch aus...
Es war keiner seiner Truppe, sondern ein Dämon! Innerlich verfluchte Likah sich für seine Unvorsichtigkeit. Sofort griff er nach seinem Schwert, doch der Dämon war schneller. Er schoss hervor und riss Likahs Pferd die Kehle auf, bevor es sich auch nur bewegen konnte. In seiner Panik vor dem nahendem Tod stieg das Pferd hoch und schleuderte seinen Reiter vom Rücken.
Mit einem gellenden Schrei fiel Likah rückwärts vom Pferd, wobei er sein Schwert verlor. Den Sturz fing er etwas ungeschickt mit einer Drehbewegung ab. Als er sich auf seine Ellbogen stützte und sich nach seinem Schwert umsah, erkannte er sofort, dass er es nicht mehr erreichen konnte. Er ließ einen wütenden Fluch hören und schlug mit der Faust auf den Boden. Warum hatte er seine Dolche auch zurückgelassen? Jetzt gab es nur noch einen Weg...
Langsam drehte er den Kopf zu dem Dämonen, der ruhig auf ihn zukam. Die flache Hand auf den Boden gedrückt murmelte er leise eine Formel. Der Dämon blieb für einen kurzen Moment stehen, als wolle er lauschen. Dann kreischte er erschrocken auf und sprang zurück. Doch das brachte ihm nichts. Als er wieder auf dem Boden aufkam, fuhren drei Kristallspeere aus der Erde durch den Dämonen hindurch. Als Likah die Hand wieder vom Boden hob, zogen die Speere sich wieder ein und der tote Körper sackte ihnen nach. Das ganze Geschehnis war ein Werk von Sekunden.
Sofort stand Likah wieder auf. Als er sich nach seinem Schwert bücken wollte, kamen die anderen in Sichtweite. "Likah!" keuchte Cullyn erschrocken, "Wir haben dich schreien hören."
Likah lächelte schuldbewusst und deutete auf den Kadaver. "Es ist ja noch einmal gut gegangen."
Gaia fluchte wütend. "Und wie oft könnt Ihr das noch behaupten?" fragte sie ihn vorwurfsvoll.
"Gar nicht mehr!" ließ sich eine höhnische Stimme im Hintergrund vernehmen.
Sie fuhren zu der Stimme herum. Zwischen zwei Felsbrocken war ein muskulöser Mann hervorgetreten und musterte die Söldner abschätzend. "Das Glück hat euch hier verlassen." höhnte er weiter.
Cullyn nahm seine Axt zur Hand und auch Likah nahm sein Schwert wieder auf. Mit erhobener Waffe trat Likah dem Fremden entgegen. Dieser machte einen leichten Wink mit der Hand. Ein Dämon nach dem nächsten trat aus seinem Versteck hervor. Cullyn fluchte lauthals und packte den Axtgriff fester.
"Ein Hinterhalt!" stieß Sealla hervor.
Likah blickte aus den Augenwinkeln zu den anderen zurück, schätzte die Situation ein. Schließlich lächelte er leise im Mundwinkel. "Haltet Euch nicht für den endgültigen Sieger!" warnte er leise, doch dann warf er sein Schwert wieder zu Boden. Cullyn japste entsetzt, während der Unbekannte lauthals zu lachen begann.
Plötzlich riss Likah beide Arme in die Höhe und kreuzte sie vor der Brust. Im nächsten Augenblick stieß er sich nach vorne weg und verursachte damit eine Woge in der Luft. "Gjarth!" schrie er lauthals, während die Dämonen hinter Bäumen und Steinen Deckung suchten.
Die nicht schnell genug waren, wurden meterweit durch die Luft geschleudert und zerschellten an Fels und Holz. Der Drache landete dicht hinter Likah und sah ihn fragend an. "Schafft die anderen weg!" zischte dieser gepresst.
Einen kurzen Augenblick sah Gjarth ihn nachdenklich an, dann nickte er. Er erhob sich in die Luft und stieß auf die anderen zu. "Weg hier!" fauchte er sie an.
Likah drehte sich nicht um, sondern versuchte weiterhin, den Feind in Schach zu halten. Doch die Söldner rührten sich nicht. "Wir lassen doch keinen Freund im stich!" hörte Likah Artons wütenden Einwurf.
Doch er hatte keine Gelegenheit, weiter darauf einzugehen. Plötzlich spürte er Widerstand. Erschrocken keuchte er auf. "Das kann nicht...."
Langsam trat der rätselhafte Mann wieder aus seinem Schutz hervor, mit erhobenen Händen. Likahs Zauber störte ihn nicht. Er ist mächtig! Ob er wollte oder nicht, er musste diesem Mann Respekt zollen, denn er schlug eine Presche, die groß genug war, dass die Dämonen angreifen konnten. 
Likah ließ seinen Zauber jäh fallen und fuhr zu den anderen herum. "Verschwindet!" schrie er verzweifelt. "Auf der Stelle!" Doch sie reagierten nicht, nahmen nur ihre Waffen zur Hand und stellten sich dem Feind entgegen. Cullyn lief auf Likah zu, um ihn zu schützen. Doch Likah schüttelte nur den resigniert Kopf. "Elender Narr," flüsterte er tonlos.
Cullyn hob den Arm, deutete hinter Likah. Likah brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass die Dämonen nun sehr nahe waren. Sein Blick suchte Gjarth´s. Der Drache verstand Likahs bittenden Blick sofort. Lächelnd schloss Likah die Augen. Er wusste, was kommen würde.
Der Schmerz war kurz, in seinem linken Schulterblatt. Kaum merklich zuckte er unter dem Stich der Klinge zusammen. Kurz erhaschte er einen Blick auf Sealla, die ihre Hände vor das Gesicht gerissen hatte. Dann spürte er einen dumpfen Schlag auf seinem Hinterkopf und sank bewusstlos zu Boden.
 

© Dragonsoul Lianth
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