Geschichten von Quatzkotl von W. H. Asmek
Inanuk (2)
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Die Gilde existiert, weil man sie gleichermaßen braucht und fürchtet. Darum achte darauf, dass man dich ehrenvoll behandelt. Wenn dich jemand ehrlich und offen angreift, so töte ihn. Greift dich jemand an, um dich um dein Hab und Gut zu bringen, so töte ihn. Töte aber auch seine Freunde. Töte seine Familie. Töte alle, die er um sich hat. Nur so wird man dir und der Gilde auch in Zukunft Respekt entgegenbringen.
Zwölftes Gebot des Lebensbuchs der Grauen Gilde

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Das Gasthaus war gut besetzt. An grob zurechtgehauenen Tischen und Bänken saßen Männer unterschiedlichster Herkunft und sprachen den Dingen zu, die das Haus zu bieten hatte: In erster Linie waren das Getränke wie Wein, Bier und Schnaps. Es gab aber auch etwas zu Essen. Bei ihrem Eintreten war es zunächst still geworden, da sie von den Gästen argwöhnische beäugt wurden. So ziemlich jeder der Anwesenden schien sprungbereit zu sein, um die Kneipe beim erstbesten Anlass schnellstens zu räumen.
"Die scheinen zum Teil schön was auf dem Kerbholz zu haben," raunte Nanawok seinem Vater zu, der sich einen Weg zu einem freien Tisch bahnte.
"Mir scheint auch, dass wir besser noch einmal draußen übernachtet hätten. Aber zurück können wir jetzt auch nicht mehr, wenn wir nicht für Feiglinge gehalten werden wollen," flüsterte er zurück.
Nanawok bedachte seinen Vater mit einem Blick, der wohl bedeuten sollte: Gib mir einen Wink und ich mache sie alle fertig. Von wegen feige!
Kaum hatten die beiden Platz genommen, da näherte sich auch schon der Wirt. Er schien in besseren Zeiten wohl einmal Preisboxer oder etwas Ähnliches gewesen zu sein, denn er war enorm kräftig gebaut. Er stemmte seine behaarten, muskelbepackten Arme auf den Tisch. Seine kleinen Augen fixierten Inanuk. Das bärtige Kinn fiel herab, zwangsweise öffnete sich der mit fauligen Zähnen bestückte Mund.
"Was darf ich den Herren bringen?" nuschelte er undeutlich. Eine Dunstwolke verbreitete sich über dem Tisch.
"Bloß kein offenes Feuer jetzt," dachte Nanawok. "Sonst fängt die Luft hier Feuer. Der Kerl hat bestimmt ein ganzes Branntweinfass leer gemacht."
"Können wir etwas zu essen bekommen?" erkundigte sich Inanuk.
"Klar!" brummte der Wirt und rieb sich den Bart, aus dem sich daraufhin einige Essenreste lösten und auf den Tisch fielen. "Habe ein frisches Spanferkel auf dem Spieß. Dazu kann ich Euch Brot und Kohlsuppe bringen."
"Das hört sich gut an," bekannte Inanuk, dem das Wasser im Mund zusammenlief. "Dazu bitte Wein für uns zwei."
"Könnt Ihr auch zahlen?"
Statt einer Antwort griff Inanuk in seinen Geldbeutel. Nach kurzem Klimpern holte er seine Hand wieder hervor und legte ein Goldstück auf den Tisch.
"Reicht das?"
Dem Wirt fielen die Augen aus dem Kopf. Er steckte die Münze in den Mund. Ein kräftiger Biss überzeugte ihn davon, dass er in der Tat eine Goldmünze vor sich hatte. Er grunzte zufrieden.
"Dafür könnt Ihr nach Herzenslust fressen und saufen, bis ihr umfallt, meine Herren."
Er wurde zutraulich und beugte sich verschwörerisch vor.
"Wenn Ihr es wünscht, könnt Ihr auch bei mir übernachten. Mein Haus verfügt über saubere Zimmer, die eines Grafen würdig sind. Ein Badezuber mit heißem Wasser steht Euch auch zur Verfügung. Und wenn Ihr wollt, dann kenne ich zwei hübsche Maiden, die Euch den Buckel schrubben werden. - Sie sind sehr willig, wenn Ihr versteht, was ich meine."
Inanuk schmunzelte. Was Gold doch alles bewirken konnte.
"Nein danke," wehrte er ab. "Das Essen und Trinken nehmen wir an. Auch das Bad und das Zimmer für die Nacht. Aber die Mädchen sollen sich ruhig um andere Gäste kümmern. Wir haben in dieser Hinsicht keinen Bedarf."
Der Wirt grunzte gleichgültig und schlurfte wieder an seine Theke, wo er sich daran machte, die Bestellung der beiden bereitzustellen.
Inanuk und Nanawok nutzten die Zeit, um sich die anderen Gäste und ihr Treiben anzuschauen. Die Wirtschaft war in der Tat sehr gut besucht. Die Besucher hatten inzwischen ihr Interesse an den beiden Grauen verloren und widmeten sich ihren bisherigen Beschäftigungen: Es wurde viel gelacht und getrunken. Bärtige und in der Mehrzahl wilde Gesellen vertrieben sich hier ihre Zeit. An dem einen oder anderen Tisch wurde mit Karten oder Würfeln gespielt. Die Spiele waren mit viel Geschrei und Geschimpfe verbunden, wobei die Verlierer den jeweiligen Gewinnern wiederholt Falschspiel vorwarfen und ihnen Prügel androhten. In der Regel beruhigten sich die Kontrahenten jedoch schnell wieder, sodass das Spiel fortgesetzt werden konnte. 
In einer Ecke des Schankraums saß ein Gast vor einem großen Weinkrug. Er zupfte gedankenverloren an einem Saiteninstrument und sang halblaut ein melodisches Lied. Zwei andere Gäste hörten ihm aufmerksam zu. Auch sie sprachen dem Wein gründlich zu. Die Luft des Raumes war angefüllt mit Tabakrauch, dem Dunst von Wein und Schnaps, Bratenduft und dem Lärm der Gäste. Es entstand eine einschläfernde, gemütliche Kneipenkakophonie, in der sich die beiden Grauen mehr und mehr wohl zu fühlen begannen. So schlimm wie es bei ihrer Ankunft noch schien, war die Herberge wohl doch nicht.
"Schau jetzt bitte nicht zum Wirt hinüber!" raunte Inanuk seinem Sohn zu.
"Warum nicht?"
"Er spricht gerade mit einem Gast, der an der Theke steht. Er hat uns eben sehr intensiv gemustert. Aber nur ganz kurz, so als ob er uns abschätzen wollte."
"Abschätzen auf was?"
"Vielleicht, ob wir zu kämpfen verstehen oder ob wir harmlos sind."
Nanawok kicherte.
"Wie immer er uns auch einstufen wird. Er wird sich meilenweit verschätzen."
Der Wirt kam schnaufend heran. Mit Wucht knallte er zwei große Humpen mit Wein vor die beiden. Dann keuchte er davon, um kurz darauf mit einem riesigen Teller zurückzukehren, auf dem ein gewaltiges Stück Ferkel lag. Zwei Messer steckten drin. Noch einmal schlurfte er davon - und kam zurück. Zwei dampfende Schüsseln mit Suppe in der Hand.
"Wohl bekomm’s, edle Herren!" dröhnte er.
Die beiden machten sich mit Wonne über ihre Mahlzeit her, die zu ihrer Freude überaus gut schmeckte. Das Fleisch war zart, die Suppe gut gewürzt und der Wein süffig.
"Der Wein hat einen seltsamen Beigeschmack!" stelle Nanawok fest.
"Ich vermute, dass der Wirt ihm einen Schlaftrunk beigemischt hat," bestätigte sein Vater. "Aber insgesamt schadet er dem Aroma nicht. Außerdem wird er bei uns seine Wirkung nicht entfalten können."
Die beiden blieben guter Dinge. Sie sprachen sowohl dem Essen als auch dem Wein munter zu, sodass sie bald vor leeren Gefäßen saßen.
Sie gähnten betont laut.
Eilig rauschte der Wirt heran.
"Die Herrschaften sind müde? Darf ich Euch in Euer Zimmer führen?"
Die beiden nickten träge.
Eigentlich hatten sie die Zimmer der Herberge im oberen Stockwerk des Gebäudes vermutet. Der Wirt führte sie jedoch in den hinteren Teil des Erdgeschosses, wo er die Tür zu einer geräumigen Kammer öffnete. Zwei Badezuber standen da, bereits bis an den Rand mit heißem Wasser gefüllt. Kaum hatte der Wirt sie allein gelassen, saßen die beiden auch schon drin. Sie seiften sich gegenseitig ein und genossen die angenehme Wärme des Bades.
"Was wird als nächstes passieren?" fragte Nanawok.
"Der Wirt wird warten, bis wir schlafen. Dann werden sie uns ausrauben wollen. Sind dir die frisch geschmierten Türangeln aufgefallen? Die Tür lässt sich absolut geräuschlos öffnen."
"Ja, ich habe es auch gesehen. Sie werden versuchen, uns das Gold abzunehmen," bestätigte Nanawok.
"Ja! Sie können ja nicht wissen, dass man uns weder einschläfern noch vergiften kann. Trotzdem wäre mir eine ruhige Nacht lieber als die Anstrengungen, die uns bevorstehen, wenn sie uns wirklich überfallen werden."
Nanawok lehnte sich zurück.
"Ich freue mich drauf. Endlich kann ich das, was ich gelernt habe, mal in der Praxis anwenden!"
Vater und Sohn unterhielten sich noch einige Minuten, dann stiegen sie aus den Zubern und löschten das Licht. Ruhig harrten sie der Dinge, die da auf sie zukommen würden.
Um Mitternacht kam der Wirt zu dem Schluss, dass es an der Zeit war, die Herberge zu schließen. Er komplimentierte die letzten Gäste heraus, was ihm nicht allzu viel Mühe machte, denn selbst die wildesten Zecher mochten sich nicht mit ihm prügeln. Der Wirt hatte seinen Lebensunterhalt in seiner Jugend als Preisboxer auf Jahrmärkten verdient und verstand sein Fach noch heute. Er wurde allgemein respektiert und ob seiner animalischen Kraft gefürchtet. Wenn er sagte, dass es Zeit war, die Wirtschaft zu verlassen, dann war es auch Zeit. Nachdem der letzte Gast verschwunden war, öffnete der Wirt den Hinterausgang. Schattenhaft glitten fünf Männer ins Haus.
"Schlafen sie?" flüsterte einer von ihnen.
"Wie die Säuglinge!" grinste der Wirt. "Mein Schlaftrunk haut selbst den stärksten Ochsen um. Wir gehen jetzt in die Bude, stechen sie ab und teilen uns das Gold. Wie immer."
"Warum machst du’s nicht allein? Mit zwei schlafenden Kerlen wirst du doch allein fertig." Fragte einer der Ankömmlinge.
"Wir machen immer alles gemeinsam," gab der Wirt zurück. "Wenn einer von uns anfängt auf eigene Rechnung zu arbeiten, ist die Gemeinsamkeit dahin. Keiner von uns dreht Extratouren. So haben wir es beschlossen und ich halte mich daran."
Entschlossen ging die Gruppe, angeführt durch den Wirt, den Gang entlang. Geräuschlos öffneten sie die Tür zur Kammer und traten ein.
Auf das, was sie drinnen erwartete, waren sie aber, trotz aller Erfahrung, nicht vorbereitet. Der Wirt erblickte in der Dunkelheit zwei leuchtende Punkte, die ihn starr fixierten. Etwas knurrte. Dann flogen die Leuchtpunkte blitzschnell auf ihn zu. Eine stählerne Klammer legte sich rechts und links um seinen Hals. Sie drückte zu. Überrascht riss er seine Arme hoch. Seine Hände griffen nach oben an seinen Hals. Sie versuchten das schmerzende Ding abzureißen. Er fühlte Feuchtigkeit und Haare. Druck und Schmerz verstärkten sich. Er wollte Schreien. Doch aus seiner geschundenen Kehle drang nur ein ersticktes Gurgeln. Panik ergriff ihn. Er merkte nicht, dass seine Kumpane schrieen. Etwas hatte sich hinterrücks auf sie gestürzt. Das Schreien wurde schwächer, denn die Zahl derjenigen, die noch schreien konnten, verringerte sich schnell. Der Druck gegen den Hals des Wirtes wurde unerträglich.
"Mein Gott, ich sterbe!" dachte er noch. Dann gab sein Genick der beklemmenden Kraft nach, die es bedrängte. Es brach mit einem hässlichen Knacken.
Nachdem Inanuk und Nanawok die Angreifer bis auf den letzten Mann getötet hatten, durchstreiften sie gründlich das gesamte Haus des Wirtes. Überall da, wo sie etwas Lebendes trafen, schlugen sie zu. Alles, ob Mensch, ob Tier, alles, das größer war als eine Kakerlake, wurde gnadenlos getötet. Zwei Mitglieder der Grauen Gilde waren aus Habsucht angegriffen worden und reagierten so, wie es ihr Codex von ihnen verlangte.
Als Inanuk und Nanawok die Herberge verließen, ließen sie nichts Lebendes zurück, das weniger als sechs Beine hatte.

***

Die Worte des alten Samurais machten König Richard doch sehr zu schaffen. Wie es üblich war, rief er alle Freunde der Familie zusammen, um sich mit ihnen zu beraten. Natürlich dauerte das einige Zeit, denn Quatzkotl, der Drachenkönig, lebte weitab in einer Höhle des Siebengebirges.
Schließlich aber waren alle Kampfgefährten versammelt. Selbst Queztalkoatlus hatte kommen können, da Dommerjahn ihn aufgrund der Wichtigkeit der Angelegenheit von seinen Pflichten beurlaubt hatte.
Hieronto schilderte der Versammlung noch einmal ausführlich die Gefahr, in der sich Jannie befand und schloss mit den Worten:
"In meiner Heimat sind die Erfolge der Grauen Gilde legendär. Die Gilde fordert für ihre Leistungen enorme Summen, hat aber immer Erfolg. Immer!"
Das Raunen, das sich den Worten des jungen Kriegers anschloss, zeugte davon, dass sein Vortrag den Weg zu den Herzen der Anwesenden gefunden hatte. Jannie musste geholfen werden. Wieder einmal.
"Ich glaube nicht, dass es Sinn macht, das ganze Königreich mobil zu machen," überlegte Quatzkotl. "Es kann nicht in unserem Sinne sein, wenn eine Panik in der Bevölkerung ausbricht. Wir müssen zusehen, dass wir eine unauffälligere Methode finden, um Jannies Ermordung zu verhindern."
Der Drachenkönig war dafür bekannt, dass er kein Blatt vor den Mund zu nehmen pflegte, sondern die Dinge beim Namen nannte. Bei seinen Worten schauderte es alle dennoch.
"Was schlägst du denn vor?" fragte Richard, der selbst zu betroffen war, um schon zu einer eigenen Idee gekommen zu sein.
"Jannie erhält eine Leibwache! El Pitto Gnomo, Hieronto, der alte Samurai und Quetzi werden sie tagsüber auf Schritt und Tritt begleiten. Ich möchte den sehen, der an ihnen vorbeikommt. Abends aber, wenn sie sich zur Ruhe legen, und in der Nacht, können Mischa, George und Knurps die Betreuung innerhalb des Schlosses übernehmen. Ich nehme an, dass die Weiße Alraune ihn für eine gewisse Zeit als Beschützer entbehren kann. Cillie und ich halten uns bereit. Bei verdächtigen Vorkommnissen eilen wir herbei."
"Und was mache ich?" rief Richard. "Soll ich mein Kind nicht schützen dürfen?"
"Du gehst deinen Regierungsgeschäften nach, mein Freund. Wir wollen uns so normal wie möglich verhalten."
Die Runde murmelte zustimmend. Der Drache hatte gut gesprochen.
Wie üblich hatte Jannies Mutter das Feld zunächst den anwesenden Helden überlassen. Sie verstanden sich auf die Bewältigung von Krisen. Jetzt aber erhob sie ihre Stimme.
"Quatzkotl, ich danke dir für deine Worte. Ich danke euch allen für eure Bereitschaft, euer Leben für das meiner Tochter einzusetzen. Dennoch meine ich, dass ihr das Naheliegenste übersehen habt!"
Aller Augen richteten sich auf die Gemahlin Richards. Was, um alles in der Welt, sollten sie übersehen haben?
Jannies Mutter sonnte sich in der Aufmerksamkeit, die ihr entgegengebracht wurde.
"Ich gehe davon aus, dass uns zwei Personen helfen können, die gar nicht hier sind. Die eine ist der Magier Merling. Die andere ist die Weiße Alraune, wenn wir sie als Person ansehen wollen. Die Alraune weiß auf alle Fragen die richtige Antwort und Merling könnte einen Schutzzauber herstellen."
Unwillkürlich musste El Pitto Gomo schmunzeln. Jedermann wusste, wie sehr die Mutter Jannies den Schmuddeltopf, in dem Merling seine Tränke braute, verabscheute. Und jetzt brachte sie ihn selbst zur Sprache.
Quatzkotl räusperte sich. Seine Mundwinkel zuckten verdächtig. In seiner Gestalt als Goldener sah er aus wie ein richtiger Mensch, wenn ihm seine goldene Haut auch einen exotischen Anstrich verlieh.
"Die Idee ist in der Tat ausgezeichnet. Einige von uns suchen also Merling auf. Wie kommen sie hin?"
"Du kannst vielleicht Fragen stellen!" fuhr Cillie auf. Cillie, die Gemahlin des Drachen und Tochter Merlings, war für ihr hitziges Temperament bekannt. "Du kannst doch nicht erwarten, dass sich unsere Abordnung zu Fuß zum Haus meines Vaters begibt."
Merling lebte inmitten der Wälder des Siebengebirges. Man kam nur zu ihm, wenn man seine Schritte immer genau dahin richtete, wo der Wald am dichtesten war. Wenn man nicht mehr weiter gehen konnte, war man am Ziel. Dieser Marsch war äußerst beschwerlich. Cillie hatte Recht, wenn sie meinte, dass dies in der jetzigen Situation unzumutbar war.
"Dann lass uns fliegen," schlug Quatzkotl vor. "Am besten wird es sein, wenn du mitkommst. Er wird sich freuen, seine Tochter wieder zu sehen."
Jetzt war es wiederum an der Zeit zu schmunzeln. Merling war dafür bekannt, dass er äußerst menschenscheu war. Er liebte es gar nicht, in seiner Abgeschiedenheit gestört zu werden. Es war ihm am liebsten, allein gelassen zu werden. Auch für seine Tochter machte er da keine Ausnahme. Cillie würde sich also erst einmal einige Grummeleien gefallen lassen müssen, wenn sie mitkommen würde. Andererseits hatte Quatzkotl Recht, wenn er darauf hinwies, dass sie ihren Vater in der letzten Zeit arg vernachlässigt hatte. Sie würde sich vor einem Besuch kaum drücken können. Er hatte es seiner Frau nett heimgezahlt.
Cillie knuffte ihrem Gatten in den Magen.
"Gut! Du hast mich überredet. Ich komme mit."
Sofort machten sie sich auf den Weg, denn es galt wirklich, keine Zeit zu verlieren. Sie gingen allesamt in den Schlosshof, wo sich Quatzkotl in seine natürliche Gestalt verwandelte: Er wurde zu einem gewaltigen, vierbeinigen, grünen Drachen. Cillie konnte als Hexe jede beliebige Gestalt annehmen. Als Gemahlin des Königs der Drachen aber verwandelte sie sich selbstverständlich auch in einen Drachen, aber in einen roten. Aus Respekt vor Quatzkotl achtete sie darauf, dass sie etwas kleiner war als er. Aber wirklich nur ein wenig. Gerade so, dass man den Größenunterschied so eben feststellen konnte.
Um Merling nicht unnötig zu verärgern, sollten nur wenige Personen mitfliegen: Richard, seine Gemahlin, Jannie und Hieronto, die ja am stärksten betroffen waren, sowie El Pitto Gnomo als alter Freund der Familie. Und natürlich Quetzalkoatlus, der immerhin Merlings Enkel war.
Die Drachen hoben ab, als sich alle auf ihren Rücken verteilt hatten. Quetzi flog allein. Er war noch zu jung, um den Packesel zu spielen.

***

Auf dem Rücken eines fliegenden Drachen war die Reise zu Merling kaum der Rede wert. Das machtvolle, brausende Rauschen der Drachenschwingen verebbte, kaum dass es erklungen war. Schon nach kurzer Zeit gingen die Riesen in einen schwebenden Sinkflug über, der exakt über Merlings Lichtung endete. Mit lautem Flügelschlag landeten die Drachen. Das Haus teilte sich und der kleine Zauberer mit dem Gnomengesicht watschelte heraus.
"Was soll der Lärm?" regte er sich auf. "Ich bin ein alter Mann und brauche meine Ruhe. Lärmende Drachenansammlungen kann ich auf meiner Lichtung nicht gebrauchen."
Merling war von seinen Fähigkeiten her ein wirklich großer Magier. Da er aber seine Ruhe über alles liebte, war er wegen seiner Grantigkeit gefürchtet. Wie leicht konnte er sich in seinem Zorn vergessen und seinen Gegenüber in einen Frosch verwandeln!
Cillie verwandelte sich schnell in ein großes Heftpflaster und legte sich ihrem Vater über den Mund. Sofort war Stille. Das kleine Gnomengesicht lief rot an. Hoffentlich erstickte Merling nicht an dem Wutausbruch, den er hinunterschlucken musste!
Quatzkotl lenkte den Kleinen schnell ab.
"Merling, bitte höre mir zu. Jannie soll von einem Mörder getötet werden. Wir haben keine Zeit zu verlieren. Bitte mache uns einen Schutzzauber!"
"Hmmpff! Pfffft!" machte Merling.
"Was meinst du?" fragte Quatzkotl.
Cillie verwandelte sich vom Pflaster in einen Stein. Sie fiel von Merlings Mund ab und verfehlte dessen Füße nur sehr knapp!
"Was denkt ihr euch eigentlich, mir den Mund zu verbieten!" regte sich der Kleine auf. "So eine Respektlosigkeit. Und das von meiner eigenen Tochter! Wenn es nicht um Jannie ginge, könntet ihr euch gleich alle zum Teufel scheren!"
Dabei sprang er wütend auf und ab und fuchtelte mit den Armen. Sein nicht ganz sauberes Gewand erbebte im Rhythmus seiner heftigen Bewegungen.
Sein Ausbruch wurde von seinen Besuchern mit Gleichmut ertragen. Schließlich beruhigte er sich auch wieder. So ganz aber doch nicht:
"Für einen simplen Schutzzauber könnt ihr in jede Apotheke gehen. Dafür gebe ich mich nicht her. Ich bin doch kein Quacksalber, sondern ein echter Magier." brummelte er.
"In Jannies Fall muss es schon ein besonderer Schutzzauber sein," versuchte Quatzkotl ihm zu schmeicheln. "Sie ist ernsthaft bedroht. Darum braucht sie den besten Schutz, den sie bekommen kann."
Merling hob trotzig das Kinn:
"So, so! Was ist das denn für ein Mörder? Will er sie mit einer Waffe töten oder unter Anwendung von Magie? Haben wir es mit einem Menschen zu tun oder mit einem magisch begabten Wesen?"
Hieronto erklärte es ihm, so gut er konnte.
Merling schüttelte den Kopf.
"So soll ich arbeiten? Du weißt nur, dass die Graue Gilde eine Erfolgsquote von 100% hat. Du weißt aber nicht, wie ihre Mitglieder aussehen. Du weißt nicht, ob sie magisch begabt sind. Du weißt nicht, welche Waffen sie benutzen. Du weißt praktisch nichts. Was soll ich denn dann für einen Schutzzauber anwenden? Ein Schutzzauber ist umso stärker, je spezialisierter er ist. Es gibt Schutzzauber gegen Metall, gegen Holz, gegen Menschen, gegen Tiere, gegen Kobolde, gegen Drachen..."
"Wir brauchen nur einen gegen die Graue Gilde!" warf Quatzkotl ein. "Wenn es so einfach wäre, würden wir dich nicht belästigen. Du bist der größte aller Magier. Also mach’ was!"
Merling fühlte sich geschmeichelt. Natürlich liebte er Jannie, wie jeder andere im Königreich auch und er würde alles tun, um ihr zu helfen. Aber er hatte auch einen gewissen Ruf zu verteidigen: Den Ruf des unverbesserlichen Griesgrams und Sonderlings. Andererseits durfte er den Bogen auch nicht überspannen. Er wurde also sachlich.
"Einen Schutz gegen die Graue Gilde kenne ich nicht. Es gibt aber einen Weg, einen solchen zu erzeugen. Vor vielen Jahren habe ich einmal so einen ähnlichen Schutz gebraut. Damals ging es aber gegen einen anderen Magier, der so begabt war, dass ein spezialisierter Schutz wirkungslos geblieben wäre. Lasst mich mal meinen Topf holen."
Sofort schauten alle zu Richards Gemahlin herüber, deren Abneigung gegen Merlings Topf schon sprichwörtlich war. Merling pflegte seinen Kessel, in dem er die unglaublichsten Dinge erzeugte, nämlich niemals zu reinigen. Das Ding war schon Jahrhunderte alt und von einer phänomenalen Schmutzschicht bedeckt. Innen wie außen. Die Königin aber war natürlich eine äußerst reinliche Frau, wie es sich für eine anständige Königin gehörte, und verabscheute den Bottich aus tiefster Seele.
Jetzt jedoch hielt sie sich tapfer. Nur leichtes Ekelgrün überzog ihre königlichen Wangen.
Merling schnaubte kurz und begab sich zu seinem Häuschen. Aus einem verborgenen Winkel zog er unter großer Anstrengung besagten Schmutzkübel hervor und schleppte ihn ächzend zur Mitte der Lichtung.
Anschließen zog er aus den Falten seines Gewandes ein dickes Buch hervor.
"Zauberbuch!" kommentierte er sein Tun. "Diesen Schutztrank mache ich so selten, dass ich das Rezept immer nachschlagen muss."
Er öffnete den dicken Folianten und blätterte murmelnd darin herum.
"Hmmm! Schutz gegen Gifte, Bösen Blick, Zeckenbisse!"
Er wurde nicht so schnell fündig. Die Besucher begannen sich zu langweilen. Jannie und Hieronto verließen die Gruppe und nahmen auf einem großen Baumstumpf Platz. Eng aneinandergekuschelt warteten sie auf die Erleuchtung, die dem Magier hoffentlich bald kommen würde.
"Jawoll! Ich hab’s!" rief er plötzlich. "Da steht es: Zaubertrank gegen große, unbekannte Gefahren mit allgemeiner Absicherung gegen Metalle, natürliche Materialien und magische Einflüsse unter besonderer Berücksichtigung nicht exakt definierbarer Gefahrenquellen und Auftragsmorde. Die Rezeptnennung erfolgt unter Ausschluss jeglicher Haftung und Gewährleistung seitens des Erfinders der Rezeptur. Auch eine Haftung für Spätfolgen und Kolateralschäden kann nicht übernommen werden. Erzeugung und Anwendung des Zaubers erfolgen immer auf eigene Gefahr!"
Nach einer kurzen, andächtigen Pause schaute er auf.
"Donnerwetter, der Magier, der diesen Zauber entdeckt hat, war nicht nur auf magischem Gebiet eine Kapazität. Er muss auch Jurist gewesen sein."
Dann wurde er aktiv. Quicklebendig sprang er zwischen seinem Haus und dem Topf hin und her. Mal trug er kleinere Beutel heran, deren Inhalt er in den Topf schüttete, dann wieder ganze Säcke. Es war unglaublich, was dieser Bottich alles schluckte, ohne überzulaufen. Es folgten noch eine ganze Reihe unappetitlicher Dinge, über deren Aussehen und Geruch wir lieber den Mantel des Schweigens hüllen wollen. Schließlich schloss er die Füllungsprozedur ab, indem er Jannie ein Haar ausriss und hineinwarf.
"Schließlich muss der Trank wissen, wen er schützen soll!" erklärte er.
Jannie war froh, nicht selbst in den Topf steigen zu müssen und nahm den Zupfer hin.
Merling nahm wieder das Buch auf und ließ seinen Zauberstab kreisen.
"Asante na wewe ubaki salama. Nisaidie, tafadhali. Memsaab Jannie. Hapana msiba usiokuwa na mwenziwe!”
Die seltsamen Ingredienzien des Topfes begannen sich zu verflüssigen. Sie dampften und schrumpften zusammen, bis eine klare, brodelnde Flüssigkeit entstand, die bis an den Rand des Kübels reichte. Merling hob den Zauberstab ein letztes Mal und rief laut: "Graue Gilde!"
Das Brodeln verstärkte sich. Die klare Flüssigkeit nahm eine graue Farbe an. Bunte Schemen umkreisten das Gefäß. Merling zog sich aus der unmittelbaren Nähe der magischen Aktivitäten zurück und gesellte sich zu seinen Besuchern, die den Abstand zur Lichtung respektvoll vergrößerten. Gebannt blickten sie auf das brodelnde Geschehen inmitten der Lichtung.
Plötzlich schwoll das Blubbern enorm an. Der Inhalt des Kübels quoll dampfend heraus und explodierte mit einem gewaltigen Bums. Grauer Nebel umhüllte sie. Als sich das Grau wieder verzogen hatte, gab es den Blick auf den einsam auf der Lichtung stehen Topf frei. Doch, oh Wunder: Schon von weitem konnte man erkennen, dass dieser leuchtete, als sei er nagelneu. Kein Schmutz, keine Beule, kein Kratzer mehr. Merling war zutiefst erschüttert.
"Bist du sicher, dass du den richtigen Spruch abgelassen hast, Alterchen?" grinste El Pitto Gnomo. "Wir haben einen Schutzzauber und keinen Putzzauber gesucht."
Merling warf ihm einen giftigen Blick zu und ging zu seinem Topf. Alle kamen mit, denn es war nicht anzunehmen, dass noch eine Gefahr von dem Ding ausging.
Zu aller Überraschung war der Topf leer. Ungläubig starrte Merling hinein. Nichts, aber auch gar nichts war drin.
"Das glaube ich nicht!" krächzte er. "Das ist mir noch nie passiert!"
"Meinst du, dass der Topf sauber ist oder dass er leer ist?" fragte die Königin, die Merling die Schmach insgeheim gönnte, kühn. Merling hatte sie so viele Jahre hindurch mit dem grässlichen Ungetüm schockiert, dass dessen wundersame Reinigung die Furcht um ihre Tochter für einen Moment glatt verdrängt hatte.
"Beides!" gab er zu. "Mit einem sauberen Topf kann niemand zaubern. Das weiß doch jeder."
"Was machen wir jetzt?" meldete sich Jannie. "Der Zauber hat nicht gewirkt. Wir stehen wieder da, wo wir am Anfang waren. Was machen wir nun?"
Merling wandte sich ihr zu und blickte sie ernst an.
"Es stimmt nicht, dass wir wieder da stehen, wo wir am Anfang standen. Wir haben eine wichtige Erkenntnis gewonnen."
Alle schauten ihn an.
"Was für eine Erkenntnis?" fragte Cillie.
"Ich habe das stärkste Zaubergemisch verwendet, das ich kenne. Wenn der Topf nichts Verwertbares produziert hat, dann heißt das, dass es keinen Schutzzauber gegen die Graue Gilde gibt. Tut mir Leid!"

***

Wenn du in den Lebensbereich der Zielperson eingetreten bist, so lerne! Lerne ihre Umgebung kennen, ihre Freunde, ihre Vorlieben. Lerne alles über sie. Erst wenn du genug über sie weißt und zufällige Ereignisse, die deinen Auftrag behindern könnten, ausschließen kannst, töte sie.
Vierzehntes Gebot des Lebensbuchs der Grauen Gilde

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"Das muss es sein!" stellte Inanuk fest, als sie die Stadt am Rhein erblickten.
Sie standen auf einem kleinen Hügel, der ihnen den Blick auf das Rheintal ermöglichte. Vor ihnen erstreckte sich eine weite Ebene, auf der sich eine Bauernschaft bis weit in das Land hinein erstreckte. Saubere Gehöfte befanden sich inmitten gepflegter Äcker und Gärten. Der Frühling hatte seine ersten Fühler bereits in dieses Tal gestreckt. Schnee und Eis waren geschmolzen, der Schlamm getrocknet und erste zartgrüne Blattspitzen zeigten sich an den Zweigen von Büschen und Bäumen.
"Es sieht wunderschön hier aus!" stellte Nanawok fest. "Ich könnte mich hier wohl fühlen."
"Ich auch!" bestätigte sein Vater. "Aber lass uns weitergehen. Ich bin neugierig auf die Menschen, die hier leben."
Sie schritten den Hügel hinab, bis sie wieder an den Weg kamen, den sie kurz zuvor verlassen hatten, um einen besseren Überblick zu bekommen. Der Pfad führte sie geradewegs zum nächsten Dorf. Spielende Kinder und freundlich dreinblickende Erwachsene zeugten davon, dass die Menschen hier mit sich und ihrer Welt zufrieden waren.
Inanuk ging ohne Umschweife auf den ersten Mann zu, den er erblickte. Er begrüßte ihn höflich und fragte:
"Seid Ihr bitte so freundlich, mir den Weg zur Stadt Königswinter zu zeigen? Wir sind Reisende, die des Übernachtens unter freiem Himmel überdrüssig sind und eine ordentliche Unterkunft suchen."
Der Angesprochene blickte Inanuk zunächst mit vorsichtigem Misstrauen an und antwortete:
"Dieser Weg führt Euch direkt zum Rheinufer. Ihr könnt dort mit einer Fähre übersetzen. Doch sagt mir, welche Geschäfte führen Euch hierhin? Ist es die Suche nach Reichtum oder Abenteuern?"
Inanuk wiederholte das Sprüchlein, das er schon bei Hüppes aufgesagt hatte.
"Nein, Reichtum ist es nicht. Nach Abenteuern suche ich auch nicht. Wir sind Beauftragte eines Kaufmanns, der von einem Land gehört hat, in dem es Magie geben soll. Unser Auftrag ist es, dieses Land zu suchen und in Erfahrung zu bringen, ob es sich lohnt, dort Handel zu treiben."
"Wie ein Kaufmann seht Ihr aber nicht aus," stellte der Mann fest.
Inanuk lächelte. Sein Gegenüber war nicht dümmer als Hüppes.
"Ihr könnt Euch denken, dass eine Kaufmannsseele für einen solchen Auftrag nicht geeignet ist. Etwas Abenteuerblut sollte man schon in den Adern haben. Aber Ihr könnt sicher sein, dass uns nicht die Gier nach Gold zu Euch treibt."
"Das hört sich nach einer ehrlichen Antwort an," bemerkte der Mann. "Abenteurer haben wir nämlich genug. Königswinter ist voll von ihnen. Aber geht nur immer weiter der Nase nach. Ihr werdet schon selbst sehen, was ich meine."
Inanuk und Nanawok verabschiedeten sich freundlich und gingen weiter des Wegs, bis sie am Ufer des Rheins standen. Ein Fährschiff lag dort bereit.
Inanuk deutete auf die andere Seite des Flusses.
"Ist das Königswinter?"
Der Fährmann nickte eifrig.
"Ja, das ist die Stadt, die wir zu Ehren unseres Königs errichtet haben. Wenn Ihr etwas braucht, werdet Ihr es dort finden."
"Sprichst du von König Richard, der eine Tochter mit magischen Fähigkeiten hat?"
"Oh, ja! Die Tochter heißt Jannie. Sie ist die Sonne dieses Landes. Ihr Haar ist golden wie die Strahlen der Sonne und bringt dem Glück, der es berühren darf."
Inanuk schaute den Mann fragend an.
"Das hört sich an, als ob Ihr ein Dichter seid, mein Freund. Ist die Prinzessin wirklich so schön, wie es sich anhört?"
"Schöner! Vor vielen Jahren ist Jannie von einem mächtigen Zauberer entführt worden, weil er die Magie ihres Haares für sich nutzen wollte. Vom Tag ihres Verschwindens an zog das Unglück in dieses Tal ein. Die Sonne wollte nicht mehr scheinen und die Ernte verdorrte auf den Feldern. Ihr könnt es mir glauben! Ich habe es selbst erlebt!"
Inanuk und Nanawok sahen sich vielsagend an. Der Fährmann hatte wohl einen starken Hang zum Alkohol. Anders waren seine blumigen Worte nicht zu verstehen.
Sie ließen sich übersetzen. In Königswinter suchten sie gleich darauf nach einer passenden Herberge. Königwinter war für hiesige Verhältnisse schon ein sehr ansehnliches Städtchen. Es konnte sich zwar nicht mit Rotter messen, aber, so meinten sie, dafür war der Rhein auch nicht das Meer. Seite an Seite gingen sie durch die Stadt. Aufmerksam betrachteten sie das Leben und Treiben in den Straßen. Dabei fiel ihnen auf, dass es offensichtlich drei Parteien in Königswinter gab. Auf der einen Seite gab es die Landbevölkerung, die in die Stadt kam, um ihre Besorgungen zu machen. Dann gab es die Städter, die hier lebten. Und schließlich die Besucher und Abenteurer, die hier kurz Station machten, um sich auf ihren Marsch in die Alte Welt vorzubereiten. Alles in allem herrschten großer Trubel und viel Getümmel auf den Straßen. Königswinter platzte aus allen Nähten. Nach einer Zeit erreichten sie die Randzone der Stadt. Dort entdeckten sie eine kleine Herberge, die von außen so gepflegt aussah, dass sie sich sofort von ihr angezogen fühlten.
Sie traten ein und wurden vom Herbergsvater empfangen, der sie zuvorkommend begrüßte und nach ihrem Begehr fragte. Auf den ersten Blick wirkte der Mann befremdend, denn sein Körper war verwachsen. Der Rücken wurde von einem großen Buckel verunziert. Außerdem waren seine Beine kurz und krumm wie Säbel. Doch sein Blick war so offen und ehrlich, dass Inanuk keinen Grund fand, den Mann aufgrund seiner äußeren Erscheinung abzulehnen. Er stellte Nanawok und sich in der schon bekannten Art und Weise vor.
"Wir suchen eine Bleibe in dieser Gegend und Euer Haus gefällt uns sehr," schloss er.
Der Wirt fühlte sich geschmeichelt.
"Das liegt bestimmt daran, dass wir etwas außerhalb des ganzen Trubels liegen," meinte er. "Leider sind auch wir bis unter das Dach ausgebucht. Ich kann Euch nur noch eine winzige Dachkammer anbieten. Sie ist aber wirklich so klein, dass ich sie Euch kaum zeigen möchte. Wenn Ihr es wünscht, werde ich Euch trotzdem gerne hinführen."
Inanuk nickte zustimmend. Es war kaum anzunehmen, dass es ihnen in anderen Herbergen besser gehen würde als hier. Der Wirt schien ein ehrlicher Mann zu sein. Zumindest war er aufrichtig bemüht, ihnen zu helfen. Warum also nicht?
Der Herbergsvater führte sie durch den Schankraum zu einer schmalen Stiege, die steil nach oben führte. Mühsam stapfte er die ächzende Treppe hinauf. Inanuk und Nanawok folgten ihm. Oben schloss sich ein enger Korridor an, dem sie folgten, bis sie eine Leiter erreichten, die wiederum nach oben führte und an einer winzigen Tür endete. Der Wirt kletterte hoch und stieß sie auf.
"Bitte schaut nach. Ich überlasse sie euch für einen Heller die Nacht," schnaufte er, als er wieder unten war.
Inanuk stieg nun seinerseits hinauf und blickte durch das Loch in der Wand. Die Kammer erinnerte ihn eher an einen Hühnerstall als an ein Zimmer. Bis auf zwei Pritschen, die sich jeweils links und rechts an die Wände schmiegten, war der Raum leer.
Inanuk blickte auf den Wirt herab.
"Ich weiß nicht, ob wir unter freiem Himmel nicht vielleicht besser aufgehoben wären."
Der Wirt wand sich.
"Ich will ehrlich zu Euch sein. Meine Herberge ist seit Monaten ausgebucht. Wie jede andere in der Stadt auch. Leider besteht der größte Teil meiner Gäste aus Abenteurern, denen man nicht vertrauen kann. Ich muss ständig auf der Hut sein, nicht ausgeraubt oder bestohlen zu werden. Leider kann ich mir meine Gäste nicht aussuchen und muss jeden aufnehmen der kommt. Euch beiden aber möchte ich liebend gern als Gäste bei mir aufnehmen. Ich besitze eine gute Menschenkenntnis und irre mich selten. Ihr und Euer Sohn seht ehrlich aus. Bitte bleibt. Ich habe Euch ja schon gesagt, dass ich Euch den Raum kaum zeigen kann. In den nächsten Tagen wird ein besseres Zimmer frei. Ihr könnt es bekommen, sobald es frei ist. Diesen Raum hier könnt ihr solange kostenlos benutzen."
Inanuk nickte seinem Sohn zu.
"Einverstanden. Wir nehmen es."
Damit war die Sache abgemacht. Die beiden Grauen bezogen ihre winzige Unterkunft und waren es im Prinzip zufrieden, denn sie brauchten zum Schlafen nicht viel Platz. Tagsüber würden sie sowieso meistens unterwegs sein.

***

Die königliche Gesellschaft war geschockt. Selbst Merling, der größte aller Magier, konnte keinen Zauber herstellen, mit dem die Gefahr, die von der Grauen Gilde ausging, gebannt werden konnte? Unvorstellbar! Aber die Tatsachen sprachen für sich: Der Topf war leer und Merling ratlos.
"Bist du sicher?" fragte Richard den Gnom ungläubig.
"Absolut!" bekräftigte dieser. "Wenn es einen Zauber, Bannspruch und Trank geben würde, der gegen die Gilde helfen würde, dann wäre dieser Topf nicht leer. Ich kann euch nur empfehlen, die Weiße Alraune aufzusuchen. Vielleicht kennt sie einen Ausweg. Ich für meinen Teil kenne keinen!"
Nach einigen Schweigeminuten bestiegen alle Anwesenden bis auf Merling, der den Blick nicht von seinem sauberen Topf losreißen konnte, auf die Drachen. Die Ungeheuer hoben rauschend ab und flogen zur Weißen Alraune.
Der Eingang zur Höhle, in der die Alraune lebte, war wie immer von Knurps, dem halbzahmen Troll, bewacht.
"Wer da?" grunzte das riesenhafte Monstrum, das allein durch seinen Anblick auch dem verwegensten Ritter weiche Knie verschaffen konnte.
"Gut Freund!" riefen alle wie aus einem Munde.
Knurps war in der Tat ein Freund der Familie. Er war aber auch so unvorstellbar dumm und gewalttätig, sodass es vorkommen konnte, dass er einfach vergaß, dass er Freunde nicht zu Brei schlagen durfte. Zum Glück war er aber auch recht gutmütig und liebte Jannie von ganzem Herzen. Ihr würde er nie etwas tun.
Knurps erkannte seine Freunde nach sorgfältiger Musterung und grinste gutmütig sein furchtbares Trollgrinsen, das einem normalen Menschen das Blut in den Adern gefrieren lassen konnte.
"Kommen spät. Alraune sagen, dass kommen werden. Ich gewartet!" kauderwelschte er. Trolle können normalerweise nicht sprechen, weil sie dafür zu dumm sind. Knurps war aber bei Merling aufgewachsen und hatte bei ihm vielerlei gelernt. Sogar das Sprechen. Merling seinerseits behauptete aber, das sei kein Zeichen von Klugheit. Knurps wäre vielmehr so dumm, dass er gar nicht wisse, dass er eigentlich gar nicht sprechen könne. Aber diese Meinung wurde allgemein nicht anerkannt.
"Die Alraune hat uns erwartet?" fragte Jannie ungläubig.
Knurps verstand die Frage nicht. Die Menschen waren immer so kompliziert. Aber Jannie war nett! Er grinste breit. Damit war für ihn die Frage beantwortet.
Die Gesellschaft betrat die Höhle. Ein kurzer Gang endet in einer kleinen, runden Höhle. Alle verteilten sich an den Wänden, sodass in der Mitte ein kleiner Raum frei blieb.
Jannie trat in die Mitte des Kreises und begrüßte die Alraune so höflich, wie es üblich war:
"Weiße Alraune, ich habe eine Frage, die mich sehr bedrückt. Ich bitte dich, mir zu helfen."
"Dann formuliere bitte deine Frage, Jannie. Du weißt, ich weiß auf alle Fragen eine Antwort. Bedenke aber, dass du nur eine Frage hast.
Jannie holte tief Luft.
"Die Graue Gilde hat den Auftrag angenommen, mich zu töten. Wie kann ich davor geschützt werden, dass die Graue Gilde ihren Auftrag erfolgreich durchführt?"
Die Weiße Alraune antwortete:
"Keine Sorge. Keine Gefahr."

***

Wie fast immer bei Besuchen bei der Alraune, zogen alle Anwesenden zunächst einmal betroffene Gesichter und verließen enttäuscht die Höhle.
"Das ist ja mal wieder eine Antwort gewesen!" schimpfte El Pitto Gnomo. Der Kobold war ein Mann aus echtem Schrot und Korn. Er pflegte alle Probleme direkt und ohne Umschweife anzugehen. Das unklare Geschwafel der Alraune war ihm stets ein Dorn im Auge.
"Was willst du von einer Pflanze schon erwarten," knurrte auch Quatzkotl. "Sie hockt jahraus jahrein in ihrer Höhle und macht sich Gedanken. Das kann ja nicht gut gehen!"
Richards Gattin bemühte sich, die Stimmung wieder zu heben.
"Wir sollten die Köpfe nicht hängen lassen. Die Antworten der Alraune sind immer interpretationsbedürftig. Lasst uns überlegen. Zusammen werden wir eine Lösung finden."
"Einverstanden!" sagte Hieronto. "Keine Sorge. Keine Gefahr. Soll das heißen, dass wir uns keine Sorgen um Jannie machen sollen, weil keine Gefahr besteht? Oder soll das heißen, dass keine Gefahr für Jannie besteht, wenn wir uns keine Sorgen um sie machen?"
Betreten schauten sie sich an. Keiner hatte eine Lösung zur Hand.
Quatzkotl ergriff die Initiative.
"So kommen wir nicht weiter," stellte er fest. "Merling ist gescheitert und bei der Alraune sind wir auch nicht fündig geworden. Gibt es noch jemanden, der uns helfen könnte?"
"Lilly!" schlug Jannie vor. "Immerhin ist sie gut mit einem Fürsten der Finsternis bekannt."
"Dommerjahn!" überlegte Quetzalkoatlus laut. "Als Traumwächter ist er mit Sicherheit eine gute Adresse."
Sie überlegten hin und her. Lilly schied nach kurzer Zeit als mögliche Hilfe aus. Sie lebte mit Theron, dem Herren der Todesritter, zusammen. Im Moment wusste niemand, wie und wo man sie erreichen konnte.
Dommerjahn hatte die Angewohnheit, alle Ratsuchenden für lange Zeit in seinen Dienst zu nehmen, bis sie seinen Rat bezahlt beziehungsweise abgearbeitet hatten. Jannie aber gehörte in diese Welt. Sie musste nach Möglichkeit hier bleiben.
"Dann bleibt uns nur noch eins!" meinte Cillie. "Wir müssen die Hydra fragen. Sie ist zwar schrecklich, aber alt und weise. Sie kennt die Welt schon seit vielen Jahrhunderten. Sie wird etwas über die Graue Gilde wissen."
Die Hydra war die Patentante von Quetzalkoatlus und eine Drachendame, die völlig aus der Art geschlagen war. Sie besaß neun Köpfe. Außerdem konnte sie kein Feuer speien, wie ein richtiger Drache, sondern besaß Giftzähne mit einem Gift, gegen das es kein Gegenmittel gab. Selbst die Fürsten der Finsternis mussten es fürchten.
"Wer wird sie aufsuchen?" fragte Richard.
"Natürlich ich!" antwortete Quatzkotl. "Ich weiß zwar nicht so genau, wo ich sie finden kann, denn seit Atlantis untergegangen ist, hat sie keinen festen Wohnsitz mehr. Aber irgendwo werde ich sie schon noch aufspüren."
"Wie sorgen wir aber in der Zwischenzeit für Jannie?" fragte Hieronto, den die Sorge um seine Verlobte nicht los ließ.
"Ich schlage vor, dass sie das Schloss nicht verlässt, bis ich zurückgekommen bin," sagte Quatzkotl. "Solange wir nicht wissen, was es mit der Gilde auf sich hat, können wir nicht vorsichtig genug sein."
Jannie schüttelte energisch den Kopf.
"Das könnt ihr euch aus dem Kopf schlagen!" erklärte sie bestimmt. "Was wissen wir, was die Gilde alles kann? Vielleicht können sie ihre Opfer mit einem Fernzauber töten. Vielleicht können sie den Palast zum Einsturz bringen, um mich von den Steinen erschlagen zu lassen. Vielleicht können sie sich aber auch in eine beliebige Person verwandeln, der wir arglos vertrauen. Nein! Da wir nicht wissen, was hilft, möchte ich weiterhin ein möglichst normales Leben führen. Ich finde, dass wir bei dem Vorschlag bleiben sollten, den wir gleich zu Beginn hatten: Wir bilden eine Leibwache, die mich überallhin begleitet. Ans Haus fesseln lasse ich mich nicht!"
Jannie mochte eine liebliche Prinzessin sein. Sie war aber auch erwachsen genug, um ihre eigenen Entscheidungen treffen zu können. Ihre Argumente konnte niemand widerlegen. So blieb es denn dabei: Der Drachenkönig machte sich auf die Suche nach der Hydra und der Rest bildete eine Leibwache, die Jannie rund um die Uhr bewachte.

***

Die Ausführung des Auftrags steht ausschließlich dem beauftragten Mitglied der Gilde zu. Sobald dir der Auftrag durch den Gildemeister erteilt worden ist, steht die Zielperson unter deinem persönlichen Schutz. Du bist dafür verantwortlich, dass sie ausschließlich durch deine Hand stirbt. Versucht ein anderer, ihr Schaden zuzufügen, so töte ihn. 
Dreizehntes Gebot des Lebensbuchs der Grauen Gilde

.
Der nächste Tag fand die beiden Grauen schon früh in den Gassen Königswinters wieder. Sie hatten sich ein reichhaltiges und - wie sie zugeben mussten - ausgezeichnetes Frühstück genehmigt. Vor ihrem Aufbruch hatten sie ihren Wirt darauf hingewiesen, dass sie sich in der Gegend umsehen wollten und es durchaus sein konnte, dass sie für ein paar Tage abwesend sein würden. Er brauche sich also nicht weiter zu beunruhigen. Sie würden schon wiederkommen.
Nun waren sie unterwegs, um die Gegend zu erkunden. Schon bald ließen sie den Trubel der Stadt hinter sich. Sie spazierten am Rheinufer entlang, wo schon die ersten Kauffahrer mit ihren Schiffen angelegt hatten, um ihre Waren zu entladen. Das laute Gebrüll der Schauerleute vermischte sich mit dem nervtötenden Gekreisch der Möwen, die mit Hingabe nach verwertbaren Resten Ausschau hielten.
Der Frühling hatte schon Einzug gehalten. Hier war der Rhein schon ein gutes Stück vollkommen eisfrei. Es war nur eine Frage der Zeit, bis auch die Strecke nach Rotter wieder in Gänze schiffbar sein würde. Dann würde Hüppes hier auftauchen, um Jannie und ihren Verlobten abzuholen. Bis dahin würden die beiden Grauen aber auch ihren Auftrag erledigt haben. Hieronto würde allein in seine Heimat zurückkehren müssen.
Die beiden verließen nun die Hafengegend und richteten ihre Schritte auf den Berghang zu, auf dem sich das Schloss Drachenburg erhob.
"Das muss der Drachenfels sein!" vermutete Nanawok.
Sein Vater nickte.
"Eigentlich ein erhebender Anblick, wenn man bedenkt, dass diese Burg das Wahrzeichen für den Beginn der Alten Welt ist."
Auch Nanawok konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass diese Stadt und diese Burg etwas ganz Besonderes waren.
Nebeneinander nahmen sie die Steigung in Angriff. Schon nach wenigen Schritten nahm ihnen der dichte Wald, der den Pfad links und rechts säumte, die Sicht auf die Häuser Königswinters. Erst nach einem längeren Marsch ließ die Steigung leicht nach. Sie hatten eine Lichtung erreicht, an der sich der Weg gabelte. Gleichzeitig wichen die Bäume zurück und gaben die Sicht auf die schon tief unter ihnen liegende Stadt frei. Dahinter zog sich das silbern schimmernde Band des Rheins hin. Über allem wölbte sich der blaue Himmel, an der die Sonne ihre Bahn zog. Sie stand schon hoch am Himmel. Es war Mittagszeit.
"Es ist wunderschön!" stellte Nanawok fest.
Inanuk nickte zustimmend.
"Nicht nur das. Es macht auch Hunger."
"Wir könnten uns gleich nach etwas Essbarem umsehen. Im Moment ist niemand da, der uns beobachtet," schlug Nanawok vor.
"Nein! Lass uns noch etwas weitergehen. Der Weg rechts führt uns zur Burg. Links geht es weiter in Richtung Finsterwald. Ich möchte noch einen Blick auf ihn werfen. Vielleicht können wir dort auch jagen."
Nanawok stimmte seinem Vater zwar nicht so ganz zu, wollte die gute Stimmung aber nicht durch Widerworte zerstören. Mochte der Magen auch noch so knurren: Er folgte Inanuk, der bereits dem linken Arm des Weges folgte.
Sie waren etwa eine Stunde lang gewandert, als sie plötzlich Waffengeklirr und laute Flüche hörten. Sie schritten schneller aus. Hinter einer Biegung konnten sie die Ursache des Lärms erkennen: Dort fand ein Kampf statt! Eine kleine Gruppe von Menschen wurde von einer weitaus zahlreicheren Schar von Angreifern, die zum Teil beritten war, bedrängt.
Die kleinere Gruppe war bereits stark in die Defensive gedrängt worden, hielt sich aber trotz ihrer Unterzahl sehr wacker:
Ein hässlicher kleiner Kerl, der einen gewaltigen Zweihänder schwang, stand trotz seiner geringen Körpergröße wie ein Fels inmitten einer Gruppe von fünf Angreifern, die mit aller Macht versuchte, ihm den Garaus zu machen. Doch trotz aller Bemühungen, kam sie einfach nicht an ihn heran, denn der Kleine führte eine furchtbare Klinge. Machtvoll ließ er die scharfe Schneide kreisen, ohne sich auch nur für einen Sekundenbruchteil eine Blöße zu geben.
Zwei weitere Kämpfer trugen die Tracht der Samurai des Landes der Aufgehenden Sonne. Sie standen Rücken an Rücken und zeigten, dass mit dem Langschwert eines Samurai nicht gut Kirchen essen war. Ihre Lage war aber prekär, denn die Angreifer beschränkten sich nicht darauf, in ritterlicher Fairness Mann gegen Mann gegen die beiden anzutreten, sondern suchten ihr Glück darin, ihnen zusätzlich mit seitlich geführten Angriffen mittels Hellebarden den Garaus zu machen. Dem jüngeren Mann hatten sie bereits eine tiefe Stichwunde beigebracht. Der rechte Oberschenkel blutete stark. Lange würde er sich nicht mehr halten können.
Ein kleiner schwarzer Drache komplettierte das Verteidigerteam. Die Angreifer hatten ein Netz über ihn geworfen, das seine Bewegungsfähigkeit stark einengte. Der Kleine ließ sich zwar nicht packen, konnte sich aber auch nicht aus dem Gewebe des Netzes befreien. Hin und wieder zischte ein weiß glühender Feuerstrahl aus seinem Rachen, der das Netz an den Stellen, an denen er auftraf verkohlte. Völlig abschütteln konnte er die lästige Falle aber nicht. Die Angreifer wiederum hielten sich zurück. Ganz offensichtlich hatten sie gehörigen Respekt vor dem kleinen Sechsbeiner. Wenn sie aktiv wurden, dann nur, um das Netz an den Stellen, an denen es sich zu lösen begann, wieder fester zu ziehen.
Im Hintergrund hielt sich eine junge Frau auf, die den Verteidigern hin und wieder scharfe Anweisungen gab, wenn ihnen durch einen schnellen Vorstoß der Angreifer Gefahr drohte. Sie war schlank, wohlproportioniert und für eine Frau bemerkenswert groß. Das Auffallenste an ihr jedoch war das lange, lockige Blondhaar, das ihren Kopf wie eine goldene Mähne umgab.
Mit ihren geübten Augen überblickten die beiden Grauen sofort, was sich hier abspielte. Ohne sich abzustimmen reagierten sie, wie es ihnen ihr lebenslang trainierter Instinkt vorgab: Jeder griff mit seiner Linken hinter den Kopf und zog den ersten Djan aus der Scheide. Blitzartig zuckte die Hand vor und ließ den schweren Wurfdolch frei. Nahezu gleichzeitig erfolgte dieselbe, in ihrer Schnelligkeit unfassbare Bewegung mit der rechten Hand. Vier Djans zischten auf ihre Ziele zu. Nach 30 Metern freien Flugs erreichten Sie die Kehlen von vier Männern. Sie durchdrangen die äußeren und inneren Hautschichten, zerschnitten die Halsmuskulatur und zerstörten die Kehlköpfe ihrer Opfer. Vier Männer griffen mit sich verkrampfenden Fingern an den Hals. Vier Männer öffneten die Münder um zu schreien. Doch ihre Stimmbänder und Halsarterien waren durchtrennt. Das hervorquellende Blut erstickte jeden Versuch, mehr als ein Röcheln hervorzubringen. Gurgelnd brachen sie zusammen.
Die Gefährten der Getöteten wurden kurz abgelenkt. Das reichte El Pitto Gnomo, um mit einem wuchtigen Hieb, einem seiner Angreifer die Schulter zu spalten. Die vier anderen waren dem kleinen Kobold ohne ihren fünften Mann unterlegen. Sie wichen zurück. Als Inanuk und Nanawok ihre Kurzschwerter zogen und mit lautem Geschrei heranliefen, war der Kampf endgültig entschieden. Die überlebenden Angreifer sprangen auf ihre Gäule und ergriffen die Flucht. Nanawok machte Anstalten, den Fliehenden nachzusetzen. Auf den warnenden Blick seines Vaters hin, unterließ er es dann aber doch.
Der jüngere, der wie Samurais gekleideten Männer fasste sich zuerst. Er kam humpelnd auf die beiden zu.
"Ich danke Euch für Eure Hilfe!" sagte er und neigte höflich kurz den Kopf. "Ohne Euer Eingreifen hätte es uns schlimm ergehen können. Ich bin Hieronto Hatamoto, Sohn des Yono Hatamoto, des ersten Samurai des Landes der Aufgehenden Sonne. An meiner Seite kämpften Kaino Ono, Samurai in Diensten meines Vaters,  El Pitto Gnomo, Häuptling der Finsterwaldkobolde und Quetzalkoatlus, Sohn Quatzkotls, des Königs der Drachen. Die Dame an unserer Seite ist Jannie von Drachfels, meine Verlobte und Tochter König Richards."
Inanuk verneigte sich höflich, stellte seinerseits seinen Sohn und sich vor und schloss mit den Worten:
"Unser Eingreifen bedarf keines Dankes. Wir haben aus freien Stücken geholfen. Wenn eine Dame und ihre Begleiter in Not sind, darf niemand zögern, einzugreifen."
Die beiden Grauen schritten zu den Gefallenen. Inanuk trat mit seinem linken Fuß auf die Schulter eines Opfers und zog mit seiner rechten Hand seinen Dolch aus dessen Hals. Anschließend wandte er sich dem nächsten zu und wiederholte die Prozedur. Nanawok tat es ihm gleich. Das Blut wischten sie im Gras ab. Mit sicheren Bewegungen steckten sie ihre Waffen wieder an Ort und Stelle.
Inzwischen hatte sich auch der kleine Drache aus seinem Gefängnis befreit. Er war sichtlich froh, seiner entwürdigenden Lage entkommen zu sein. Er musterte das zerknubbelte Gewebe des Netzes und spie eine gewaltige Flamme aus. Das Netz verwandelte sich in ein unansehnliches Häufchen Asche. Zufrieden wendete er seinen schlangengleichen Körper um und stellte sich neben die Prinzessin. El Pitto Gnomo und der alte Samurai taten es ihm gleich.
"Es besteht kein Grund zur Besorgnis," sagte Inanuk schnell, der die Reaktion der Gruppe richtig deutete. "Wir sind nicht hier, um da weiterzumachen, wo die anderen aufgehört haben. Wir sind die Beauftragten eines Kaufmanns und keine Eroberer!"
"Bei aller Dankbarkeit!" entgegnete der Kobold. "Ihr habt nicht gehandelt wie Kaufmannsgehilfen, sondern wie Krieger der ersten Garnitur. Ich habe gesehen, wie blitzartig und zielgerichtet ihr reagiert habt. Ich habe noch nie jemanden gesehen, der den Dolch wirft wie Ihr."
"Wir sind auch keine Kaufmannsgehilfen. Wir sind Beauftragte. Wer wie wir durch die Welt reist, um neue Märkte aufzutun, muss sich zur Wehr setzen können."
"Das klingt logisch!" warf Hieronto ein. "Dennoch bitte ich um Verständnis, wenn wir vorsichtig sind. Wir wollen nicht unhöflich sein. Die Zeiten sind unsicher!"
"Das ist ein wahres Wort!" lachte Inanuk. "Dieses Land könnte eine starke Schutztruppe gebrauchen. Was meint Ihr, Prinzessin?"
Dabei machte er einen Schritt nach vorne auf Jannie zu.
Sofort zuckte der Zweihänder El Pitto Gnomos hoch.
"An mir kommt keiner vorbei!" zischte er.
"Es ist gut, Freunde!" mischte sich Jannie ein. "Ich glaube nicht, dass mir Gefahr von unseren Rettern droht. Lasst die Waffen bitte sinken. Inanuk und Nanawok haben uns allen das Leben gerettet. Es wäre widersinnig, ihnen feindselig entgegenzutreten."
Als sie ihren Blick auf Inanuk richtete, glaubte dieser in ihren unglaublich blauen Augen zu versinken. Die Ausstrahlung der Prinzessin nahm ihn sofort gefangen.
"Wie schön sie ist!" durchfuhr es ihn.
"Ich danke Euch für diese Worte, Prinzessin," sagte er. "Dennoch müssen mein Sohn und ich weiterziehen. Diese Welt ist so fremd. So einzigartig. Wir müssen noch viel lernen."
Sie verabschiedeten sich kurz und setzten ihren Weg fort.
"Wir hätten sie mit Leichtigkeit töten können!" stellte Nanawok vorwurfsvoll fest, nachdem sie einige Wegbiegungen schweigend hinter sich gebracht hatten.
"Vielleicht!" gab Inanuk zu. "Vielleicht aber auch nicht."
"Wie meinst du das, Vater?"
"Nach den Regeln des Lebensbuchs hätten wir nicht nur die Prinzessin, sondern auch ihre Begleiter töten müssen, denn wir wollen keine Zeugen für unser Tun zurücklassen. Ist das so richtig?"
"Das stimmt!"
"Die beiden Samurais wären kein Problem gewesen. Wir kennen ihre Stärken und Schwächen gut genug. Ist das so richtig?"
"Das stimmt!"
Nanawoks Stimme klang leicht beleidigt. Er mochte es nicht, wenn sein Vater ihn schulmeisterte.
"Der Kobold hat ganz allein fünf geübte Krieger in Schach gehalten. Das ist mehr als ungewöhnlich. Vor allem für einen Mann seiner Größe. Ist das so richtig?"
"Das stimmt!"
Nanawok wurde aufmerksam.
"Das Netz, das die Halunken über den Drachen geworfen hatten, bestand aus Metallgewebe. Der Drache hat es aber trotzdem zerstören können. Ist das so richtig!"
"Das stimmt!"
"Sowohl die Fähigkeiten El Pitto Gnomos als auch die des Drachen gehen also weit über das hinaus, was wir kennen. Oder hast du so etwas schon einmal gesehen?"
Nanawok schnaubte verächtlich.
"Ich kann fünf Gegner nicht nur in Schach halten. Ich kann mit Leichtigkeit die doppelte Anzahl töten. Ganz allein!"
"Du bist ein Sohn der Grauen Gilde. Wir haben außergewöhnliche Fähigkeiten. Vergiss das nicht! Es besteht Grund zur Vermutung, dass zumindest die Fähigkeiten des Drachen und des Kobolds noch weiter reichen, als wir zurzeit wissen. Wir wissen nämlich nicht nur sehr wenig über diese beiden. Wir wissen auch noch zu wenig über diese Welt und ihre Bewohner. Was ist, wenn sie so stark sind, dass sie mit uns fertig werden? Und das trotz unserer Fähigkeiten? Wir wollen professionelle Arbeit leisten, weil professionelle Arbeit die Existenzgrundlage unseres Volkes ist. Dabei sollten wir es belassen!"
Nanawok war erleichtert, dass sein Vater seinen Vortrag beendet hatte. Er nickte schnell zustimmend, damit er nicht zu der Auffassung kam, zu einer weiteren Rede ansetzen zu müssen.
"Du hast ja Recht! Aber du hast auch viel mehr Erfahrung als ich. Jetzt ist mein Hunger aber bald unerträglich! Lass uns etwas essen!"
Sie schauten sich um. Als sie sicher sein konnten, dass sie unbeobachtet waren, ließen sie sich nieder und liefen in den Wald. Bald entdeckten sie ein Reh, das in Panik die Flucht ergriff, als es die beiden bemerkte. Aber noch nie ist eine Beute einem Grauen entkommen. Nach kurzer Hatz lag das Wild mit zerrissener Kehle am Boden. Genussvoll machten sich die beiden über den noch warmen Körper ihrer Beute her.

***

Die Suche nach der Hydra war selbst für einen erwachsenen Drachen wie Quatzkotl keine einfache Sache, denn er wusste absolut nicht, wo er sie suchen sollte. Der einzige Punkt, an dem er ansetzen konnte, war der, dass die Hydra einsame Orte an felsigen Küsten liebte. Es war aber durchaus möglich, dass sie sich für einen ganz anders strukturierten Aufenthaltsort entschieden hatte. Zum Glück gab es außer der Hydra noch andere Drachen, die außerhalb des unmittelbaren Wirkungsbereichs der magischen Zone um Richards Königreich ganz gut in einer nichtmagischen Umgebung leben konnten.
Drachen sind in der Regel so groß, stark und stabil, dass ihnen das Fehlen unmittelbarer Magie nicht viel ausmacht. Sie kommen darum auch in den Gegenden vor, in denen die Magie schwach oder gar nicht mehr vorhanden ist. Die Menschen, insbesondere die, die von Magie nichts halten, mögen Drachen überhaupt nicht. Zum einen, weil sie sie aufgrund ihrer Gefährlichkeit fürchten, zum anderen, weil sie sich schon einmal gerne über das ein oder andere fette Viehzeug hermachen und zudem eine Schwäche für Diamanten und keusche Jungfrauen haben. Letztere Schwächen teilen sie sich übrigens mit den Menschen, wobei Diamanten in den letzten Jahren häufiger zu finden waren als keusche Jungfrauen.
Die Menschen der magischen Zone waren daran gewöhnt, mit Drachen zu leben. Sie akzeptieren sie, weil sie zu ihrem Lebensbereich gehören wie die Feen, Elfen und Trolle. Die Menschen der Neuen Welt aber machten dagegen gerne Jagd auf sie. Zum Teil, um ihren Mut zu beweisen. Zum Teil, weil sie eben da waren, die Drachen. Allerdings waren sie sehr schwer zu finden, denn Drachen lieben die Einsamkeit und sind sich selbst genug.
Als Drache hatte Quatzkotl den Menschen gegenüber aber einen Vorteil. Er war in der Lage, schon aus kleinsten Anzeichen, die einem Menschen entgehen würden, die Anwesenheit eines Drachen zu erkennen. Er pflegte dann zu landen und sich mit seinem Artgenossen zu unterhalten. Ihrem König gegenüber waren selbst die bärbeißigsten Ungeheuer hilfsbereit. Auf seine Frage, ob sie etwas über die Hydra gehört hätten, gaben sie bereitwillig und schnell Auskunft, voller Hoffnung, ihn schnell wieder loszuwerden.
Die Antworten waren aber überall gleich: Nein, sie hatten alle schon lange nichts mehr von ihr gehört. Wollten sie auch gar nicht. Und überhaupt.
Quatzkotl ließ sich in der Regel nicht so schnell entmutigen. Dennoch stieg langsam Besorgnis in ihm auf, denn er fürchtete, den Kontakt zur Hydra nicht schnell genug herstellen zu können. Wer würde schneller Erfolg haben - er oder die Graue Gilde?

***

Als Inanuk und Nanawok ihren Hunger gestillt hatten, war von ihrer Beute nicht viel übrig geblieben. Sie schauten sich zufrieden an. Irgendwie schmeckten die Rehe in diesem Land besser als in ihrer Heimat. In stillschweigendem Einverständnis behielten sie ihre niedergelassene Haltung bei und liefen weiter. Nun kamen sie schneller voran als vorher. Schon bald erreichten sie den dunklen Saum des Finsterwaldes, der sich ihnen wie eine massive Wand entgegenreckte.
Die beiden Grauen liefen unschlüssig hin und her, da sie nicht wussten, ob es besser war, dem breitgetretenen Pfad zu folgen oder einen eigenen Weg zu suchen. Sie entschlossen sich letztendlich, sich auf ihren Instinkt zu verlassen und nicht den Weg zu benutzen. Schnell tauchten sie hinab in die Finsternis des Waldes.
Hüppes hatte ihnen bereits in einem ihrer geselligen Abende von den Schrecken des Finsterwaldes erzählt, sodass sie bereits wussten, dass sie sich auf ein lebensgefährliches Abenteuer einließen. Der Wald war wild, bedrohlich und dunkel, doch dank ihrer überragenden Sinne fanden sie sich recht gut zurecht. Kein Mensch hätte wie sie so rechtzeitig Gerüche und Geräusche wahrnehmen und so schnell auf ihre Gefährlichkeit hin abschätzen können. Sie waren schnell, sie waren trainiert. Doch trotz aller Aufmerksamkeit fiel ihnen nicht auf, dass sie ihrerseits beobachtet und eingeschätzt wurden, denn sie waren zu sehr darauf konzentriert, die Aura der ihnen fremden Welt in sich aufzunehmen. Der Wald aber war voll von Räubern, die von dem lebten, was ihnen vor Klauen und Zähne lief. Finstere Trolle, Wölfe, ja auch Gewürm registrierten die Anwesenheit der beiden. Greife horchten auf und lauschten. Spinnen tasteten nach ihren Alarmfäden. Hexen und Magier wurden aufmerksam. Der ganze Wald knisterte vor Spannung: Zwei Graue waren unterwegs. Zwei Graue, an deren Existenz niemand mehr geglaubt hatte. Doch der Wald und seine schrecklichen Bewohner ließen sie vorerst in Ruhe. Sie sollten sich zurechtfinden in dieser Alten Welt, zu der auch sie gehörten, wenn sie es auch nicht mehr wussten.
Inanuk und Nanawok merkten von all dem nichts. Niemand hielt sie auf. Niemand belästigte sie. So kam es, dass sie ein Tempo vorhalten konnten, das sie bereits nach fünf Tagen ununterbrochenen Laufens an das andere Ende des Waldes brachte. Sie richteten sich auf und betrachteten das Land, das sich in sanft bewaldeten Hügeln vor ihnen erstreckte. So weit das Auge reichte erblickten sie Felder, Weiden, Wälder und Wiesen, die um die schönsten grünen und gelben Schattierungen wetteiferten. Im Mittelgrund zog ein Pferd einen schweren Pflug. Der Bauer, der hinter her schritt, sog an einer Pfeife. Blaue Wölkchen stiegen in den Himmel.
"Ist es nicht wunderschön?" fragte Nanawok seinen Vater, der gleich ihm das Panorama bewunderte.
"Wie im Märchen!" bestätigte dieser. "Das muss die Grafschaft Holledau sein. Sie grenzt unmittelbar an den Finsterwald und ist das erste Land der Alten Welt."
Sie verloren jedes Zeitgefühl und blieben so lange an dieser Stelle stehen, bis die Sonne sich anschickte, sich hinter die Hügel zurückzuziehen. Sie merkten es kaum.
"Es ist so schön hier! Ich habe das Gefühl, zu Hause zu sein. Ich will gar nicht mehr weg," sagte Nanawok.
"Und doch haben wir keine andere Wahl," erwiderte Inanuk. "Wir haben einen Auftrag zu erfüllen. Aber eins scheint mir jetzt schon klar, mein Sohn. Hier können wir leben. Hier können wir einen neuen Anfang wagen. Hier hat die Gilde die Möglichkeit wieder stark und gesund zu werden. Hier ist das Land, das wir brauchen."
Die beiden ließen sich nieder und tauchten wieder hinab in die rabenschwarze Dunkelheit des Finsterwaldes.

***

Als seine Nachforschungen bei den Drachen erfolglos zu bleiben schienen, veränderte er seine Strategie: In den Abendstunden landete er in der Nähe kleinerer Orte und nahm die Gestalt eines goldenen Mannes an. So verwandelt mischte er sich unter das Volk und suchte die Wirtshäuser der Dörfer auf. Er gab sich als Drachenjäger aus. Dieses Vorgehen war nicht ungefährlich für ihn, denn in der Neuen Welt stand man Fremden sehr skeptisch gegenüber. Vor allem, wenn diese Menschen fremdartig aussahen. - Und Quatzkotl mit seiner goldenen Haut und seinem grünen Haar sah ausgesprochen fremdartig aus. Er begegnete den Reaktionen, in dem er angab aus einem sehr weit entfernten Land zu kommen, in dem alle Menschen so aussahen wie er.
"Ihr seht für mich genauso fremd aus, wie ich für euch!" pflegte er auf die argwöhnischen Blicke der Leute zu antworten.
Die Menschen waren aber letztendlich bereit, ihn so zu akzeptieren wie er war, denn Drachenjäger galten nicht zu Unrecht als sehr mutige, wenn auch extravagante Krieger, die allseits Bewunderung verdienten. In einer Dorfkneipe bekam er dann auch den ersten vagen Hinweis auf den Aufenthaltsort der Hydra. Ein betrunkener Seemann berichtete von einer Reise, die ihn zu einer Insel gebracht habe, auf der die Leute von einem neunköpfigen Drachen erzählten, der dort hausen solle. Auf eindringliches Nachfragen hin, konnte er den Ort einigermaßen einkreisen: Es handelte sich um das Meer, das wir heute als das Mittelmeer bezeichnen. Die Insel sollte im Südosten liegen.
Quatzkotl zögerte keine Minute. Er verließ das Dorf und flog eilig nach Süden.

...
 

© W. H. Asmek
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Und schon geht es weiter zum dritten Teil...!
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