Sein Name, das war alles, und nicht mehr.
Lucres.
Lucres Malthor, das war alles, woran er sich erinnerte. Einsam
war er irgendwann, irgendwo in einem Wald aufgewacht. Die aufgehende Sonne
riss ihn aus dem Schlaf.
Lucres wusste gar nichts mehr. Die Vergangenheit war aus seinem
Gedächtnis vollkommen gelöscht.
Niemand kann sich vorstellen, wie es ist, eines Morgens plötzlich
aufzuwachen und nichts mehr zu wissen außer dem eigenen Namen. Lucres
ereilte dieses Schicksal, und es war ganz bestimmt kein erfreuliches. Erinnerungen
sind das Wertvollste, das ein Mensch besitzt. Sie wiegen mehr als alle
weltlichen Güter, denn ohne sie ist man hilflos und allein. Ganz allein.
Besonders in einer Welt wie dieser, wo Unruhen herrschen, wo dunkle Magie
und blutrünstige Monster an jeder Ecke lauern können. Wo schwache
Monarchen über beinahe schon der Anarchie verfallene Länder regieren
und sich in ihren Schlössern und Burgen zurückziehen, um nicht
mit der wahren, rauen Welt in Kontakt zu kommen. In einer Welt, wo ganze
Städte mit einem Streich ausgelöscht werden können, sei
es ein allmächtiger Dämon, der die Lande heimsucht, sei es ein
Drache, der seinen Schatzhort vergrößern will, oder sei es eine
Armee von Plünderern oder auch feindlicher Soldaten, was auch immer.
In so einer Welt... steht man ohne Erinnerungen allein da. Ganz
allein.
* * * * * * * *
Verschwitzt richtete Lucres sich auf. Seine ausruckslosen Augen musterten
die Umgebung.
Bäume.
Nichts als Bäume, überall. Eichen, Birken, Tannen, Fichten.
Eschen... Nichts als Bäume.
Plötzlich fuhr Lucres zusammen. Ein stechender Schmerz stieg
ihm in den Kopf und ließ ihn am ganzen Leib erzittern.
"Wo bin ich?" fragte er sich selbst.
"Was ist mit mir los?"
Ächzend richtete Lucres sich auf. Immer noch mit schmerzverzerrtem
Gesicht fuhr sein Blick herum. Seufzend machte er ein paar Schritte, stützte
sich wieder kurz an eine dicke Birke, und ging schließlich weiter
in den Wald hinein.
Nach einer Zeit vernahm er ein Geräusch, es war etwas Anderes
als das bloße Rascheln von Ästen, Laubwerk, und Tannennadeln
unter seinen Füßen.
Es war ein Plätschern. Schließlich erkannte Lucres etwas
zwischen dem endlosen Grün des Waldes. Vor ihm spiegelte sich die
Sonne in einem kleinen Bach. Kaum breiter als einen Meter war er, doch
herrlich klar und still.
Stöhnend benetzte Lucres sein verschwitztes Gesicht mit dem
kühlen Wasser. Dann besah er sein eigenes Spiegelbild und seufzte
erneut.
"So fremd", dachte er sich.
Dann stach ihm die Sonne ins Gesicht. Schnell hielt sich Lucres
die Hand vor sein Gesicht.
"Ich sollte die nächste Stadt suchen gehen."
* * * * * * * *
"Und du bist dir vollkommen sicher?"
Die Stimme des Wesens klang hohl und ausdruckslos.
"Es ist eindeutig. Saerym wandelt wieder auf dieser Welt."
Die andere Stimme war eher wie ein Krächzen, wie ein wütender
Raubvogel schnitt sich ihr Klang ins Gehör.
"Also wird es bald beginnen... Sobald er bei uns ist, können
wir unser Werk endlich vollenden. Wie lange wird es dauern?"
Die dritte Stimme klang, als würden mehrere Leute gleichzeitig
reden, ein Echo in sich, schallend und überirdisch. Nun meldete sich
das Krächzen wieder.
"Das kann ich euch nicht sagen. Ich weiß selbst nicht, wie
geschwächt Saeryms Geist ist, und wie schnell er zu uns stoßen
kann. Wir können nur warten."
"Du hast Recht. Wir haben schon Jahrzehnte lang gewartet, jetzt
fallen ein paar Monate auch nicht mehr ins Gewicht", meldete sich das erste
Wesen mit seiner dumpfen Stimme.
"Nun wird es also bald beginnen..."
Die drei Wesen begannen plötzlich zu zerrinnen, sich in Konturen
ihrer Selbst aufzulösen, sich zu verteilen und schließlich wie
Dunst zu verschwinden. Zurück blieb nur die Dunkelheit...
© Rubaan
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