Regenbogendrachen von Luise Drachenanwältin
Teil 1: Lugur und Lilian
Kapitel 2: Lugur und Lilian

Die Stille genießend flog Lugur über Bythen, dann über die Meeresstraße aufs Festland. An der Küste von Cheinfran fand er einen Platz, wo er über alles nachdenken konnte, so auch über Lilian.
Da fielen ihm seine Eltern ein, die ihm von einem Land erzählten, wo Drachen friedlich mit anderen Geschöpfen lebten. Nachdem er einen Hirsch geschlagen, ihn kurz abgefackelt und gefressen hatte, flog er in Richtung Sonnen-Drachenland. Immer wieder musste er eine Zwischenlandung einlegen, da er schon wieder Magenprobleme hatte.
Er überquerte den Gebirgszug, der Meinein von Sonnen-Drachenland trennte. Aus der Vogelperspektive erkannte er viele zerstörte Orte und Häuser. Erkennen konnte er nicht, dass viele Handwerker tätig waren. Ihm fielen die Erzählungen ein, die er von seinen Eltern gehört hatte, warum eine Zerstörung stattgefunden hatte.
Im Osten ging langsam die Sonne auf, als er die Küste von Sternenmond erreichte.
Im Morgengrauen landete er vor einem Dorf, das von einem Jahrzehnte langen Bürgerkrieg zerstört worden war. Langsam schlurfte er durch den Ort und begutachtete die Schäden, die auch durch wütende und aufgebrachte Drachen entstanden waren.
Da fiel sein Blick auf ein Gebäude, das im Bau befindlich schien. Vorsichtig näherte er sich, umrundete es und stellte fest, dass eine einfache Holzleiter an der zum Wald gelegener Außenwand stand.
Durch ein Geräusch aufmerksam geworden, drehte er sich um und vernahm Schritte und leise geführte Gespräche. Um unsichtbar zu werden, murmelte er einige Worte und verschwand im Wald. Seine Ohren spielten, ein Geräusch aus dem Unterholz und seine rechte Pranke fing einen fetten Hasen, dann einen zweiten und einen dritten, die gegrillt nach und nach in seinem Schlund verschwanden. Er rülpste und Blitze entfleuchten durch die Schnauze. Sein Magen spielte schon wieder verrückt, und er wusste nicht, von was das kam.
Den Hasen waren Drachen unbekannt, so spielten sie direkt vor seiner Schnauze unbefangen Fangen.
Er legte sich bequem hin, die beiden Vorderarme unter den Kopf verschränkt, und beobachtete, wie mehrere Bauleute sich diesem Gebäude näherten.
Einige stiegen auf der Leiter hinauf und arbeiteten. Was sie da machten, konnte er bedauerlicher Weise nicht erkennen. Andere werkelten an der Außenwand. Zimmerleute tauchten mit Holzbalken für den Dachstuhl auf.
Es machte ihm Freude, zu sehen, wie ein Haus entstand und andere instand gesetzt wurden.
Der Drache machte eine Bewegung, ein Ast bewegte sich und dadurch wurde einer der Bauleute auf ihn aufmerksam. Dieser zeigte mit dem Kopf in die entsprechende Richtung. Die Elben schauten während des Tages immer wieder zum Wald hinüber.
Es war Lugur nicht entgangen, dass Blicke zu ihm geworfen wurden. Er kuschelte sich ins weiche Gras und dadurch entstand eine Kuhle. Seine Größe und Gewicht drückten einige Büsche platt.
Die Elben erkannten ihn auch daran. Jetzt fragten sie sich, welcher Drache da ruhte.
Im Sonnen-Drachenland wirkte der Unsichtbarkeitsspruch nicht und dies war Lugur nicht bekannt. Die Chefzauberer hatten gemeinsam mit dem Drachenkönig Gurmoon einen Gegenspruch entwickelt, als der Bürgerkrieg Kampfdrachen ins Land brachte, der immer noch wirkte.
Wer diesen Spruch einsetzen und benutzten wollte, musste beim Zauberministerium, Abteilung Gefahrenabwehr, einen Antrag stellen. Erst nach eingehender Prüfung und einem Eignungstest der Antragsteller wurden Geschöpfe ausgewählt, diesen dann dieser Spruch zugeteilt, damit diese ihn nutzen durften. Nur ein Drache zu sein, genügte dem Ministerium nicht. Das erfuhr Lugur später bei dem Gespräch mit dem Elbenkönig.
Während die Handwerker am Haus werkelten, unterhielten sie sich darüber, dass ein Drache wieder aufgetaucht war.
»Mulienis«, fing einer der Schreiner an, »dort drüben am Waldrand liegt eine Drache.«
»Was?«, fragte der Angesprochene und schaute hinüber.
Schnell machte die Mitteilung unter den Handwerkern die Runde, von dem aufgetauchten Drachen.
Bei der Frühstückspause schaute jeder hinüber zum Waldrand und sie mussten sich die Augen reiben. Tatsächlich, da lag ein Drache. Ob es ein junger oder alter Drache war, konnten sie noch nicht erkennen.
Freudig erregt beendeten sie ihre Pause und mit Elan gingen sie zurück an ihre Arbeit. Da sie hocherfreut waren, fingen die Zimmerleute an, ein Lied zu singen. In ihren Herzen tauchte ein kleiner Hoffnungsschimmer auf. Sollte endlich die vorhergesagte Friedenszeit angebrochen sein?
Am Abend eilten sie zum Elbenkönig und berichteten ihm davon. Der riet ihnen, zu schweigen und zu beobachten, wie der Drache sich verhielt.
Wie Lugur bei seinen Spaziergängen erstaunt feststellte, waren die Häuser schneller fertig als er es dachte und bewohnt.
Unter den Bewohnern des Sonnen-Drachenlandes verbreitete sich das Gerücht, dass ein Drache zurückgekehrt sei, extrem schnell.
Jeder wusste, was er zu tun hatte. So wurde in den nächsten Tagen und Wochen dafür gesorgt, dass die Weidezäune in der Nähe und unterhalb der Drachenburg in Ordnung gebracht wurden. Damit das Vieh bei Regen einen geschützten Platz fand, stellten sie Unterstände auf. Auch die Tränken und die Zuleitungen wurden erneuert. Ochsen bespannte Wagen standen am Wegesrand, während die Bauern mit ihren Knechten die Erneuerungsarbeiten durchführen konnten.
Die Weideflächen waren grün und das Gras saftig. Es tummelte sich hier nicht nur das Rotwild sondern auch Rinder und Kleinvieh. Da die Weiden viele Jahre nicht benutzt worden waren, gab es auch etliche Büsche und Bäume, die Schatten spendeten.
Von Lugur aufmerksam beobachtet, packten die Bauleute kurz nach Sonnenuntergang ihre Werkzeuge zusammen und verschwanden. Er war sehr erstaunt, dass die Handwerker bei ihrer Arbeit sangen und das Baumaterial, kaum geliefert, schon verbaut wurde.
Während er sich erhob, reckte und streckte, fragte er sich, warum die Handwerker auf einmal so fröhlich und zügig gearbeitet haben. War er doch erst am Morgen angekommen. Er schüttelte kurz seinen Kopf und kontrollierte, wie weit die Sanierung dieses Gebäudes war. Ein zufriedener Drache erhob sich und flog davon.
Mit suchenden Blicken fand er rein zufällig den, durch Efeu verdecken, Eingang zur elterlichen Höhle. Hier war er vor gut sechzig Jahren geschlüpft und hatte die ersten Drachenschritte gemacht; bis Hass und Kriege Drachen, auch seine Familie, aus ihrer Heimat vertrieben.
Notdürftig machte er die Höhle sauber und verließ sie, um auf die Jagd zu gehen. Auf seinem Erkundungsflug entdeckte er unterhalb der Drachenburg eine Weide mit äsendem Rotwild und wiederkäuenden Rindern. Langsam kreiste er über dieser Herde, bis er seine Wahl getroffen hatte.
Mit einem stattlichen Hirsch landete er auf der Plattform zur Höhle. Er überlegte, ob das Geweih fressbar war. Die Entscheidung war schnell getroffen, als er in einer Ecke Geweihe entdeckte.
Der Mond und die Sterne sahen ihm dabei zu, wie er den Hirsch in kleine Teile riss und in den Schlund warf. Kaum war der letzte Bissen verschluckt, hatte er wieder Magenprobleme. Die ganze Nacht spuckte er Feuer, bis er am nächsten Morgen erschöpft einschlief.
Gegen Abend holte er sich ein Rind. Wieder musste er einige Zeit nach dem letzten Bissen Feuer spucken. Rastlos schlich er durch die Höhlen, bis es ihm besser ging. Er hockte sich in der Badehöhle in eine Ecke, hier war auch die Drachentoilette, und entleerte sich.
Während er einen Spaziergang von der Höhle in den Wald machte, überlegte er laut: »Woher kommen die Bauchschmerzen, wenn ich den Hirsch und das Rind mit Haut und Haaren fresse. Auch wenn ich die Tiere grille, habe ich Schmerzen. Wer kann mir helfen?«
Ohne dass er es wusste, hatte ein Elbe die Überlegung gehört. Der Elbe suchte die beim Elbenkönig befindliche Bibliothek auf und hier nach einem Buch, in dem Hilfe für Drachen stand. Endlich wurde er fündig und hielt das Buch in der Hand. Die Seite über Magenproblemen bei Drachen wurde vervielfältigt und zur Drachenburg gebracht.
Erleichtert nahm Lugur dieses Blatt entgegen und las es. Das Ergebnis war, dass er den Tieren nach dem Töten das Fell über die Ohren zog.
Er notierte in seinem Tagebuch, dass seine Magenprobleme und unkontrolliertes Feuerspucken durch das Weglassen des Felles besser wurden und nach gewisser Zeit aufhörten.

Zur gleichen Zeit hatte Lilian ihre Auftritte in Bythen. In den darauffolgenden Jahren hatte Lilian pro Woche zwei Auftritte und dann gab es in manchen Monaten bis zu vier Auftritte.
Zwischen den Auftritten fand sie immer wieder Zeit und die Gelegenheit, um weitere Lieder zu schreiben und zu komponieren. Die meisten davon galten dem unbekannten Drachen.
So vergingen viele Jahre, in denen Lugur und Lilian viel lernten. Wenn er Bücher in die Krallen bekam, strahlte er, las sie und stellte sie in seine Bibliothek.
Seine Freundschaft mit den Förstern und Waldbesitzern trugen Früchte. So ließ er hinter der Drachenburg ein Stück Wald roden, damit die Schreiner und Zimmerer etwas zu tun hatten.
Bedauernd hockte Lugur an einem See und dachte an seine Kindheit und an seine Eltern, die eines Tages nach einem Ausflug in die Bernauer Alpen nicht wieder zu ihm zurück kamen. Er vermisste sie und fragte sich, ob das Gerücht, dass sie umgebracht worden seien, stimmt. Er kam, so eine Anordnung des Drachenrates, zu einer Pflegefamilie. Hier wurde er schnell selbständig.
Mit ihren wunderschönen goldenen Augen schaute Lilian freundlich Familie und Freunde an. Was bei Drachen sehr ungewöhnlich war, sie hatte lange Wimpern. Ihre ungewöhnlich starke Ausstrahlung zog viele Drachen an.
Die sie umschwärmenden Drachen wies sie freundlich aber energisch zurück. Sie war traurig, weil ihr unbekannter Drache nicht darunter war. Überlegend, wo dieser nun sein könnte, lief sie im Park hin und her.
»Hallo schöne Lilian«, zischte ein rot-brauner Kleindrache. »Ich würde gern mit dir vor einer Höhle den Hochzeitstanz machen.«
Energisch fauchte Lilian zurück: »Aber ich nicht mir dir. Verschwinde aus meinem Blickfeld. Der Drache, mit dem ich den Tanz machen würde, hat sich bei mir noch nicht gemeldet.« Sie drehte sich auf der Stelle um und verschwand in der Höhle.
Bei Lilians Auftritten war stets ein Familienmitglied dabei, das sie beschützte und umsorgte. Sie flog von einem Ort zum anderen. Immer mit der Hoffnung, ihn, den Drachen mit den traurigen Augen, wiederzusehen. Das Bild dieses Drachens, von dem sie immer noch nicht wusste, wie er hieß, war fest in ihrem Herzen verankert.
Eines Tages entdeckte sie bei ihren Spaziergängen durch die Stadt ein Plakat. Sie brauchte ihre Schwester nicht zu überreden, die Ausstellung von Drachenmalern zu besuchen. Langsam schlenderten sie durch die Galerie. Sie blieben vor einigen Bildern stehen, die ihnen gefielen. Die beiden Schwestern fragten sich, welcher Maler sich hinter den beiden Buchstaben L.R. versteckte. Von dieser Ausstellung berichtete Lilian begeistert im nächsten Brief an ihre Eltern.
Hin und wieder fragte sie ihre Eltern, ob sie etwas über diesen Drachen mit den schillernden Schuppen wüssten oder gehört hätten. Ihr Vater schüttelte verneinend den Kopf und ihre Mutter fauchte ein Nein. Denn sie konnten nichts über ihn persönlich sagen, weil ihnen der Name nicht bekannt war.
Wenn Mama sie begleitete, genoss Lilian es von ihr verwöhnt zu werden, und sie musste zugeben, dass es ihr sehr gefiel, betreut zu werden.

Bei einem Ausflug zu den Tulpenfeldern in Beneluchsia, entdeckte sie den regenbogenfarbenen Jungdrachen. Bevor sie ihn ansprechen konnte, war er in der Menge verschwunden, denn er suchte seine Schützlinge.
Weil Drachenpocken Lugur erwischt hatten, zog er sich zurück. Diese hatte er aus Beneluchsia mitgebracht, als er bei seinen Pflegegeschwistern auf deren fünfjährige Drachenkinder aufgepasst hatte.
Von seinen Elbenfreunden erhielt er medizinische Hilfe und wurde von ihnen versorgt und umsorgt. Er gab ganz offen zu, dass er es genoss, Elfen und Elben um sich zu haben. Wenn es ihn zu sehr juckte, nahm er ein linderndes Moorbad.
Dass einige Schuppen abgingen, war für ihn nicht schlimm. Gut gesäubert und behandelt konnten diese weiter verarbeitet werden. Elfenkinder fanden sie, sammelten sie ein und legten sie in ihre Schatzkästchen. Ein Teil davon wurde zu Schmuck und Gürteln verarbeitet und verkauft.

Monate später war er in der Lage, längere Flüge zu unternehmen. Durch die Gazette, die er abonniert hatte, erfuhr er, dass Lilian eine bekannte Sängerin geworden war. Die Artikel über Lilian heftete er ab.
Durch falsche Informationen, die eine eifersüchtige Drachin ihm zugeraunt hatte, kam er immer zu spät. Denn die hätte gerne mit Lugur einen Tanz gemacht, um sich von ihm, der hundert Jahre jünger war als sie, befruchten zu lassen. Er reagierte nicht auf diese Avancen, denn er liebte Lilian.
Sein Wissensdurst war enorm, so reiste er um die ganze Welt. Unter anderem hielt er sich zwischendurch bei Menschen auf dem Planeten Erde auf, um sie zu studieren. Für die Reisen nahm er drei Bücher mit. Darunter eine, das war für Drachen sehr ungewöhnlich, sehr alte Bibel.
Wenn er die Bibel in die Hand nahm, fiel ihm ein wie er dazu gekommen war. Diese fand er auf dem Dachboden eines leer stehenden Bauernhauses, nach dem er das ganze Haus mit den Nebengebäuden angesehen hatte. In seinem Skizzenblock hatte er dann dieses Gebäude verewigt. Ihm gefiel der Einband dieses besonderen Buches, deshalb hob er es auf und blätterte darin. Leicht zartgelbe Rauchwolken kamen aus seinen Nüstern, als er die Bilder entdeckte.
Er hockte auf einem Baumstumpf und las in der Bibel, und zwar die Geschichte über Naomi und Ruth. Er war fast fertig damit, da vernahm er einige Stimme. Fast lautlos packte er seine Fundstücke in den Rucksack.
Was er von den Männern in Uniform hörte, die Waffen bei sich trugen, gefiel ihm nicht. Während sie nach wertvollen Dingen suchten, sprachen sie von Mord und Vergewaltigungen, Plünderungen und Zerstörungen; und sie prahlten damit. 
Eines Tages, Lugur hatte Monate zuvor seinen hundertsten Schlupftag begangen, saß er am Kristallsee und steckte seine Hinterbeine zur Erfrischung hinein. Das machte des öfteren, wenn er an einem See rastete. Ihm machte es viel Spaß und mit den Hinterbeinen im Wasser hin und her zu bewegen. Die Sommersonne brannte vom wolkenlosen Himmel, so dass viele Geschöpf Schatten suchten.
Die am Ufer stehenden Weiden ließen ihre zarten Äste im Wasser spielen. Farne, die fast so groß waren wie ein Kleindrache, wuchsen wie Unkraut.
Dem Drachen machte der Sonnenschein nichts aus. Seine Flügel zusammengefaltet und seine Schwanzspitze bewegte sich hin und her. Ein großer Hecht, so um die drei Meter lang, nagte an seinen Krallen. Sofort griff er zu und hatte einen leckeren Imbiss in der Schnauze. 
Seine Suche nach der lieblichen Lilian gab er nicht auf. Da er sehr gut zuhören konnte, erfuhr er, dass Lilian in der Nähe einen Auftritt hatte.
Sein scheinbares Phlegma täuschte seine Gegner und wenn seine Zeit gekommen war, schlug er zu.
Er träumte vor sich hin und ihm fiel eine Begebenheit ein, die er in Germanica beobachtete. Er sah, wie ein Paar auf einer Decke, auf einer Lichtung, saß und sich unterhielt. Neugierig geworden schlich er näher, so dass er der Unterhaltung gut folgen konnte.
Der Mann nahm die neben ihm liegende rote Rose und überreichte sie der Frau. Die strahlte ihn an und küsste ihn.
Der Drache, der sich unsichtbar gemacht hatte, hörte zärtliche Worte, die zwischen dem Paar gewechselt wurden. Auch dass sie sich darüber gefreut habe, als er sie zu einem Picknick einlud und mit ihr allein sein wollte. Die Kinder, so vernahm Lugur, seien gut bei den Großeltern aufgehoben.
Er fragte sich, was es bedeutete, wenn ein Mann einer Frau rote Rosen schenkt. Bei der nächsten Gelegenheit suchte er eine Bibliothek auf und fragte die Bibliothekarin, eine sehr alte Elfin, danach.
Sie sagte, dabei sah sie ihn an: »Die fünfteilige Blütenanordnung symbolisiert das Pentagramm und damit das Geheimnis. Die Rose gilt seit uralten Zeiten als Symbol der Verschwiegenheit. Sie wird auch zum Sinnbild, für das Christentum. Dann galt die Rose als Blume der Weisheit und als Bild des klaren Geistes. Während andere Blumen oder Blüten meist nur eine Bedeutung haben, variiert die Bedeutung von Rosen je nach Farbe.«
Lugur nickte und fauchte fragend: »Was bedeuten rote Rosen?«
»Sie sind ein Symbol«, fing die alte Elbin an, »für die Liebe. Wenn ein Mann einer Frau zwölf rote Rosen schenkt, sagte er, dass er sie sehr liebt. Sind in einem Blumenstrauß einige karminrote Rosen, dann bedeutet es, dass jemand gestorben ist.«
»Bei meinen Erkundungstouren habe ich auch weiße Rosen gesehen«, erzählte Lugur und goss sich ein Glas Quellwasser ein.
»Sie stehen für Leidenschaft, Unschuld, Treue und Zustimmung, weisen aber auch auf Entsagung hin.«
»Aha«, meinte Lugur nachdenklich.
»Rosa Rosen stehen für Jugend und Schönheit und gelbe Rosen stehen für Eifersucht, Neid und Untreue, können aber auch tiefe Verehrung ausdrücken.«
»Dann sah ich Rosen, die die Farbe Orange haben.«
»Die stehen für Glück und Hoffnung«, erklärte die Elbin. Sie lächelte und sagte: »Wenn jemand eine schwarze Rose geschenkt bekommt, bedeutet es, dass der Beschenkte in näherer Zukunft bei einem Unfall sterben wird.«
Lugur erhob sich und sah sich die Bilder an, die Künstler von Rosen gemalt hatten. Darunter war auch eine blaue Rose. Auf die zeigte er nun. 
»Die blaue Rose ist sehr selten und ein Symbol für das Unerreichbare«, knurrte Lugur in einem freundlichen Ton. »Hin und wieder reise ich in die Parallwelt und kam auf meinen Erkundungsflügen nach Austria. Aus großer Neugier und großem Wissensdurst suchte ich den botanischen Garten Wien auf. Die Gärtner hatten sie gerade gezüchtet. Das war in dem Jahr, als ich meinen dreiundvierzigsten Schlupftag begangen hatte.
Wie ich durch meine Kontaktleute weiß, sind diese Blumen unregelmäßig, im April bis Juni zu besichtigen. Die Farbe schwankt jedoch zwischen mittelblau bis türkis. Sie konnte jedoch außerhalb der Universität Wien für Bodenkultur, die diesen alten Garten pflegen, nicht nachgezüchtet werden.«
Er schaute nachdenklich vor sich hin und sagte: »Bei den Menschen gibt es bis heute keine reinen blauen Rosen. Manchmal werden blaue Rosen, diese sind jedoch gefärbt, so stellte ich fest, in Blumengeschäften angeboten. Wie ich herausfand, enthält die Rose ein blaues Pigment, dieses ist jedoch an ein rotes gebunden, dadurch sind auch durch züchterische Bemühungen bisher nur lila-, lavendel-, oder fliederfarbene Töne erzielt worden.«
»Interessant«, murmelte die alte Elfin und schaute ihn freundlich an.
Um sie herum hockten interessierte Elben, die den Drachen erforschen wollten. Dies ließ Lugur lächelnd zu und alles was er sagte oder machte, wurde schriftlich festgehalten.
Die Information über blaue Rosen wurde abgespeichert und die Elbengärtner fingen an, zu experimentieren und es gelang ihnen nach vielen Jahren blaue Rosen zu züchten.

Durch einen Spruch, den seine Pflegemutter ihn gelehrt hatte, konnte er von jedem Ort aus in die Parallelwelt, die Erde, wechseln und nicht durch die bewachten Korridore. Wenn er flog, konnte er feststellen, dass sie seinem Heimatplanten Edrena ähnlich sah.
Auf Edrena gab es, wie auch auf der Erde, viel Wasser, aber mehr saubere Luft, denn die Bewohner und Herrscher der verschiedensten Länder des Planeten Edrena waren weitsichtiger und sorgten dafür, dass die Umwelt sauber blieb. Und es gab Wälder und Urwälder sowie tropische Wälder. So konnte ein Eichhörnchen durch Aporeuais von Baum zu Baum hüpfen, ohne den Boden zu berühren.
Daran dachte er an diesem Vormittag. Er seufzte, öffnete seine große Umhängetasche, nahm sein großes Notizbuch heraus. Die nächste leere Seite wurde aufgeschlagen und notierte seine Gedanken, sowie was er sah.
Einige Bisamratten tauchten neben ihm auf, die nach der Häutung kurz gegrillt mit einigen Kräutern versehen in den Rachen geworfen wurden.
Das Notizbuch kam zurück in die Tasche und der Skizzenblock lag auf seinen Knien und in den Pranken den Skizzenbleistift. Geschickt skizzierte er die Umgebung. Er mochte dieses Tal im Thuringer Wald, mit all den alten Bäumen und den Wiesen. In einer besonderen Mappe lagen besondere Skizzen, und zwar von einer besonderen jungen Drachin.

Nachdem Mittagessen fauchte diese zu ihren Eltern: »Ich werde an diesem freien Nachmittag einen Ausflug machen, und zwar alleine.«
Den Eltern war klar, dass ihre Tochter ihren Kopf freibekommen möchte und Kraft tanken wollte.
Der Jungdrachin war zugetragen worden, dass ein gut aussehender Drache, dessen Schuppen wie ein Regenbogen schillerten, nach ihr suchte. Suchend flog sie an diesem Tag ein Tal entlang, bis sie den Kristallsee unter sich entdeckte. Kristallklare Luft machten ihren Flug annehmbar und als ein Sonnenstrahl auf seine Schuppen fiel, wusste sie, wo er zu finden war und folgte diesem Wegweiser.
Scheinbar unbemerkt von ihm landete sie in der Nähe und schlich sich an ihn ran.
Ihre Pranke auf seine Schulter legend, schnaubte sie: »Das ist eine schöne Skizze.«
»Komm, setz dich neben mich«, bat er sie, klopfte mit der Pranke neben sich und sie folgte sehr gern seiner Einladung.
Scheinbar unabsichtlich berührten sich ihre beiden Schwanzspitzen. Auf einmal lag seine Schwanzspitze auf der ihrigen.
Ihr Herz schlug schnell und ihr Blick, den sie ihm diskret zuwarf, versprach Bände.
Auch sie steckte ihre Hinterpranken in den Kristallsee. Zwei sehr große und neugierige Hechte und Forellen tauchten auf, sofort griff Lugur zu und legte einen Teil der Fische auf den Schoß der schönen Drachin Lilian. 
»Danke«, sagte sie und biss hinein, dabei sah sie ihn drachenfreundlich an und klimperte mit ihren Wimpern.
Dieser Blick ließ sein Herz schneller schlagen und in seinem Magen flatterten Tausende von Schmetterlingen. Er kannte dieses sehr intensive Gefühl noch nicht, aber er fand es fantastisch.
»Habe dich gesucht«, sagte Lugur und änderte seine Sitzposition. »Und kam stets zu spät.«
»Aha«, grummelte sie freundlich.
Lugur drehte den Kopf und sah in Lilians Augen. Er atmete tief ein und aus und legte den Skizzenblock neben sich. Er hatte sie bereits kommen hören und freute sich über ihren Besuch.
Es blieb eine Weile still zwischen den Beiden. Lugur nahm wieder seine Malzeug und malte weiter. Lilian schaute ihm zu und gab ein zufriedenes Brummen von sich. Endlich war das Bild fertig und er packte es weg.
Die Drachin bemerkte, wie wendig Lugur war, denn auf einmal lag er auf seinem Bauch und steckte seine rechte Pranke in den Teich. Schnell hatte er einen Biber gefangen und legte ihn auf ihren Schoß. Auch diesen nahm sie dankend an und verspeiste ihn. Dabei flirtete sie gewaltig mit ihm; und sie tauschten immer wieder Blicke und berührten sich.
»Wie heißt du?«, fragte Lilian und lächelte ihn an.
Lugur lächelte zurück und setzte sich auf. Er sagte in schlichten Worten: »Ich bin Lugur Regenbogen.«
»Aha«, murmelte sie und ihre Füße bewegten sich im Wasser hin und her und sie stützte sich mit den Vorderpranken nach hinten ab.
»Wie kommt es, dass du beim Gesangswettbewerb in Steinhenge kurz vor der Siegerehrung verschwunden bist?«, fragte sie ihn und sah ihn neugierig an.
Lugur, der sich auf seinen Bauch gedreht hatte und mit seiner rechte Pranke im Teich nach einem Fisch angelte, fauchte: »Habe geträumt und nicht auf die Zeit geachtet. Ich war in Beneluchsia bei zwei meiner Pflegeschwestern zu Besuch und hütete deren fünfjährige Kinder, weil sie mit ihrem Partner alleine etwas unternehmen wollte. Kaum war ich zurück in meiner Heimat, brachen bei mir die Drachenpocken aus.«
»Nicht auf die Zeit geachtet und Drachenpocken?«, stotterte sie und ihre linke Vorderpranke strich sanft über seine in Regenbogenfarben schillernden Schuppen.
»Ja!«, fauchte er und zog seine rechte Pranke aus dem Teich.
Mit seiner linken Pranke strich er sich stolz über seine glänzenden Schuppen, die in den Farben des Regenbogens glitzerten.
»Mir ging es nicht gut und ich war für andere Drachen nicht ansehnlich.« Dabei dachte er an Lilian, die so etwas ahnte.
»Hast du Lust mit mir eine Runde zu fliegen?«, fauchte sie, ohne auf seine Erklärung weiter einzugehen und bewegte verführerisch ihre Flügel.
Denn sie kannte das Problem; auch sie hatte als ganz junger Drache darunter gelitten und es hatte Monate gedauert, bis sie sich davon erholt hatte. Lugur erhob sich, packte seine Sachen in seinen großen Beutel, ergriff Lilians Pranke und erhob sich mit ihr in die Lüfte.
Sie tanzten mit dem Wind und ihre Loopings zeigten, wie sehr sie sich vertrauten und harmonierten. Von diesem Augenblick an begleitete Lugur sie, anstelle ihrer Eltern, zu ihren Auftritten. Er sorgte dafür, dass es ihr vor und nach den Auftritten gut ging und dass sie zwischendurch Ruhetage hatte.
Ihre Familie war von Lugur begeistert und waren gern mit ihm zusammen. Endlich hatte Lilian einen Beschützer und einen Partner, der ihr beistand und ihr den Rücken freihielt.
Gurlan mochte seinen Schwiegersohn und plauderte gern mit ihm. Auch Lilians Mutter und Geschwister unterhielten sich über die neuesten Romane, die es auf dem Markt gab. Lugur war eine Leseratte und war stets auf dem neuesten Stand, was die Technik betraf.
Mit seinen Schwägern überlegte er, wie die neueste Technik funktionierte und wie man sie einsetzen konnte, ohne dass andere zu Schaden kommen.
Wenn Lilian die Bühne verließ, wartete Lugur stets mit einem kleinen Geschenk auf sie. Mal war es eine Rose, mal ein Schmuckstück, oder im Hotel wartete ein leckeres Menü auf sie, das er höchst persönlich zubereitet hatte.
Lilian war angenehm überrascht, weil Lugur sich immer wieder etwas einfallen ließ. 
Bei einem Gespräch mit ihrer Mutter, sagte Lilian zu ihr: »Mama, hat Papa dir auch kleine Geschenke gebracht?«
Mama überlegte, schüttelte den Kopf und fauchte zurück: »In all den Jahren, in denen ich mit deinem Vater zusammen bin, habe ich keine Geschenke, geschweige denn Überraschungen erhalten.«
»Ich möchte gern wissen«, grummelte Lilian überlegend, »woher Lugur weiß, was mir gefällt und warum er mir Geschenke macht?«
Ihr Vater Gurlun mischte sich ins Gespräch ein und fauchte: »Weil er dich sehr gern hat und wie mir zu Ohren gekommen ist, hat er so etwas bei den Menschen gesehen. Ein Mann machte seiner Frau Geschenke und die freute sich.«
»Aha«, grummelte Lilian, drehte sich um und wandte sich ihrem Bruder Urgur zu.
Der riet ihr, ihn doch zu fragen. Lilian lächelte und schwieg. Ihr Lugur sollte ruhig sein Geheimnis, warum er es machte, bewahren. Eines Tages würde sie es selber herausfinden.
Auch sie machte ihm kleine Geschenke, so unter anderem, indem sie extra für ihn Lieder komponierte und sang. Oder sie besorgte für ihn neues Zeichen- und Malpapier. Wenn seine Farben alle waren, dauerte es nicht lange, schon war Nachschub da.

An einem Nachmittag, sie schaute gerade ihre Sachen durch, da fiel ihr seine große Tasche in die Pranken. Diese war sehr unansehnlich geworden und ging langsam kaputt. Da war ein Riss, der unfachmännisch zusammengenäht worden war.
Sie biss sich auf die Unterlippe, tappte im Raum umher und überlegte, bis ihr eine Idee durch den Kopf schoss.
Leise vor sich hersummend, ließ sie sich durch Hotelservice Leder und Stoff kommen. Nach drei Wochen hatte sie alle Sachen zusammen und nähte heimlich eine neue Tasche, und verschönerte sie mit ihren eigenen Schuppen.
Lugur strahlte sie an, als er seine Initialen auf der neuen Umhängetasche entdeckte. Auch seine Malsachen waren darin. Er nahm sie in seine Arme und drückte sie drachenzärtlich an sich.
Hatte Lilian etwas auf dem Herzen, nahm Lugur sie an die Pranke und flog mit ihr eine Runde, bis sie ein ungestörtes Plätzchen fanden. Er legte seinen Arm um sie und zog sie an sich. Dabei lag ihr Kopf auf seiner Brust und lauschte seinem Herzschlag.
Über ihnen leuchteten die Sterne vom dunklen Himmel, der wie dunkelblauer Samt aussah. Eine Wolke, die wie ein Schleier aussah, schob sich über den Vollmond.
Lugur war klug und wartete, bis Lilian anfing zu reden. An diesem Abend schwieg Lilian, denn sie hatte erreicht was sie wollte. Sie war endlich mit ihrem Lugur alleine und kein anderer weiblicher Drache schob sich zwischen sie und ihm. Sie gestand sich ein, etwas eifersüchtig auf andere zu sein, wenn Lugur sich mit ihnen beschäftigte und unterhielt.
Pranke in Pranke erhoben sie sich und tanzten im Mondschein, bevor sie zurück ins Hotel flogen. Sie waren nicht die einzigsten Drachenpaare, die in dieser Nacht im Vollmondlicht ihre Nachtflüge machten, wie sie feststellten.
»Lass uns zurück ins Hotel fliegen«, schlug Lugur vor.
Seufzend erhob sich Lilian und reckte und streckte sich.
»Na gut«, grummelte sie und öffnete kurz die Flügel und bewegte sie.

Es war einige Wochen später. Lilien betrat ihren Umkleideraum und entdeckte auf dem Schminktisch einen mit Seidenpapier versehenen Topf. Sie tappte näher und entfernte vorsichtig das Papier, das den Inhalt verdeckte. Ihre Augen strahlten als sie einen gelbblühenden Rosenbusch erblickte. Sie steckte ihre Nase in die Blüten und sie mochte den zarten Geruch.
»Gefällt dir der Rosenbusch?«, fragte der in der Tür stehende Lugur Lilian, und lauschte erwartungsvoll wie ihr dieses Geschenk gefiel.
Er hatte lange gebraucht, um den für Lilian geeigneten und perfekten Rosenbusch zu finden und ungesehen auf ihren Schminktisch zu stellen.
»Ja«, entgegnete sie. »Sie riechen so angenehm. Dann mag ich die gelbe Farbe der Blüten.«
»Soll der stets mit?«, fragte er und scharte ungeduldig mit seiner rechten Hinterpranke.
Sie grummelte vor sich hin, was er nicht verstand, und schminkte sich.
Er kam näher, legte seinen Arm um sie und aus dem Spiegel schauten zwei Drachen ihm entgegen.
»Wir passen sehr gut zusammen«, stellte er zufrieden fest und kam wieder auf die Rosen zurück. »Sollen die Rosen mit?«
»Nein.«
»Nein?«, fauchte Lugur etwas erstaunt zurück.
»Richtig. Ich bringe sie zu Mama, die soll auf sie aufpassen, bis wir eine eigene Höhle beziehen werden.«
Eine Woche nach diesem Auftritt flogen sie zu ihrer Familie. Lilian bat Mama, dabei blickten ihre Augen sie bettelnd an, sich um den Rosenbusch zu kümmern, bis sie und Lugur eine eigene Drachenhöhle beziehen.
Mama wiegte nachdenklich den Kopf und sagte: »Meinetwegen.«
Im stillen freute sich die alte Drachin, dass ihre Tochter zu ihr kam und sie um Hilfe bat. Bis Lilian ihren Rosenbusch abforderte, kümmerte sie sich liebevoll um ihn. Täglich sprach sie mit den Rosen und dadurch gediehen sie. Aus den wöchentlichen Briefen, die Lilian von ihrer Mutter erhielt, wusste sie, wie es ihrem Rosenbusch erging.
Durch Lilians Erzählungen und seinen Beobachtungen wusste er, was seine Schwiegermutter liebte. So zog er aus seiner großen Tasche eine extra große Drachenpralinenschachtel und übergab sie ihr. Mama fauchte freudig ein Danke und brachte das Geschenk in Sicherheit. Schleckerte sie doch für ihr Leben gern.
In den letzten Jahren hatte Lugur seine Gefährtin und deren Familie gemalt. Darunter eins, das Lilian beim Baden zeigte. Als er die Bilder Gurlun überreichte, freute der sich und hängte einige in seinem Arbeitszimmer und andere im Wohnzimmer auf.
Zwei Tage bevor Lugur und Lilian kamen, erhielten ihre Geschwister eine große Holzkiste, die sie nun in Lugurs Gegenwart öffneten. Strahlend wurde aus der Kiste Bücher für Lilians Brüder und Nippes für Lilians Schwestern herausgeholt, sowie für deren Gefährten.
Die Nippessachen wurden auf ein Regal gestellt. An diesem Tag waren alle Kinder, auch Schwiegerkinder von Gurlun und Mama anwesend.
Lugur genoss die Umarmungen seiner Schwäger und Schwägerinnen und drückte sie. Er liebte das Beisammensein mit Lilians Familie, denn er vermisste es, von Eltern verwöhnt und umsorgt zu werden.
Bei einem der Familiengespräche kamen sie auf ihre Vorfahren. So erfuhr Lugur, dass Gurlun ein Nachkomme Gurlus war und somit sein Onkel. Gurlun erklärte seiner Familie, dass seine leibliche Mutter ihrer Kusine Lulu ein Ei untergeschoben habe. Das Lulu gern ausbrütete und den kleinen Drachen, der dann schlüpfte, wie ein eigenes Kind aufzog. Seine Mutter, die sein Ei hervorgebracht hatte, wollte nichts von ihm wissen. Mehr war aus Gurlun nicht herauszubekommen. Lugur war klar, dass dies ein schmerzliches Kapitel für seinen Schwiegervater war.
Drei Tage und drei Nächte wurde diese Entdeckung ihrer engen Familienbande gefeiert. Lilian grinste und schrieb einige Lieder dazu, die beim nächsten Konzert vorgetragen wurden, nachdem die Familie sie für gut befunden hatten.

Es waren inzwischen mehrere Jahre nach ihrem Hochzeitstanz vergangen. Lugur saß hinter der Bühne und beobachtete, wie seine Lilian bejubelt wurde. Da fiel ihm an diesem Abend wieder dieses komische Verhalten von ihr auf. Er überlegte und es fiel ihm ein, dass diese Veränderung vor gut drei Wochen begonnen hatte.
Lilian schlurfte müde durch die Höhlenräume, die sie im Drachenhotel Tatra bewohnten und packte umgehend ihre Sachen ein. Sie würdigte der wunderschönen Aussicht auf die Berge mit den grünen Wiesen und den Wäldern keinen Blick.
Dann fauchte sie Lugur an: »Lass uns sofort abfliegen. In den nächsten drei Wochen habe ich Zeit für dich und deine Drachenburg.«
Lugur grinste, schnappte sich das Gepäck, griff Lilians linke Pranke, zahlte an der Rezeption und verließ das Drachenhotel.
Die Sonne ging gerade unter, als sie vor der Eingangshöhle des Drachenschlosses landeten. Vorsichtig schob Lilian die Pflanzenwand beiseite und betrat die Höhle. Lugur folgte ihr ganz langsam und stellte in einer Nische das Gepäck ab.
Lilian bedauerte, dass sie Termine auf Jahre hinaus hatte. Auch Lugur, der gerne malte und seine Bilder ausstellte, hatte einen vollen Terminkalender. Seine Gemälde waren begehrt und wurden gesammelt.
Da sie die Renovierung und Sanierung der Drachenhöhle aus Zeitgründen nicht selber machen konnten, beauftragten sie dafür fähige Handwerker. Die ließen sich Zeit dafür und trödelten.
Mit dem Saubermachen hielten sie sich auch nicht auf, wenn sie mit Renovierung oder Ausbau einer Höhle fertig waren. Nutzten sie doch stattdessen diese Zeit, um nach der Drachenschatzhöhle zu suchen, die sie zum Glück nicht fanden.

Inzwischen waren wieder viele Jahre ins Land gegangen und in Sternenmond war der Friede endgültig eingezogen. Als Lugur erfuhr, dass in zwei Länder geteilt war, gefiel es ihm nicht. Er studierte die Bücher und lächelte, als er eine Verheißung entdeckte.
Endlich hatte Lilian keine Termine mehr und genoss es, ohne Termindruck herumzureisen und einzukaufen. Die Einkäufe ließ sie durch Boten in die Drachenburg bringen.
Durch einen Boten erfuhr Lugur, dass die Umbauarbeiten abgeschlossen seien und bei der nächsten Gelegenheit flog er mit Lilian zur Drachenburg.
Die erleichterte Lilian freute sich und sah sich gründlich in der Drachenburg um. Sie fauchte ungehalten und spuckte Feuer, weil die Handwerker den Dreck nicht weggeräumt hatten, obwohl diese sich dazu verpflichtet hatten.
Gemeinsam säuberten die beiden Drachen die Burg und Schreie ertönten, welches Dreckschwein ihre Höhle verunreinigt hatte.
Der sehr geduldige Lugur besorgte im Drachengroßhandel große Eimer, Seife und große Bürsten, jeweils die beste Qualität, die es auf dem Markt gab. Immer wieder schleppte er aus der eigenen Heißwasserhöhle frisches heißes Wasser herbei und der Hausputz ging weiter. Das schmutzige wurde in einen Klärteich gegossen.
Kaum waren sie fertig, tauchte Mama mit dem Rosenbusch auf und überreichte ihn der Tochter. Die strahlte Mama an und pflanzte den Rosenbusch an geeigneter Stelle ein.
Vor der Wohnzimmerhöhle gab es eine kleine windgeschützte Wiese, wo nun dieser Busch seinen Platz fand. Mit sanfter Stimme hieß Lilian die Rosen willkommen. Lugur lächelte und besorgte noch weitere Rosen und andere Sträucher.
An einer geeigneten Stelle, das Gelände gehörte ebenfalls zur Drachenburg, hatte ein Elfenlandwirt Lavendel auf einem Feld angebaut, und meinte zu den Drachen, sie könnten sich einige Lavendelbüschel davon für ihre Garderobe vom Feld holen.
Freundlich bedankte Lilian sich und bat, ihr doch einige Säcke vor die Höhle zu stellen, sie hätte jetzt keine Zeit zum Ernten.
Die Elfenfamilie brachte nicht nur Säcke mit getrocknetem Lavendel, sondern auch Seife und Duftwasser aus eigener Herstellung zur Drachenburg.
Wenn sie ausflogen, um die Tische und andere Einrichtungsgegenstände abzuholen, die die Handwerker endlich fertig hatten, erschien am Himmel ein Regenbogen.
Lugur hatte den Handwerkern seine Meinung über deren langsame Arbeitsweise fauchend kundgetan. Seufzend schoben und krempelten die Handwerker ihre Ärmel hoch und beeilten sich. Ärger mit dem Regenbogendrachen wollten sie nicht haben.
Das Erscheinen der Regenbögen, obwohl es nicht geregnet hatte, wurde von den Bewohnern von Sternen beobachtet, wie auch im Elfenwald.
Bei einem der Ausflüge in die nähere Umgebung entdeckte Lilian einen großen Bienenschwarm.
Mit Rauch beruhigte Lilian die aufgeregten Bienen und fauchte fröhlich fordernd: »Ich brauche Bienenwachs für Kerzen.«
Diese Aufforderung hörten einige Elfen und unterstützen die Bienen bei der Anfertigung von großen Kerzen. Der Honig wurde kalt geschleudert und in Gläser abgefüllt.
Die Imker bestellten bei den Glasmachern große Gläser, damit die Drachen Honig für den Frühstückstoast hatten.
Satte Drachen sind friedliche Drachen, so die gängige Meinung bei der Bevölkerung, und sorgten dafür, dass stets genügend Brot und andere Lebensmittel in die Drachenburg geliefert wurde.
Die Glasbläser freuten sich über den Auftrag und fertigten die Gläser in den verschiedensten Größen an. Das mundgeblasene Fensterglas war begehrt und wurde gern für besondere Fenster genommen.
Kinder entdeckten beim Spielen das versteckte Tonlager wieder und berichteten davon ihren Eltern. Erleichterung bei den Töpfern, denn das bis jetzt genutzte Tonlager ging langsam zur Neige. Dieser Ton war so gut, deshalb konnte es auch für Dachziegeln und Backsteine verwandt werden.
Beim Aufräumen entdeckte Lilian die Schatzhöhle, die von den Zwergen nicht gefunden worden war. Und eine weitere Höhle wurde entdeckt, hier gab es fließendes Wasser, das durch Röhren in die Küche geleitet und als Trinkwasser genommen wurde.
Ein halbes Jahr nach dem Einzug war die Drachenburg endlich sauber und gut eingerichtet, so wie es sich Lilian vorgestellt hatte.
Lugur holte die restlichen Bücher der noch im Exil befindlichen Familienbibliothek zurück und brachte diese in die dafür vorgesehene trockene Höhle.
In den Wohnräumen sowie in der Bibliothek hingen Spiegeltelefone und ein großer Fernsehflachbildschirm wurde über einem Sideboard im Wohnzimmer angebracht. Diese elektronischen Geräte hatte Elfenkönig Blunang besorgt, ihnen liefern und durch Fachleute installieren lassen.
Das Drachenpaar genoss es, abends sich davor hinzusetzen und die verschiedensten Fernsehberichte anzusehen.
Die Vorratskammern waren gut gefüllt und die Schlafhöhle gemütlich eingerichtet. Die Felle des gejagten Rotwildes, der Rinder und des Kleinviehs waren und wurden bearbeitet.
Die bearbeiteten Kuhhäute sowie der Schafe und Ziegen wurden in die Nester gelegt. Das eine oder andere Fell lag auf dem Boden vor den Nestern und vor dem Sofa. Lilian hatte dies in einem Magazin gesehen und nachgeahmt.
Lugur lehnte sich zurück und erinnerte sich daran, als er noch ein sehr kleiner Drache und etwa drei Jahre alt war. Seine Eltern flohen mit ihm aus Sonnenland, kurz nachdem er seinen dritten Schlupftag mit seinen Freunden gefeiert hatte. Sie waren die letzten Drachen, die das Land verließen, und sein Vater hatte bis zu seinem Verschwinden die Drachenchronik geschrieben und fortgeführt.
Hin und wieder notierte Lugur seine Erlebnisse in dieser Chronik. Erst nach seiner Verbindung mit Lilian interessierte er sich für die Vergangenheit und ergänzte die Chronik. Sehr intensiv wurde es, als Lilian ihm sagte, dass sie trächtig sei.
Sofort wurde für den Nachwuchs eine Kinderhöhle, die direkt neben der Elternschlafhöhle lag, eingerichtet.
Wieder waren aus dem Drachenberg laute Geräusche zu hören. Lugur und einige Zwerge hauten im Eiltempo die Wände der Kinderhöhle glatt, damit sich der Kleine nicht verletzte.
Lilian richtete die Höhle so ein, wie sie es in einem Magazin gesehen hatte. - Dieses Magazin hatte Lugur aus der Parallelwelt mitgebracht. - An den Wänden hingen Felle und von der Decke Mobiles, die Lilian aus ihren Drachenschuppen und Muscheln, die sie mit ihrem Mann bei einem Strandspaziergang gefunden hatte, bastelte.

Eines Tages nahm Lugur Kontakt mit dem Elbenkönig Blunang auf. Lugur zeigte ihm die Vorhersage, dass, wenn Mond und Sterne zusammenkommen und die Regenbogendrachen Zwillinge bekommen, endgültig Frieden zwischen Drachen und Menschen herrschen werde.
Blunang atmete tief ein und aus und sagte: »Lugur, ich werde dies meiner Nichte Tumdah erzählen.«
Er stand auf, schaute kurz aus dem Fenster und wandte sich an seinen Gast. Leicht angespannt ging Blunang im Thronsaal auf und ab.
»Ich weiß aber nicht wie«, überlegte er laut.
Blaustern, die seit vielen Jahren Blunangs Lebensgefährtin war, war diesem Gespräch gefolgt und schlug vor: »Am besten ist es, du überlässt es Juna, Tumdahs Lieblings-Bücherfee, die wird die geeigneten Worte finden und es unserer Lieblingsnichte beibringen und zeigen. Die soll das Buch mit der Vorhersage raussuchen und es Tumdah in einem geeigneten Moment vorlegen.«
Erleichtert seufzte Blunang: »Sehr gute Idee«, drehte sich zum Spiegelbildtelefon und rief Juna an.
 

© Luise Drachenanwältin
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