Drachenfeuer von Salyan Silberklinge
Kapitel 2: Des Drachen bester Freund

Obwohl die Intuition eines Drachen (fast) nie lügt, hatte ich doch irgendwie ein mieses Gefühl. Wahrscheinlich lag es am Regen, der seit meinem Abflug auf meine Flügel und auf mich fiel.
Also stand ich endlich am Saum des Waldes, der nördlich am Meer angrenzte und von einer Hügelkette durchzogen wurde. Ich wollte es vermeiden, den Wald zu überfliegen. Einerseits wegen meines flauen Gefühls im Magen, andererseits konnte niemand sagen, was da alles in diesem Wald leben könnte. Aber Drachen sind nicht nur ausgezeichnete Flieger, sondern auch gute Läufer.
Nur leider ging diese Rechnung nicht auf, denn ein Schritt in den Wald zeigte mir, wie dicht die Bäume standen. Es war ein Mischwald und die Bäume waren ungewöhnlich stark und hoch. Ich musste wohl langsam laufen, um durch dieses Baumlabyrinth zu kommen.

Ich lief keine Stunde meiner inneren Uhr zufolge*1, als sich die Baumreihen wieder etwas lichteten. Zuerst dachte ich, dass die Bäume jetzt wieder normalgroß wurden und ich schneller laufen könnte. Aber Nein! Es kam nur eine Lichtung. Aber was für eine Lichtung!
Sie war kreisrund, Durchmesser schätzungsweise 100 bis 150 Meter, den Saum der Lichtung bildeten riesige Eschen und in der Mitte stand eine Art Turm. Aber es war kein Turm im normalen Sinne: Er bestand aus riesigen Steinblöcken, so groß wie mein Kopf, die achtlos übereinander gestapelt waren, sodass es große Lücken zwischen den Steinen gab. Der Turm war mindestens fünf Meter hoch, wenn nicht höher. Wie die Konstruktion hielt, war mir ein Rätsel. Vor allem da zwischen den Lücken Wasser hervordrang, und es über die Steine in einen kleinen runden Graben, der um den Turm herum gegraben war, floss. Der Graben sah wie eine Bodenvertiefung aus, als hätte die Natur ihn erschaffen. Aus einer Lücke in diesem Graben floss das Wasser weiter nach Norden ins Meer. Innerhalb der Lichtung lag nicht ein einziges verwelktes, braunes Blatt von den riesigen Eschen, die den Saum der Lichtung bildeten. Auf der Lichtung war es um ein Vielfaches wärmer als im Waldinnern. Hier wuchsen aus der flachen Erde Pflanzen aller Jahreszeiten: Krokusse, Schlüsselblumen, Schneeglöckchen, Goldglöckchen, Maibecher, Löwenzahn und sogar Orchideen.
Und wie die sonst noch alle hießen.
Ich war zwar nicht besonders neugierig, aber ich musste mir diesen Turm einfach ansehen.
Die Quelle sprudelte warmes Wasser hervor und es schmeckte besser als frisches Quellwasser aus den Bergen und war klarer als der klarste Bergsee. Die Steine wollte ich nicht beiseite räumen, es sah so faszinierend aus, wie das Wasser zwischen den Ritzen hervordrang und dann in einem kleinen Flussbett nach Norden floss. Anscheinend, und das spürte man auch, drang aus der Erde zusammen mit dem Wasser auch etwas anderes: Magie.
Man spürte es daran, wie die Luft ganz nah an den Steinen flimmerte, die Erde vibrierte und selbst ich tat es, als ich mit meinem Kopf näher ran ging und mit meinem länglichen Kopf schon beinahe die Steine berührte. Magielehre ist eines der schwierigsten Dinge der Welt, hatte ich von einem fahrenden Lehrer*2 gehört, der zufälligerweise zusammen mit einem Begleiter ganz nah an meinem alten Schlafplatz lagerte. Das war eine witzige Geschichte, brauch ich jetzt aber hoffentlich nicht zu erzählen.
Und da Magie so schwer zu verstehen sei, wollte ich gar nicht wissen woher sie kam.
Ich hatte mal einen Alb Magie wirken sehen, vor zwei Jahren, nahe am Albenwald. Er hatte gegen ein Einhorn gekämpft, sicherlich war er ein Jäger gewesen. Das Horn des Einhorns beschützte es vor den schwachen magischen Attacken, doch der Alb gewann den Kampf, als es aus seiner Handfläche einen Blitz direkt auf das Horn des Einhorns zucken ließ. Wie er das bewerkstelligt hatte, wusste ich nicht, aber der Anblick des toten Einhorns war Grund genug, um Magie als etwas Gefährliches anzusehen. Sicherlich kann sie nützlich sein, aber sie kann auch missbraucht werden.
Ein Glück, dass nur noch wenige Völker Magie beherrschten. Unter anderem die Alben.
Nicht auszudenken, was die Menschen mit Magie anstellen würden. Ihre Fehden untereinander, unter den einzelnen Königreichen und Ländern. All das würde in einer Katastrophe enden, würden die Kriege mit Magie geführt werden.
Vor allem im Bürgerkrieg der gerade zwischen Ghaidhad und Angarin herrschte.
Seit sich die Provinz Angarin vor 16 Jahren gelöst und sich zum Königreich gemacht hatte, wollte Ghaidhad Angarin wieder eingliedern.
Und seit etwa zehn Jahren sind die Alben mit eingestiegen, die ihr Stück am Braten gerochen haben. (...? Ihr wisst schon, was ich meine!) Bringen sich die Menschen gegenseitig um die Ecke, kann das Heer ihres Fürsten die geschwächten Menschen vernichten und so gewinnen sie sehr viel Einfluss. Also haben sie sich Ghaidhad angeschlossen, um seinem König Noglin nach dem Krieg ein schnelles Ende zu gewähren, dann können sie die restlichen Menschen unter ihre Führung bringen und sich so alle Feinde aus dem Weg schaffen. Danach wäre der Weg frei für einen offiziellen Krieg mit den Elben, den die Alben anstreben. Noglin verbot ihnen bis jetzt einen solchen, weshalb die Alben gerade die zwei kleinen Elbenfürstentümer in Ghaidhad belagerten. Das Hauptreich der Elben lag in Angarin, der Wald Linaen. Aber noch gab es keine größeren Schlachten, da Angarin sich ebenfalls nach Westen hin verbarrikadierte.

Plötzlich knackten hinter mir Äste und Hunde heulten. Jäger! dachte ich sofort. Das war natürlich töricht, es hätten auch Wanderer sein können, oder Wildjäger. Aber Vorsicht ist besser als Nachsicht, wie man so schön sagt, also schwang ich mich mit großen Flügelschlägen in die Luft und landete nicht unweit hinter den großen Eschen am Rand der Lichtung. Leider gingen dabei einige Äste zu Bruch, da es schwer war durch ein solches Geäst zu landen.
Ich staunte nicht schlecht: Der Baum, hinter dem ich saß, hatte Äste, die so dick wie meine Hinterbeine waren, und eine weitläufige Baumkrone mit einem verwirrenden Blätterdach. 
Das perfekte Versteck.
Ich machte einen Satz nach oben - denn wenn es nötig war, konnten Drachen sehr hoch springen - und landete auf der ersten großen Abzweigung des Hauptstammes. Von der Lichtung aus konnte mich niemand sehen, aber ich konnte die Lichtung blendend sehen.
Und dann traten sie zwischen den Bäumen aus der anderen Seite der Lichtung hervor. Sie zertraten alle Blumen, die ihnen im Weg standen (Was ich auch getan hab, aber die Blumen haben sich Dank der Magie der Turm-Quelle wieder erholt) und gingen auf die Quelle zu.
Es waren Menschen.
Der eine hätte aber glatt als Zauberer durchgehen können, so sah er aus. Er trug einen feuerroten, geschlossenen Umhang mit goldenen Fäden, der den Blick auf alles weitere verschleierte. Sein Gesicht sah zwar durchaus alt aus, aber er schien voller Energie zu stecken. Volles, tiefschwarzes Haar, wenn auch etwas kurz, hatte er noch und auch eine runde Brille auf der krummen Nase.*3
Er summte ein Liedchen als er zusammen mit seinem Gefährten an die Quelle ging.

Die Wälder wären totenstill,
wenn nur die besten Vögel sängen.
Die Flüsse wären ziemlich leer,
wenn nur die schnellsten Fische schwämmen.
Die Erde wäre mausetot,
wenn nur die Menschen hier noch ständen.
Aber Drachen, Elben und auch Zwerge
Leben mit uns auf der Erde.
Leben neben uns und sehen,
dass jeder muss irgendwann mal gehen,
doch solang man ist noch da,
sollt' man nicht alleine bleiben,
sondern sich mit Freud' vereinen,
zu einem Volk, zu einem Lande,
das ewig währe wie alte Bande!

Ganz hübsch, dachte ich, aber wenn jeder so denken würde, müsste ich mich hier nicht verstecken.
Leider war die Welt anders und der "Zauberer" war mir nicht geheuer. Das Lied war schon etwas veraltet, die Zwerge hatten sich seit 2000 Jahren nicht mehr blicken lassen. Außerdem wollte ich herausfinden, was die beiden hierher trieb.
Ach ja, da war ja noch sein Begleiter. Ein gelangweilter kleiner Bengel mit Stoff- oder Lederschuhen, einem alten Hemd, eine offene Weste und einer alten Hose, die sehr zerrissen war. Ich kannte den Stoff nicht, aber er schien fest zu sein und bläulich.*4 Sein dunkelblondes Haar war nicht lang und nicht kurz, es stand ihm ausgezeichnet und passte genau zu seinem Gesicht und den braun-grünen Augen. Hätte er die richtigen Klamotten an, er wäre ein richtiger Frauenschwarm. Dazu brauchte er aber noch ein paar Jährchen. Er war etwa 16, also so alt wie ich!
Gelangweilt lief er hinter dem Mann her in Richtung Quelle. Was hatten die da wohl zu suchen? Wenn ich mich ruhig verhielt, würde ich es schon herausfinden. Der Alte holte unter seinem Umhang einen Tonkrug hervor und als er an der Quelle angekommen war, ließ er ihn mit Wasser vollaufen. Er sagte etwas Unverständliches zu dem Jungen, drehte sich um und verschwand mit gefülltem Krug wieder zwischen den Bäumen.
Der Junge blieb stehen und setzte sich mürrisch neben die Quelle und rupfte einige Blumen aus der Erde, die unverzüglich nachzuwachsen begannen. Er nuschelte etwas in seinen nicht vorhandenen Bart und rupfte den Blumen die Blätter aus. Achtlos warf er sie in das Wasser der Quelle. Die Blätter verwandelten sich daraufhin langsam in Blumen, die wieder Blätter trugen.
Die Wurzeln bewegten sich. Langsam aber sicher kamen die Blumen aus dem Wasser herausgewatet und pflanzten sich von ganz allein ein paar Zentimeter neben dem Bach ein. Die Magie musste hier unheimlich stark sein, wenn sie sogar Blumen zum Laufen brachte.
Vielleicht war es Schicksal, vielleicht war es Dummheit und vielleicht auch nur ein Zufall, aber in dem Moment, als ich die Blumen neugierig betrachtete, zuckte mein Schwanz, der ohnehin bald einen Krampf bekam wegen dieser ungünstigen Stellung auf dieser Esche, ein wenig nach rechts. Natürlich war da ein Ast und der brach ab.
Auf der Lichtung war außer dem sprudelnden Wasser nix zu hören, also war es unmöglich, dass der Junge das Geräusch überhört hatte.
Und das hatte er nicht.
Er warf die Blumen weg (die sich von alleine wieder einpflanzten und erneut Blätter trugen) und kam in meine Richtung. Was mach ich jetzt?! dachte ich. Eigentlich konnte ich nur eins: Den Jungen so zu erschrecken, dass er weinend nach Hause lief. Also wartete ich bis er direkt vor der Esche stand. Bevor er mich entdecken konnte, sprang ich ihm direkt vor die Füße und spuckte einen großen Feuerstrahl in die Luft, als Drohung. Der Junge sprang zurück und fiel hin, rannte aber nicht weg!*5 Er starrte mich nur neugierig an während er da so auf dem Boden lag! Und dann sagte er mit aufgeregter Stimme: »Bist du ein echter Drache?«
Was zum...? Das schlug doch dem Fass den Boden aus!!!
Was bildete der Winzling sich ein??? Jeder vernünftige Mensch wäre vor einem Drachen wie mir schreiend weggelaufen, aber der Depp fragte mich ob ICH ein echter Drache bin.
Was macht man in so einer Situation?? Sicher musste kein Drache in der langjährigen Geschichte unseres Volkes eine solche Situation lösen.*6 Aber MIR passiert so etwas natürlich!
Ich blickte ihm direkt in seine neugierigen braun-grünen Augen. Sie trugen nicht den Hauch von Angst. Auch als ich ihn musterte, sah ich nur seine Aufregung und... war das Freude?
Freute er sich etwa einen Drachen, der ihn in der Luft zerreißen konnte, zu sehen?
»Hmm...«, brummte ich. Was sollte ich auch sagen? Natürlich, was denkst du denn, einfältiger Junge?!
»Natürlich, was denkst du denn, einfältiger Junge?!« sagte ich dann auch mit der tiefsten und bedrohlichsten Stimme, die ich drauf hatte.
Mit leuchtenden Augen kam er auf mich langsam zugelaufen und streckte seine Hand aus, um zu fühlen, dass ich nicht nur Einbildung war. Ich blies heiße Luft durch meine Nüstern, damit der Junge zurückschreckte. Aber er ließ die verdammt heiße Luft über sich und seinen Arm wehen und kam näher. Normalerweise ist im Norden eine solche Brise ein Segen, aber hier, am Rande der Lichtung, wo es ohnehin warm war, war so eine Brise (wenn sie dazu von einem Drachen stammte) eher heiß. Zum verbrennen fast.
Aber er kam näher und jetzt war ich auch neugierig, wenn auch noch immer misstrauisch. Was wollte der Junge erreichen?
Ich ließ meinen langen Hals abtasten. Seltsames Gefühl.
Kalte Menschenhaut auf den feinen, warmen und steinharten Schuppen zu fühlen. Er schreckte zurück, denn meine Schuppen wurden mit der Zeit sehr heiß auf seiner dünnen Haut.
»Was willst du?« donnerte ich.
»Komm schon, Drache«, sagte er furchtlos. »Wenn du mir etwas tun willst, hättest du es schon getan, als du vom Baum gesprungen bist, du brauchst also nicht so dröhnen. Ich will dich nur ansehen, was sonst?«
Schneid, das hatte der Kerl.
»Verschwinde, Junge!« sagte ich, ohne meine Lautstärke zu verringern. Er nervte mich etwas und ich wollte lieber weg, bevor es noch seltsamer werden konnte. Also drehte ich mich um und krachte mit dem Kopf gegen die Esche. Verwelkte Blätter fielen mir auf den Kopf und den Rücken. Die Blätter, die in der Lichtung landeten, wurden vom sich plötzlich bewegenden Gras wieder direkt an den Baumstamm getragen, bevor die Grashalme sich wieder einpflanzten.
Der Junge lachte.
Ich schlug ihn mit meinem Schwanz, sodass er auch gegen eine der riesigen Eschen flog. Keuchend kam er wieder hoch. Zum Glück hatte er sich nicht verletzt. Ich bin zwar manchmal etwas rustikal, aber so was würde ich auch nicht wollen.
»Warte!« rief er, während ich bereits auf dem Weg in den Wald war.
Ich beachtete ihn gar nicht. Warum der Junge sich so sehr gefreut hatte, wollte ich zwar gerne wissen, aber besser ich ging jetzt.
»Ich will mit!« sagte der Junge aufgeregt.
MIT!? Ich hatte mich sicher verhört.
»Warte doch, ich will mit dir kommen!!!« rief er noch mal.
Ok, ich hatte mich nicht verhört.
»Mitkommen, mit mir?« fragte ich spöttisch und drehte mich um.
»Mit wem sonst?« sagte er und rannte schnell her zu mir.
Ok, der Junge kam mir von Anfang an komisch vor, aber jetzt wusste ich, dass er nur blöd war.
»Vergiss es, du reichst mir ja noch nicht mal bis zur Schnauze.«
Ich trottete weiter.
»Aber du kommst ohne mich nicht aus diesem Wald heraus«, sagte der Junge.
»Natürlich, ja, ich komm hier niemals ohne deine Hilfe raus, weil ich ja bloß nach Osten laufe. Ich glaube dir...«, sagte ich sarkastisch.
Was er damit erreichen wollte, war mir nicht klar. Glaubte er das allen Ernstes, was er da von sich gab?
»Zieh Leine, Kleiner.«
»Na gut«, sagte er. »Aber grüß mir die Alben, bevor du stirbst!«
»Alben?« fragte ich spöttisch. »Lass dir was Besseres einfallen.«
»Na gut, dein Pech«, meinte er nur und ging.
Der Junge könnte lügen, aber Vorsicht war besser als Nachsicht. Sollten wirklich Alben in diesem Wald sein, so hatte ich schlechte Karten. Misstrauen ist manchmal besser als Vertrauen.*7
»Erzähl mir mehr über diese Alben«, verlangte ich.
»Wieso?« wollte er wissen und blieb stehen. »Ich dachte, du kommst auch so aus dem Wald heraus. Außerdem bringt es mir ja nichts.«
Er fing an mich langsam zu nerven.
»Was willst du?« fragte ich. Als ob ich's nicht schon wissen würde.
»Ich komm mit dir!« sagte er selbstbewusst.
Vielleicht konnte ich ihn ja noch abschütteln, wenn er mir geholfen hatte, egal ob das, was er sagte, wahr war oder nicht.
»Ok, du darfst mit. Nachdem du mir gesagt hast, was mit den Alben ist.«
Er begann langsam zu erzählen:
»Der Wald wird im Osten als Stützpunkt des Albenreiches genutzt. Er ist sozusagen der östlichste und nördlichste Außenposten Ghaidhads. Er ist dazu da, die Grenze nach Angarin zu beobachten, denn der Wald grenzt direkt an das östliche Königreich. Die Alben unterhalten hier eine Garnison und manchmal ist sogar ihr Fürst selbst anwesend, heißt es.«
Vom Fürst der Alben hatte ich schon einiges gehört.
Aber das hatte jeder.
Der gefürchtete Fürst Svartal, der Schwarzelb. Fürst der Alben, Erzfeind der Elben und der große Verbündete des Verräters Noglin. Er trägt immer einen Raben bei sich, als Spion und Diener. Sein Schwert soll über 1000 Elben getötet haben und er verbreitet solchen Schrecken und Furcht, dass seine Diener sich, wenn er es will, selbst töten.
Dem würde ich nicht begegnen wollen... wirklich nicht...
»Weiterhin«, fuhr der Junge fort, »sind in etwa 100 Alben im östlichen Wald. Willst du da alleine durch oder darüber fliegen, wirst du schneller abgeschossen, als du die Pfeile bemerkst. Die sehen sogar in der Nacht so gut wie ein Adler am helllichten Tag.«
»Stimmt das auch alles?« wollte ich wissen. Klar ist man misstrauisch, aber zugegeben, der Junge wusste viel. Woher nur? War jetzt auch nicht so wichtig, wichtig war, ob da wirklich Alben waren oder nicht.
»Wenn ich lüge, darfst du mich fressen am östlichen Waldrand. Wenn ich die Wahrheit sage, darf ich mit, egal wohin du gehst. In Ordnung?«
»Ok«, sagte ich leichtfertig. Ich hätte vielleicht lieber Nein sagen sollen.*8
»Dann warte, ich muss noch was holen! Und renn nicht weg, wenn du durchkommen willst!« sagte er und rannte Richtung Westen.
Etwa zehn Minuten später kam er zurück, auf dem Rücken ein lädierter Rucksack mit einem Riemen, in der Hand eine Karte und eine Jacke aus einem eigenartigen, fremden Stoff. Ich kannte ihn genauso wenig, wie die anderen, aus denen seine Klamotten waren.*9 »Unser Lager ist keine fünf Minuten von hier.*10 Also«, sagte der Bursche, »rette ich dich mal vor den Alben!«, sagte er fröhlich.

Ende des zweiten Kapitels

Dieses Mal widme ich das Kapitel meiner Familie, die alle Trauer und Verzweiflung von einem nehmen kann.


Fußnoten:
(Der kleine blaue Pfeil () führt jeweils in die Zeile zurück, von wo aus auf die jeweilige Fußnote verwiesen wurde.)
1: Drachen haben eine innere Uhr, die man "fühlt". Schwer zu verstehen für Nicht-Drachen, aber ich fühle einfach wie viel Uhr es gerade ist. 
2: So was gibt’s auch! 
3: Genauso stelle ich mir immer einen Zauberer vor. 
4: Das Hemd ist eine Art Flanellhemd, die Weste ist aus einer Art dunklem Tweed, und was die Hose angeht: Einigen Lesern wird hier auffallen, dass ich von einer Art Jeans rede. Die anderen wissen es jetzt. 
5: Er war nicht gerade der Hellste... 
6: Nicht, dass ich irgendeine Ahnung davon hatte, schließlich habe ich noch nie einen anderen Drachen zu Gesicht bekommen. 
7: Nerven euch diese Sprichwörter vielleicht? 
8: Ich wollte ihn niemals essen, ich verachte Menschenfleisch. Aber nicht, weil ich schon mal etwas probiert hätte, im Gegenteil: Wer will schon solche knochige, kleine Burschen essen? 
Da verspeise ich lieber zuerst mich... 
9: Ich rede hier von den Stoffen, die ihr immer anhabt: Jeanshosen, Pullover, Hemden, Westen... Alles synthetisch. Das haben wir den Zauberern zu verdanken, aber um dieses Thema gibt es noch später mehr, wie ich bereits erwähnt haben dürfte. Der einzige Unterschied ist, dass alles so aussieht, als wäre es natürlicher Stoff wie Leinen, Leder, Wolle usw. Perfekte Zaubererarbeit.
Ich hab die Stoffe vorhin zwar schon beschrieben, aber damit keine Verwirrung aufkommt: Ich fand ja erst später heraus, was es ist, und da diese Geschichte in Vergangenheit geschrieben ist, ergibt es Sinn. Irgendwie... 
10: Wahrscheinlich meinte er sich und den Alten. 
.

© Salyan Silberklinge
Vor Verwendung dieser Autoren-EMail-Adresse bitte das unmittelbar am @ angrenzende "NO" und "SPAM" entfernen!
.
Und schon geht es weiter zum 3. Kapitel: "Der Heiler"...

.
www.drachental.de