Die Syn - Die Seelenschmieden von Surat-Celyton
Kapitel 2

Zadem, der Sohn des Kriegers Kianek, musste heute besonders früh aufstehen, schließlich fütterten sich die Tiere ja nicht von selbst. Er drehte sich auf seinem Bett auf die andere Seite, damit ihm die Sonne nicht so sehr in sein Gesicht schien. "Verdammt!", dachte er. "Habe ich etwa vergessen die Fensterläden zuzumache?" Den jungen Kriegersohn hatten in der vergangenen Nacht seltsame Träume heimgesucht. Er träumte, wie sein Vater von seltsamen Kriegern, die  dicke, schwarze Rüstungen trugen, getötet wurde. Endlich stand er auf und zog sich seine einfache Kleidung an. "Der Sohn eines Kriegers, der angezogen ist wie eine Bauer", dachte er sich, während er mit einer Hand durch sein ungekämmtes braunes Haar fuhr. Seine grünen, verschlafenen Augen konnte er nur mit Mühe offen halten. Leise schlich er die Treppe herunter, die direkt neben der Tür seines Zimmers vorzufinden war, um seine Mutter nicht zu wecken. Jedoch knarrte und ächzte die Treppe unter seinem Gewicht, was ihn zu einem mehr oder weniger ängstlichen Gesicht veranlasste, denn wenn man seine Mutter aus dem Schlaf riss, konnte das nur in einem Desaster enden. Unten angekommen, ließ er einen Seufzer von sich geben und begab sich Richtung Haustür. Als er diese öffnete schallte ein lautes und verzerrtes Quietschen durch das Haus, welches ihm eine Gänsehaut verschaffte und er schnell aus dem Haus  stürmte. Draußen blinzelte er der Sonne ein paar Mal entgegen, was ihm Tränen in die Augen trieb. Anschließend schloss er die Tür seines hölzernen Zuhauses mit einem weiteren Quietschen und machte sich auf den Weg zum Futtersilo.
Zadem wohnte mit seiner Mutter Ciryata und seinem Vater Kianek in einem Haus auf  einer Lichtung des Finwee-Waldes. Gelangweilt schlurfte Zadem zum Futtersilo. Da sich sein Vater auf Burg Zurion befand, musste er sämtliche Tiere versorgen und da sie sehr viele Tiere hatten, verbrachte Zadem meistens den ganzen Vormittag damit alle Tiere zu versorgen. Heute hatte Zadem überhaupt keine Lust, sich um diese "Viecher", wie er sie nannte, zu kümmern.
Bevor er mit der Arbeit begann, gähnte er noch mal herzhaft. Im alten Futtersilo war es sehr staubig. Besonders fiel das auf, als Zadem die beiden großen Holztüren aufschob und die Sonnenstrahlen den Silo erhellten. Drinnen roch es nach Heu und Stroh. Zadem schnappte sich eines der vielen Strohbündeln, die fein säuberlich in einer Ecke gestapelt waren. Zuerst schleppte er sich zum Pferdestall. Die Pferde schnaubten nur verächtlich, als Zadem ihnen das Stroh darbot. "Verwöhnte Viecher", schimpfte Zadem. Die Pferde ließen sich nichts anmerken. Zadem ließ die Pferde auf die Weide und begab sich dann erneut zum Futtersilo. Mit einem großen Sack Körner machte er sich auf zum Hühnerstall. Schon vom weitem hörte er aufgeregtes Gegacker. "Nicht schon wieder ein Fuchs!", dachte Zadem sich und hielt nach einem Stock Ausschau. Ein lauter Schnarcher ließ ihn aufschrecken. Auf Zehenspitzen schlich er zum Hühnerstall. Ein weiterer Schnarcher ertönte. Er kam nicht vom Hühnerstall sondern aus dem Wald. Zadem schlich nun also Richtung Wald. Zwischen den ersten Bäumen lag jemand. Er sah schon älter aus, da sein Haar schon weiß war und einige Falte sein Gesicht durchdrangen. Der Mann lag auf einem Moosbett. Jetzt erkannte Zadem ihn. "König Lutar!", dachte Zadem überrascht. "Was macht er denn hier?", fragte er sich. Da erblickte Zadem die rechte Hand des Königs. "Er hat wohl ein Frettchen geärgert", murmelte er nachdenklich. Die goldverzierte Rüstung des Königs war beschädigt und sein roter Umhang zerrissen. Auf der Stirn hatte er eine kleine, bereits verheilte Wunde. Im ganzem war er "ziemlich unsäuberlich", wie Zadem sich dachte. "Aber am schlimmsten ist sein lautes Schnarchen.", sagte er nun und setzte sich auf einen Stein, der neben dem König lag. "Eure Majestät...", begann Zadem. Nachdem sich der schnarchende kein bisschen, wiederholte Zadem sein Anrede nun etwas lauter: "Eure Majestät!"
Wieder nichts. "Ich komme mir richtig dumm vor." Da öffneten sich endlich die Lider des Königs, der sogleich erschrocken vor Zadem zurückwich. "Ach so... nur ein Bauer...", sagte König Lutar erleichtert und entspannte sich wieder. "Ich bin Zadem cal Kianek", sagte Zadem stolz und machte dabei eine leichte Verbeugung. Der König sah ihn mit seinen grauen Augen fragend an und kratzte sich am Hinterkopf. "Wer?" "Mein Vater kämpft als Soldat in eurer Armee.", erklärte Zadem nun. "Aha... ist das so?", fragte der König gleichgültig, wobei er aus seiner unangenehmen Sitzposition aufstand. "Darf ich fragen, was ihr hier sucht?", wollte der junge Kriegerssohn wissen. Mit weit aufgerissenen Augen starrte König Lutar ihn an. "Zügle deine Zunge, du Bauer! Du weißt wohl nicht, wie man mit einem König spricht?", fragte der König empört. Zadem zuckte zusammen. "Verzeiht, Majestät. Ich...", stotterte Zadem los. "Schon gut", unterbrach der König ihn. "Ich bin bloß schlecht gelaunt. Ich bin im Grunde unfreiwillig hier", sagte er nun ruhiger. Zadem beruhigte sich wieder. "Sag mir, Zadem cal Kianek, wo befinde ich mich hier und wo finde ich die nächstgelegene Burg?", erkundigte sich König Lutar bei Zadem. "Majestät, ihr befindet euch im Finwee-Wald.", erklärte Zadem und machte eine weitreichende Geste, die den Wald beschrieb. "Ach, der Finwee-Wald!", rief der König strahlend. "Weißt du, Bauer... ich meine Zadem cal Kianek, damals, als ich noch jung war...", begann der König mit seiner Erzählung in einem Plauderton. König Lutar nahm sich bei seiner Erzählung sehr viel Zeit und Zadem tat interessiert und kommentierte mit: "Aha, Majestät" oder "Das ist wirklich interessant, Majestät." König Lutar erzählte Zadem auch von der gestrigen Schlacht auf seiner Burg. "Du bist ein fleißiger Zuhörer, Zadem", sagte König Lutar, als er geendet hatte. "Ich danke euch, Majestät." König Lutar nickte und sagte anschließend: "So, nun weiß ich schon mal, wo ich mich befinde. Dann muss sich ja Burg Elltep ganz in der Nähe befinden." "Natürlich, eure Majestät.", antwortete Zadem. "Sie ist einen Tagesmarsch von hier entfernt." "Gut, Junge. Dann bring mich jetzt dort hin. Wenn du das getan hast, nehme ich dich vielleicht als meinen Schildknappen auf!", sagte König Lutar mit einem ernstem Unterton. "Was ist eigentlich mit meinem Vater geschehen, eure Majestät?" Zadem musste ihm diese Frage stellen. Ein seltsames Gefühl ließ ihm die Nackenhaare zu Berge stehen und seine Gedanken erschlafften bei der Vorstellung, sein Vater wäre tot. König Lutar wirkte nun recht nachdenklich.
Das ließ ihn noch älter aussehen. "Ich weiß es nicht!", antwortete König Lutar betroffen. "Viele meiner Soldaten sind bei dem Angriff gestorben. Dein Vater muss unnatürliches Glück gehabt haben, wenn er jetzt noch leben würde!" "Ein Angriff?", fragte Zadem nach. "Wer waren das?" "Du wirst alles noch früh genug erfahren!", beruhigte ihn König Lutar. "Und nun hohl uns etwas zu essen. Wir wollen ja nicht ohne Verpflegung aufbrechen!" Zadem nickte langsam und lief dann zurück zum Haus. Tausende Gedanken schossen ihm durch den Kopf...
"Oh je. Was wird meine Mutter wohl dazu sagen? Sicherlich nichts Gutes", befürchtete Zadem, als er den Hof betrat. Seine Schritte wurden immer schwerer und das Schlucken fiel ihm auf einmal nicht mehr leicht. "Das wird ihr überhaupt nicht gefallen!", dachte er ängstlich. Sarkastisch fügte er noch in Gedanken hinzu: "Da ist mir ja jeder Bär lieber, als ihren Zorn zu spüren."
Dann blieb er etwa sieben Schritte vor der Haustür stehen. "Jeder hungrige und brutale Bär.", fügte er leicht grinsend hinzu. Dann ging er weiter in Richtung Tür. Vorsichtig öffnete er die Tür. Ein lautes Quietschen durchdrang das Haus, welches Zadem zusammenzucken ließ. Das Haus war ruhig. "Sie schläft noch.", sagte er erleichtert und atmete einmal tief ein und aus. Neben der Tür lag ein alter Sack, in dem sich noch vor zwei Tagen Getreide befand. Diesen nahm er sich und schlich anschließend in den Vorratskeller, welcher sich unter der Treppe befindet. Dort packte er drei Brote, zwei leere Wasserschläuche und sechs Äpfel ein. Auf dem Boden lag ein kleines Seil. Dieses benutzte er, um den Sack zuzuschnüren. "Das muss reichen.", sagte sich der Kriegersohn und schlicht mitsamt dem Sack und seinem Inhalt aus dem Haus. "Und wenn ich wieder zu Hause bin, gibt es erstmal richtig Ärger", murmelte er, als er die Haustür mit einem weiteren Quietschen schloss. Dann ging er wieder in den Wald, wo König Lutar schon auf ihn wartete. Zadem hielt dem König den Sack hin, aber dieser blickte ihn fragend an. "Als mein 'zukünftiger' Schildknappe wirst selbstverständlich du den Sack tragen. Und jetzt los", sagte König Keras. Zadem ließ einige Flüche in Gedanken los.
Zadem und König Lutar brachen auf. Während sie durch den Wald liefen, erzählte König Lutar von seinen Abenteuern im Finwee-Wald. Die Sonne verschwand hinter dem Horizont und tauchte den Wald in ein goldenes Licht. Auch noch in der Nacht war der Wald mit Leben erfüllt. Kleine Glühwürmchen schwirrten durch die Bäume und viele Tiere erfüllten den Wald mit ihren Geräuschen. Besonders laut waren die Grillen. Ihr Zirpen übertönte fast jedes andere Geräusch. König Lutar schlug sich mit einem Schwert durch das Geäst. Zadem folgte ihm. Nach einer Weile erreichten sie eine kleine Lichtung. Der Mond erhellte sie. In der Mitte stand eine große Säule, die mit Symbolen verziert war. Glänzendes Wasser floss um die Säule. "Was ist das?", fragte Zadem und starrte bewundernd auf die Säule und das Wasser. Wie ein Fluss floss es um die Säule bis zur Spitze. Es war kristallklar. Zadem hielt seine Hand in das Wasser. "Nicht!", rief König Lutar ihm zu, doch es war zu spät. Das Wasser der Säule war kühl. Zadem hörte plötzlich Stimmen. Sie klangen lieblich und sanft. "Komm zu uns!", hauchten sie ihm ins Ohr. "Wir warten schon so lange auf dich!" Zadem wurde langsam in das kristallklare Wasser gezogen. Er ließ sich von der Kraft des Wassers hineinziehen. Er wehrte sich nicht. König Lutar hielt ihn am anderen Arm fest, doch das Wasser war stärker. Die Säule verschwand, als Zadem direkt ins Wasser eintauchte. Das Wasser hatte sich hellblau gefärbt. Ganz schwach hörte er König Lutars Rufe.
"Junge!", schrie König Lutar. "Armer Kerl. Er wollte ja nicht hören." Dann schwieg er eine Weile. "Ich kann hier nicht bleiben. Ich muss weiter, denn ich habe nur wenig Zeit", sagte er anschließend, nahm den Sack mit dem Proviant und ging weiter. Er drehte sich noch mal kurz zur Säule um und sagte noch betrübt: "Ich kann nichts mehr für dich tun. Tut mir Leid." Dann ging er weiter. Als er gerade die Lichtung verließ, hörte er hinter sich eine ihm bekannte Stimme: "König Lutar. Wohin des Weges?" Bevor Lutar sich umdrehen konnte, verspürte er einen harten Schlag auf seinen Hinterkopf und fiel anschließend in Ohnmacht.
 
© Surat-Celyton
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Und schon geht es hier weiter zum 3. Kapitel...

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