Dämonenwut von Angel Taja
Kapitel 2: Verbündete oder Feinde? (1)

Sie brauchte gar nicht lange zu suchen und fand eine Gruppe von Kriegerinnen. Es standen viele auf dem Hof, aber diese waren ihr direkt ins Auge gefallen. Alle, wie sie da standen, waren etwas kräftiger im Körperbau. Lauthals lästerten sie über die anderen Kriegerinnen und  bezeichneten diese als nichtsnutzige Hungerhaken.
"Wenn ihr ein Problem mit denen habt, dann sagt es ihnen doch ins Gesicht!", meinte Taja und stellte sich vor die Lauteste von denen.
"Wen haben wir denn hier? Unseren kleinen Neuzugang. Du bist auch nicht besser, als die da hinten, ein nichtsnutziger Hungerhaken!"
Erneut fingen alle an zu grölen.
"Hast du den Mut, deiner großen Klappe Taten folgen zu lassen?", wollte Taja wissen.
"Willst du mich etwa herausfordern?"
Die Größte drehte sich wieder zu Taja um und maß diese mit einem abwertenden Blick.
"Nur wenn du dazu in der Lage bist, und nicht direkt abhaust!", schränkte Taja ein.
Nun wirklich wütend geworden baute sich die Anführerin vor Taja auf.
"Du kleine Made meinst das wirklich ernst?", fragte sie etwas erstaunt nach.
"Alles was ich sage mein ich ernst, also was ist? Du bist doch im Besitz eines Schwertes, oder?"
"Natürlich und mein Bastard wird dich gleich in zwei Hälften teilen, Kleine!"
Wieso in alles in der Welt nannte sie jeder Kleine? Nur weil sie die einssechzig Marke nicht sprengen konnte? Sie würden ja gleich sehen, was so eine "Kleine" alles konnte. Taja folgte ihr inmitten des Hofes, wo sie den meisten Platz und Zuschauer hatten. Unter anderem standen dort auch Yacon und Andros bei ein paar Rittern und Kriegern.
"Es gibt einen neuen Kampf, bei den Frauen!", rief plötzlich einer der Krieger.
"Und wer? Etwa wieder Leonie und eine von den Schwächlingen?", wollte der Ritter neben Andros wissen.
"Nein, Leonie gegen einen Neuzugang. Die Kleine hat Leonie offen vor allen herausgefordert. Kommt, das müssen wir sehen!"
"Dann kommt, Jungs. Das ist hier an der Tagesordnung, dass sich welche bekämpfen, wir schließen sogar Wetten ab. Wir setzten jedes Mal auf Leonie, die hat noch nie verloren. Habt ihr nicht auch Lust, schnell etwas Geld zu verdienen?", meinte der Ritter an Yacon und Andros gewandt.
"Doch, aber ich will sie mir erst mal ansehen", erklärte Andros und folgte den laufenden Rittern und Kriegern. Schon bald hatten sie die Mitte des Hofes erreicht.
"Yacon, siehst du das gleiche wie ich? Das ist Taja!", rief plötzlich Andros.
"Dann wird es ein sehr schnelles Duell und wir können ganz viel Geld machen!", freute sich Yacon.
"Sei dir da nicht zu sicher, sieh dir mal ihre Gegnerin an. Die ist doppelt so groß und bestimmt auch doppelt so schwer!"
"Doppelt so groß zu sein ist bei ihr keine Kunst und die Masse ihres Gegners hat Taja schon immer für sich arbeiten lassen, aber fragen wir sie doch einfach", grinste Yacon und lief zu ihr hinüber.
"Hey, Taja, was machst du denn hier?"
"Sieht man das nicht? Ich muss mal ein paar Dinge klarstellen, wenn ich hier schon wohnen soll."
"Schaffst du die?", flüsterte ihr Andros ins Ohr.
"Was soll die Frage? Natürlich! Ich gebe ihr keine fünf Minuten!"
"Du hast aber schon gesehen, dass sie ein gewaltiges, zweischneidiges Bastard besitzt?", wollte Andros wissen.
"Was ist, vertraust du meinen Schwertkünsten nicht mehr?"
"Doch schon, aber die stellen hier Wetten auf und wir hatten vor etwas zu gewinnen", erklärte Yacon.
"Gut. Nehmt alles was ihr habt und setzt auf mich! Außer Tiarra kann mich keine Frau besiegen!"
"Dann ist es gut, bis nachher und viel Spaß, Kleine!", meinte Andros und ging.
Taja ging zurück zum Austragungsort und wartete auf ihre Gegnerin. Auch von oben wurden sie beobachtet.
Tiarra war von dem Trubel wach geworden. Von ihrem Balkon aus sah sie dem Treiben zu.
"Ganz schön was los, nicht wahr?", meinte plötzlich Sir Niclas, dessen Balkon an ihren grenzte.
"Ja. Kaum ist sie hier und schon muss sie sich entladen. Na besser so, als anders."
"Glaubst du, dass sie gewinnen kann? Schließlich ist Leonie die beste, von allen."
"Und wenn schon. Taja nimmt es mit jedem auf!"
Gebannt sahen sie nach unten.
Auch Leonie stand nun Taja gegenüber.
"Hast du kein Lampenfieber? Es sind so viele Zuschauer hier!", grinste Leonie hämisch.
"Na und? Ich bin es gewöhnt, wenn man mir beim Kämpfen zuschaut, also können wir nun anfangen, oder willst du weiter plappern?"
Knurrend stellet sich Leonie bereit und wartete darauf, dass jemand den Kampf bekannt gab.
"Es ist soweit meine Damen und Herren, wieder hat sich eine Herausforderin gefunden, die unsere unbesiegbare Leonie herausfordert. Nun denn, drücken wir ihr die Daumen, dass es ihr nicht so geht, wie der Letzten. Also seid ihr bereit? Dann lasst den Kampf beginnen!", schrie einer der Ritter.
Kaum hatte er ausgesprochen, rannte auch schon Leonie auf Taja zu. Mit Leichtigkeit fing sie deren Schwert ab und schlug mit ihrem blitzschnell zu. Gleichzeitig zog sie Leonie die Beine weg. Schwer krachte diese auf den Boden. 
Wahnsinn, Taja wusste, dass sie schnell war, aber so schnell? Wahrscheinlich war es ihr nie aufgefallen, da auch Tiarra nicht gerade langsam war. Doch in Sachen Geschwindigkeit konnte es keiner mit Taja aufnehmen.
Knurrend stand Leonie auf. Wieder rannte sie auf Taja zu und schlug mit ihrem Schwert nach ihr.
"Du hast keinen Stil. Lass es lieber sein!", lächelte Taja und schlug ihr auf den linken Arm.
Die Rüstung hatte den Schlag abgeblockt, doch er war trotzdem betäubt und hing nun schlaff herunter.
"Habt ihr das gesehen, mit nur einem Schlag hat sie Leonies linken Arm gelähmt!", staunte ein Ritter.
"Ein Kinderspiel für unsere Kleine!", grinste Yacon zufrieden.
"Kennt ihr die etwa?"
"Natürlich, wir kamen zu viert, schon vergessen?", erinnerte Andros sichtlich zufrieden.
Leonie hatte ihren Schreck überwunden und stellte sich Taja wieder entgegen. Diese hatte sich auf ihr Schwert gestützt und  sah ihr entgegen.
"Also wenn ich du wäre, würde ich das lassen!", meinte Taja.
"Du kleines Miststück. Ich habe dich gewaltig unterschätzt. Aber dennoch kannst du nicht gewinnen. Ich bin die Stärkste hier und so wird es auch bleiben."
"Das bleibst du auch. Aber gewinnen werde ich. Du bist stärker als ich, das stimmt, aber ich bin schneller und habe einen bessern Kampfstil. Du kannst natürlich auch aufgeben, ehe ich dich vollständig demütige!", bot Taja an.
"Nie und nimmer werde ich aufgeben! Schon gar nicht wegen so einer kleinen Schmeißfliege. Jetzt mach ich dich entgültig fertig."
Schreiend kam sie erneut auf Taja zugerannt und wollte ihr auf die Schulter schlagen. Allerdings hatte Taja sie schnell weggezogen und ihr ein Bein gestellt, ohne sich von dem Schwert zu erheben. Leonie schotterte mit dem Gesicht über den Boden und blieb erst mal liegen. Die Kriegerinnen, die zu Leonie standen, sahen entsetzt zu ihrer Anführerin. Die Anderen jubelten begeistert auf.
Taja hatte sich umgedreht und sah zu ihrer Gegnerin hinunter. Endlich rührte sie sich wieder. Keuchend stand sie auf. Ihr Gesicht war überall zerschürft und blutete.
"Das schaut nicht schön aus, wenn du mich fragst. Aber das hast du dir selber zuzuschreiben, man muss halt aufpassen, wo man hinläuft!", erklärte Taja ungerührt.
"Du hast mein Gesicht entstellt, du hast mich gedemütigt, das werde ich dir jetzt heimzahlen!", drohte sie wütend.
"So viel zum Entstellen gibt es da nicht und außerdem habe ich gesagt, du könntest aufgeben. Da du kämpfen willst, muss ich solange weiter machen, bist du am Boden liegst und nicht mehr aufstehst, zumindest vorerst nicht mehr!"
"Das hast du dir so gedacht, aber nicht mit mir! Schwing gefälligst dein Schwert und hör auf mit Tricks dieses Duell zu gewinnen. Stell dich gefälligst!", brüllte Leonie.
"Na schön, dann allerdings ist das Duell schnell vorbei, ich wollte den Zuschauern eine schöne Show bieten, aber wenn du nicht willst, bitte."
Taja zuckte mit den Schultern und nahm ihr Zweihänderschwert mit beiden Händen. Schnell rannte sie auf Leonie zu und schlug mit aller Kraft gegen ihr Schwert.
Durch die Schnelligkeit und Kraft wurde das Schwert Leonie aus den Händen gerissen und landete weit außerhalb des Kampfplatzes.
Im gleichen Zug hatte Taja ihr Schwert unter Leonies Hals geschwungen und war dort erst gestoppt. Entsetzt hielten alle die Luft an.
Kurz vor Leonies Hals stand das Schwert von Taja still. Alles eine Sache der Berechnung.
Leonie traute sich nicht zu atmen, da sie Angst verspürte, sie würde das Schwer berühren.
"Du bist besiegt, Leonie!", erklärte Taja überlegen.
"Der Kampf ist vorbei. Leonie, unsere langjährige Favoritin, wurde durch den Neuzugang Taja in einem fairen und ehrlichen Kampf besiegt. Wir bitten alle Wettteilnehmer, sich ihren Gewinnteil abzuholen, auch wenn ich glaube, dass es wenige sind", erklärte der Ritter von eben wieder.
Taja nahm ihr Schwert herunter und ging hinüber zu Andros und Yacon.
Ehrfürchtig sah ihr Leonie nach. Wie konnte eine kleine Person so ein mächtiges Schwert so geschickt führen? Wie konnte Taja in der Lage gewesen sein sie zu besiegen?
Taja wirkte viel kleiner und viel zierlicher, was auch mit absoluter Sicherheit der Wahrheit entsprach. Leonie atmete schwer. Verwundert blickte sie Taja an.
Auch Taja war schnell gerannt und hatte schnelle Aktionen durchgeführt, aber sie atmete während des Kampfes und jetzt noch völlig ruhig.
Leonie stempelte diese Erkenntnis als unmöglich ab. So was ging einfach nicht!
Yacon und Andros waren fast die Einzigen, die auf Taja gesetzt hatten, demnach war ihr Gewinn sehr hoch.
Freudestrahlend kamen sie auf Taja zugelaufen.
"Oh, unsere Kleine ist einfach spitzte. Sieh dir das an, wir sind reich, reich!", grölte Yacon.
"Dank dir! Aber keine Sorge, wir haben alles in drei große Teile geteilt!", erklärte Andros, als er sie in den Arm nahm und festdrückte.
"Nicht so wild, du erdrückst mich noch! Außerdem müssen wir es in vier Teile teilen. Denn ohne Tiarra wäre ich nie so gut geworden, also kommt her damit."
Schnell teilten sie sich das Geld auf und jeder nahm seinen Anteil in einem Säckchen mit. Taja schnürte gerade das letzte Säckchen zu und drehte sich zu dem Balkon um. Schnell entdeckte sie Tiarra und warf ihr das Säckchen hoch.
"Danke, Tiarra."
"Wofür denn? Du hast doch gekämpft!"
"Schon, doch du hast mich trainiert", lächelte Taja freudig.
"Na, wenn du meinst! Gratuliere, wer hätte gedacht, dass du so schnell bist. Ehrlich, ich bin beeindruckt. Mal sehen, wann wir uns mal wieder duellieren, aber leider habe ich jetzt hier so einiges an Pflichten und muss mich darum kümmern, dass ich die Nummer eins bei diesen Leibwächtern hier werde, und das geht nicht so leicht wie bei dir. Also pass auf dich auf, meine Kleine, ich muss an die Arbeit."
"Mach das und bis später mal. Ich lass mich noch etwas feiern!"
Taja wandte sich um und ging zu den Kriegerinnen, die sich sehr über ihren gewonnen Kampf freuten.
"Wirklich beeindruckend. Ich habe euch beide ja schon gegeneinander kämpfen sehen, doch da wirkte eure Kampfkraft in etwa gleich. Aber wenn man das jetzt gesehen hat, dann weiß ich wirklich, wie stark ihr seid!", staunte Sir Niclas.
"Das habe ich doch von Anfang an gesagt. Ich glaube, gegen uns sähen auch so einige Männer alt aus. Aber genug geplaudert, wolltet Ihr mir nicht jemanden vorstellen? Wir sind zu dritt, also will ich sie auch kennenlernen!", erklärte Tiarra und ging nach drinnen.
Vor ihrer Tür trafen sie sich wieder.
"Na dann komm!"
Sir Niclas führte sie etliche Flure entlang, bis sie vor einer großen Tür stehen blieben. Als Tiarra diese aufstieß, offenbarte sich ihr eine riesige Bibliothek. Schnell trat sie ein und sah sich um.
"Und begeistert?", fragte er dann.
"Ja ganz toll. Doch wolltet Ihr mich nicht zu Nummer drei führen?"
"Hab ich doch, sie verbringt viel Zeit hier."
"Unterbrecht mich, wenn ich mich irre. Sind Leibwächter nicht dazu da, um bei der Prinzessin zu sein, und nicht hier in einer Bibliothek? Immerhin redetet Ihr von drei und nicht von vier! Da wir nun alle hier sind, nehme ich mal an, dass die Prinzessin momentan keinen Leibwächter hat, oder?"
"Da hast du Recht. Aber wir sind nur ihre Leibwächter und nicht ihre Kindermädchen. Außerdem gibt es in diesem Schloss auch königliche Wachen. Wir sind dafür da, dass sie beschützt wird, wenn irgendetwas Außergewöhnliches passiert oder sie auf einen öffentlichen Platz geht!", sprach plötzlich eine Stimme hinter ihr.
Es handelte sich um eine hoch gewachsene Frau mit schwarzen, kinnlangen Haaren. Ihre Augen glänzten fast genauso dunkel wie ihr Haar. Außerdem war sie genauso groß wie Sir Niclas.
"Nummer drei, wenn ich mich nicht irre!", beschloss Tiarra, ohne darauf einzugehen, was sie gerade gesagt hatte.
"Eigentlich Nummer eins. Ich war die Erste der Leibwachen, von uns dreien, mein Name ist Lady Asena."
Sie reichte Tiarra die Hand und betrachtete sich ihre neue Kollegin etwas genauer. Tiarra nahm ihre Hand an, aber sie war eiskalt. Lady Asena hatte mehr von einem Mann, als es zuerst den Anschein machte. Nicht nur ihre Körpergröße, auch ihr Köperbau insgesamt wirkte sehr maskulin. Ihre Stimme war irgendwie genauso eisig wie ihre Hand. Nein, Tiarra mochte diese Lady nicht! Aber vielleicht täuschte sie sich auch, immerhin kannte sie diese erst ein paar Minuten. Sie sollte abwarten, bis sie Lady Asena näher kennengelernt hatte. Lange musterten sie sich schweigend, bevor Lady Asena an ihr vorbei ging.
"Entschuldige mich, aber ich habe noch einiges zu tun!", erklärte sie knapp.
"Was hat sie denn zu tun? Ist irgendwas, was wir heute machen müssen?", wollte Tiarra wissen, als sie Lady Asena nachsah.
"Nein. Du wirst feststellen, dass wir als Leibwache nicht ständig was zu tun haben, wir sind keine kleinen Dienstmägte. Wenn du willst, kannst du dich erst mal mit der Prinzessin vertraut machen, sie würde sich bestimmt sehr freuen, sie hat nicht viele Freunde hier. Nach den letzten Überfällen wird sie streng bewacht, insbesondere von uns. Du bist ihr nun verpflichtet und musst sie mit deinem Leben beschützen", meinte Sir Niclas.
"Gut, wenn Ihr mich hinbringen würdet!"
"Dann komm!"
Schnell führte Sir Niclas sie wieder durch eine Anzahl von Fluren und Gängen. Anschließend stiegen sie eine lange Treppe empor. Oben angekommen ging das Wirrwarr an Gängen weiter. Endlich nach Ewigkeiten blieb Sir Niclas vor einer prachtvollen Tür stehen und klopfte höflich an.
"Prinzessin, Ihr habt Besuch!"
"Tretet ein!", rief sie.
Ohne ein weiteres Wort trat Tiarra ein und schloss die Tür wieder hinter sich.
"Oh wie erfreulich! Es ehrt mich zutiefst, dass Ihr mich besucht, Tiarra. Setzt euch doch!"
"Ihr braucht mich nicht siezen, das tut außer Euch sowieso keiner", meinte Tiarra, als sie sich auf den angewiesenen Stuhl setzte.
"Wie du willst. Was führt dich zu mir?", wollte die Prinzessin wissen.
"Eigentlich nichts besonderes, ich wollte Euch nur besser kennenlernen."
"Ist das dein Ernst?"
"Natürlich, warum denn nicht? Immerhin kenne ich Euren Namen noch nicht und man hat mir geflüstert, dass Ihr oft etwas alleine seid!"
"Sir Niclas, nicht wahr? Ich heiße Tarena. Hast du so viel Zeit, um mich besser kennen zulernen? Die Anderen haben meisten nie Zeit."
"Hier gibt es doch nichts zu tun."
"Dann erzähl was von dir!", bat Tarena.
"Na gut. Ich wurde lange Zeit als unerziehbar bezeichnet, meine Eltern hatten genug von mir und brachten mich in ein Lager, wo man mir Manieren beibringen sollte. Der Meister hat viele Nerven wegen mir verloren, doch später kamen wir gut miteinander aus. Ein paar Jahre später lernte ich Taja kennen. Wir wurden gute Freunde und ernste Rivalinnen. Wir haben oft gegeneinander gekämpft. Sie ist so was, wie eine kleine Schwester für mich, man muss immer auf sie passen. Zusammen mit ihr hab ich unseren Kumpels ständig Streiche gespielt und sie geärgert. Wir waren ein wilder Haufen. Dann wurden wir hierher gebracht. Auch wenn ich noch immer nicht verstehe, wie unsere Strategie aufgeflogen ist. Wir waren wirklich raue Wildsäue, wenn der königliche Gesandte da war. Na ja immerhin sind wir alle vier hierher gekommen", erzählte Tiarra.
"Ach, hätte ich auch so viel Spaß, wie ihr. Ich langweile mich immer zu Tode. Ich schau mir immer die Kämpfe im Schlosshof an. Das war deine Freundin heute, nicht wahr? Sie hat Leonie endlich geschlagen! Ehrlich, ich dachte, es gäbe keine starken Frauen mehr. Na ja, Lady Asena wird noch stärker sein, aber an solchen Wettstreiten nimmt sie nie teil!"
"Sie ist etwas eisig, oder?"
"Ja, sie ist sehr kühl, aber sie ist ehrenhaft und beschützt mich immer mit Leib und Seele. Sie ist bisher die längste Leibwache, die ich hatte. Man kann nicht alles haben, Leibwache und Vertraute!" 
"Das geht schon, Sie müssen nur die richtige finden. Wenn alle Stricke reißen, dann bin ich ja auch noch da."
"Wirklich? Das würde dir nichts ausmachen?", vergewisserte sich Tarena.
"Warum denn? So erfahre ich wenigstens allen neuen Klatsch und Tratsch."
"Das freut mich ehrlich, Tiarra. Die meisten meiner Freunde können mich nicht mehr besuchen."
"Hab schon davon gehört. Haben sie Euch denn wirklich schon mal gehabt?"
"Ja und nicht nur einmal. Sie kommen immer nachts. Man bemerkt sie erst, wenn alles zu spät ist. Doch bisher konnten mich Sir Niclas und Lady Asena immer beschützen und mich retten. Niemand weiß, wer sich hinter diesen Gestalten verbirgt. Hoffen wir nur, dass sie in nächster Zeit nicht wieder auftauchen."
"Ach und wenn schon, an mir kommen die nicht vorbei", erklärte Tiarra zuversichtlich.
"Das will ich auch hoffen. Schließlich hat man dich zu diesem Zweck an den Hof geholt!", kicherte Tarena.
"Keine Sorge!"
Beide unterhielten sich noch lange. Tarena erzählte noch aus ihrer Kindheit und Tiarra von ihren Kampfkünsten. Erst gegen Abend waren sie aus Tarenas Zimmer und zum Essen gegangen. Da die Königsfamilie woanders aß als Tiarra, verabschiedeten sich die Beiden schon mal.
Tiarra hatte sich wieder zu ihrem Zimmer aufgemacht. Viel Zeit war verstrichen, bevor sie es wieder fand.
Den Anderen erging es besser als ihr! Die verliefen sich wenigstens nicht immer in den großen Gängen, Fluren und Hallen.
Sie legte die Robe und Rüstung ab und zog sich ihr Nachtgewand an. Dieses schien ebenso edel wie all ihre anderen Sachen zu sein, die sie nun besaß. Ach das Leben hier auf dem Schloss war doch ein gänzlich anderes, als das, was sie noch gestern führte. Irgendwie wünschte sie sich das einfache Leben wieder zurück. Hier war alles so geordnet und korrekt. Außerdem machte es den Eindruck, dass auf dem Schloss nichts los sei. Bis auf Tajas Kampf war nichts Aufregendes passiert. Nein, es strotze hier nur so von Langeweile. Wie gerne würde sie eine Heuschlacht machen oder sich mit den anderen fetzen. Doch die hielten sich alle wo anders auf. Andros und Yacon zählten nun zu den Kriegern des Schlosses und würden jeden Tag trainieren. Taja hingegen trug nun den Namen 'beste Kämpferin' und trainierte ab morgen die anderen Kriegerinnen.
Tiarra dagegen vertrödelte den nächsten Tag wieder sinnlos. Konnte es nicht wieder so aufregend werden, wie die vergangenen Tage? Doch Tiarras Wunsch wurde unerhört. Es vergingen Tage an Tage, Wochen an Wochen und sogar Monat an Monat.
Inzwischen verband Freundschaft Tarena und Tiarra. Auf Grund dessen verbrachte Tiarra viel Zeit mit ihr. Doch ihre anderen Freunde hatte Tiarra  lange nicht mehr gesehen, weil sie viel mit der Prinzessin unternahm. Diese konnte nun ihre Einsamkeit endlich mal zurücklassen. Daher wollte sie gerne Zeit mit ihr verbringen, auch machten die beiden häufig Späße. Sie warfen aus einem hohen Fenster Eier auf darunter stehende Ritter und anschließend rannten sie weg. Niemand bemerkte, wer es gewesen war.
Auch Sir Niclas schien nicht mehr so unerträglich, wie Tiarra immer glaubte. Oft saßen alle Drei zusammen und erzählten sich Geschichten, die sie erfanden.
Doch heute lag Trübsinn auf Tiarras Zügen. Sie vermisste ihre alten Freunde. Also beschloss sie, diese wiederzusehen. Tarena wollte unbedingt mitkommen und diese auch kennen lernen. Allerdings ging das nicht. Da die Prinzessin nicht einfach mitgehen konnte und die Anderen nicht in diesen Teil des Schlosses durften. Also verschoben sie das. Tiarra allerdings wollte sie heute wiedersehen und begab sich auf den Weg zu ihnen.

Taja hatte gerade das eigene Training und das der Anderen beendet. Sie genoss wirklichen Respekt unter den Anderen und war dennoch gern gesehen. Ja sogar Leonie wollte vieles von ihr wissen. Mit einer Engelsgeduld versuchte Taja ihr alles beizubringen. Leider schien das Ergebnis nur mittelprächtig zu sein. Leonies dürftige Schnelligkeit hinderte diese, um alles zu erlernen.
Taja wischte sich das Gesicht ab und reckte sich mal wieder richtig, als ein Ritter auf sie zukam.
"Du kämpfst gut!"
"Danke!", entgegnete sie nur knapp.
"Wie wäre es, wenn wir mal zusammen einen heben gehen?"
"Nein, danke!", sie ging an ihm vorbei und wandte sich der Mitte des Schlosshofes zu.
"Ist die eisig!", meinte der Ritter und sah zu Andros und Yacon, die plötzlich neben ihm standen.
"So ist sie immer gegenüber Männern. Hat wohl schlechte Erfahrungen gemacht. Ich an deiner Stelle würde es nicht bei ihr versuchen, die ist dir ein paar Nummern zu groß!", grinste Andros.
"Das sagt gerade der Richtige. Soweit ich mich erinnern kann, hast du es auch noch nicht bei ihr geschafft!", erklärte Yacon, wobei er ein Auge zukniff.
"Schon möglich, aber du hast Tiarra ja auch noch nicht, oder?"
"Das ist was anderes, sie ist ja nicht mehr so oft bei uns, aber Taja sehen wir doch wohl oft genug!"
"Gutding will Weile haben! Ich mach das schon!"
"Beeil dich lieber, du hast doch gesehen, dass mehrere die Absicht haben", erklärte Yacon weiter.
Wieder gerieten die Freunde in einen Streit.
Taja schritt derweilen gemächlich über den Schlosshof. Die Sonne stand schon tief, so dass sie oft die Augen zusammen kneifen musste, um was zu sehen. Vor ihr in etwas weiterer Entfernung stand jemand. Sie beschattete ihre Augen mit einer Hand und blinzelte nach vorne. Sie kannte die Art des Stehens der Person. Genauso stand Tiarra immer, wenn sie auf etwas wartete. War sie das etwa? Es war einiges an Zeit verstrichen, als sie ihre Freundin das letzte Mal sah. Die königlichen Pflichten mussten sie wohl schwer beansprucht haben. Langsam trat Taja weiter auf diese Gestalt zu.
"Lange nicht mehr gesehen, was?", meinte plötzlich die Gestallt und Taja wusste, dass es Tiarra war. Sie war noch immer so vorlaut.
"Na ja. Immerhin hat meine Freundin einen gehobeneren Posten als wir. Da sieht man sich halt nicht so oft."
Endlich standen sie voreinander und konnten sich eingehend betrachten. Tajas Haar war länger geworden und ausnahmsweise mal geöffnet. Na ja, wenigstens halbwegs. Sie hatte nur ein paar Strähnen hinten zusammengebunden. Sie lächelte freudig, als sie Tiarra endlich erkennen konnte.
"Du hast dich kaum verändert, Kleine!"
"Du auch nicht, Tiarra. Wie ist der Posten?"
"Ach eigentlich ganz gut. Ich habe mich mit der Prinzessin und auch mit Sir Niclas angefreundet!"
"So so, Sir Niclas! Und was ist mit deinen anderen beiden Verehrern? Hast du die etwa vergessen?"
"Ich habe dir hundertmal so gut wie einmal gesagt, dass ich keinen von beiden will!"
"Und deswegen nimmst du nun Sir Niclas?"
"Hab ich das gesagt?"
Es war so wie früher. Die Herren stritten sich in der einen Ecke und die Damen in der anderen.
"Ich hab dich vermisst, Tiarra!", erklärte ihre Freundin plötzlich.
"Ich dich doch auch, deswegen bin ich doch hierher gekommen. Wie ich sehe, hast du dir hier schon einen Namen gemacht!"
"Ja, seit dem ersten Tag hat sich keiner mehr getraut mich herauszufordern. Wie wäre es, wenn wir in meinem Zimmer weiterreden? Ich geh mich schnell waschen und dann können wir uns ungestört unterhalten."
"Gute Idee, dann mal los!"
Tiarra folgte ihrer Freundin, die sie in den Trakt der Kriegerinnen führte. Hier war es nicht so schön wie bei ihr. Es waren einfache Flure ohne jeglichen Schnickschnack, aber irgendwie erinnerten sie Tiarra an das Lager. Ein riesiger Flur nahm sie plötzlich auf und Taja ging ein ganzes Stück, bis fast ganz ans Ende. Dann endlich blieb sie an einer Tür stehen und schloss diese auf. Sie schubste die Tür auf und forderte Tiarra auf herein zu gehen. Ihr Zimmer war viel kleiner als das von Tiarra und sehr einfach. Es war schon fast eine ungewohnte Umgebung für Tiarra. Ein einfaches Holzbett hatte sie, doch es erinnerte sie sehr an ihre vergangenen Tage.
"Fast so wie im Lager, nicht wahr?", meinte Taja, als sie im Zimmer standen und die Tür geschlossen war.
"Ja, ich habe ganz vergessen, wie es damals war. Du musstest dich nicht sehr umgewöhnen, wie ich. Also ehrlich."
"Es ist klein, aber es langt mir. Zuerst erschienen diese Wände so fremd und dann haben sie mich immer an zu Hause erinnert. So habe ich es hier auch ausgehalten. Anscheinend sieht dein Zimmer etwas anders aus!", stellte Taja fest.
"Etwas? Es ist total anders. Mein Zimmer ist viel größer, ich habe einen eigenen Balkon und ein Badezimmer. Oh, tut mir leid, ich wollte nicht prahlen."
"Schon gut. Wir leben halt jetzt in zwei verschiedenen Welten. Ich zum Beispiel muss in einen großen Waschsaal gehen, wenn ich mich waschen will."
"Es tut mir wirklich leid, Taja!", entschuldigte sich Tiarra wieder.
"Das muss es nicht. Ich bin seit jeher an ein einfaches Leben gewöhnt, meine Eltern waren auch nur einfache Bauern und besaßen einen eigenen Hof. Ich würde in deinem Leben gar nicht mehr klar kommen. Ich fühl mich hier wohler, deswegen kannst du ruhig von dir erzählen. Ich kenne keinen Neid! Also ich geh mich schnell waschen. Wartest du solange hier?"
"Na klar, lass dir ruhig Zeit."
Lächelnd nahm Taja ihre frische Wäsche und ein Handtuch mit. Anschließend verließ sie Tiarra. Allein bleib sie zurück im Zimmer und sah sich um. Mal sehen, was ihre Freundin so alles hier versteckte. Schnell untersuchte sie ihren Schrank und schnell fand sie, was sie suchte. So machte es ihre Freundin schon immer. Seit sie Taja kannte, versteckte diese ihre persönlichsten Sachen in einen kleinen Karton und vergrub diesen dann unter ihrer Wäsche. Anscheinend war keine Veränderung eingetreten. Tiarra hob den Deckel hoch und sah etliche Blumen, die Taja getrocknet hatte. Es handelte sich um Lilien, Sonnenblumen und sogar Rosen. Darunter verbarg sich ein Bündel Briefe und lose Zettel. Auf diesen standen Tajas selbst geschriebene Lieder. Nur zu gut erinnerte Tiarra sich an Tajas Lieder, die sie meist heimlich sang, wenn es Nacht wurde und sie alleine irgendwo saß. Allerdings kam es auch vor, dass sie bei ihren Duellen sang, um sich selber anzuspornen. Tiarra musste ehrlich zugeben, dass es auch immer half. Anschließend kämpfte Taja besser als vorher. Doch ihre Freundin sang nicht gerne in der Öffentlichkeit.
Tiarra grinste breit, als sie daran dachte, dass sie Taja immer aufforderte zu singen, wenn sie irgendwelche Strafarbeiten machen mussten. Die ganze Sache wurde so etwas unterhaltsamer gemacht.
Die meisten Lieder waren in einer anderen Sprache, die Tajas Eltern sprachen. Bis heute konnte Tiarra nicht verstehen, warum deren Eltern und Taja selbst eine andere Sprache redeten, als sie. Sie waren genauso wie sie hier geboren worden, das sollte sie ihre Freundin doch mal genauer fragen. Doch Taja sang diese Leider am liebsten, da sie keiner verstand. Ihre Augen sprühten immer so vor Energie, wenn sie diese anstimmte.
Tiarra fand auch Lieder in ihrer Sprache und las sie schnell durch. Sie handelten meistens von der verborgenen Kraft, die in jedem Menschen zu finden sein sollte. Also eine lebhafte Fantasie besaß ihre Freundin schon. Mehr interessierte sie aber das fest zusammengebundene Bündel Briefe.
Tiarra hatte nicht so viel Zeit alle zu lesen, aber wenigstens einen wollte sie lesen. Vorsichtig zog sie einen aus dem Bündel heraus und las den geöffneten Brief. Plötzlich veränderte sich ihre Gesichtsfarbe in einen rötlichen Ton. Das war ein Liebesbrief! Aber von wem? Es stand keine Unterschrift drunter. Es musste einer aus dem Schloss sein! Früher besaß sie solche Briefe nicht, sie kontrollierte ihre Kleine ja schon mal. Er hatte auf jeden Fall eine sehr schöne Handschrift. Alt konnte er also auch nicht sein. Wahrscheinlich stammten auch von ihm die ganzen Blumen.
Also ehrlich und dann besaß ihre Freundin noch nicht mal den Nerv ihr das zu verraten und ging stattdessen duschen. Na warte, wenn die wieder kam.
Plötzlich klopfte es an der Tür und herein kam Ellie. Sie kam schneller herein, als Tiarra die Kiste wieder verschwinden lassen konnte. Mit großen Augen sah sie Tiarra an.
 

© Angel Taja
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Und schon geht's weiter zum 2. Teil des 2. Kapitels...

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