"Jieh, seht doch nur!" - "Scht, sei leise,
guck nicht hin."
Kinderfinger deuteten auf eine Gestalt, welche
sich eingeschüchtert noch mehr an die grobe Mauer am Dorfrand versuchte
zu pressen.
Gelächter, spöttisch und eindeutig
auch verächtlich, dann ging es los:
Tiraden aus Spott, Hohn und auch gemeiner
Beleidigungen hagelten auf die Gestalt hernieder.
Immer mehr duckte diese sich, zerrte verzweifelt
am eingerissenen, löchrigen Umhang, als böte dieser Schutz oder
könne die Person verbergen.
Unvermittelt ein Schmerzenslaut.
Die Horde Jungs scharte sich um die Gestalt,
rückte immer bedrohlicher näher.
Anstatt den Versuch zu wagen, die Flucht zu
ergreifen, kauerte sich die merkwürdige Gestalt an der Mauer nochmals
zusammen. Als weitere Steine und Äste ihr Ziel exakt trafen, schlang
die Person lediglich die Arme über dem Kopf zusammen, um Kopf und
Gesicht zu schützen.
"Krüppeljunge, Blödmann, Du!" Die
Jungs gröhlten und feixten, was das Zeug hielt.
Schon seit "der da" vor 14 Sommern im Dorf
am kleinen Teich gefunden wurde, war er die Zielscheibe des Dorfgeredes
und auch heimlichen Spotts.
Niemand wußte, woher er kam, dies komische,
merkwürdige Bündel Leben.
Ein kinderloses Paar erbarmte sich und nahm
den seltsamen Burschen auf.
Die Frau kaufte von dem kargen Haushaltsgeld
sofort einen Umhang, denn sie fürchteten sich ein wenig vor seiner
"Verunstaltung".
Dem Knaben, der sich Narthan nannte, aber
sonst an nichts Erinnerung besaß, ließen sie all ihre Liebe
und Fürsorge angedeihen, die sie einem eigenem Kind nie geben konnten.
Doch seine Stummheit durch eine "Verunstaltung"
verhinderte seine ganze Jugend hindurch eine glückliche Zeit.
Außer dem Ehepaar, bei dem er lebte,
wollte niemand etwas mit ihm zu tun haben. Jetzt, seit zwei Monaten, war
es richtig hart für ihn geworden.
Die Frau folgte ihrem Mann nach lang erfülltem,
hartem Leben.
Keine Fürsorge, kein Dach mehr über
dem Kopf, war der jetzt 19 Sommer zählende junge Mann auf sich allein
gestellt.
Er war nicht einfältig, ganz im Gegenteil.
Genau das machte den anderen Angst, die sie
durch Aggressionen ihm gegeenüber zu bewältigen suchten.
Narthan saugte förmlich jedes Wissen wie
ein Schwamm in sich hinein.
"So, nun bist du dran. Mal sehen, ob du Krüppel
überhaupt schwimmen kannst!"
Den Worten folgten schmerzhafte, brutale Stiche
mit einem Holzstock.
Kein Ton drang über die Lippen des großen,
muskulösen, jungen Mannes.
Ein weiterer Hieb jedoch erfolgte nicht.
Ein gerade begonnener Schmähruf verstummte.
Narthan öffnete vorsichtig die bereits
von den Fausthieben zuschwellenden Augen.
Die eben noch so mutige Bande wich zurück.
"So, das seid ihr also, hm? So mutig wie eine
lästige Fliege, die man wegscheucht."
Allein die Stimme vermittelte etwas, ehrfurchtgebietend,
die auch keinen Widerspruch duldete.
Grüne Augen blitzten auf, in welchen
Strenge lag. Strenge, aber auch die Erfahrung eines Mannes, der sich nicht
der Muse hinzugeben schien.
Langes, weißes Haar lag auf den breiten
Schultern.
Er schien ein Riese zu sein. Zumindest für
Menschen.
Bronzefarben glänzte seine Haut, als
ob er sich viel im Freien aufhalten würde.
So streng er wirkte, verrieten aber doch die
Lachfältchen um seine Augen, dass er nicht nur ernst zu sein schien.
In diesem Moment jedoch machte alles an ihm
deutlich, dass ihm alles andere als zum Lachen zu Mute war.
Mit einer anmutigen, geschmeidigen Bewegung
kniete er vor Narthan, blitzte, die Bande nicht eine Sekunde dabei aus
den Augen lassend, diese an:
"Ich zähle bis drei. Wer bis dahin noch
hier ist, wird es bitter bereuen."
Einwandfrei, dass er die Späße
der Jungen alles andere als guthieß.
Einer Aufforderung hatte es an sich nimmer
bedurft: Die Rasselbande stob mit sichtlicher Furcht in alle Himmelsrichtungen
auseinander.
Nur für einen Moment sah er den Jungs
nach, ehe er sich dem immer noch zusammengekauerten Jüngling widmete.
"Narthan also, hm?" Keine Frage. im Tonfall
schwang eine Feststellung mit. "Nun jetzt komm. Hier ist kein Ort um zu
reden, noch weniger um sich zu erholen."
Eine Augenbraue hob sich, als der Mann mit
einer Behutsamkeit, die man an ihm kaum vermeinte zu finden, über
den Kopf des Jungen strich. Dieser hatte den Mann die ganze Zeit mit großen
Augen stumm angesehen.
Als dieser ihn nun so freundlich behandelte,
schwand die furchtbare Angst, die er bislang verspürt hatte.
Narthan begriff, dass dieser Mann ihm nur
Gutes wollte.
Folgsam erhob er sich und trottete neben ihm
einher.
"Nun, Narthan, sprich, was war da los?" Der
Blick des Mannes ruhte freundlich auf ihm, aber auch in der Erwartung,
dass die Frage beantwortet wird.
Fast gepeinigt sah Narthan den Mann an. Er
wollte ja gern, aber, wie sollte er denn antworten?, schienen seine Augen
zu sagen.
Der Mann blieb weiterhin freundlich, auch
wenn der Blick eindeutig eine Spur aufmerksamer wurde.
"Nun, magst du oder kannst Du nicht?" meinte
er, Narthan dabei fragend ansehend.
Dieser blieb stehen, hob eine Hand und wollte
wohl ansetzen zu antworten, doch blieb er noch immer stumm, deutete stattdessen
auf seine Kehle.
Dabei blietzte an seinem Hals etwas auf.
An?
Die Augen des Mannes verengten sich zu Schlitzen,
als er Narthan erneut betrachtete.
Dieser "Anhänger" saß, als er sich
nun ein wenig vorbeugte, jedoch langsam, um den Jungen nicht zu erschrecken,
unterhalb des Kehlkopfes! "Soso", murmelt er nur, nickte Narthan dann aufmunternd
zu. "Du hast mehr zu sagen, als ich es könnte, hm?"
Dieser blinzelte fragend und wohl auch verwirrt.
Was meinte der Mann?
"Nun..." Der weißhaarige hob einen Arm
und deutete gen dem Hügel abseits des Dorfes. "Hab Vertrauen. Ich
werde Dir nichts tun. Folge mir und ich werde versuchen, Dir zu helfen,
wenn Du magst. Außerdem", er zwinkerte vergnügt, "Du schaust
aus, als hättest Du schon länger nichts vernünftiges mehr
zu beißen gehabt."
Bei der Erwähnung der angebotenen Mahlzeit
kam Narthan kaum dazu zu nicken, stattdessen war ein lautes Knurren seines
Magens zu vernehmen.
"Ha", lachte der Weißhaarige, "dann
auf!" Und ging mit langen, weitausholenden Schritten vor.
Narthan, der irgendwie so gar nicht schnell
verarbeiten konnte, Freundlichkeit zu erfahren, stapfte erst zögernd,
dann in Laufschritt fallend, weil diesem Tempo nicht Schritt halten könnend,
hinterher.
Aus irgendeinem Grund fühlte er, dass
der Fremde ihm wohlgesonnen war.
Am Waldrand kam Narthan keuchend zu stehen.
Derart schnell konnte er nicht lange folgen.
Die Hände auf die Oberschenkel stützend,
stand er dann nach Atem ringend dort und spähte traurig dabei in das
Dunkel des Waldes.
"Sicher war der Fremde fort", dachte er traurig;
er würde kaum auf einen wie ihn warten wollen.
Doch weit gefehlt.
"Verzeih", kam es plötzlich entschuldigend
aus der Richtung, in welche Narthan sah, und die Gestalt des Mannes löste
sich zwischen den Bäumen hervor.
"Ich vergesse immer wieder, dass es andere
wohl nicht gewohnt sind, mit mir Schritt zu halten."
"Ouh" brachte Narthan erschrocken hervor, lächelte
dann scheu.
"Sieh an, sieh an, Du kannst lächeln",
kommentierte der Hüne sichtlich erfreut. "Das ist gut. Komm!"
Statt wiederum vorzugehen, legte er einen
Arm um Narthan - der viel zu überrascht war und darum nicht zurückwich
- und passte sich dem Tempo des Jungen an, während er ihm geduldig
den Weg wies.
Dem Dorf, das nun hinter beiden lag, warfen
keiner der beiden noch einen Blick zu.
Nach einer kleinen Ewigkeit, zumindest kam
es Narthan so vor, welche die beiden durch den Wald, dann über eine
Wiese und zum Gebirge führte, erreichten beide eine Hütte, die
von anderen kaum auffindbar war, derart abgelegen war sie.
Narthan kam aus dem Staunen kaum heraus, als
er die Hütte betrat. Das erste, was er sah, war ein riesiger, silbernfarbener
Wolf, von welchem er ausging, er wäre wohl ausgestopft.
Vor einem Kamin, in welchem ein herrliches
Feuer knisternd und munter flackerte, lag das mächtige Tier, der Länge
nach in voller Größe ausgestreckt, leicht auf der Seite liegend.
Als Narthan jedoch einen Schritt näher
trat, schnellte urplötzlich der Kopf des vermeintlich toten Tieres
hoch und zwei unergründlich bernsteinfarbene Augen richteten sich
auf den jungen Mann, dem nun definitiv das Herz für einen Moment in
die Hose rutschte.
Wenn das Tier in der Lage wäre zu lächeln,
hätte es dies wohl nun getan, zumindest kam es dem armen Narthan so
vor, der mit weit aufgerissenen Augen zunächst erschrocken zurücksprang,
dann jedoch gebannt und fasziniert den Wolf ansah.
"Silbermond, Du kleines Biest", lachte der
Weißhaarige gutmütig, als er zu den beiden blickte, "mach unserem
Besuch keine Angst", mahnte er jedoch gleich darauf.
"Hiahwuff?" kam, als würde die Wölfin
antworten wollen, halb fiepsend, halb bellend zurück.
Narthan war restlos durch den Wind, hielt aber
still, als eine feuchkalte Nase sich schnüffelnd näher an ihn
heranschob.
Eine Art glucksendes Geräusch von sich
gebend öffnete er den Mund, um das Tier dann lautlos anzustrahlen,
als dieses nach ausgiebigem Beschnüffeln mit einer langen, feuchten
und recht rauen Zunger quer über sein Gesicht fuhr.
Der Mann beobachtete diese Szene mehr als
nur zufrieden.
"Sie mag ihn. Das ist mehr als gut", dachte
er, dabei leicht nickend.
Nur ungern störte er die beiden.
"Silbermond, sieh zu, dass du uns für
heut Abend was zu beißen besorgst."
Die Wölfin gähnte ausgiebig, dabei
das Hinterteil hebend und die Vorderläufe nochmals lang machend, als
ob sie sich streckte, dann trottete sie behäbig an den beiden vorbei
und verschwand durch die Tür, welche noch leicht angelehnt war.
Narthan sah dem Tier deutlich traurig nach.
Noch nie war er einem Wolf begegnet, geschweige denn hatte er dieses so
friedlich, nein freundlich erlebt.
"Keine Angst, sie kommt wieder und heut nacht
kann es durchaus sein, dass du mit ihr um Dein Lager ringen mußt",
griente der Hüne den jungen Mann an.
"Doch nun komm, ich zeig Dir Deinen Raum."
Narthan glaubte, sich verhört zu haben,
deutete mit einer Hand auf sich.
"Aber ja", nickt der Mann, der sich, ihm im
Türrahmen stehen bleibend, wieder zuwandte.
"Komm nur, danach mach ich uns Essen und dann
setzen wir uns mit einem Röstapfel an den Kamin, wenn Du magst!"
Er musste alles träumen, ging es Narthan
durch den Sinn.
Genau. Besimmt hatte jemand im Dorf ihm vorhin
einen festen Schlag auf den Kopf gegeben, er lag irgendwo im Gehölz
und war einfach ohne Sinne, halluzinierte jetzt munter vor sich her. Narthan
nickte sich bestätigend zu.
Als der Mann ihm jedoch aufmunternd eine Hand
auf die Schultern legte, wurde er schlagartig von seiner Illusion zurückgeholt
in die Wirklichkeit.
Doch diesesmal war es das erste Mal, dass
Narthan einen Grund hatte, sich nicht nur zu freuen.
Nein.
In diesem Moment fühlte er, dass er glücklich
war.
Es schien wohl so, als stimmte es doch, was
seine Pflegeeltern einst sagten:
"Narthan.
Das Leben ist ein steiniger Weg und keine
Etappe hiervon wird je gerade verlaufen, noch ist der Weg eben. Doch irgendwann
führt eine seiner Gabelungen einen jeden von uns zu dem Ziel, welches
einem vorbestimmt ist."
Narthan blickte lächelnd zu dem Mann,
erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er ihm noch nicht auf dessen Vorschlag
geantwortet hatte.
Eifrig nickte er darum.
"Das ist ein Wort", gab der Weißhaarige
zurück.
Einladend deutete er Narthan zu. "Schau, dies
hier wird Dein Raum. Ist auch alles fertig, das Bett ist frisch bezogen,
Wäsche und Handtücher, naja, was Du so brauchst, findest Du im
Schrank dort.
Wenn Du aus dem Fenster siehst, kannst über
die Wipfel der Bäume einen Blick auf die Berge werfen, schau's Dir
an!"
Narthan tappte, seinem Gastgeber einen fast
ungläubigen Blick zuwerfend, an ihm vorbei.
Erneut glaubte er zu träumen. So etwas
schönes hatte er noch nie gesehen.
Sein Blick wanderte staunend durch ein freundliches,
helles Zimmer. Sogar Möbel waren dort!
Der junge Bursche schaute wieder zu dem Hünen.
"Nun los", munterte dieser ihn auf, "geh nur
hinein!"
Ein leises Scharren an der Tür ließ
den ältern sich umdrehen.
"Ah, Silbermond, na Liebes?"
Er ging zur Tür und ließ die silberfarbene
Wölfin hinein.
"Ruff." Das mächtige Tier blickte Schwanzwedelnd
hoch. Neben ihr lag ein junges Wildschwein.
"Holla, meine Lady, das sieht ja nach einem
richtigem Festmahl aus!"
Ein zufriedenes Knurren war lediglich ihre
Antwort, dann trottete das Tier an ihnen vobei, direkt wieder den Kamin
im Wohnraum ansteuernd.
Narthan starrte hingerissen von seinem Zimmer
zu dem Wolf, entschied sich dann, die Gesellschaft der Wölfin zu suchen.
Diese schien aber von der Jagd ein wenig erschöpft
zu sein.
Als der junge Mann zu ihr an den Kamin trat,
hob die Wölfin nicht mal den Kopf.
Lediglich eines ihrer faszinierenden Augen
öffnete sich halb und ihre Rute klopfte schwach auf das Schaffell,
auf welchem sie sich hingestreckt hatte.
Ein köstlicher Duft nach Gebratenem zog
langsam, aber sicher durch das gesamte Haus, welcher Narthan das Wasser
im Mund zusammen laufen ließ.
Er blickte von dem Feuer hoch, als der Mann
ihn aus einem anderen Zimmer her - er nahm an, aus der Kochnische - rief.
Eilig ging er der Stimme nach.
Eigentlich folgte er mehr dem Duft. Narthan
blieb wie angewurzelt stehen, als er in die Küche gelangte.
Der Weißhaarige hantierte in der Tat
in der Kochnische herum und war auch mehr als rege gewesen. Narthans staunender
Blick blieb auf einem Esstisch haften, der sich schier unter den Köstlichkeiten
bog, welche auf diesem standen.
Neben dem von der Wölfin erlegten Wildschwein
befanden sich noch Schüsseln mit dampfendem Rotkohl, Klößen,
Soße und nun vermeinte Narthan, seine Augen täuschten ihn, eine
Schale mit Pudding.
"Komm, setz Dich nur", lud ihn auch schon
sein Wohltäter gut gelaunt ein.
"Greif zu, lass uns essen."
Narthan folgte, wenn auch immer noch staunend,
der Einladung. Er mußte wohl sicher gehen. Fragend deutete er zu
den Köstlichkeiten, dann auf sich.
"Aber ja doch", kam nun seinerseits die erstaunte
Reaktion des Weißhaarigen, dessen Name Narthan noch immer nicht kannte.
Ein Versehen oder beabsichtigt? Besser abwarten, dachte er sich. Was er
wissen durfte, würde ihm gesagt werden.
"Denkst Du, ich koch hier nur für Silbermond??"
Ohne jetzt auf eine Reaktion zu warten, wurde
Narthan von ihm flugs zum Tisch bugsiert. Im nächsten Moment hatte
dieser einen Teller voll mit einer Portion, die auch ein Krieger kaum hätte
bewältigen können, vor sich stehen.
"Wohl bekomms!" Der Weißhaarige griff
selber zu, packte auf einen dritten Teller jedoch außer dem Fleisch
nur Kartoffeln hinzu, um den Teller dann auf den Fußboden zu stellen.
Das war wohl denn auch genug der Lockung.
Zu den beiden schmausenden Männern gesellte
sich die Silberne Wölfin.
Sie dachte jeoch nicht daran, bei Tisch direkt
zu dinieren.Weit gefehlt.
Sie packte den Tellerrand mit den Zähnen,
um diesen besonderen Bissen behutsam in ihre Ecke zu ziehen. Mit einem
genüsslichen Knurren ließ das mächtige Tier sich halb auf
die Hinterflanken nieder.
Kurz darauf konnten die beiden Männer
amüsiert beobachten, wie sie ihren Anteil fast genießerisch
verzehrte.
Irgendwann waren auch die Männer so satt,
dass nichts mehr in den Magen passen würde. Auch die Wölfin lag,
sichtlich satt gefressen, langgestreckt auf ihrem Lieblingsplatz, vor dem
Kamin und machte keine Anstalten, sich rühren zu wollen.
Narthan hatte seinem Gönner während
des Mahls immer wieder einen Blick zugeworfen. Er wünschte sich nichts
mehr, als ihn etwas fragen zu können.
Doch dies ging wohl nicht. Traurig ließ
er kurz den Kopf hängen. Er konnte sich nicht einmal für all
das hier bedanken. Doch...
Als ersichtlich war, dass die Mahlzeit beendet
war, erhob sich Narthan und eilte zum Kamin im Wohnzimmer.
"He mein Junge, erstmal abräumen und
abwaschen bitte", rief der Hüne ihm nach.
~Oh~ sofort kam Narthan zurück. Natürlich.
Wie unhöflich von ihm. Eilig tat er, wie ihm geheißen, seinem
Gastgeber hierbei einen entschuldigenden Blick zuwerfend.
Zusammen gingen die beiden mit dem Geschirr
zur Spüle und begannen gemeinsam den Abwasch zu erledigen.
Beim Abwaschen fiel Narthans Blick zufällig
auf ein paar Wasserspritzer auf der Arbeitsplatte. Jetzt!!
Der Weißhaarige runzelte leicht die
Stirn, als Narthan ihm, als er gerade ein paar Teller in den Schrank stellen
wollte, am Ärmel zupfte und dabei mit der anderen Hand zum Becken
deutete.
"Na, was ist denn??" Narthan zog etwas eindringlicher.
"Gut gut, ich komm ja", lachte der große
Mann, zog im nächsten Moment erstaunt die Augenbrauen hoch.
"Donnerwetter", murmelte der Elf und warf
Narthan einen interessierten, aber auch anerkennenden Blick zu.
Am Beckenrand stand, mit Wasser in großen,
klaren Buchstaben geschrieben:
Danke my Lord für Eure Hilfe.
"Du kannst also lesen und schreiben", stellte
der Mann fest. "Sehr sehr gut. Darauf hatte ich gehofft."
Narthan strahlte nur.
"Frag mich jetzt nur, wer es Dir beigebracht
hat" fragte er sich.
Narthan wollte sofort wieder etwas mit Wasser
schreiben, doch der Mann hob lachend eine Hand.
"Stop, halt. Ich hab was sinnvolleres, du
setzt mir noch die Küche unter Wasser." Er gab Narthan ein Zeichen,
ihm in das Wohnzimmer zu folgen.
.
Kurz darauf, saßen beide in gemütlichen
Sesseln vor dem Kamin.
Narthan saß, begeistert auf ein Pergament
in Händen blickend sowie "bewaffnet" mit einem Kohlestift, dem Mann
gegenüber, da der Hühne seinen Sessel so gestellt hatte, dass
beide sich ansehen konnten, während sie reden würden. Obwohl
das eigentlich nur er war.
Nach einer behaglichen Weile, in der beide,
als auch die Wölfin, die wohlige Atmosphäre genossen hatten,
begann der Weißhaarige zu reden.
"Nun mein junger Freund, ich hoffe, es geht
Dir jetzt etwas besser?"
Narthan hob den Kopf etwas an und wendet den
Blick ab von den flackernden Flammen des Kaminfeuers, in welche er für
einen Moment etwas selbstvergessen geschaut hatte, zu dem Mann hin.
Sicher würde er nun Arbeit aufgetragen
bekommen, denn es war ihm klar, so meinte er zumindest, dass diese Gastfreundschaft
nicht für lau sein könne.
"Zunächst... Nunja, Du wirst, wenn Du
magst, setz ich mal voraus, noch einige Zeit hierbleiben." Die leuchtenden,
grünen Augen des Mannes ruhten aufmerksam auf Narthan.
Dieser wurde nun restlos aufmerksam.
Er durfte hierbleiben?
Er sollte nicht am nächsten Tag wieder
gehen?
Ein freudiges Lächeln erschien auf dem
Gesicht des jungen Mannes.
"Mir scheint, es freut Dich? Das ist gut."
Er beugt sich etwas nach vorn, um einen Holzscheit mit dem Schürhaken
ins Feuer zurück zu schieben.
"Ganz uneigennützig jedoch ist das ganze
nicht", nahm er denn sein Wort wieder auf, als er sich zurecht gesetzt
hatte.
Er lachte leise auf, als er das fragende Gesicht
des jungen Burschen sah.
"Nein. Keine Angst. Es wird nichts geschehen,
was Du selber nicht auch möchtest!"
~Was soll ich denn möchten~ huschte es
Narthan verwirrt durch den Kopf.
"Also. Als erstes. Du wirst bei mir, wenn
Du es willst, sagen wir, mein Schüler werden. Du bist keiner der gewöhnlichen
Stadt- und Gossenjungen."
Er pausierte, um nach einem langen Spieß
zu greifen, an welchem ein Apfel aufgespießt war.
"Es wird jedoch auch zu Deinen Aufgaben gehören,
darüber hinaus bei einem guten Freund von mir nebenbei eine handwerkliche
Lehre zu absolvieren, sowie" - der Blick des Mannes war noch immer freundlich,
doch jetzt auch sehr ernst - "erlernen der Kampf- und Verteidigungskunst."
Narthans Augen wurden immer größer.
~Das geht doch gar nicht~ schoss es ihm durch den Kopf. Wie sollte er denn
nur eine der angeführten Dinge bitte bezahlen?
Seine Freude zerplatzte ebenso wie seine Hoffnung
wie eine Seifenblase und er dachte, von einem Moment zum nächsten
todtraurig:
"Aus der Traum. Das wars, Narthan. Wie auch.
Also zurück. Dahin, woher Du kamst und wohin Du gehörst: In die
Gosse", und ließ auch sichtlich den Kopf hängen.
Seinem Gegenüber, welcher ihn schon die
ganze Zeit über unverwandt beobachtete, entging selbstverständlich
die Reaktion nicht. Ein feines, kaum merkliches Lächeln lag in den
ansonsten ernsten Gesichtszügen des Mannes.
Narthan sah von alledem im Moment nichts,
viel zu sehr war er gerade damit beschäftigt, Trübsal zu blasen.
"Nun, nun", erhob der seltsame Gastgeber seine
Stimme nach einigen weiteren Minuten des Schweigens.
"An sich hatte ich eher damit gerechnet, dass
du wenigstens ein klein wenig froh über das Angebot wärest. Sollte
ich mich getäuscht haben und Du möchtest das ganze gar nicht?"
Narthan war es nur noch peinlich und irgendwie
schmerzte es ihn, dass der Mann ihn zu verhöhnen schien, wusste dieser
doch um seine Situation.
Hilflos hob er die Hände, kehrte, da
ihm nichts besseres einfiel, um zu zeigen, dass er doch gar nicht in der
Lage war, etwas zu bezahlen, seine leeren Hosentaschen nach außen.
Auch weiterhin verfolgte der große Elf
das Tun des Jungen.
Gelassen hob er, ehe er antwortete, den Spieß
mit dem Apfel aus dem Feuer und betrachtete ihn.
"Wolltest Du mir etwas geben... oder suchst
Du was?"
Geschickt ließ er den Apfel von dem
Spieß auf einen Teller gleiten.
Noch immer ließ er die Katze nicht aus
dem Sack.
Narthan verneinte und bejahte kurz hintereinander.
"Ach Junge, mach Dir das Leben nicht unnötig
schwer", lachte darauf sein Gegenüber, er konnte das Leid in den Augen
des jungen Burschen nicht länger ertragen.
"So. Erstmal..." Der Teller mit dem Röstapfel
wechselte die Seite und den Besitzer und läßt Narthan fragend
schauen, "...nimm den hier.
Desweiteren..." Ein neuer Apfel wandert auf
den Spieß. "Meinen Namen..."
Die grünen Augen des weißhaarigen
Elfen funkelten im Schein des flackernden Kaminfeuers geheimnisvoll.
"...nenn ich Dir dann, wenn ich ihn von dir
hören kann."
Narthans Gabel fiel geräuschvoll auf den
Tisch und der Mund klappt dem Jungen Mann auf.
"Bitte was?!" schoss es ihm durch den Kopf
. "Will er mich jetzt restlos verhöhnen?"
"Ay, mein junger Freund", fuhr der Elf ungerührt
fort, als hörte er die Gedanken, "ich gedenke einiges mit Dir zu tun.
Allerdings, hast Du schon gehört, erwarte ich auch viel von Dir."
Narthan fuhr sich nervös mit den Händen
durch die langen Haare.
Wie soll das, bitteschön, von statten
gehen?
"Das, was ich von Dir abfordere, wird hart,
und die Zeit hier sehr lang. Nun. Lang ist auch Auslegungssache. Nicht
in normaler.
Doch dazu später.
Also. Ach ja. Ich ahne Deine Sorge.
Nein. Gold oder anderes kostet es Dich nicht.
Es ist an mir, etwas zu vergelten, sowie auch wohl... Sühne zu tun.
Doch das irritiert Dich jetzt, es reicht, was Du vorerst erfahren hast.
Ab morgen früh geht es los."
Die plötzliche Flut an Worten und auch
Informationen schlug in der Tat über Narthan wie eine Woge herein.
Auch für einen Burschen wie ihn gab es
ein Limit der Auffassungsgabe und dessen, was zu verkraften war.
Er konnte nicht anders, der Stift auf dem
Tisch zur Hand genommen, schrieb er auf das Pergament, das er vorhin erhielt:
Ihr nehmt mich in eine Lehre auf?
Dafür bräucht ich kein Lehrgeld
zu zahlen?
Versteht mich nicht falsch, nicht dass
ich nicht wollte,
doch kann ich nicht
Schob dann den Zettel zu seinem Gastgeber herüber.
Der Elf las ruhig, was Narthan ihm gab.
"Nein", beruhigte er ihn, "auf gewisse Weise
wohl schon, aber das ist nicht materieller Art."
Mit diesen Worten erhob er sich aus dem Sessel.
Fast im gleichen Moment regte sich die bis
zu diesem Moment regungslos vor dem Kamin liegende Wölfin. Den Kopf
hebend, trafen sich ihr Blick und jener des großen Elfen.
"Nun. Für heute ist es genug. Es ist schon
spät. Du kannst jetzt in deinen Raum, Narthan."
So nett es klang, war daraus für diesen
auch allein vom Tonfall her klar, dass es eindeutig auch eine Aufforderung
und keine Bitte war.
Augenblicklich diese befolgend griff er jedoch
nochmals zum Stift und schrieb eilig:
Habt vielen Dank für alles. Ich weiß
nicht , was ich sagen kann, außer Danke.
Nur dass ich alles daran setzen werde,
Euch nicht zu enttäuschen.
Gute Nacht, Meister
Er huschte dann auch schon fort, hinaus, direkt
in sein Zimmer.
Jener lächelte schwach, als er die Zeilen
las und blickte dann auf, hinaus aus dem Fenster.
"Komm, Silber. Es ist an der Zeit."
"Hrriaa."
Merkwürdig, doch klang in dem Gemisch
aus Knurren und Bellen nicht etwas, das an Traurigkeit erinnern ließ?
.
Die Erzählung verstummt für einen
Moment, da Narthan nun doch ein wenig der Mund trocken wurde. Er nimmt
seine Lederne Feldflasche vom Gürtel, verzieht das Gesicht ein wenig,
"Bah, hätt ich auch Tee kochen können, das ist auch so lauwarm",
grinst dann aber. Besser als gar nichts, gemahnt er sich. Er verschluckt
sich fast, als er in die wartenden Gesichter der Anwesenden blickt und
sieht zu, die Flasche wieder zu verstauen. Sich auf dem Felsen, auf dem
er sitzt, zurechtrückend, hebt er mit seiner tiefen, angenehmen Stimme
an zu erzählen, dabei den Blick über die Köpfe der vor ihm
Versammelten hinweg schweifen lassend. Seine Augen beginnen sanft zu leuchten,
als er unweit von sich eine junge Frau erblickt, mit einem Knaben auf dem
Arm. Sofort hellt sein Gesicht sich auf und mit einem liebevollen Lächeln
gen der beiden erzählt er weiter:
Narthan schlug die Augen auf und schnupperte
genüsslich.
Hatte er zu lang geschlafen? Sofort, auf der
Stelle hellwach, sprang er aus dem Bett und blickte aus dem Fenster. Nein,
es war noch sehr früh.
Die ersten Strahlen der Sonne färbten
gerade den noch nächtlichen Himmel rosarot.
Doch egal, sein Meister war bereits wach,
so durfte er auch nicht länger müßig sein.
Narthan kleidete sich eilig an und verrichtete
seine morgendliche Wäsche. Sorgfältig band er sein langes Haar
zu einem Zopf zusammen, öffnete dann seine Zimmertür - und wäre
fast gestolpert. Vor seinem Raum lag ausgestreckt in ganzer Länge
die wunderschöne Wölfin.
Die hob nur müde den Kopf, als Narthan
heraustrat.
"Hmmpf" knurrte sie denn auch bloß und
ließ den Kopf auf die Pfoten sinken. Narthan keuchte erschrocken
auf, lächelte dann, als er erkannte, dass sie einfach nur müde
war und in Ruhe gelassen werden wollte.
"Hoppla, wer ist denn da erwacht?" Fröhlich
blickt der große, weißhaarige Elf von seiner Tätigkeit
auf, als Narthan die Nase in die Küche steckte.
"Na, und hast Du gut geschlafen?" Narthan
konnte nur bejahen, war er doch tatsächlich, kaum dass er gelegen
hatte, sofort eingeschlafen.
"Das ist schön zu wissen. Dann magst
du jetzt sicher ein gutes Frühstück nicht verschmähen. Komm,
setz dich zu mir an den Tisch, ich hab schon alles fertig."
Narthan fühlte sich in diesem Moment
wie im Schlaraffenland.
Frühstück?? Sowas kannte er nicht.
Er war bisher immer froh drum gewesen, wenn er wenigstens alle Tage etwas
zu beißen hatte.
Die Augen fielen ihm darum fast aus dem Kopf,
als er den reichlich gedeckten Tisch erblickte. ~Das sollte nur für
das Frühstück sein?~ schoß es ihm durch den Kopf.
Auch Silbermond ließ es sich nicht nehmen,
mit den beiden zu speisen. Knuspernd und mit wohlbehagenen Knurrlauten
verzog sie sich, wie gehabt, mit ihrem Anteil in die Ecke.
"So, mein Junge", Narthan's Meister stellte
seine leere Tasse zurück auf den Tisch. "Wohlan, ans Tagewerk."
Narthan schluckte seinen Bissen hinunter,
sofort bei der Sache, auch wenn er nicht wusste, was nun kam.
Der Hüne erhob sich, das Gedeck abräumend.
"Zieh dich bitte um. Sachen liegen im Schrank, in Deinem Zimmer, die zum
Arbeiten geeignet sind."
Überrascht, aber gehorsam erhob sich
Narthan und trollte sich, die Anweisung auszuführen.
Tatsächlich fand er im Schrank seines
Zimmers die Kleidung.
Ein hellblaues Hemd, derber Stoff, der auch
starkes Schwitzen aushalten würde, eine schwarze Lederhose, als auch
ein Paar langer, schwarzer Wildlederstiefel, die ihm, als er alles angezogen
hatte, bis hoch an die Wade reichten.
Sogar ein schwarzer, neuer Umhang hatte ihm
sein Meister bereitgelegt.
Etwas komisch kam es Narthan immer noch vor,
doch strahlte er auch, denn solch schöne Sachen hatte er noch nie
getragen, geschweige denn besessen.
"Wenn Du fertig bist," ertönte es auch
bald vom Flur, "entsorge die alten Sachen im Kamin, die kann man nimmer
retten."
Narthan fuhr aus seinem Schwärmen hoch.
Sofort machte er sich daran zu tun, wie ihm sein Meister befohlen. Zwar
tat es ihm doch etwas whe, als die Flammen gierig begannen, über die
Kleidung zu lecken und sofort diese verzehrten, doch war ihm in diesem
Moment auch, als nähme er Abschied von vielem, das ihn auch belastet
hatte.
Narthan erhob sich von der Feuerstelle, um
seinen Meister nicht unnötig warten zu lassen.
Der weißhaarige Elf nickte, zufrieden
lächelnd, als sein Schützling nun neu gewandet zu ihm trat. "Sieh
sich das einer an. Gut. Sehr gut!"
Auch er war bereits fertig angezogen und zum
Ausgehen bereit.
"Dann auf!" Mit seinen großen Schritten
war er rasch bei der Tür, so dass Narthan nur verdutzt hinter her
sehen konnte. Er selbst war ja auch recht groß, aber so schnell wie
sein Meister bei weitem nicht.
~~~~
Die folgenden vier Jahre brachten Narthan,
der zwar schon viel getan und geleistet, auch vorher gelernt hatte, oft
an seine Grenzen.
Der Weißhaarig fing behutsam an, den
jungen Elfen zu testen, doch das Pensum, das er insgesamt vorbereitet hatte,
war mehr als hart.
Das, was er von dem jungen Mann abverlangte,
hätte viele zum Aufgeben verurteilt.
Nach etlichen Stunden lehnte Narthan oft schweißüberströmt
und zitternd an einem Baum, kaum in der Lage, noch zu atmen, geschweige
denn zu denken, grad seinen Namen wusste er noch.
Ein gnadenloser Unterricht, welcher Körper
und Geist - vor allem jenen - in Anspruch nahm, ihn schulte, weckte und
Sinne ihn entdecken ließ, von denen er vorher nichts wusste.
Der Hüne selbst schien vollkommen entspannt.
Locker auf einem Felsen hockend, wartete er stets geduldig, bis sein Schüler
wieder zu Atem kam.
"Das war sehr gut, Gelia-"
~Es war gut??~ Narthan, noch immer japsend,
sah sichtlich erleichtert zu dem Mann. Derart hatte er noch nie gelernt.
Mitten in den Aufgaben, sei es Balancieren,
Lauf durch den Wald, Gewichte in Form von Felsen und anderem hochstemmend,
der Erlernung des Gleichgewichts des Körpers, dienlich auch dem Geiste,
was Narthan erst viel später verstand, rief der Meister ihn immer
wieder zu sich, gab ihm eine Pergamentrolle und einen Stift. In den meisten
Fällen waren auf diesem Pergament Fragen an ihn gestellt, aus allen
Bereichen der Wissenschaft, Magie und Philosophie, der Mathematik und der
Pflanzenwelt, aber auch, wenn auch versteckt, der Heilkunde. Ab und zu
ließ der noch Namenlose ihn schriftlich rezitieren, Abhandlungen
schreiben, um danach mit ihm ausgiebig darüber zu reden.
Hierbei zeigte sich wiederum eine langwierige,
auch erlernte Weisheit und Geduld. Viele Wege öffnete er ihm damit,
brachte Narthan auch dazu, dass er in Frage stellte, aber Fragen stellte,
sie umsetzte in eigene Gedanken, die er wiederum zu Papier bringen sollte.
Tag für Tag, von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang
zwischendurch immer und immer wieder Kondtitionstraining.
Irgendwann erweiterte sich das Studium noch
mehr, erneut kam Narthan in eine Situtation, die ihn erstaunen ließ.
Noch immer erhielt er Unterricht bei dem Hünen,
doch begann dieser, die Stunden in die Nacht zu verlagern.
Eines Morgens weckte er ihn weit vor der normalen
Zeit und eilte ihn, sich rasch anzuziehen.
Verschlafen noch taumelte Narthan an diesem
nebligen Morgen hinter dem großen Mann her, selbst merkte er es nicht,
doch hatte er sich sehr verändert:
Sein noch jungenhafter Körper war unter
der sorgfältigen und doch anstrengenden Zeit und Anleitung nicht nur
durchtrainiert, nein. Er stand sowohl körperlich als auch geistig
bereits seinem Meister von Kondition und Wuchs, als auch Wissen in nichts
mehr nach.
Seine Schultern waren breit und die Arme muskulös,
wie auch der gesamte Körper eine Statur aufwies, die mehr als beeindruckend
wirkte.
Seine Kräfte wusste er stets so einzusetzen,
wie es die Situation erforderlich machte.
Wenn beide Männer ins Dorf mussten, was
nur selten vorkam, denn der Weißhaarige mied es, allzuoft dort hin
zu gehen, war es nicht selten der Fall, dass die Dorfbewohner nicht nur
ehrfürchtig sondern meist eher ängstlich die Straßenseite
wechselten, diese beiden riesigen Elfen - einer ein Drow, ein Dunkelelf,
der andere ein Hochelf, wie es schien, muskelbepackt mit ausdruckslosen
Mienen - waren ihnen einfach nicht geheuer.
Narthan selbst betrübte es sehr, doch
hatte er dank des Meisters längst gelernt, seine Gefühle zu kontrollieren
und ließ sich so nie anmerken, was in ihm vorging.
An jenem besagten Morgen also erreichten die
beiden das noch gänzlich in der Ruhe der vergangenen Nacht daliegende
Dorf.
Etwas verwunder warf Narthan seinem Meister
einen Blick zu, als dieser die Schmiede ansteuerte.
Jener hatte wohl den Blick bemerkt und blieb
für einen Moment stehen.
"Narthan, mein wundervoller Schüler",
lächelte er. Ein Kompliment, das Narthan noch nie zu hören bekommen
hatte und weshalb dieser ihn dementsprechend nun restlos entgeistert ansah.
"Warum dieses Skepsis? Ab heute wird sich Dein
Lehrplan gravierend verändern." Der Meister deutete zur Schmiede
"Farnesh", fuhr er fort, "wird Dir ab heute
einiges anderes beibringen."
Auf Narthans fragenden Blick sagte er schmunzelnd:
"Ich erwähnte es damals mal, weißt Du noch? Farnesh hier kann
mehr als nur Waffen schmieden oder reparieren. Er ist unbesiegter Meister
seines Faches, im Führen der Stich- und Wurfwaffen jeglicher Art,
als auch im Bogenschießen und Speerwerfen." Einen Moment ließ
er die Worte wirken, dann fuhr er erneut fort: "Von ihm wirst Du also zusätzlich
zu dem, was ich Dir noch weiter vermitteln und verfeinern möchte,
auch lernen, was Arbeit und kämpfen bedeutet."
Ernst und mahnend war sein Blick. "Ich warne
Dich." Eine Hand warf das locker über der Schulter liegende silberne
Haar zurück. "Zuweilen wird es Dich an größere Grenzen
treiben."
Narthan schluckte schwer, als er seinem Meister
aufmerksam wie immer lauschte. Seine Augenbrauen hoben sich fragend, als
ihm durch den Sinn ging, wie er an einem Tag nur zwei, nein eigentlich
drei Ausbildungen bewältigen sollte.
Als lese er die Gedanken seines Schülers,
des Mannes, der Narthan nun war, lächelte der Hüne. "Sei unbesorgt.
Innerhalb der Woche bist Du bei ihm, an den Wochenenden und Feiertagen
dann bei mir."
Der Meister hatte seine Worte, wie immer, nicht
nur so daher gesagt.
Farnesh entpuppte sich, als Narthan an diesem
Morgen vor ihn trat, äußerlich wohl als der größte,
lebende Muskelberg, den der Elf je erblickte, doch so muskelbewehrt dieser
war, so gewandt und geschmeidig waren auch seine Bewegungen. Spielerisch
wie ein Tänzer, lautlos wie ein Raubtier war es ihm in der Tat möglich,
seine Waffen zu führen.
Hätte man es nicht wirklich gewusst,
so hätte Narthan fast vermutet, dass sein neuer Meister ein Mensch
war. Doch weit gefehlt. Farnesh war ein Elf.
Narthan war - was er nur schwer verstand, denn
bisher war nur sein Meister immer gütig und nett zu ihm gewesen, hatte
sein Wesen anerkannt und gemocht - auch diesem Mann symphatisch.
Dennoch hielt er, was sein Meister ihm vorrausgesagt
hatte.
Seine Augen schienen überall zu sein,
auch wenn er gerade dabei war, eine neue Waffe auf dem Amboss zu schmieden.
Er war zuweilen mehr als hart, doch stets
dabei gerecht. Seine Art sich auszudrücken, bei weitem nicht so gewählt
und ausformuliert, wie sein anderer Meister, doch war in dem, was er zu
sagen hatte, stets Wissen und mehr.
Seine Art, Narthan einzuweisen, war famos.
So hart er wirkte, waren seine Erklärungen,
welcher Art eine Waffe war, des Materials und der Beschaffenheit, Sinn
der Entstehung und wie sie verbessert wird, am günstigsten zu führen
sei, einfühlsam, als spräche er von einem lebenden Wesen, das
man zu lieben und schätzen hätte.
Genau das war auch der Kern dessen, das Narthan
sehr schnell begriff.
Nicht dass es nur eine leblose Sache, ein
Nutzgegenstand wäre. Ginge man damit nicht pfleglich um, hätte
man nicht lange eine Freude und Nutzen daran. Es ging auch um das eigene
Leben, wenn man sich nicht bis ins letzte vertraut machte mit dem, was
man hat.
So wie es auch Sinn dessen war, was der weißhaarige
Hüne ihm mit auf den Weg gegeben hatte. Narthan war in dieser Beziehung
nicht dumm und hat sehr schnell gelernt.
Für Narthan öffnete sich in den nächsten
Lehrjahren so eine Welt, die er nie so gesehen hatte und auch nie empfunden
hätte.
Wiederum saugte er jedes Wissen in sich hinein,
lernte und lernte, setzte aber auch gedanklich um.
Stellte in Frage, versuchte mit dem ihm gelernten
neue Wege zu gehen, verwarf jedoch nie etwas, das ihm angeraten, sondern
versuchte dann auch das beste draus zu machen oder es noch besser zu tun.
Nach und nach begann Farnesh, ihn auch behutsam
darin zu unterrichten, Waffen herzustellen, immer wieder auch dann ihm
hierbei erkärend, was warum und wann er zu tun habe.
Wie nebenher eher die "normalen" arbeitlichen
Pflichten, Versorgung von Huftier, Arbeitsmitteln der Bauern, die Sensen
schärfen, neue Klingen herstellen, Eimer und andere Eisenteile reparieren,
Schlösser und Schlüssel zu schmieden, gingen Hand in Hand mit
dem täglichen Einerlei.
Erst später dann ging der muskulöse
Elf dazu über, Narthan darin zu unterweisen, das Material selbst regelrecht
zu erfühlen, dann bearbeiten zu dürfen. Zunächst hatte dieser
gehofft, eine Waffe schmieden zu dürfen.
"Nix da", kam es barsch, wie Farnesh zuweilen
halt war. "Nu sieh mal zu, siehste den braunen Ackergaul da drüben?"
Narthan bejahte nickend, da schwante ihm schon,
was auf ihn zukäme.
"Jupp, genau", dröhnte es aus der Ecke
der Schmiede, in welcher der Schmied hantierte.
.
Narthan unterbricht sich. Die Kehle wird dem
großen Elfen vom vielen Reden trocken und seine Stimme beginnt jetzt
auch, deutlich ein wenig heiser zu werden. Er greift zu dem Lederschlauch
an seinem Gürtel und nimmt einen Schluck daraus. Fast verschluckt
er sich, als er die vielen Augenpaare auf sich gerichtet sieht. Ihm war
nicht einmal bewusst geworden, dass sich, während er erzählte,
immer weitere Bewohner hinzugesellt hatten.
"Oh", murmelt er darum erstaunt. Obgleich die
Sonne bereits tief im Zenit steht, scheint niemand gewillt, dass er seine
Erzählung beenden möge.
"Nun, so hört nur, wie es weiterging",
hebt der Elf auf dem Felsen nach einer kleinen Verschnaufpause wieder an
zu erzählen, verstaut den Lederschlauch wieder an seinem Gürtel
und setzt sich gemütlich zurecht.
Zwei Eisenstangen sausten klirrend zu Narthan,
der vor Schreck einen Satz rückwärts machte. Scheppernd blieb
das Metall liegen.
"Aufheb’n un los. Willst warten bis der Gaul
Dich drum bittet?"
Heut war nicht gut Kirschenessen mit Farnesh,
wie es schien. Dafür hatte Narthan auch ohne die damalige Warnung
seines Meisters ein sehr feines Gespür.
Eiligst bückte sich der junge Mann. Selber
hatte er nun durch die Trainingsstunden viele Muskeln und Kraft entwickelt.
Die Stangen auf den entblößten Schultern
tragend, stapfte Narthan in seine ihm zugewiesene Ecke. Diese war von Farnesh
in eine weitere Werkstatt eingerichtet worden.
Auch hier war alles an Werkzeug und den nötigen
Utensilien, die er brauchte, um dem Schmied in jeglicher Form zur Hand
zu gehen.
Farnesh seufzte lautlos, als er dem jungen
Elfen hinterher sah. Der andere würde zufrieden sein. Bald schon würde
der Moment kommen, an dem zu lehren er nichts mehr hatte.
Der Junge dort war in jeder Hinsicht ein exzellenter
Schüler.
Gehorsam, gelehrig, mit viel Verstand.
Doch eines kam ihm merkwürdig vor.
Es wollte ihm nicht gelingen, etwas von dem
anderen über die Zusammenhänge mit diesem Stein in der Kehle
von Narthan zu erfahren.
Das Schlagen des Hammers auf rot glühendes
Eisen holte den Schmied aus den Gedanken zurück. Interessiert trat
er auf Narthan zu.
"Verdammte Tat, das ist sehr gut!" konnte
er sich die Anmerkung nicht verkneifen, sah dann aber weiter ruhig bei
dem ganzen zu.
Narthan selber ließ sich, wie immer,
nicht stören.
Nur einmal blickte er hoch, als das Pferd in
der Box unruhig zu werden begann. Sofort legte der große Elf das
Eisen ins Feuer, wischte sich mit dem Handrücken die Schweißperlen
von der Stirn und war mit wenigen Schritten bei dem edlen Tier.
Der Schmied, an der Wand lehnend, schaute nun
doch leicht überrascht, als der Elf das Gesicht dicht zum Kopf des
Pferdes brachte, mit den Fingerspitzen über die Nüstern fuhr,
dabei in seiner stummen Art tief in die Augen des Hengstes blickte.
~Sieh einer mal an~ schoss es dem Schmied nur
durch den Kopf, seine Überraschung wohl nur schwer verbergen könnend,
doch sagte er nichts.
Das Tier reagierte sofort und nach einigen
Minuten löste Narthan sich von dem Hengst und nahm, als wäre
nichts geschehen, seine Arbeit wieder auf.
~~~ * ~~~
© TaShiRa
Vor Verwendung dieser Autoren-EMail-Adresse
bitte das unmittelbar am @ angrenzende "NO" und "SPAM" entfernen!
|