Predators von T-Bone
Ein Abenteuer vor 65 Millionen Jahren
Kapitel 4

Im flachen Wasser des Weststroms badete zur Morgenstunde ein einsames Raptorweibchen. Velociraptoren waren sehr auf ihre Körperhygiene bedacht. Mangelnde Sauberkeit löste bei den meisten Raptoren ein sehr unbehagliches Gefühl aus. Natürlich gab es aber, wie auch überall, Raptoren, die nicht viel von Körperpflege hielten. Besonders junge Männchen wälzten sich bei ihren spielerischen Kämpfen gerne im Dreck herum und scherten sich nicht um ihr Aussehen, was bei den weiblichen Raptoren alles andere als gut ankam. Weibchen mochten generell keine schmutzigen Männchen und wendeten sich stets angewidert ab, sobald auch nur einer dieser "Schmuddel-Raptoren" es wagte in ihre Nähe zu kommen.
Windfeger achtete wie alle Weibchen auch sehr auf Sauberkeit, doch das war nicht immer so. Sturmblut und Windfeger hatten als Kinder viel zusammen rumgetobt. Als sie einmal vor vielen Jahren im Sumpf umher tollten, waren sie später so sehr mit Schlamm besudelt, daß Starke Klaue die beiden fast nicht wiedererkannt hatte. Was darauf folgte, war ein Donnerwetter, das Sturmblut und Windfeger bis zum heutigen Tage nicht vergessen hatten.
Windfeger und Sturmblut gingen stets durch dick und dünn. Sie waren glückliche Geschwister und es bereitete Starke Klaue große Freude, sie aufwachsen zu sehen, als wären sie seine eigenen Kinder. Doch all das gehörte nun der Vergangenheit an. Windfeger hatte sich in den ganzen Jahren zu einem überaus hübschen jungen Weibchen entwickelt. Sie stand nun vor einer ungewohnten Situation so völlig alleine auf sich selbst angewiesen zu sein. So weit unten im Tal lebten keine grauen Velociraptoren, die sie auf der Jagd hätten begleiten können. Windfeger war zwar sehr schnellfüßig, doch mußte sie als Velociraptor erkennen, daß es bei der Jagd ohne Teamarbeit alles andere als einfach war. Sie mußte sich auch jeder Gefahr bewußt sein, die hier auf sie lauern konnte. Eine kleine Unachtsamkeit konnte den Tod bedeuten.
Und so bemerkte sie auch nicht, daß sie aus einiger Entfernung von jemanden beobachtet wurde. Eine riesenhafte Gestalt lauerte auf sie. Die Kreatur grinste in sich hinein, dieses unerfahrene Raptorweibchen würde eine leichte Beute abgeben. Vorsichtig schlich sie sich aus ihrem Versteck und bewegte sich auf Windfeger zu. Der Wind stand sehr günstig und die Kreatur vermied es geschickt stampfende Geräusche zu hinterlassen.
Windfeger nahm davon nichts zur Notiz, doch als sie merkte, daß sich urplötzlich ein Schatten über sie legte, drehte sie sich um und blickte entsetzt in das riesige Maul eines Tyrannosaurus Rex. Es ging so schnell, daß ihr noch nicht einmal mehr die Möglichkeit blieb aufzuschreien, als sie von den gewaltigen Kiefern des Räubers gepackt wurde und sich die messerscharfen Zähne in ihr Fleisch rammten...
"NEIN!! WINDFEGER!!! NEIN!!!!!"
"Sturmblut!" sprach Starke Klaue.
"NEIN!!!!!!" Sturmblut wälzte sich  hin und her, als Starke Klaue versuchte ihn wach zu schütteln.
"Sturmblut wach auf!!!"
Sturmblut zitterte am ganzen Leib und schlug langsam die Augen auf und wunderte sich, als er in das Gesicht von Starke Klaue blickte.
"Was...? Starke Klaue?!" japste er ausser Atem. "Windfeger, sie ist..."
"Es ist alles in Ordnung." sagte Starke Klaue mit ruhiger Stimme. "Du hattest schon wieder Alpträume."
Langsam kam Sturmblut wieder zur Besinnung und stand auf, noch immer schwer atmend. "In Ordnung?! Was soll bitte schön in Ordnung sein? Gar nichts ist in Ordnung!"
Starke Klaue blickte zu Boden und nickte.
"Ich muß mal eben an die frische Luft!" sagte Sturmblut und trat mit wackeligen Schritten aus der Höhle.
Starke Klaue seufzte und folgte seinem Bruder schweigend.
Sturmblut hockte sich auf seinen Aussichtsfelsen und starrte ins dunkle Tal hinunter.
"Jetzt habe ich durch meine Schuld schon die zweite Person, die mir nahe stand, in die Verdammnis geschickt. Wie konnte es zwischen Windfeger und mir nur so weit kommen?" sagte Sturmblut, als sich Starke Klaue näherte. 
"Die zweite Person?!" fragte Starke Klaue überrascht, doch dann dämmerte es ihm. "Doch nicht Nebelschweif! Du denkst nach all den Jahren immer noch, daß du sie in den Tod getrieben hast? Sturmblut, ich habe dir doch schon so oft gesagt, daß du keine Schuld an ihrem Tod trägst. Sie wurde von einem Spitzzahn getötet."
"Aber ich hätte es verhindern können!" sagte Sturmblut und legte den Kopf auf seine Arme. "Wir wollten damals ursprünglich gemeinsam auf die Jagd gehen, doch ich hatte es an dem Tag mit zwei heftigen Rivalen zu tun, die auf mich losgegangen sind. Nachdem ich den Kampf beendet hatte, war ich von oben bis unten mit blutigen Striemen übersät. Ich hatte einfach keinen Nerv mehr anschließend noch jagen zu gehen und ihr gesagt, daß sie mit der Jagdgruppe ohne mich losziehen soll, obwohl sie eigentlich gar nicht wollte. Sie wollte bei mir bleiben, doch ich hatte darauf bestanden, daß sie mit auf die Jagd geht. Hätte ich sie nur nicht weggeschickt, dann wäre sie heute noch am Leben."
"Nebelschweif´s Tod war ein Schock und ein schmerzlicher Verlust für alle, die sie kannten." sagte Starke Klaue. "Aber du kannst dich doch nicht für ihren Tod verantwortlich machen, nur weil du sie auf die Jagd geschickt hast. Niemand hätte das voraussehen können. Aber wieso kommst du so plötzlich wieder auf Nebelschweif? Das ist doch schon so lange her."
"Weil ich mittlerweile davon träume, daß Windfeger auf die selbe Weise stirbt, wie Nebelschweif. Das hat eben die alten Wunden wieder aufgerissen." sagte Sturmblut. "Ich hoffe nur, daß Schlitzer mit einer positiven Nachricht nach Hause kommt. Ich würde es mir nie vergeben, wenn ich auch noch Windfeger verliere."
"Und das alles nur wegen einem lächerlichen Stück Fleisch." sagte Starke Klaue zu sich selbst.

"Was suchen wir denn hier mitten in der Nacht?" fragte der junge Tyrannosaurus verschlafen. "Wir dürfen nicht so weit vom Nest weg! Wenn Mutter herausfindet, daß wir uns aus dem Nest geschlichen haben, gibt es gewaltigen Ärger!"
"Sie wird es schon nicht merken, Talon!" antwortete seine Schwester. "Ich muß dir unbedingt etwas zeigen!"
"Und was willst du mir zeigen? Das kann doch nicht so wichtig sein!" gähnte Talon und war leicht genervt. "Gehen wir lieber nach Hause, ehe die Nesträuber auftauchen."
"Gleich! Du mußt es einfach sehen!"
"Du bist unmöglich, Khara!" knurrte Talon. "Wenn wir Ärger bekommen, werde ich Mutter erzählen, daß du mich hierzu verleitet hast!"
"Ah! Jetzt stell dich doch nicht wie ein Muttersöhnchen an! Sei doch auch wenigstens einmal unvernünftig und nicht immer so ein Langweiler." sagte sie. "Vater hätte mich schon verstanden. Als er noch klein war ist er bestimmt auch schon ein Abenteurer gewesen."
"Das glaubst aber auch nur du! Vater hätte uns nie erlaubt, nachts aus dem Nest zu kriechen!" knurrte Talon. "Also, jetzt laß uns endlich nach Hause gehen, bevor wir noch von Mutter Nestarrest bekommen!"
Doch Khara hörte nicht und näherte sich dem Pfad, der zum Vulkangebirge führte.
"Khara! Bist du verrückt? Da geht es zum Vulkangebirge! Das ist verboten!" schluckte Talon, als sie den Hang hinauf liefen. "Diese Gegend muß verflucht sein. Mutter sagt, daß aus dem Vulkangebirge noch nie ein Dinosaurier wieder aufgetaucht ist."
"Ach was! Wir gehen ja nicht weit und außerdem bin schon einmal hier gewesen."
"WAS!?" Talon konnte es nicht glauben. "Du gehst nachts alleine ins Vulkangebirge?! Du spinnst ja!"
"Weist du, als du mit mir Blattfresser in unserem kleinen Wäldchen gespielt hast, hatte ich zunächst panische Angst. Doch irgendwie fand ich das ganze auch sehr aufregend." sagte Khara. "Hast du dich denn noch nie gefragt, wie es im Vulkangebirge wohl aussieht? Ich wollte wissen, warum wir hier nicht hinauf dürfen und bin letzte Nacht aus dem Nest geschlichen, um mich hier ein wenig umzusehen. Natürlich nicht lange."
"Und?!" fragte Talon, in dessen Ton sich seine Neugier nicht verbergen konnte.
"Hier gibt es nur Felsen und Steine." antwortete sie. "Ich habe mich aber nicht getraut bis nach ganz oben zu gehen. Doch ich habe hier ein Plätzchen gefunden, das ich dir unbedingt einmal zeigen wollte!"
Die beiden T-Rex Jungen erreichten sehr bald eine kleine Anhöhe, von der man aus den Weststrom wunderbar sehen konnte. Allerdings war das nichts im Vergleich zu Sturmblut´s Aussichtsfelsen, doch für Talon und Khara reichte diese Aussicht allemal.
"Na, habe ich dir zuviel versprochen?" fragte Khara.
"WOW!!! Cool!"
"Schön, nicht war?" sagte sie.
"Hey, ich kann unseren Badeplatz sehen!"
"Ich wette, daß man von ganz oben aus unser gesamtes Tal überblicken kann." sagte sie.
Sie saßen dort noch für eine ganze Weile und genossen die Aussicht. Doch da vernahmen sie plötzlich eine leichte Erschütterung. Direkt danach noch eine zweite.
"Was ist das auf einmal? Ein Erdbeben?" fragte Khara.
Die Erschütterungen kamen immer nur in kurzen Abständen. Fast konnte man den Eindruck haben, es handelte sich um Schritte... und sie näherten sich.
"Ich weiß nicht!" sagte Talon und bekam es langsam mit der Angst zu tun. "Laß uns jetzt bitte gehen!"
"Ja, besser ist es!" stimmte Khara zu und stand auf, doch da erstarrte sie plötzlich, als sich eine riesige Gestalt nicht weit von ihnen bewegte.
"Sieh doch!" flüsterte sie erschrocken. "Was ist denn das?"
Sie erkannten schließlich, daß es ein riesiger Dinosaurier war. Er war gigantisch. So etwas hatten die beiden T-Rex- Jungen noch nie gesehen. Ein riesiger stacheliger Kamm zierte den Rücken des gigantischen Fleischfressers und sein flaches langes Maul hatte Reihen großer gebogener Zähne, die er in ein Iguanodon Kadaver schlug. Es war ein Spinosaurus.
"Ist der groß... und hässlich!" flüsterte Khara.
Talon beobachtete ihn von oben bis unten und bemerkte, daß an dessen Rückenkamm in der Mitte etwas fehlte, als hätte ihm jemand ein großes Stück aus dem Segel gebissen.
Schritte wie ein Erdbeben...?! Stachelige Rückenfinne...?! raste es Talon durch den Kopf und erinnerte sich an die Geschichten seiner Mutter.
"T...T... Terrorclaw!" stammelte er schließlich und stand da, wie gelähmt.
"Ich will hier weg!!!" zischte Khara und riß Talon aus seiner Starre.
In Panik rannten die beiden T-Rex- Geschwister nach Hause, so schnell wie ihre kleinen Beine sie trugen. Ständig blickten sie hinter sich, mit der Angst im Rücken, Terrorclaw könnte ihnen folgen. Doch dann nach einer kleinen Unachtsamkeit rannten sie plötzlich gegen einen dicken Baumstamm.
"Hey..." sagte Khara und richtete sich auf. "Wo kommt denn dieser blöde Baum plötzlich her? Der stand doch gerade eben noch nicht da."
"Keine Ahnung!" antwortete Talon und stupste den Baumstamm vorsichtig mit seiner Schnauze. "Seltsam! Er fühlt sich auch ganz weich und warm an."
Über ihren Köpfen ertönte nun ein tiefes Knurren.
Entsetzt blickten beide nach oben.
"Hattet ihr zwei einen netten Ausflug?"
"MUTTER!!!" riefen beide gleichzeitig.
"Jetzt aber schnellstens nach Hause mit euch!" schimpfte sie. "Ihr habt Nestarrest! Alle beide!"
"Ja, Mutter..." antworteten beide im Duett.
Als sie zum Nest zurückkehrten, hielt Mutter T-Rex kurz inne und blickte zum sternenklaren Nachthimmel.
"Typisch, Tyrus! Ganz DEINE Kinder!" seufzte sie.

Sturmblut verbrachte die ganze Nacht auf seinem Felsen. An Schlaf war für ihn nicht mehr zu denken. Zwischenzeitlich waren die sonderbaren Erschütterungen auch ihm nicht entgangen, doch daran störte er sich nicht. Es war nichts ungewöhnliches, daß es im Vulkangebirge ab und an etwas rumpelt.
Gegen Morgengrauen erkannte Sturmblut die Umrisse dreier Raptoren, die sich der Höhle näherten.
"Die Suchtruppe!" Sturmblut sprang sofort auf und stürmte ihnen entgegen. Doch er mußte zu seiner großen Enttäuschung feststellen, daß sie ohne Windfeger zurückkehrten.
"Schlitzer! Habt ihr sie gefunden?"
"Was soll ich jetzt nur machen?" dachte Schlitzer, als er schließlich vor Sturmblut stand. Es gefiel ihm ganz und gar nicht, seinen Freund und Alpha anlügen zu müssen. "Soll ich es ihm sagen? Aber ich kann meine Partnerin und mein Kind nicht in Gefahr bringen!" doch dann sprach er, ohne Sturmblut in die Augen zu blicken: "T... tut mir leid, Sturmblut, aber wir konnten sie nirgendwo finden. Wir haben sie überall gesucht und mußten dabei selber aufpassen, nicht getötet zu werden. Ich fürchte... ich fürchte, wir haben sie verloren." Es zerriß Schlitzer, Sturmblut diese Worte zu sagen.
"NEIN! DAS KANN ICH NICHT GLAUBEN!!!" brüllte Sturmblut verzweifelt und stürzte in die Höhle.
"Kluge Entscheidung! Für einen Augenblick glaubte ich, du würdest quatschen!" zischte Narbengesicht. "Mach bloß keine Dummheiten! Wir behalten dich im Auge!"
"SCHEISSE!!" fluchte Schlitzer innerlich. "Bei meiner Ehre als Jäger! Ich muß es Sturmblut sagen! Aber was kann ich nur tun, um meine Familie zu schützen? Vor allem, wer steckt noch alles hinter der Verschwörung? Wen kann man hier im Clan überhaupt noch trauen?" Er blickte zur Höhle und sah eine Gruppe jüngere Raptoren. "Sind es vielleicht einige der Jungspunde, oder gibt es vielleicht sogar einen fremden Clan, der eine feindliche Übernahme plant?"

Sturmblut war ausser sich und brüllte jeden an, der sich in der Höhle aufhielt. "NIEMALS! NICHT WINDFEGER!!"
Entsetzt über Sturmbluts Ausbruch wichen einige Clanmitglieder zurück. Es wäre sehr unklug gewesen, wenn sich jetzt jemand in Sturmbluts Weg gestellt hätte. Er hätte ihn in der Luft zerrissen.
"Sturmblut, was ist los?" fragte Starke Klaue besorgt, als sich Sturmblut langsam beruhigte. Er war der Einzige, der es wagen konnte, Sturmblut in einer solchen Verfassung anzusprechen.
"Der Suchtrupp ist zurück!" zischte Sturmblut. "Sie sagten... wir hätten sie verloren."
"Ist es... sicher, daß sie..." sagte Starke Klaue geschockt.
"Sie haben die Suche abgebrochen! Aber ich gebe sie noch nicht auf! Zwischen uns beiden besteht eine starke Bindung. Ich würde es fühlen, wenn ihr etwas zugestoßen wäre! Sie kann nicht tot sein!" knurrte Sturmblut und schritt zum Höhlenausgang.
"Wo willst du hin? Was hast du denn jetzt vor?" fragte Starke Klaue.
"Ich werde sie selber suchen gehen!"
"Und der Clan?" rief Starke Klaue hinterher.
"Ich war bisher immer nur für den Clan da. Ich habe den Clan über alles andere gestellt." grollte er. "Aber jetzt will ich für meine Familie da sein!"
"Warte, Sturmblut!" rief Starke Klaue, als Sturmblut die Höhle verlassen wollte.
"Gib dir keine Mühe! Du wirst mich nicht davon abhalten..." sagte Sturmblut, doch zu seiner Verwunderung sah er ein leichtes Lächeln auf Starke Klaue´s Lippen.
"Das denkst du doch wohl nicht wirklich von mir?!" Er trat zu Sturmblut und legte ihm seine Hand auf die Schulter. "Ich werde mitkommen! Gemeinsam werden wir sie finden. Davon bin ich überzeugt!"
"Danke, Bruder!" sagte Sturmblut. "Das baut mich doch wieder ein wenig auf!"

Schlitzer war in tiefen Gedanken, als Sturmblut und Starke Klaue auf ihn zu kamen.
"Schlitzer!"
Erschrocken fuhr der Raptor herum, als ihn Sturmblut ansprach.
"Was?! Oh, du bist es nur!" antwortete er nervös und grüßte Sturmblut´s Bruder. "Hallo, Starke Klaue!"
Starke Klaue nickte zur Begrüßung zurück.
"Wer sollte es denn sonst sein?" sprach Sturmblut verwundert. "Tut mir leid wegen meinem Ausraster von vorhin. Ich wollte dich fragen, ob du mir einen Gefallen tun kannst."
"Einen Gefallen?"
"Ja. Starke Klaue und ich werden jetzt selber nach Windfeger suchen." antwortete Sturmblut. "Könntest du und Schleicher hier solange nach dem rechten sehen?"
"Du verläßt uns?" fragte Schlitzer.
"Ich glaube nicht daran, daß wir Windfeger verloren haben." antwortete Sturmblut. "Ich werde sie suchen, bis ich sie gefunden habe und selbst wenn es Monate dauert!"
"Ausgerechnet!" dachte Schlitzer. "Wenn Sturmblut nicht da ist, wird es für die Verräter ein Leichtes sein den Clan zu übernehmen!"
Sturmblut bemerkte Schlitzers Nervosität. Er konnte seine Angst riechen.
"Schlitzer, du hast doch irgend etwas!"
"Blödsinn! Was sollte ich denn haben?"
"Bist du sicher?" fragte er besorgt.
"Alles ist wie immer!"
Sturmblut wußte, daß dies eine Lüge war und sprach: "Schlitzer, ich kenne dich. Du machst mir etwas vor. Wenn dich irgend etwas bedrückt, dann sage es mir bitte."
"Tut mir leid, ich kann nicht!" sagte Schlitzer.
"Wie du meinst. Du solltest aber wissen, daß sich kein Problem löst, wenn man es verschweigt." Sturmblut war bestürzt, daß Schlitzer ihm etwas verheimlichte.
"Ich habe hierfür meine Gründe!" sagte Schlitzer.
"Na gut!"  sagte Sturmblut. "Starke Klaue und ich werden uns jetzt auf den Weg machen. Wirst du und Schleicher auf den Clan aufpassen?"
"Du kannst dich auf uns verlassen!" sagte Schlitzer, doch sehr wohl war ihm bei diesem Gedanken nicht.
"Danke, Kumpel!" sagte Sturmblut und verließ mit seinem Bruder das Vulkangebirge.
"Viel Glück!" rief Schlitzer noch hinterher.

"Was sollte das denn?" fragte Starke Klaue, als er sicher war, daß sie sich außer Hörreichweite befanden. "So habe ich Schlitzer ja noch nie erlebt!"
"Keine Ahnung!" antworte Sturmblut. "Möchte bloß wissen was er nur hat?!"
"Er muß vor irgend etwas fürchterliche Angst haben!" sagte Starke Klaue. "Hast du es denn nicht gerochen?"
"Doch, natürlich! Selbst jemand mit entzündeten Nüstern hätte seine Angst noch gerochen." antwortete Sturmblut und blieb für einen Moment plötzlich stehen. "Da fällt mir gerade etwas ein! In der Nacht, in der Windfeger abgehauen ist, hat sich Schleicher ähnlich aufgeführt."
"Davon hast du mir ja gar nichts gesagt!"
"Ich hielt es nicht für sehr wichtig." sagte Sturmblut. "Aber so wie es aussieht, scheint ein solches Verhalten plötzlich ansteckend zu sein."
"Eigenartig!" murmelte Starke Klaue. "Was ist nur mit den Leuten plötzlich los?"
"Das werde ich schon noch herausfinden!" grunzte Sturmblut. "Aber später! Jetzt steht ersteinmal unsere Schwester an vorderster Stelle!"

Schlitzer blickte den beiden noch hinterher und entschied sich dann in die Höhle zu gehen, um seine Partnerin Schatten zu begrüßen und sein Kind zu sehen.
"Ich frage mich, ob die Kleine inzwischen schon wieder gewachsen ist." dachte er.
"Vati!" rief eine junge piepsige Stimme, als Schlitzer die Höhle betrat.
"Mein Mädchen! Komm zu mir!" rief Schlitzer und drückte sie an sich. "Ich habe dich so vermißt!"
"Ich dich auch, Vati!"
"Hast du denn auch gut auf Mami aufgepaßt?" fragte er.
"Habe ich!" antwortete sie fröhlich.
"Das freut mich..." Doch da erblickte er Narbengesicht neben seiner Partnerin sitzen.
"Schatten! Geh‘ weg von ihm!" rief er entsetzt.
Schatten blickte überrascht über Schlitzers Reaktion.
"Schlitzer...?! Was hast du denn?"
"Narbengesicht, halte dich von meiner Familie fern!" knurrte er.
"Was denn, Schlitzer?" sprach er. "Ich unterhalte mich doch nur mit Schatten. Darf man das schon nicht mehr?"
"Verschwinde sofort!" grollte er.
"Ist ja schon gut!" sagte Narbengesicht und stand auf. Doch als er an Schlitzer vorbeiging zischte er ihm leise zu: "Keine Sorge! Solange du nicht plauderst, wird dir und deiner Familie nichts geschehen."
"Bastarde!" knurrte Schlitzer. "Das werdet ihr noch alle büßen!"
Doch Narbengesicht grinste und blickte zu Schlitzers Tochter hinunter.
"Was für ein süßes Mädchen du doch hast. Noch so jung, unschuldig und so... zart." sprach er mit einem düsteren Lächeln und trottete hinaus.
"Was wollte er von dir?" fragte Schlitzer und trat zu seiner Partnerin.
"Nichts. Wir haben uns wirklich nur ganz normal unterhalten." antwortete sie. "Er hat mir erzählt, daß ihr Windfeger nicht finden konntet. Das ist wirklich sehr bedauerlich."
"Wo bleibt Windfeger denn?" fragte Schlitzers Tochter.
"Hörst du es? Selbst sie vermißt Windfeger." lächelte Schatten. "Sie hat sie sehr gern."
"Schatten, jetzt hör mir mal genau zu!" flüsterte Schlitzer. "Ich möchte, daß du niemanden in die Nähe unseres Kindes läßt! Spreche mit absolut niemanden! Am aller wenigsten mit Narbengesicht und Zerhacker! Hast du mich verstanden?!"
"Aber wieso?" fragte sie. "Warum bist du denn so aufgeregt? Was ist denn los mit dir?"
"Ich... ich kann es dir nicht sagen..."
"Warum das denn?" fragte sie verwirrt. Doch Schlitzer antwortete nicht.
"Eifersüchtig?" fragte sie und stupste ihn liebevoll mit ihrer Schnauze. "Das muß du doch nicht sein, wenn es das ist. Ich liebe doch nur dich."
"Eifersucht?! So ein Quatsch!"
Schatten´s Lächeln verschwand, als sie den sorgenvollen Blick von Schlitzer sah.
"Aber was ist es dann?" fragte sie.
"Bitte Liebes, frag nicht!" antwortete Schlitzer und versuchte das Thema zu wechseln. "Hast du vielleicht Schleicher irgendwo gesehen? Sturmblut ist jetzt auf eigene Faust Windfeger suchen und er hat uns beiden den Auftrag gegeben, solange auf den Clan aufzupassen."
"Keine Ahnung, wo der sich rum treibt." Ihr gingen jetzt ganz andere Sachen durch den Kopf, als Schleicher. Sie konnte nicht verstehen, wieso Schlitzer ihren Fragen auswich. Warum verbarg er etwas vor ihr? Vertraute er ihr nicht genug? Sie machte sich große Sorgen.

"Sollen wir es ihr denn nicht sagen?" flüsterte Talon. Der Schock von der vorigen Nacht saß noch immer tief.
"Was willst du ihr denn sagen?" zischte Khara. "Daß wir ein Geist gesehen haben? Das wird sie uns nie glauben!"
"Wenn du mich fragst, ich glaube nicht, daß es ein Geist gewesen ist." sagte Talon und achtete darauf, nicht laut zu sprechen.
"Woher willst du das wissen?"
"Hatte Mutter in ihren Gruselgeschichten nicht erzählt, das Terrorclaw nur Kinder frißt?"
"Ja, und?" antwortete Khara.
"Der Dorndaumen war kein Kind."
"Du hast recht!" Khara´s Augen weiteten sich vor Schreck.
"Dann müssen wir Mutter davon erzählen!" sagte Talon.
"Talon, ich habe Angst!"
"Ich auch, Khara!" zitterte Talon und blickte auf den schlafenden Leib seiner Mutter. Was wäre wohl passiert, wenn sie mit Terrorclaw zusammengestoßen wären und nicht mit Mutter? Talon mochte gar nicht daran denken.

Schlitzer war in der folgenden Woche völlig mit seinen Nerven am Boden. Er fürchtete, jeder Raptor in Sturmbluts Clan könnte zu den Verrätern gehören. Er verbat sogar seiner Tochter mit anderen Raptorjungen des Clans zu spielen.
Selbst nachts fand Schlitzer schon keine Ruhe mehr. Er wurde immer nervöser und aggressiver.
Fast konnte Schatten schon erahnen, daß während der Suchexpedition etwas schlimmes passiert sein mußte und versuchte Schlitzer zur Rede zu stellen.
"Du bist ja wie verwandelt, seit dem du wieder zurück bist. So kenne ich dich überhaupt nicht." sagte sie. "Ist etwas vorgefallen, während du unterwegs warst?"
"Sei endlich still!!!!" schnappte er gereizt.  "Ich habe dir doch gesagt, ich will nicht darüber sprechen!"
"Warum schreist du mich so an? Ich will dir doch nur helfen!" zuckte sie erschreckt zurück. "Hast du denn überhaupt kein Vertrauen mehr zu mir?"
"Oh, Liebling! Es tut mir so leid! Ich weiß einfach nicht mehr was ich machen soll!" sagte er und umarmte Schatten. "Wenn ich erzähle, von dem was ich weiß, würde ich euch beide damit in Gefahr bringen!"
"In Gefahr!? Wenn wir in Gefahr schweben, dann habe ich ein Recht zu erfahren was los ist!" sprach sie ernst. "Besonders wenn es um unser Kind geht!"
"Wenn ich doch nur wüßte, wo ihr in Sicherheit wärt..." überlegte er und hatte schließlich einen Einfall. "Moment! Das ist es!"
"Was?!"
"Der Clan meiner Schwester!" sprach er. "Schatten, ich möchte, daß du dir unser Mädchen schnappst und nach Norden, zum Clan meiner Schwester aufbrichst. Das wäre der einzige Ort, an dem ihr sicher seit!"
Schatten war geschockt. "Du willst uns fort schicken?! Der Clan deiner Schwester befindet sich weit außerhalb des Tals!"
"Bitte, Schatten! Ihr müßt den Clan verlassen!" sagte Schlitzer. "Hier seit ihr nicht mehr sicher!"
"Kommt nicht in Frage! Ich werde nirgendwo hin gehen, solange ich nicht weiß, was los ist!" knurrte sie. 
Schlitzer hoffte, daß jetzt bloß nicht ein verräterischer Raptor draußen vor der Höhle stand und lauschte. Schatten blieb hartnäckig und es war ihm klar, daß sie sich nicht einen Millimeter von der Stelle rühren würde. Er riskierte es!
"Eine Verschwörung ist gegen Sturmblut im Gange!" flüsterte er ihr kaum hörbar ins Ohr und tat dabei so, als würde er ihr den Nacken massieren. "Ich habe keine Ahnung, wer aus dem Clan noch alles darin verwickelt ist. Fest steht aber, daß sie Sturmblut mit Gewalt stürzen wollen. Ich hatte vor, Sturmblut darüber zu unterrichten, doch Narbengesicht drohte damit, euch etwas anzutun, wenn ich irgend etwas von ihrem Vorhaben verrate."
"Ich verstehe!"
"Genau darum müßt ihr den Clan auch so schnell wie möglich verlassen!"
"Aber ich will dich nicht verlassen!" sagte Schatten.
"Bitte, Liebes! Es wird ja nur vorübergehend sein. Solange bis die Verräter entlarvt und zur Strecke gebracht worden sind." antwortete Schlitzer. "Unsere Tochter soll doch noch ein langes Leben vor sich haben."
"Und was wird aus dir?" fragte Schatten.
"Ich habe Sturmblut ein Versprechen gegeben. Mach dir um mich keine Sorgen, ich komme schon klar. Denk lieber an unser Kind!"
"Ihr und euer Ehrenkodex! Gut, ich werde gehen."
"Danke, Schatten!" sagte Schlitzer erleichtert.
"Hast du schon überlegt, wie wir ohne Aufmerksamkeit zu erregen den Clan verlassen können?"
"Das habe ich. Und es wird auch noch heute Nacht geschehen. Je eher ihr hier weg seit, um so besser!"

Sturmblut und Starke Klaue hatten wenig Erfolg auf der Suche nach Windfeger. Sie versuchten einige Dinosaurier anzusprechen, ob sie ein einzelnes Raptorweibchen gesehen hätten, doch Sturmblut war bei vielen Sauriern im Tal gefürchtet. Die meisten flohen vor ihnen und andere Dinosaurier wiederum verjagten sie aus ihrem Territorium. Und die wenigen Saurier, die keine Angst vor ihnen hatten, wußten nichts von Windfeger.
"Habe ich wirklich so einen schlechten Ruf?" fragte Sturmblut.
"Also wenn ein 'Jäger' in einem Kampf eine große Gelbschnauze tötet, welche dann auch noch ein Alpha gewesen ist, dann erregt das für einiges an Aufsehen." antwortete Starke Klaue amüsiert.
"Das war dieser Brutus!" sagte Sturmblut. "Wie lange hatte der schon unseren Clan terrorisiert. Die Gesichter seiner Clanmitglieder nach dem Kampf werde ich jedenfalls nie vergessen. Dieses eine Mal hatten wir es ihnen gründlich gezeigt."
"Und so etwas spricht sich hier schnell herum." sagte Starke Klaue. "Sie denken, es wäre für einen Jäger unmöglich eine Gelbschnauze zu töten, weil wir so viel kleiner sind als sie."
"Eine Gelbschnauze zu töten ist nicht unmöglich. Man muß nur wissen, wo ihre Schwächen liegen." sagte Sturmblut.
"Jedenfalls finden wir Windfeger nicht auf diese Weise." Starke Klaue hörte über sich plötzlich einige seltsame Schreie und als er zum Himmel hinauf blickte, sah er einen Schwarm großer Flugsaurier. "Fliegen müßte man können. Auf diese Weise wäre es viel einfacher Windfeger zu finden."
"Was sagst du da?" fragte Sturmblut.
"Ich meine die Flieger. Sie können von oben selbst die kleinste Bewegung erkennen..."
"Starke Klaue, laß dich umarmen!!!" Sturmblut lächelte. "Flieger verbringen den größten Teil ihres Leben in der Luft und sehen nahezu ALLES was auf dem Boden passiert! Ich bin mir sicher, daß einer von ihnen ein einzelnes Jägerweibchen gesehen hat."
"Toll, aber sie sind unerreichbar für uns. Wie willst du einen Flieger dazu bewegen, zu uns hinunter zu kommen? Freiwillig dürfte wohl kaum einer den Schutz des Himmels verlassen."
Sturmblut schnüffelte prüfend die Luft und entdeckte schließlich das, wonach er gesucht hatte. Es war eine kleine Herde Protoceratops, die noch die letzten übrig gebliebenen Blätter eines Zykaeenstrauches abgraste.
"Oh, das denke ich aber doch!" grinste Sturmblut. "Der Hunger wird auf unserer Seite sein!"
"Was?!" Starke Klaue verstand nicht, was Sturmblut im Sinn hatte.
"Ich erkläre es dir..."

Arglos nagten die Protoceratops die Blätter von den Zweigen ab, ohne zu ahnen, daß die zwei Raptoren auf sie lauerten.
Mit einem lauten Schrei stürzte plötzlich Sturmblut hervor und fletschte seine Zähne. Die Ceratopier erschraken und liefen in Panik davon. Sturmblut stürmte auf die Herde los und schaffte es einen der Protoceratops von seiner Herde zu trennen. Der Protoceratops lief um sein Leben und versuchte Sturmblut zu entkommen. Was zunächst auch ganz danach aussah, doch Sturmblut stieß ein kurzes Knurren aus und augenblicklich tauchte Starke Klaue wie aus dem nichts auf und schnitt dem Protoceratops den Weg ab.
"Treib ihn zur Waldlichtung!" knurrte Sturmblut.
Starke Klaue grunzte als Bestätigung.
Die Teamarbeit der beiden Raptorenbrüder war perfekt koordiniert und sie hatten den Protoceratops genau da, wo sie ihn haben wollten.
Dann schlugen sie zu! Sturmblut sprang auf den Rücken des Horndinosauriers und bohrte seine messerscharfen Zähne in den Nacken des Pflanzenfressers und versuchte ihn auf die Seite zu bekommen, da der Rücken des Protoceratops für einen tödlichen Angriff zu sehr geschützt war. Als es Sturmblut gelang, griff Starke Klaue den nun ungeschützten Leib des Protoceratops an und schlitzte ihm mit seiner Sichelkralle den Bauch auf. Blut floß in Strömen aus dem Leib des Pflanzenfressers und nachdem der Pflanzenfresser durch den massiven Blutverlust geschwächt war, machte Sturmblut dem Todeskampf mit einem Biß in die Kehle ein Ende.
"So macht das Jagen doch am meisten Spaß!" sagte Sturmblut.
"Mit dir zusammen immer!" sagte Starke Klaue. "...und mit Windfeger!"
Sturmblut nickte und seufzte. "Ja..."
"Wie geht dein Plan denn jetzt weiter?"
"Ersteinmal essen wir, bevor das gute Fleisch vergammelt." Sturmblut riß ein großes Stück Fleisch aus dem Protoceratops und verschlang es.

Nachdem Sturmblut und Starke Klaue ihren Hunger gestillt hatten, begann nun die zweite Phase von Sturmblut´s Plan.
"Ahh...! Das war gut!" Sturmblut leckte sich die Klauen sauber und blickte zu seinem Bruder. "Laß aber noch einiges an Fleisch am Kadaver.
"Wieso?" fragte Starke Klaue. "Seit wann verschwenden wir Fleisch?"
"Das gehört mit zu meinem Plan und jetzt schnell ins Gebüsch!"
Starke Klaue kratzte sich am Kopf und folgte ihm.
"Ich verstehe immer noch nicht so ganz..."
"Paß auf! Flieger sind Aasfresser und für gewöhnlich immer die Ersten, die sich über einen Kadaver hermachen. Sobald hier einer landet, schnappen wir ihn uns."
"Das wird nicht funktionieren!" meinte Starke Klaue.
"Abwarten!"
"Sturmblut, Flieger sind nicht dumm. Ich glaube nicht, daß sie sich so einfach an der Nase herumführen lassen."
"Hunger kann manchmal so mächtig sein, daß du jeden logischen Verstand ausschaltest." sagte Sturmblut. "Du kümmerst dich nicht mehr um Gefahren, für dich zählt nur noch eins: Nahrung!"
Und Sturmblut behielt recht. Nach einer Weile hörten sie das Geräusch von großen Flügeln. Ein junger noch nicht voll ausgewachsener Pteranodon flog über die Lichtung.
Beide Raubsaurier hockten im Gebüsch und regten keinen Muskel.
Der Flugsaurier kreiste ein wenig über die Stelle und landete schließlich. Mit watschelnden, fast ungeschickten Bewegungen näherte er sich dem toten Protoceratops. Er war ausgehungert und suchte schon seit Tagen nach Nahrung. Gierig stürzte er sich auf das Fleisch und begann zu fressen.
"Jetzt!" zischte Sturmblut.
Sturmblut und Starke Klaue sprangen aus dem Gebüsch und überwältigten den völlig überraschten Flugsaurier.
"Halt ihn fest!" rief Sturmblut. "Halt ihn gut fest!"
Der Pteranodon wehrte sich verzweifelt und versuchte die beiden Raptoren von sich abzuschütteln, doch sie hatten ihn förmlich am Boden festgenagelt.
"Was soll denn das?" schrie der Flugsaurier verängstigt. "Laßt mich los!"
"Ruhig! Halt still!" knurrte Sturmblut. "Wir haben nicht vor dich zu töten! Wir wollen nur dafür sorgen, daß du nicht sofort wieder wegfliegst!"
"Was wollt ihr von mir?" jammerte der Pteranodon.
"Wir möchten nur wissen, ob du oder jemand von deinen Fliegerfreunden ein einzelnes Jägerweibchen gesehen hat." sagte Sturmblut mit ruhiger Stimme.
"Wie?!" sprach der Pteranodon und hörte auf zu zappeln.
"Ihr Flieger seht von oben doch alles, was hier unten passiert. Oder sagen wir fast alles..." sagte Sturmblut mit einem leichten Grinsen. "Wir werden dich jetzt aufstehen lassen und bitte, mach keine Anstalten zu fliehen!"
Der Pteranodon nickte nervös. So ganz traute er diesen seltsamen Raubsauriern nicht über den Weg.
Sturmblut signalisierte Starke Klaue, den Flugsaurier los zu lassen.
Vorsichtig setzte sich der Flugsaurier auf. Er verspürte den Drang, sich augenblicklich in die Lüfte zu schwingen und abzuhauen, doch aus Angst vor den Raptoren war er wie gelähmt.
"Also, hast du nun das Jägerweibchen gesehen oder nicht?" fragte Sturmblut.
"N... nein. Was für ein Jägerweibchen?" stotterte der Flugsaurier. Nachdem er sich Sturmblut genauer ansah sprach er plötzlich: "Ich... ich kenne dich! Du bist doch das Alpha-Männchen des Jägerclans aus dem Vulkangebirge."
"Was ich bin, ist nur ein verzweifelter Bruder, der auf der Suche nach seiner vermißten Schwester ist. Nichts anderes." seufzte Sturmblut. "Ich dachte, wenn ich einen Flieger fragen würde, könnte er uns vielleicht helfen."
Der Pteranodon war sprachlos. Er hatte noch nie zuvor gehört, daß sich Raptoren so sehr um die Ihresgleichen kümmern. Er kannte sie nur als gnadenlose Freßmaschinen und Kannibalen. Und jetzt bat einer dieser Killer ihn auch noch um Hilfe?! Der Pteranodon war verwirrt, doch er bemerkte an Sturmbluts Verhalten, daß er es ehrlich meinte.
"Ich kann mich ja mal umhorchen..." sagte der Pteranodon. Dies war das erste Mal, daß er jemals mit Raubsaurier gesprochen hatte.
"Das wäre sehr nett von dir!" sagte Sturmblut.
"Wie sieht sie denn aus?" fragte der Flugsaurier.
"Nun, sie hat eine ähnliche Schuppenzeichnung wie ich, nur etwas dunkler und sie ist noch ein Teenager." sagte Sturmblut. "Sie heißt Windfeger. Das Wichtigste ist aber, daß sie allein unterwegs ist."
"Verstehe, Jäger sind für gewöhnlich nie alleine. Das dürfte eigentlich an Informationen ausreichen."
"Wo wir gerade dabei sind, mein Name ist Sturmblut..." sagte er und wies auf seinen Bruder. "...und das ist mein Bruder Starke Klaue."
"Also ich glaube, es gibt hier kaum jemanden, der deinen nicht Namen kennt." sagte der Pteranodon. "Ich bin Redwing."
"Redwing, habe ich dein Wort, daß du dich auch wirklich für uns umhorchen wirst und nicht einfach auf nie mehr wiedersehen verschwindest?" fragte Sturmblut.
"Ich habe selbst Brüder und Schwestern." sagte er. "Und ich weiß auch wie es ist, jemanden zu verlieren. Keine Sorge, sobald ich etwas näheres über eure Schwester weiß komme ich zurück."
"Wir wären dir sehr dankbar!" sagte Starke Klaue. "Sie bedeutet uns wirklich viel!"
Redwing nickte und schwang sich in die Luft, wobei er einigen Sand aufwirbelte.
"Wir werden hier auf dich warten!" rief ihm Sturmblut nach.
"Ob er wohl sein Wort hält?" fragte Starke Klaue.
"Ich hoffe es!" seufzte Sturmblut.

In tiefer Nacht kauerten die Raptoren des Vulkangebirges zusammengerollt in ihrer Höhle und schliefen. Mit einer Ausname!
"Schatten... wach auf!" flüsterte er ihr ins Ohr. "Es ist Zeit!"
Schatten war bereits wach und öffnete sofort die Augen. "Ist es sicher?"
"Ja! Alles schläft und ich habe für die heutige Nachtwache Graue Schuppe eingeteilt." antwortete Schlitzer.
Schatten nahm vorsichtig ihr Kind auf den Arm und achtete darauf es nicht zu wecken.
"Los, komm mir nach!" zischte Schlitzer. "Jetzt oder nie!"
Schatten folgte ihrem Partner aus der Höhle. Sie wurde nervös, als sie sich auf Graue Schuppe zu bewegten. Der Raptor stand in einiger Entfernung zur Höhle und hielt nach ungebetenen Störenfriede Ausschau. Doch etwas an ihm war eigenartig, der Raubsaurier regte sich kein bißchen. Als sie näher kamen vernahmen sie ein schnarchendes Geräusch. Schatten staunte nicht schlecht, als sie sah, daß Graue Schuppe im stehen schlief.
"Graue Schuppe!" flüsterte Schlitzer und kicherte leise. "In der Beziehung ist auf ihn immer Verlaß!"
Als sie den ´Wachposten´ hinter sich ließen, sprach Schlitzer: "So, weiter kann ich euch nicht begleiten."
"Wird mich deine Schwester in ihrem Clan überhaupt willkommen heißen?" fragte Schatten.
"Selbstverständlich! Sie ist ein sehr gerechtes Alpha-Weibchen und wird euch freundlich empfangen." antwortete er. "Und dort habt ihr all den Schutz, den ich euch hier leider nicht mehr geben kann."
"Warum kannst du nicht mit uns kommen?"
"Sturmblut ist mein Freund und hat für den Clan Großartiges geleistet. Würde ich ihn im Stich lassen, wäre ich nicht viel besser, als diese Verräter."
Plötzlich regte sich etwas in Schattens Armen.
"Oh, nein! Jetzt ist sie wach geworden!"
"Vati, Mami?!" quiekte sie. "Es ist so dunkel! Warum sind wir draußen?"
"Ssst..." machte Schlitzer und beruhigte seine Tochter. "Es ist ja alles gut! Mami und du, ihr werdet jetzt auf eine kleine Reise gehen."
"Reise?"
"Ja, dort wo ihr hingehen werdet, ist es wunderschön. Viel schöner als hier." sagte Schlitzer. "Und du wirst deine Tante kennenlernen."
"Kommst du denn gar nicht mit?" fragte sie.
"Ich komme später nach. Ich habe hier vorher noch etwas wichtiges zu erledigen." sagte er und schaute dann ins sorgenvolle Gesicht von Schatten. "Liebes, ganz gleich wie lange es dauern wird. Kommt bitte unter keinen Umständen hierher zurück, ehe ich nicht bei euch auftauche."
"Ich habe Angst!" sagte Schatten. "Was ist, wenn dir etwas passiert?"
"Es wird schon alles gut gehen!" antwortete Schlitzer. "Die Verräter werden ihre gerechte Strafe erhalten."
"Ich liebe dich, Schlitzer!" schluchzte sie und rieb mit ihrer Schnauze über Schlitzers Hals.
"Ich dich auch, Liebes!"
"Vati!!!" weinte Schlitzers Tochter.
"Wein doch nicht, mein großes Mädchen! Ich komme doch nach!" sagte Schlitzer und nahm sie noch einmal in den Arm. Diesmal konnte auch er seine Tränen nicht unterdrücken. "Sei artig und tu auch immer schön, was Mami dir sagt. Vati hat dich ganz doll lieb!"
"Ich habe dich auch lieb, Vati!"
"Nun, müßt ihr aber wirklich gehen!" sagte Schlitzer.
"Du hast recht." sagte Schatten und nahm ihr Junges wieder an sich. "Sei nur bitte vorsichtig!"
"Das bin ich!" antwortete Schlitzer. "Bis bald, ihr zwei! Und Schatten, denk daran, die Abkürzung über den Gebirgspaß zu nehmen, dort dürften sich weniger Raubsaurier aufhalten."
"Werde ich machen. Bis bald, Schlitzer!" Schatten nickte und verließ mit ihrer Tochter den Ort, den sie bisher als den sichersten in der Welt angesehen hatte. Doch nun stand Sturmbluts Clan vor dem Auseinanderbrechen. Sie hoffte inständig auf die Vernunft des Clans, sich nicht gegen ihren Alpha zu stellen. Sie blickte ihre Tochter an, die in ihren Armen wieder friedlich eingeschlafen war, und seufzte.

Es war Morgengrauen, als der junge Pteranodon über die Lichtung flog, wo er am Vortag noch von den zwei Raptoren rüpelhaft überfallen wurde. Redwing wußte nicht, warum er dies überhaupt tat, doch er war ein gutmütiger Flugsaurier und diese beiden Raptoren schienen über ihren Verlust wirklich verzweifelt zu sein. Er erinnerte sich daran wie viele seiner eigenen Geschwister bereits umgekommen sind. Von ursprünglich neun Jungen waren nur er und noch drei weitere übrig geblieben. Doch für die beiden Raubsaurier hatte er eine erfreuliche Nachricht.
"Sturmblut?... Starke Klaue?" rief er. "Seit ihr da?"
Sturmblut gähnte, als er von dem lauten Flattern geweckt wurde.
"Redwing!!!" rief Sturmblut. "Ich hätte ehrlich nicht gedacht dich noch einmal wiederzusehen."
"Ich...ähm! Zugegeben... ich hatte ursprünglich auch gar nicht vorgehabt, hierher zurückzukehren. Aber dann ist mir eure Geschichte doch sehr nahe gegangen, da sie mich an meine eigene Familie erinnert hat und na ja... aber vergeßt es einfach, O.k.?" sagte Redwing, der sich noch immer in der Luft befand und auch nicht die geringste Lust hatte zu landen. "Jedenfalls hat einer meiner Artgenossen einen weiblichen Jäger gesehen, der eurer Beschreibung entsprach."
"Ist sie am leben?" fragte Starke Klaue, der wie von der Tarantel gestochen aufsprang.
"So viel ich gehört habe, ist sie quicklebendig!" antwortete der Flugsaurier. "Sie läuft sehr schnell, kann das sein?!"
"Das ist sie!!!" sagte Sturmblut erleichtert. "Sie lebt! Den Urahnen sei dank! Wo befindet sie sich?"
"Sie wurde gesehen nahe der Teersümpfe."
"Teersümpfe?!" Sturmblut´s Erleichterung schwand dahin. "Was verdammt noch mal treibt sie ausgerechnet da?! Dort hausen die Gehörnten! Da hätte sie sich auch genau so gut in ein Spitzzahn-Nest legen können!"
"Tut mir leid." sagte Redwing. "Aber ich kann nur das wiedergeben, was man mir mitgeteilt hatte."
"Ist O.k.!" sagte Sturmblut. "Wir sind dir wirklich sehr dankbar. Und entschuldige bitte unseren ähm... Überfall."
"Schon gut. Aber hättet ihr mich nicht einfach ganz normal fragen können?"
"Wärst du denn ruhig sitzen geblieben, wenn dich zwei Jäger angesprochen hätten?" fragte Sturmblut zurück.
"Hm... sehr wahrscheinlich nicht!" antwortete Redwing.
"Wir überlassen dir den Rest unserer Beute." sagte Sturmblut. "Iß dich ruhig satt!"
"Wow, danke! Ihr wißt gar nicht, wie lange ich schon nach etwas Vernünftigen gesucht habe!" sagte Redwing erfreut und landete bei der Beute. Doch da erschrak er. Verdammt, wie konnte er nur so dumm sein, jetzt war er den Raptoren zum zweiten Mal ausgeliefert! Ängstlich blickte er sich zu den Raubsauriern um. Würden sie sich jetzt auf ihn stürzen und zerfleischen?
Sturmblut lächelte. "Du brauchst uns nicht zu fürchten. Du hast uns sehr geholfen und das rechnen wir dir hoch an. Falls du irgendwann einmal Hilfe benötigen solltest, wende dich an uns, Freund."
Redwing glaubte seinen Ohren nicht zu trauen.
"H... hast du mich gerade als Freund bezeichnet?!"
"So ist es!" sagte Sturmblut. "Vom heutigen Tage an, soll kein Jäger mehr einen Flieger töten. Dafür werde ich sorgen!"
"Ich bin platt! Jetzt bin ich ein Freund von Sturmblut, dem gerissensten Jäger im Tal!" sagte Redwing, als sich die beiden Raptoren davon machten. "Das glaubt mir keiner!"

Es war noch ein ganzer Tagesmarsch, bis Sturmblut und Starke Klaue die Teersümpfe erreichten. Überall dampfte es und ein seltsamer Dunst lag in der Luft. Es roch erbärmlich.
"Ich hoffe, daß wir sie hier möglichst schnell finden!" sagte Sturmblut. "Ekelig! Was macht Windfeger nur an einem solchen Ort?"
In der Ferne hörten sie das Gebrüll von Raubsauriern.
"Wir müssen auf der Hut sein!" sagte Starke Klaue.
Sie drangen immer weiter in die Sümpfe vor. Überall stießen sie auf Überreste einiger unglücklicher Dinosaurier, die zu tief in den Moder geraten waren und von dort nicht wieder herauskamen. Es war ein schauriger Anblick.
Plötzlich hörten sie laute Schritte. Blitzschnell versteckten sich die beiden Raptoren im Unterholz, als etwas Großes an ihnen vorbei lief.
"Das hat uns noch gerade gefehlt! Ein Gehörnter!" zischte Sturmblut.
Bei den Gehörnten handelte es sich um Carnotauren. Riesige Fleischfresser, die einem T-Rex recht ähnlich sahen. Die auffälligsten Merkmale an ihnen waren jedoch die beiden kurzen Hörner über der Stirn, wodurch sie ein sehr dämonisches Aussehen erhielten.
Sturmblut atmete durch, als der Carnotaurus weiterzog, ohne die beiden Raptoren zu bemerken.
"Es liegt wahrscheinlich an den ganzen Gerüchen, weshalb er uns nicht entdeckt hat!" sagte Starke Klaue.
"Gehen wir weiter!" sagte Sturmblut. "Aber vorsichtig!"
Starke Klaue nickte. Wie sollten sie Windfeger hier nur finden? Sie konnten noch nicht einmal wagen, nach ihr zu rufen, ohne von den Carnotauren entdeckt zu werden.
Dann plötzlich brüllte es hinter ihnen! Der Carnotaurus war zurückgekehrt und leckte sich sein Maul.
"Lauf!" rief Sturmblut.
Mit einem lauten Knurren setzte der Carnotaurus den beiden Raptoren nach. Doch die zwei schlauen Raubsaurier trennten sich von einander. Der Carnotaurus dachte nicht lange nach und folgte Starke Klaue.
Sturmblut verlangsamte seinen Lauf und schaute in die Richtung, in der Starke Klaue und sein Verfolger verschwanden.
Sturmblut wollte weitergehen, doch da hörte er in den Büschen hinter sich ein Rascheln. Als er sich umblickte war es verschwunden.
"Großartig!" dachte er. "Jetzt bilde ich mir auch schon Dinge ein! Das macht bestimmt diese Luft!"
Als er sich von den Büschen abwandte um weiterzugehen, vernahm er plötzlich ein kurzes Zischen und eher er es sich versah wurde er von jemanden zu Boden geworfen.
Sturmblut knurrte und schlug mit seinen Krallen blind um sich.
"Sturmblut, beruhige dich! Ich bin´s!" sprach eine weibliche Stimme, die ihm sehr bekannt vorkam.
"Windfeger?!" Sturmblut schlug die Augen auf und blickte in das jugendliche Gesicht seiner Schwester.
"Hättest du jetzt noch einen weiteren Schritt gemacht, wärst du aus dem Sumpf nie mehr herausgekommen!"
"Windfeger, ich..." Sturmblut wußte nicht was er sagen sollte.
"So! Mein Bruder hat dieses Mal also seinen eigenen Hintern in Bewegung gesetzt um mich zu finden!" sagte Windfeger. "Hattest du mich vermißt?"
"Windfeger, es tut mir alles so schrecklich leid!" sagte Sturmblut. "Ich habe einige sehr dumme Dinge zu dir gesagt."
"Dumm ist gar kein Ausdruck!"
"Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht! Ich hatte schon beinah die Befürchtung, ich würde dich niemals wiedersehen!" Langsam kamen ihm die Tränen. "Ich hätte dich doch niemals aus dem Clan geworfen! Du bist meine kleine Schwester."
"Und genau das ist es ja!" sagte sie. "Du denkst immer noch, ich wäre deine kleine Schwester. Kannst du denn nicht akzeptieren, daß ich langsam erwachsen werde? Ich wollte dir beweisen, daß ich auch auf eigenen Füßen stehen kann. Sonst hätte ich hier in den Sümpfen auch wohl kaum überlebt."
"Ich sehe es. Du bist wirklich erwachsener geworden." sagte Sturmblut. "Und du siehst gut aus."
"Ich habe schnell gelernt hier in den Sümpfen zu überleben." sagte sie. "Aber ehrlich gesagt, der schlimmste Feind hier draußen waren nicht die Gehörnten, es war die Einsamkeit."
"Aber jetzt bist du ja nicht mehr alleine." sagte Sturmblut und lächelte.
"Sturmblut, ich bin wirklich froh, daß du selber hierher gekommen bist, um nach mir zu suchen, anstatt eine erneute Suchtruppe los zuschicken."
"Dann wußtest du also das..."
"Ja, Schlitzer und die anderen sind auch hier gewesen." antwortete Windfeger. "Aber ich wollte von ihnen nicht gefunden werden. Ich wollte wissen, ob dir der Clan wichtiger ist, als deine Schwester und ob dir überhaupt etwas an mir liegt."
"Und zu welchem Schluß bist du gekommen?"
Sie warf sich um seinen Hals und erdrückte ihn fast dabei. "Ich habe dich so schrecklich vermißt! Wo warst du nur all die Jahre!"
"Ist ja alles wieder gut, mein Schwesterchen!" antwortete er.
"Schwesterchen. So hast du mich seit unseren Kindertagen nicht mehr genannt!" sagte sie. "Jetzt habe ich Gewißheit, daß der alte Sturmblut tatsächlich zurückgekehrt ist!"
"Na, wie finde ich denn das?" sprach plötzlich Starke Klaue. "Ich bin empört! Werde ich von meiner kleinen Schwester denn jetzt gar nicht mehr gedrückt?"
"Starke Klaue, du bist auch hier?!?!" Windfeger war nicht mehr zu halten und stürzte in seine Arme.
"Ach Kleines! Habe ich dich endlich wieder!" seufzte Starke Klaue und drückte sie fest an sich.
"Wie ich sehe, bist du dem Gehörnten heil entkommen." sagte Sturmblut.
"Das war keine große Kunst! Die Gehörnten sind zwar hässlich, aber nicht besonders klug." sagte Starke Klaue.
"Dann wären wir drei ja wieder vereint!" sagte Sturmblut. "Das heißt, wenn Windfeger sich dazu entschließt, mit uns nach hause zu kommen."
"Was für eine Frage!" antwortete Windfeger. "Glaubt ihr, ich würde jetzt auch nur einen Moment länger hier bleiben?"

Endlich waren die drei Geschwister wieder glücklich vereint und traten den Heimweg an. Unterwegs erzählte Windfeger, was sie während ihrer Zeit bei den Teersümpfen alles erlebte.
"Weißt du, Sturmblut!" sagte Starke Klaue. "Es ist gar nicht so ungewöhnlich, daß sich Windfeger die Teersümpfe ausgesucht hat. Ihr seid ja als Kinder schon immer gerne in die Sümpfe gegangen."
"Oje, daran erinnere ich mich nicht gerne zurück." sagte Sturmblut. "Das war, glaube ich, das einzige Mal, daß wir von dir richtig Ärger bekommen haben."
"Ich kann mich auch noch ein wenig daran erinnern. Du hattest uns in den Fluß geworfen, damit wir wieder sauber werden sollten." sagte Windfeger.
"Ihr wart so dreckig, daß man euch schon gar nicht mehr riechen konnte!" sagte Starke Klaue. "Aber ich denke, ich hatte euch eine ordentliche Lektion fürs Leben erteilt!"
"Das hattest du!" sagten beide gleichzeitig.
"Woher wußtet ihr eigentlich, daß ich mich bei den Teersümpfen aufgehalten habe?" fragte Windfeger.
"Ein Freund hat uns dabei geholfen." antwortete Sturmblut. "Er ist ein Flieger und heißt Redwing."
"Ihr habt euch mit einem Flieger befreundet?"
"Ohne seine Hilfe hätten wir dich vielleicht nie gefunden." sagte Starke Klaue. "Darum werden wir auch in Zukunft keine Flieger mehr töten."
Es dauerte nun nicht mehr lange, bis sie die vertrauten Felsen des Vulkangebirges sahen.
"Ein komisches Gefühl wieder zu Hause zu sein." sagte Windfeger.
"Ich bin mal auf einige Gesichter gespannt." sagte Sturmblut. "Viele haben geglaubt, daß du schon gar nicht mehr am Leben wärst. Aber ich habe die Hoffnung niemals aufgegeben, dich wiederzusehen."
Als sie schließlich den Bergpfad hinaufliefen, blieb Starke Klaue plötzlich abrupt stehen.
"Was ist?" fragte Windfeger.
"Irgend etwas stimmt nicht!" sagte er. "Riecht doch mal!"
"Du hast recht!" sagte Sturmblut und schnüffelte. "Es riecht nach..."
"Blut!" ergänzte Windfeger.
"Ja, aber es riecht nicht nach Beute!" sagte Starke Klaue.
"Ich habe ein ganz mieses Gefühl!" grummelte Sturmblut. "Schnell! Zur Höhle!"
Sie rannten so schnell sie konnten den Berg hinauf. Als sie jedoch die Höhle erreichten, eröffnete sich ihnen ein Bild des Grauens. Windfeger wandte sich entsetzt ab und mußte sich übergeben.
"Oh, nein!" rief Starke Klaue. "Bitte nein!!!"
"Was, bei den Väter der Urahnen, ist hier geschehen?!?!" schrie Sturmblut.
 

© T-Bone
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