Trio Infernale von Sylvia und Cancelot
Die reale Drachental-Satire
Der Alchemist

"Das kann doch nicht sein, daß dieser Morholt in so einer Wildnis lebt!"
Webolo schimpfte schon seit geraumer Zeit vor sich hin, während er genervt nach Stechmücken klatschte und Gestrüpp und Äste zur Seite schob, um sich einen Weg durch das Unterholz zu bahnen.
"Das glaube ich einfach nicht! Wieso wohnt der nicht in einem anständigen Dorf? In einer Stadt? In einer schönen Villa? Einem Schloß? Wieso müssen wir durch einen Urwald kriechen, um zu diesem Dingensda zu gelangen?"
Die seltsame Gesellschaft kam nur im Schneckentempo voran, denn der Wald, durch den sie marschierten, wurde dichter und dichter. Obwohl es hellichter Tag war, herrschte hier nur dämmriges Zwielicht. Dunkelgrüner Efeu und Schlingpflanzen überwucherten den Boden und ließen sie stolpern, und die kreuz- und quer wachsenden Äste und Zweige verdeckten die Sicht und hinderten sie an schnellem Vorwärtskommen.

Ein stiller Beobachter hätte sich wohl gehörig gewundert über diese merkwürdige Karawane, die da durch den Wald stapfte. Allen voran hüpfte ein immerzu vor sich hin schimpfendes Kerlchen mit einem riesigen Sombrero, unter dem es fast völlig verschwand, dahinter stakste ein weißbärtiger Ritter in einer völlig verrosteten Rüstung, die bei jedem seiner Schritte quietschte und knarrte. Neben sich führte er ein in die Jahre gekommenes Streitroß am Zügel, das trotz des durchgebogenen Rückens und der ausgetreten Hufe tänzelte wie ein Rennpferd kurz vor dem Start - begleitet von Kommandos, die geradewegs aus dem Nichts zu kommen schienen.
"Heb die Hufe höher!" tönte die geheimnisvolle Stimme. "Die Knie mehr beugen... nein, so wird das nichts! Es soll elegant aussehen und graziös... nicht, als würdest du eine Grasfläche niedertrampeln!"
Ein resignierter Seufzer kam von oben aus dem grünen Blätterdach, und die Angesprochene - Rosinante - schickte einen drohenden Blick in die Höhe, wo über ihr das Kamel schwebte.
"Bist du sicher, daß du von Morholt ein Heilmittel gegen dieses Schweben bekommen willst?" knurrte sie und blähte die Nüstern. "Für den Fall, daß du jemals wieder mit deinen Hufen den Erdboden berührst, könnte es durchaus sein, daß du dir wünschst, du würdest wieder da oben in der Luft herumfliegen und für niemanden erreichbar sein!"
"Schon gut", schnappte Orhima beleidigt. "Ich wollte dir nur helfen. Du hast mich schließlich gebeten, dir einen solchen Gang beizubringen! Drache - ich hab Durst! Kannst du mich mal für einen Moment herunterlassen??"

Orhima ruckte an ihrem Ende des Seils, das um ihren Bauch geschlungen war. Das andere Ende hatte sich Moordrache um eine Klaue gewickelt und es sah aus, als würde ein überdimensionaler, haariger Luftballon mit Höcker über ihm herumschweben.
Der Drache verdrehte die Augen gen Himmel, zog seufzend an dem Seil und Orhima sank langsam zur Erde hernieder, während Ritter Canerio einen Wasserschlauch von Rosinantes Sattel losband und dem Kamel hinhielt.
"Sei sparsam damit!" mahnte er mit gestrengem Blick. "Das ist unser letztes Wasser. Wer weiß, wann wir wieder auf eine Quelle oder einen Bach stoßen."
"Ist es denn noch weit?" nörgelte Webolo. „Ich kann nicht mehr laufen! Mir tun die Füße weh, meine Arme und Beine sind völlig zerkratzt... und erst diese blöden blutsaugenden Mücken! Warum wohnt dieser Morholt mitten im Wald? Warum wohnt er nicht in einem schönen Dorf? Warum müssen wir dorthin laufen? Warum müssen wir hier durchs Unterholz walzen? Warum kann uns der Drache nicht fliegen..."
"Warum, warum, warum", blaffte Moordrache und warf dem Knappen einen drohenden Seitenblick zu. "Halt endlich mal die Klappe, du Floh! Weil ich nicht mitten im Wald landen und starten kann - geht das nicht in deinen Schädel rein?"
Webolo machte erschrocken ein paar Schritte zurück, um einen gewissen Sicherheitsabstand zwischen sich und den Drachen zu bringen. Er traute ihm nicht und hatte schnell herausgefunden, daß der Drache ziemlich aufbrausend sein konnte. Vor allem wenn er genau diesen Blick aufsetzte und seine ansonsten ruhige Stimme zu einem dunklen Grollen wurde, war es besser, sich nicht in seiner Reichweite aufzuhalten, wenn er nicht Gefahr laufen wollte, einfach über den Haufen gepustet zu werden oder unter einer der riesigen Klauen zu enden.
"Ich wollte ja nur wissen, wie weit es noch ist", piepste er und zog es vor, schnell das Thema zu wechseln. "Wie ist er denn so, dieser Morholt? Kennst du ihn?"
"Nein, nicht direkt", antwortete der Drache, während er langsam das Seil aus seinen Klauen gleiten und das Kamel wieder in die Luft steigen ließ. "Ich kenne ihn nicht persönlich. Aber er ist sehr berühmt und seine magischen Tränke und Heilmittel sind weithin bekannt. Außerdem soll er ein guter Erfinder sein, habe ich gehört."
"Und wohl auch ein Einsiedler", mischte sich Canerio in das Gespräch ein. "Lebt er ganz allein im Wald?"
Der Drache nickte. "Ja, er lebt sehr zurückgezogen, soviel ich weiß. Er hat nicht so gern Besuch in seiner Behausung - schließlich braucht er Ruhe zum Arbeiten. Er ist ein mächtiger Alchemist, müßt ihr wissen!"

"Aha", machte Webolo, der keine Ahnung hatte, was ein Alchemist war. Als die Gruppe weiterzog, dachte er eingehend über die Worte des Drachen nach und in seinem Geist formte sich langsam ein Bild von diesem Morholt. Mächtiger Alchemist... magische Tränke... Webolo sah einen riesigen Kerl mit schwarzen, zottigen Haaren und besticktem Zauberergewand vor sich, der drohend irgendwelche düsteren Beschwörungsformeln murmelte und in einem verwunschenen Turm wohnte.
Er war so in Gedanken versunken, daß er völlig erstaunt war, als er wieder einen Wust von Zweigen und Blattwerk beiseite schob und sich dahinter eine kleine, sonnenbeschienene Lichtung auftat.
"Ooohh...", staunte er und ließ vor Überraschung die Äste los, die zurückschnellten und Moordrache, der direkt hinter dem Knappen trottete, wie Peitschenhiebe auf die empfindlichen Nase trafen.
"Aua!"
Der Drache zog schon die schuppigen Augenbrauen zusammen und überlegte, ob diesen Quälgeist von Knappen rösten sollte, doch Webolo hüpfte bereits unbekümmert auf die Lichtung hinaus. 
"He!" schrie der Ritter, der Webolo zwischen den Ästen und aus seiner Sichtweite verschwinden sah, und versuchte sich am Moordrachen vorbeizuzwängen. "Wo geht er hin?"
Seine Rüstung schrammte an der schuppigen Drachenflanke vorbei und hinterließ eine rotbraune Rostspur.
"Laßt ihn nur", schmunzelte der Drache. "Mal sehen, was passiert."
"Mal sehen, was passiert?" rief Canerio. "Haltet ihn doch auf! Was ist, wenn er sich verirrt?"
Er wollte eilig hinter seinem Knappen herquietschen, doch Moordraches Klaue hinderte ihn daran.
"Der verirrt sich schon nicht."
"Wie könnt Ihr Euch da so sicher sein?" knurrte der Ritter ungehalten. "Ihr seid verrückt, ihn einfach gehen zu lassen! Laßt mich endlich los!"
Der Drache grinste nur und dachte gar nicht daran, den Griff seiner Klaue zu lockern
"Wartet einfach noch ein paar Minuten ..."

Mitten auf der Lichtung stand ein kleines Häuschen, eigentlich eher eine Hütte. Morsche Holzbalken stützten ein verwittertes Dach, die Tür hing reichlich schief in ihren Angeln, und das ganze Häuschen sah so baufällig und windschief aus, daß Webolo sich wunderte, wieso es nicht auf der Stelle einstürzte.
Hinter der Hütte konnte er einen staubigen Hof mit einem Ziehbrunnen erkennen und einen kleinen Hühnerstall, vor dem zwei braungesprenkelte Hennen nach Futter pickten. An einem niedrigen, halb eingestürzten Zaun war eine Ziege angebunden.
Doch war weit und breit kein Mensch zu sehen.
Als Webolo sich voller Argwohn dem Häuschen näherte, suchten die Hühner gackernd und flügelschlagend das Weite, doch ansonsten blieb es still. Vorsichtig schlich er zur halb geöffneten Tür und versuchte, in das Innere der Hütte zu spähen, doch er konnte nichts erkennen. Auch die Fenster waren mit Holzläden verschlossen.
Hmmm. Er überlegte angestrengt. Irgend jemand mußte doch hier wohnen ...
Mißtrauisch und zugleich neugierig umrundete er die Hütte, bog um die Ecke - und prallte unvermittelt mit jemandem zusammen.
Webolo erschrak sich fast zu Tode und fing sogleich an zu kreischen, wobei er fest die Augen zusammenkniff.
Das war bestimmt der Besitzer der Hütte, schoß es ihm durch den Kopf. Sicher ein muskelbepackter, übelgelaunter Holzfäller, nein, schlimmer noch, ein Troll ... ein Menschenfresser ... ein Dämon ... ein riesiges Ungeheuer ... es würde ihn bestimmt mit Haut und Haaren verspeisen ...
Webolo erstarrte vor Angst zur Salzsäule und war nicht fähig, sich zu rühren. Er wartete nur noch bibbernd darauf, daß sein letztes Stündlein geschlagen hatte.
"Waaahhhhhhh ....."
"Du liebe Güte! Was ist mit Euch?" hörte er eine besorgte Stimme sagen und er spürte, wie jemand ihn an den Schultern packte. "Ist jemand hinter Euch her? Werdet Ihr verfolgt? Sagt schon... und hört um Himmels willen mit diesem Gekreische auf!"
Die Stimme klang gar nicht wie die eines Dämons und eines Menschenfressers, fand Webolo. Eigentlich klang sie sogar recht freundlich.
Er klappte den Mund zu und öffnete versuchsweise ein Auge.
Vor ihm stand ein alter Mann mit langem weißen Haar und weißem Bart. Er war klein und schmächtig, ja beinahe mager und trug ein weites, schlichtes Gewand aus grobem Stoff, das von einer ledernen Kordel zusammengehalten wurde. Sein Gesicht war von unzähligen Runzeln und Falten durchzogen, und er schien schon sehr alt zu sein. 
Doch die klaren, braunen Augen, in die Webolo blickte, wirkten unglaublich jung und in ihnen lag ein warmes Leuchten.
"Na, nun erzählt mal ... wer will Euch etwas tun?"
"Ich ... ähhh ... hmmm ...", stammelte Webolo völlig entgeistert und starrte in diese braunen Augen, die ihn in ihren Bann zogen.
"Beruhigt Euch erst einmal", sagte der Alte freundlich, führte den Knappen zur Vorderseite der Hütte und drückte ihn auf eine Holzbank, die im Schatten eines Apfelbaums stand.
Er ließ sich neben Webolo auf der Bank nieder, zog eine kleine Pfeife aus einer der unzähligen Falten seines Gewands und begann, diese mit Tabak aus einem kleinen Beutel, der an seinem Gürtel hing, zu stopfen. Als er sie angezündet und ein paar weiße Rauchkringel in die Luft gepustet hatte, lehnte er sich gemütlich zurück und sah Webolo aufmunternd an.
"Na, und nun erzählt mal."

Na, und nun erzählt mal.
© by Sylvia

Und als Webolo sich von seinem Schreck erholt hatte, erzählte er - und wie! Er erzählte von ihrer Reise und einem verliebten Drachen, von einem Dimensionstor und einem fliegendem Kamel, von schwarzen Möhren und einem Schlammbad, und die Worte prasselten wie Hagelkörner auf den Alten ein.
Dessen Augen wurden immer größer, während er der verrückten Geschichte des Knappen lauschte, und immer wieder mußte er ungläubig den Kopf schütteln.
"Und deswegen fliegt Orhima jetzt in der Luft herum", endete Webolo atemlos. "Und wir müssen unbedingt zu diesem Alchi ... ähhh, Almi ..."
"Alchemisten?" half ihm der Alte freundlich aus.
"Ähh, ja... zu diesem Alchemisten. Danke. Morholt heißt er wohl."
Webolo seufzte.
"Wißt Ihr denn nicht, wie wir dort hinkommen könnten? Der Drache behauptet zwar, es sei der richtige Weg, aber ich glaube, er schwindelt. Er ist ein alter Angeber, müßt ihr wissen, und er würde nie zugeben, daß er sich geirrt hat - aber in Wirklichkeit haben wir uns wohl verlaufen...  wir werden diesen Morholt wohl nie finden."
Der Augen des Alten leuchteten warm, als er auf den vor sich hin schniefenden Webolo blickte.
"Ihr irrt Euch", antwortete er lächelnd. "Ihr habt ihn schon gefunden..."

© by Sylvia
Webolo verharrte für einen kurzen Moment und wurde seltsam still.
"Ihr seid Morholt?" fiepste er dann.
"Gewiß, der bin ich.... doch ihr braucht mich nicht zu fürchten."
Webolo seufzte erleichtert, doch ehe er erneut drauflos plappern konnte, hörte man aus der Nähe ein vertrautes Quietschen und Knarren.
"Meister, Meister... hier", rief er und sprang aufgeregt hoch.
"Was ist mit euch, Knappe? Ist Euch etwas zugestoßen?" Keuchend und krakeelend eilte Ritter Canerio auf seinen Knappen zu.
"Wir haben uns schon Sorgen um Euch gemacht... es ist doch alles in Ordnung? Und wer ist dieser Kauz dort?"
Webolo sprang empört auf. "Das ist kein Kauz, Meister... das ist Morholt!"
Ritter Canerio stemmt die Fäuste in die Seiten und sah auf den Alchimisten hinab. "So, ihr wollt Morholt sein?"
Aus ruhigen Augen und mit einem gelassenen Lächeln  blickte der Alchimist zurück.
"Ja, der bin ich. Nach den Erzählungen des Knappen seid ihr wohl Ritter Canerio." Morholt stand auf  und reichte Canerio die Hand, die dieser zögerlich ergriff. "Man konnte ja nie wissen" überlegte der Ritter, "schon so mancher gab sich als Ehrenmann aus und entpuppte sich später als gemeiner Strauchdieb."
"Ah, da kommt ja auch der Rest Eurer kleinen Gruppe." Der Alchimist schien sich über seinen "Besuch" richtig zu freuen. Seine Augen leuchteten vergnügt und ein Strahlen machte sich in seinem Gesicht bemerkbar. Webolo war regelrecht gefangen von diesem Anblick, soviel Wärme hatte er nur sehr selten zu spüren bekommen. Wie ein unsichtbares Tuch umwickelte sie und hüllte ihn ein.
"Moordrache... schön, Euch wiederzusehen. Wie ist es Euch so ergangen?"
Der Drache warf einen bedeutungsvollen Blick auf seinen "Anhang" und verdrehte leicht die Augen., doch Morholt lächelte nur verständnisvoll und nachsichtig.
Rosinante stand wie erstarrt hinter Moordrache und wagte kaum Luft zu holen. Verzweifelt versuchte sie, sich so klein wie möglich zu machen um nicht aufzufallen, doch zu spät.
Webolo rannte um den Moordrachen herum, schnappte die Zügel und zog und zerrte wie ein Wilder. "Nun komm schon, seit wann bist du denn so schüchtern? Los, vorwärts, ich will dir doch den Alchimisten zeigen, der ist nett, wirklich - ach, nun hab dich doch nich so, olle Mähre..."
Rosinante stemmte die Hufe in den Boden, schüttelte ihr Mähne und versuchte Webolo die Zügel aus den Händen zu reißen.

Webolos Kampf mit Rosinante - oder umgekehrt ;-)
© by Sylvia

"Na, was ist denn Knappe? Benötigt ihr etwas Hilfe?" Morholt beobachtete interessiert, wie Webolo versuchte etwas hinter dem massigen Körper des Drachen hervor zu ziehen und in seinen Augen lag ein leicht amüsiertes Funkeln.
"Dummes Ding, willst du jetzt wohl aufhören mit diesem Theater?" zischte Webolo Rosinante ins Ohr.
Dem Moordrachen wurde das Gezappel hinter seinem Rücken zu dumm, mit einem kleinen Schritt, der bei seiner Größe schließlich einiges an Entfernung bedeutete, trat er  zur Seite und sah fragend auf Rosinante hinab.
"Was soll denn das?" donnerte seine Stimme an ihre Ohren
Mit einem sichtlich blöden Grinsen schaute Rosinante unschuldig zurück, dann zu Webolo und schließlich direkt zu Morholt.
"Ach.... das ist ja interessant..." Morholt lächelte freundlich und ging mit langsamen Schritten auf Rosinante zu.
Hilfesuchend blickte diese zu Orhima hoch, doch auch das Kamel begriff nicht sofort, wieso sich Rosinante plötzlich so merkwürdig verhielt.
"Wir kennen uns, nicht wahr?" Noch immer klang die Stimme des Alchemisten ruhig und freundlich. Er stand jetzt genau vor Rosinante, abwartend die Arme vor der Brust verschränkt.
Rosinante grinste, schluckte und scharrte verlegen mit den Hufen im Boden.
"Woher kennt ihr euch denn?" Moordraches Neugier war sichtlich geweckt, wusste er doch nur Bruchstücke über seine Begleiter und hätte gern etwas mehr über sie erfahren
"Dieses Pferd, woher habt ihr es?" fragte Morholt zu Ritter Canerio gewandt.
Ritter Canerio hob seine mageren Schultern. "Sie stand eines Tages auf meinem Gut, direkt vor der Stalltür. Da sie nicht zu verscheuchen war, dachte ich, sie zu behalten, wäre wohl der weiseste Entschluss. Und seit dem ist sie bei uns."
Morholt lauschte aufmerksam Canerio’s Worten, ließ Rosinante dabei aber nicht aus den Augen. Und schmunzelte. "Nun, ihr wisst also nichts über ihre 'Vergangenheit', wenn man so sagen darf?"
"Vergangenheit? Nein, eigentlich nicht. Doch schweigt nicht länger werter Morholt, erzählt uns was ihr wisst!" forderte Moordrache und bei dem Anblick seines boshaften Lächelns begann es Rosinante ungemein in den Hufen zu jucken, was sie mit gesteigertem Scharren versuchte wieder auszugleichen.
"Nun Moordrache, wie ihr wisst , lebte ich einst in Chatolonien, bevor ich mich in Euer Tal zurückzog. Damals zog eine wilde Bande durchs Land, sie nannten sich die 'Plattladine', eine wilde rauhe Truppe, die stets des Nachts unterwegs war und Hauswände mit ihren teilweise sehr lustigen Parolen beschmierte." Er machte eine kleine Pause und stopfte wieder etwas Tabak in seine Pfeife, die inzwischen erkaltet war. Als er fortfuhr, nahm sein Gesicht einen beinahe verträumten Ausdruck an.
"Die Bürger dieses kleinen Ortes baten mich darum, etwas zu tun. Der Bürgermeister war hilflos gegenüber dem Treiben dieser Gesellen, doch man drängte auf eine Beseitigung des Übels. So machte ich mich daran, ein Pulver zu entwickeln, das die Meute auf alle Zeit vertreiben sollte."
Ritter Canerio klopfte dem Alchimisten ungeduldig auf seine Schulter. "Weiter, erzählt ein wenig mehr.."
Plötzlich ertönte von oben eine traurig klingende, von leisen Schluchzen unterbrochene Stimme.
"Ich möchte eure nette Unterhaltung ja ungern unterbrechen, aber warum denkt hier denn niemand an mich? Ich bin doch auch noch da."
Fast synchron sah alles nach oben. "Oh du meine Güte, Orhima... beinah hätten wir dich vergessen!" Webolo hielt sich beide Hände an den Kopf, rupfte an seinem Sombrero und begann wieder aufgeregt hin und her zu laufen.
"Och, Moordrache zieh sie doch wieder runter" Und nach einem kurzen Zögern: "Bitte."
Es folgte ein kurzes Schnaufen , ein kurzer Ruck am Seil und schon schwebte Orhima nur noch eine Handbreit über der Erdoberfläche.
Rosinante atmete erleichtert auf. Puuuh.... das war knapp. Unauffällig warf sie Orhima einen dankbaren Blick zu.
"Ach, ist das schööööööön", seufzte Orhima. Mit einem gekonnten Augenaufschlag sah sie Morholt an.
"Erhabener, Ihr könnt Euch nicht denken, wie froh ich bin, dass ihr mir helfen wollt."
"Nun, meine Schöne... ich werde mein bestes tun, um Euch wieder auf die Erde zurück zu holen."
Aus der Hütte des Alchimisten erklang auf einmal fröhliches Lachen und Geplapper.
"Nanu", entfuhr es Webolo, "ich dachte ihr lebt hier alleine?"
Schuldbewusst zog Morholt ein wenig den Kopf ein und seine Wangen färbten sich leicht rot.
"Ja, gewiss... alleine... ähm, nun - ab und zu erhalte ich ein wenig Gesellschaft von zwei netten Freundinnen. Aber wirklich nur ab und zu..."
"Freundinnen?" klang es im Chor.
Mit einem leisen Knarren öffnete sich die vorderste Tür des Häuschens. Zuerst sah man nichts, doch dann wirbelte eine lange Strähne silberfarbenen Haares durch die Luft. Gekicher ertönte für einen kurzen Moment, verstummte aber sogleich wieder.
"Morholt, lieber lieber Morholt...." rief eine eindeutig weibliche Stimme und Ritter Canerio zog erstaunt beide Augenbrauen in die Höhe.
"Donnerwetter, das hört sich aber sehr nett an....!" rutschte es dem Moordrachen heraus .
Morholt seufzte tief. "Kommt raus, meine Lieben. Wir haben netten Besuch... aber bitte, blamiert mich nicht wieder." Bei den letzten Worten mischte sich ein heiteres Lachen in die Stimme des Alchimisten.
Als Morholt’s "Freundinnen" vor die Tür traten, war es Orhima, die mit einem Wort ausdrückte woran eigentlich niemand beim Anblick der beiden Schönen dachte.
"Hexen", flüsterte sie leise, "das sind ja Hexen...."
 

© by Cancelot
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Und schon geht's zum 7. Kapitel: Ein Experiment mit Folgen
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Denkt bitte daran: auch diese Geschichte nimmt am Drachentaler-Wettbewerb teil.
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