Reigamis Drache brüllte vor Vergnügen
laut auf. Der Himmel verfärbte sich zu einem hässlichen tiefschwarzen
Ton, durchzogen von einem unheimlichen roten Glühen. Wie ein schwarzer
Pfeil schoss der Turmdrache nach unten, wo er plötzlich unter Moordrache
auftauchte und dessen Sturz mit seinem kräftigen Hals abbremste. Gleichzeitig
warf er ihn wieder ein Stück nach oben. Seine Pranken griffen zu,
schnappten den Moordrachen an den Flügeln und trugen ihn Richtung
Erde, wo sie ihn knapp über dem Boden losließen. Moordrache
schlug hart auf dem Boden auf und blieb regungslos liegen.
Der Turmdrache landete ebenfalls, schüttelte
mit einer unwilligen Bewegung seinen Reiter ab und schritt mit langsamen,
sicheren Bewegungen auf sein regungsloses Opfer zu. Schleim tropfte aus
seinem Mundwinkel und hinterließ zischende, qualmende Wolken, als
er in zähen Tropfen auf die Erde fiel.
Für Sekunden kehrte eine unheimliche
Stille ein und legte sich wie ein dunkler Mantel auf die Anwesenden, die
wie erstarrt schienen, bis Webolo plötzlich laut aufschluchzte und
alle daran erinnerte, daß jetzt ein denkbar schlechter Zeitpunkt
zum Trödeln war.
Ya Coo Sa flüsterte fasziniert: "Seht,
welch grausame Schönheit", und in seinen Augen lag ein fast glückliches
Leuchten, als er den Turmdrachen beobachtete, der sich nun majestätisch
vor dem noch immer regungslosen Moordrachen aufbaute, seine riesigen Schwingen
in einer fast genießerischen Geste ausbreitend.
"Wir müssen etwas tun, los... schnell",
drängte Webolo, doch Sylveria hielt ihn zurück, als er losrennen
wollte.
"Nicht, bleib hier ... einer alleine reicht
hier nicht aus", sagte sie und winkte alle zu sich heran.
"Hört zu, während Crosideria und
ich uns kurz vorbereiten, müsst ihr den Drachen ablenken. Schreit,
bewerft ihn oder was auch immer, aber kommt ihm nicht zu nahe. Seid schnell
in euren Bewegungen und bleibt niemals stehen, ok? Ihr, Magier... spielt
Euer Instrument und singt, so laut es geht. Nur wenn es uns gelingt, ihn
abzulenken, haben wir vielleicht eine Chance. Und nun los!"
Kaum zu Ende gesprochen, stürmte Webolo
bereits vorwärts.
Ritter Canerio rannte sofort hinterher, ihm
folgend Bruder TaC, wütend seinen Knüppel vor sich her schwingend,
und Karni von Tiredachan, den Bogen einsatzbereit in der Hand.
Rosinante und Orhima warfen sich einen kurzen,
entschlossenen Blick zu und schlossen sich ihnen an.
"Und jetzt?" Crosideria verschränkte
die Arme und sah Sylveria fast lauernd an.
"Hm ... wie wärs mit ... mit Silberpfeilen?"
"Silberpfeile? Nein ... er schluckt das Licht,
das hätte wohl keinen Sinn...", seufzte Crosideria.
"Ja, du hast Recht... gut, dann vielleicht
einen Lichtbogen aus Elementarlichtern gepaart mit etwas Mondfeuer?"
"Hm ... nein ... zu schwach ...", winkte Crosideria
ab.
Jetzt war es an Sylveria zu seufzen.
"Man sollte ihm einfach gehörig was vor
den Latz knallen, diesem ..."
"Knallen? Da ... war doch dieses Dings da
... du weißt doch, das aus ..."
Crosideria war plötzlich furchtbar aufgeregt.
"Stimmt, jaaaa ... das ist es ... schnell,
komm her..."
Sylveria formte ihre Hände zu einer kleinen
Schale, in die Crosideria einen kleinen Stein legte, den sie zuvor vom
Boden aufgesammelt hatte. Dann strich sie sanft mit ihren Fingern darüber
und pustete ihn kurz und äußerst sanft an. Ein kleines blaues
Wölkchen erschien, versetzt mit vielen kleinen goldenen Sprenklern,
das sich wie ein zarter Berg Zuckerwatte nun immer weiter auftürmte
und weitete. Crosideria trat etwas näher und flüsterte leise
mit geschlossenen Augen Worte. Muster bildeten sich, Kanten und Ecken stachen
hervor, verschwanden wieder, tauchten erneut auf, rundeten sich ein wenig
ab und zeigten sich dann in ihrer endgültigen Form... ein Schild aus
purem, goldenem Licht.
Vorsichtig streckte Crosideria ihre Hände
danach aus und nahm es an sich:
"Wer soll es tun?" fragte sie leise.
"Es gibt nur einen unter uns, der ein reines
Herz besitzt ... nur einen also, der es benutzen kann." Sylveria lächelte
und auch Crosideria konnte ein Grinsen trotz der schrecklichen Situation
nicht unterdrücken.
"Geh, und bring es ihm ..."
***
Langsam senkte der Turmdrache seinen gewaltigen
Schädel, öffnete weit sein furchterregendes Maul um zuzustoßen,
als ihn plötzlich etwas Hartes am Bein traf. Es tat ihm nicht weh,
aber es irritierte ihn gewaltig. Zornig dreht er sich um und erblickte
mehrere kleine Gestalten, die eifrig damit beschäftigt schienen, ihn
brüllend, singend und kreischend zu umzingeln, wobei sie mit kleinen
Steinen nach ihm warfen.
Was waren denn das für lächerliche
Mücken, die es wagten, ihn jetzt zu stören? Er grinste böse...
das war ja lächerlich! Ein Flügelschlag, und sie würden
davon segeln, weit weg in alle Himmelsrichtungen. Er holte etwas Schwung
und wollte seinen rechten Flügel gerade herabsausen lassen, da stieß
ihn etwas mit voller Wucht gegen seinen Bauch. Er torkelte kurz, fing sich
aber schnell und starrte verblüfft in das Gesicht des Moordrachen.
"Hä?" entfuhr es ihm.
"Hä? Nix Hä... Ha heisst das!" antwortete
Moordrache und schlug mit aller Kraft zu.
Der Turmdrache taumelte ein Stück zurück,
hatte sich aber überraschend schnell wieder im Griff.
Wütend sog er die Luft ein, um einen
Feuerstoß loszulassen, als ihm von oben ein dicker Ast auf den Kopf
knallte und anschliessend etwas wild Flackerndes genau an seiner Nase vorbeiflog
und ihm die Zunge herausstreckte.
"Ätschibätsch", rief die fliegende
Ampel und zog eine Grimasse, dann flog sie schnell weiter.
Zorn machte sich in ihm breit, Zorn auf alles
was da um ihn herum keuchte und fleuchte.
Doch noch bevor er Zeit hatte für finstere
Rachepläne, traf ihn etwas an seinem Hinterteil. Bohrender Schmerz
machte sich an der empfindlichen Stelle breit und wanderte bis runter zu
seinem großen Zeh, der inzwischen Bruder TaC’s Knüppel zum Opfer
gefallen war.
© by Sylvia
"Na, tut das weh, ja? Noch mehr davon? Bitteschön!"
Mit einem breiten, freundlichen Grinsen holte Bruder Tac erneut Schwung
und ließ den Knüppel niedersausen.
Karni, die etwas abseits stand, brüllte
ein lautes "Treffer" und platzierte einen zweiten Pfeil, diesmal in den
Schenkel des Untiers, worauf dieses sich wild brüllend umdrehte und
beinahe Orhima umstieß, die gerade dabei war, Bruder Tac zu unterstützen
und noch mal kräftig auf die Zehen zu treten, die der Knüppel
nur gestreift hatte.
Rosinante, völlig außer Rand und
Band rannte inzwischen wie von der Tarantel gestochen um ihn herum, wieherte
und rief so laut sie konnte: "Hey, du Konservendrache... kannst du nicht
mehr? Fang mich doch, fang mich doch... kriegst mich man nicht, ätsch!"
© by Sylvia
Sie war so in Rage geraten, daß sie Ritter
Canerio gar nicht wahrnahm, der sie am Zügel packte und versuchte
zu stoppen.
"Wo ist Webolo... hörst du nicht...W-E-B-O-L-O...
wo ist er...?" krakeelte er mit vom vielen Schreien heiserer Stimme.
Rosinante verstand nur "Webolo", rammte die
Hufe in den Boden und hielt an. Canerio, der die ganze Zeit versuchte,
mit ihr Schritt zu halten, knallte nun durch ihr abruptes Stoppen frontal
mit Morholt zusammen, der gerade zusammen mit dem Schwarzmagier von der
anderen Seite angerannt kam, auf der Flucht vor der sich wild ringelnden
Schwanzspitze der Drachens.
Moordrache hatte sich inzwischen vollständig
aufgerappelt. Seine Flanken zitterten, er schien starke Schmerzen zu verspüren
und aus einer großen Wunde oberhalb seines Flügels rann Blut.
Hansevogel flog so steil es ging nach oben,
den wild rudernden Schwingen des Turmdrachens ausweichend, und versuchte,
irgendwo in dem Gewühl Webolo auszumachen.
"Paaaaass auuuuuf", kreischte Ritter Canerio
ihm nach, rappelte sich wieder hoch und wetzte einfach weiter.
"Siehst du ihn... kannst du ihn sehen?" krakeelte
er, seinen Helm hin und her schiebend vor Verzweiflung.
"Ich seh ihn... er ist zwischen den Drachen
und... also, so was, das solltet ihr sehen... er verprügelt den Turmdrachen!"
rief Hansevogel erschrocken, als er Webolo endlich sichtete.
Der Ritter war vollkommen aufgelöst...
Webolo, allein irgendwo da zwischen zwei riesigen Drachenleibern, und er
konnte nichts tun.
Moordrache schlug wieder zu und landete einen
Treffer auf der Nase seines Gegenübers. Doch er spürte, daß
er zu geschwächt war, um diesen Kampf allein zu gewinnen.
Crosideria und Morholt winkten aufgeregt Hansevogel
zu sich herunter.
"Schnell, versuch das Webolo zu bringen, er
muß es gegen den Drachen richten, wenn er Feuer spuckt. Nur so können
wir ihn vernichten."
Der Vogel, der auf Morholts Arm gelandet war,
verschwendete nicht eine Sekunde mit Fragen, schnappte sich das Schild,
das ihm Crosideria entgegen hielt, und schoß wie der Blitz nach oben.
Jede Sekunde zählte, wußte er, und zum Fragen hatte er hinterher
bestimmt noch genügend Zeit.
Webolo bekam von den Sorgen der anderen um
ihn jedoch nichts mit. Wie ein wütender Stier boxte und trat er, schob
und zerrte er an allen Teilen, die er von seinem verhassten Gegner zu fassen
bekam.
Für den Turmdrachen waren dies lediglich
kleine Mückenstiche, die zwar nervten, aber keinen größeren
Schaden anrichteten. Aber vielleicht wäre dieses kleine Menschlein
bestens geeignet, um eine Art Exempel zu statuieren..., dachte er.
Vorsichtig hob er den kleinen Kamikazekrieger hoch und hielt ihn sich vor
die Nase.
Webolo schluckte und starrte in das rotglühende
Augenpaar. "Pah... glaub ja nicht, daß mir das Angst macht, du...
das kenn ich bereits, jawoll!"
Als wäre er unendlich gelangweilt und
in keinster Weise beeindruckt, verschränkte er die Arme vor der Brust
und sah mit erhobener Nase zur Seite.
Er hatte sich auch ganz fest vorgenommen,
den Drachen auf gar keinen Fall auch nur eines weiteren Blickes zu würdigen...
aber plötzlich vernahm er ein Geräusch... das Geräusch von
heftig eingesogener Luft... und blickte mit von Panik geweiteten Augen
in ein rot glühendes Augenpaar, in denen kleine Flammen zu tanzen
schienen.
"Ohohoh... das wirst du doch nicht wirklich
tun... neeeeeeeeiiiiiiiiiin..."
Er streckte die Arme, als wolle er versuchen
abzuwenden, was nun auf ihn zukam... da plötzlich schoss Hansevogel
an ihm vorbei, rief: "Halt es auf ihn... auf ihn..." und ließ etwas
hell leuchtendes genau in seine Hände fallen.
Webolo griff instinktiv zu und dann geschah
etwas Unglaubliches: Der Turmdrache ließ einen mächtigen Feuerstoß
auf Webolo ab, wie flüssiger, brennender Stahl ergoß sich sein
Atem aus weit geöffneten Nasenlöchern. Webolo umkrampfte das
Schild in seinen Händen mit aller Kraft, die er besaß. Er wollte
seine Augen schließen, doch es ging nicht, zu faszinierend war der
Anblick, wie hypnotisiert starrte er auf den ihm entgegenströmenden
Tod... und dann spürte er ein leichtes Vibrieren in seinen Händen,
das Schild, das er hielt, flammte kurz auf, reflektierte den Strahl und
leitete ihn zurück auf den Turmdrachen. In einem Schwall ergoß
sich der Feuerstrahl über den Drachen und hüllte ihn gänzlich
ein, bis er wie mit rotem Gold überzogen war und... erstarrte. Doch
noch etwas Seltsames geschah:
Stück für Stück wurde er kleiner
und schrumpfte, hier und da etwas abbröselnd, vor sich hin, Webolo
noch immer in der einen Klaue gefangen.
Moordrache schwankte zu ihm hinüber,
befreite ihn aus der versteinerten Drachenklaue und setzte ihn behutsam
ab, bevor der Rest der versteinerten Figur zu Sand zerfiel und vom Wind
verweht wurde.
"Wird wohl nix mit unserem Plan", seufzte
er, "bleibt wohl nur zu hoffen, daß jetzt ein kleines Wunder geschieht."
Webolo war noch immer sprachlos und nickte
nur. Der Schreck saß ihm noch immer tief in den Knochen.
Morholt plagte jedoch ein ganz anderes Problem.
Der Lederbeutel, in dem er den Hut des Magiers aufbewahrte, begann erneut
zu zucken und zu rütteln, als würde er darin ein Känguruh
beherbergen.
"Was ist denn nur mit diesem Hut los?" murmelte
er verzweifelt und versuchte, ihn festzuhalten.
Doch der Hut im Beutel war nicht zu bändigen.
Schon löste sich das Lederband, das den Beutel verschloß wie
von Zauberhand, und eine Hälfte der Krempe lugte hervor, als wolle
sie nachsehen, ob die Luft auch rein ist. Morholt versuchte, ihn wieder
hinein zu stopfen, stieß jedoch auf unerwarteten Widerstand. Die
Krempe ließ sich nicht ein Stück bewegen - ganz im Gegenteil,
sie drückte sich gegen Morholts Hand und schien sich regelrecht an
ihr heraus zu ziehen. Kaum ganz dem Lederbeutel entschlüpft, hüpfte
der Hut munter drauf los, schlitterte, bremste, suchte... und fand den
Schwarzmagier.
Als Ya Coo Sa bemerkte, was da auf ihn zu
kam, schlug er erschrocken die Hände über dem Kopf zusammen und
setzte zur Flucht an... doch zu spät! Schwupps... saß ihm der
Hut auf dem Kopf. Ya Coo Sa zog, zerrte... stampfte mit den Füßen,
doch unerbittlich saß dieses Ding auf ihm fest .
"Erbarmen... so hab doch Erbarmen...", flehte
er und spürte, wie ihm erste Reime munter durch den Kopf jagten und
nur darauf warteten, heraus gelassen zu werden.
Ganze Scharen von Möhren stürmten
inzwischen den Hang hinauf, ihr monotones "Yo Yo Yo" vor sich her singend,
und schon war das Rasseln der Plattladine zu vernehmen, die wie aus dem
Nichts zu kommen schienen.
"Jetzt ist es aus... wir sind verloren, es
sind einfach zu viele..."
Ritter Canerio schloß seine Gesichtshaube
und begann zu klappern.
Von allen Seiten stürzten nun Krieger
heran, die einen begleitet von ihrem wilden Gesang, die anderen in rasselnden
Rüstungspanzern und... in Begleitung Stibitzis.
"Webolo... hier, hier bin ich!"
Sie winkte und strahlte über das ganze
Gesicht. Schnell flog sie zu ihm hin.
"Stibitzi...", flüsterte Webolo leise.
Er konnte es kaum fassen, eben noch rechnete er mit ihrer aller Ende und
nun... nun stand Stibitzi vor ihm, inmitten einer Horde Plattladine.
"Auf siiiiiieeeeeeeee...", brüllte der
Anführer der Plattladine. Bruder Tac erhob sofort seinen Knüppel,
Karni und Canerio gingen ebenfalls in Angriffsstellung über.
Aber dann geschah etwas völlig unerwartetes:
Nicht einmal die Plattladine waren in der
Lage, den Bewegungen Ya Coo Sa’s zu folgen. Mit dem Kopf schüttelnd,
die Schultern hochziehend und ungläubigem Blick standen sie am Rande
des Schlachtfelds und blickten fragend zu Palalaus. "Was nun, Chef?" Doch
selbst ihr Anführer war total ratlos.
"So haltet ein, ihr Rübenkrie-hie-ger...
sonst streck ich euch hernie-hie-der", schmetterte Ya Coo Sa aus voller
Brust und sprintete umher. Und jede Möhre, an der er vorbeikam, löste
sich buchstäblich auf. Ohne Unterlass sprudelte ihm ein Vers nach
dem anderen über die Lippen.
"Ich werde euch verni-hi-chten, soll Gott
über euch ri-hichten...", sprach’s, lief weiter und wieder verpufften
ganze Möhrenreihen in der Luft.
"Wollt Euch wohl verstecken? Mich mit diesem
Spielchen necken?
Doch das wird euch nichts bri-hin-gen"
... seine Stimme wurde lauter und kräftiger... "werd euch in Grund
und Boden zwingen!"
"Seht euch das an...", flüsterte Morholt
fassungslos, "er singt sie... weg, einfach weg."
Eine nach der anderen verflüchtigte sich
und das Schlachtfeld leerte sich zusehends, bis schließlich nicht
eine einzige Möhre mehr übrig blieb.
Doch kein Jubel brach aus... kein Lachen war
zu hören, nur pures Erstaunen stand in den Gesichtern.
Rosinante trabte gemütlich zu Ya Coo
Sa hin, der inzwischen wieder blau anzulaufen drohte, und riss ihm mit
einem Ruck den Hut vom Kopf, wobei sie ein kleines Stück der Krempe
abbiss und es einfach hinunterschluckte.
"Danke... Pferd", brachte er grade noch heraus,
dann kippte er wie ein gefällter Baum zur Seite.
"Gern geschehn... Magier", antwortete sie
trocken. Grinsend drehte sie sich zu den anderen um und rief: "Was ist
mit euch? Die Schlacht ist gewonnen!"
***
Sie setzten sich unter eine der gewaltigen
Eichen, deren dicke, verschlungene Wurzeln eine wunderbare Sitzgelegenheit
ergaben und zum Ausruhen einluden.
Erschöpfung spiegelte sich in ihren Gesichtern.
Erschöpfung und etwas Sehnsucht nach Zeiten, die ruhiger und besinnlicher
sein mochten - und deswegen höchstwahrscheinlich noch weit entfernt
waren. Die Plattladine hatten sich nach kurzer Zeit wieder verabschiedet
- schließlich gäbe es da noch ein paar verwüstete Landsstriche
wiederherzustellen, erklärte ihr Anführer Palalaus augenzwinkernd,
der durch die Bekanntschaft Stibitzis wohl wieder den eigentlichen guten
Kern in sich entdeckt hatte und jetzt ein neues gerechtes Regiment aufbauen
wollte. So recht wollte er sich ja nicht von ihr trennen, doch Stibitzi
versicherte ihm, daß sie ihn auf alle Fälle für immer in
ihr Herz geschlossen hätte. So beruhigt, zog es Palalaus dann doch
hinfort und sie alle waren sich sicher, sich eines Tages wieder zu begegnen.
Nur über den Verbleib des Magiers Reigamis
wußte niemand etwas... aber sie waren einfach alle zu erschöpft
und mit wichtigeren Dingen beschäftigt, um sich darüber den Kopf
zu zerbrechen. Sylveria versorgte den Moordrachen mit einer Art Lichttherapie,
die auch schnell zur Wiederherstellung des verletzten Flügels beitrug,
während Crosideria sich um die völlig strapazierten Stimmbänder
des Schwarzmagiers kümmerte. Morholt hatte in der Zwischenzeit etwas
von dem Auslöser des ganzen Tumults entdeckt - dem Goldmöhrenwurz
- und braute daraus nun endlich die für Khisi heißersehnte Medizin.
Zwei Tropfen genügten und nach nur kurzer
Wartezeit stand Khisi in seiner einst prachtvollen Schönheit vor ihnen,
sich verschämt eine Träne aus dem Auge wischend.
"Oh... ich weiß nicht, was ich sagen
soll... ich... danke", murmelte er leise. Und dann: "Endlich bin ich wieder
frei... ich kann euch nicht sagen, was für ein Gefühl das ist.
Doch eins weiß ich... ich werde es in endlosen Zügen genießen,
wer weiß wie lange es anhält. Macht es gut... und passt auf
euch auf!"
Er breitete seine Schwingen aus und flog davon...
davon in seine endlich wiedergefundene Freiheit, die er nun ohne ewiges
Flimmern und Leuchten verbringen konnte.
Ya Coo Sa lächelte, kramte unter seinem
Mantel, besser gesagt unter den Resten seines Mantels, und zog seine verbogene
Leier hervor, deren Saiten nun nicht mehr ganz vollständig waren,
und schlug auf den übrig gebliebenen eine Melodie an.
Wie ein sanfter Wind streichelte seine Stimme
die Sinne und zauberte ein Lächeln auf die müden Gesichter um
ihn herum.
"Lasst mich erzählen vom reisenden
Stern
Ihr könnt ihn finden in nah und in
fern
Sein Glanz überstrahlt jedes Licht,
das es gibt
Doch seh'n kann ihn nur, wer wirklich liebt.
Ist der Blick auch trüb ... und das
Herz schon alt
Er sein Licht in eure Herzen malt
Mit Farben so schön wie das Himmelszelt
Oder welche euch sonst gefällt ....
Doch seht ihr ihn nicht, so fürchtet
Euch sehr
denn etwas in Euch existiert dann nicht
mehr
Dunkelheit herrscht dann in Euch alle Zeit
Der Weg für euch ... zu weit."
Orhima blickte auf einmal mit einem völlig
entrückten Gesichtsausdruck und glasigen Augen zu Rosinante und flüsterte:
"Mein Meister... ich höre ihn... ich
kann ihn sehen..."
"Was ist? Wo?"
Rosinante sah sich suchend um. Hier war niemand...
schon gar kein Wüstenprinz. Fast alle schliefen und selbst das Feuer
warf nur noch schwache Schatten.
"Herr... oh, werter erhabener Meister", fiepste
Orhima. Sie sah ihn doch... so deutlich, als stünde er neben ihr.
Ein Zelt - ein nicht sehr großes Zelt, aber schon sehr stattlich
- aus dem laute, rhythmische Klänge drangen, die sämtliche Zeltwände
zum Wackeln brachten.
Er saß auf dem Boden, eine Trommel zwischen
seine Beine geklemmt, die Hände in einem rasenden Tempo auf und ab
schlagend. Sein Turban, den er gelöst hatte, lag zerknüllt neben
ihm und sein kräftiges schwarzes Haar flog ihm in feuchten Strähnen
wirr ins Gesicht, als er seinen Kopf im Rhythmus mit der Musik bewegte.
In seinen Augen glomm ein unterschwelliges Feuer, dennoch schien er wie
in einer Art Trance gefangen, aus der er sich nicht befreien konnte.
"Oh... er ist sehr traurig, sehr...", schniefte
Orhima jetzt leise und Tränen stahlen sich aus ihren Augen.
"Weißt du... damals, da unternahmen
wir oft gemeinsame Ausflüge. Manchmal ritt er auf seinem Hengst "Inshallah"
und ich lief nebenher... das machte viel Spaß. Inshallah war immer
sehr schnell. Aber auf Sand war ich einfach besser."
Traurig seufzend blickte sie Rosinante an.
"Ich muß zu ihm... es geht ihm nicht
gut. Wirst du mir helfen?"
Moordrache, der das Gespräch belauscht
hatte verdrehte die Augen. Nix gehört, macht, was ihr wollt...
ich werde jetzt erstmal schlafen, ganz laaange schlafen, schwor er
sich und schloß die Augen. Was auch immer ihnen bevorstand... es
mußte warten. Und schon wurden leise Schnarchlaute hörbar, zumindest
so leise, wie es für einen Drachen möglich war. Bruder TaC hielt
sich trotzdem die Ohren zu und setzte sich lieber etwas abseits. Er gönnte
dem Moordrachen seinen wohlverdienten Schlaf aus ganzem Herzen - sich aber
ebenso. Als er sich umsah, stellte er fest, daß auch die anderen
schon fast alle schliefen, bis auf Webolo und Stibitzi, die sich gegenüber
saßen und miteinander tuschelten.
"Ach... die Jugend", dachte er still in sich
hinein lächelnd, dann lehnte er sich zurück und wenige Sekunden
später schlief auch er.
Am nächsten Tag reisten sie zurück
zu Morholts Hütte - langsam, aber frohen Mutes, endlich nicht mehr
auf der Flucht zu sein vor einem übermächtigen Feind - wo sie
anschließend noch zwei weitere Tage verbrachten, und genossen in
vollen Zügen die Ruhe und Erholsamkeit. Doch dann drängte Webolo
zum Aufbruch und auch Moordrache, der kaum noch Schmerzen in seinem Flügel
spürte dank Sylverias vorzüglicher Lichtbehandlung, wirkte inzwischen
wieder recht abenteuerlustig.
Morholt, der gerade am Tisch saß und
eingehend den darauf festgenagelten und somit "kampfunfähigen" Hut
des Magiers untersuchte, schüttelte freundlich, aber bestimmt den
Kopf. "Ich werde zu alt für soviel Aufregung... obwohl ich das Zusammensein
mit euch sehr genossen habe." Er lächelte Webolo aufmunternd an.
"Geht nur... meine Gedanken werden bei euch
sein und in meiner kleinen Hütte ist immer ein Platz für euch
alle reserviert."
Bruder Tac und Karni schauten ein wenig betrübt
drein, doch Bruder Tac gab sich einen kurzen Ruck und sprach mit so fester
Stimme wie möglich:
"Auch wir würden noch gerne mit euch
weiterziehen... doch in Cammuoria warten eine Menge Aufgaben und Arbeit
auf mich. Auch Karni wird sicherlich schon vermisst. Ich hoffe, ihr versteht
das... doch verspreche ich euch, wenn ihr zu Besuch kommt, werde ich ein
Fest ausrichten, wie es die Welt noch nicht erlebt hat!"
Karni lächelte verschmitzt und nahm Morholt
bei der Hand. "Dazu seid ihr selbstverständlich ebenso eingeladen
und natürlich auch eure beiden Freundinnen."
Sylveria und Crosideria stellten sich neben
Webolo und legten ihre Arme um ihn.
"Unser Platz ist hier... doch solltet ihr
Hilfe brauchen, nehmt diesen Stein und ruft unsere Namen."
Sylveria drückte Webolo einen kleinen,
elfenbeinfarbenen Stein in die Hand, der eigentlich nach nichts aussah.
Kein Glanz, kein Schimmern wohnte ihm inne... doch als er ihn nahm, spürte
er die Wärme, die er ausstrahlte und mußte lächeln.
Alle hatten sich vor der Hütte versammelt,
und es gab einen herzlichen Abschied mit vielen Umarmungen und guten Wünschen,
als TaC und Karni zusammen mit Leti und dem Ochsenkarren ins ferne Cammuoria
aufbrachen. Auch Stibitzi sagte ein wenig traurig auf Wiedersehen und machte
sich auf den Weg zurück in ihre Heimat.
Nur Orhima hielt sich abseits von der allgemeinen
Aufregung.
Rosinante fand sie eine Weile später
hinter der Hütte stehen und sehnsüchtig in die Ferne starren,
und bei ihrem kummervollen Anblick zog sich schmerzhaft ihr Herz zusammen.
Hansevogel hockte neben dem Kamel auf einem der wenigen Zaunpfähle,
die nicht in den Wald gehopst waren, und versuchte, es mit leisem Gezwitscher
und Halskraulen ein bißchen zu beruhigen.
"Du vermisst ihn wohl sehr, deinen Herrn und
Meister?"
Die Kameldame schenkte der Stute einen tränenverhangenen
Blick aus ihren dunklen, langbewimperten Augen.
"Natürlich tu ich das", seufzte sie.
"Du würdest deinen Ritter doch sicherlich auch vermissen, wenn du
von ihm getrennt wärst."
Rosinante nickte, denn den Kummer ihrer Freundin
konnte sie gut verstehen.
"Er ist in großer Gefahr", sorgte sich
Orhima und sah aus, als wäre sie am liebsten sofort losgespurtet,
um ihren Abdul zu suchen, "das spüre ich genau. Und ich muß
zu ihm, unbedingt - er braucht Hilfe!"
"Na, na", erwiderte die alte, erfahrene Rosinante,
"nun mal langsam. Wir wissen doch nicht einmal, wo er überhaupt ist.
Komm mit, wir werden die Hexen befragen, vielleicht können sie uns
weiterhelfen!"
Auf ihre Bitten hin holten Crosideria und
Sylveria - vom Gemurre des Moordrachen begleitet, dem bereits eine weitere
Reise schwante - ihre Kristallkugel aus der Hütte.
Sie setzten sich an den alten Holztisch vor
dem Häuschen, stellten die glasklare Kugel zwischen sich, schlossen
die Augen und versuchten, sich zu konzentrieren - was gar nicht so einfach
war, denn sogleich hatten sie eine Menge Zuschauer. Neben der mittlerweile
völlig aufgelösten Orhima, Rosinante und Hansvogel versammelten
sich auch Morholt, Webolo, der Drache, der Ritter und der Schwarzmagier
und beobachteten gespannt, was geschehen würde. Crosideria und Sylveria
verfielen in einen leisen, gleichförmigen Singsang. Zunächst
einmal passierte gar nichts und auch durch angestrengtes Fixieren konnte
niemand die Kugel dazu bewegen, ihre Geheimnisse preiszugeben. Nach einer
Weile wurde sie trübe und milchiger Nebel bildete sich in ihrem Inneren
und bewegte sich in sanften Kreisen und Wellen.
Und dann hielt der Nebel plötzlich inne
und ein Bild kristallisierte sich in der Mitte der Kugel heraus. Orhima
fielen beinahe die Augen aus dem Kopf, als sie darin ihren Herrn und Meister
erkannte.
"Ooooh, Herr...", entfuhr es ihr, "wo seid
Ihr nur?"
Das Bild wurde sofort wieder trübe, was
Rosinante dazu veranlasste, Orhima einen Rempler in die Weichteile zu verpassen.
"Sssscht", flüsterte sie, "du störst
den Empfang!" Orhima machte ein betretenes Gesicht und versuchte, sich
trotz ihrer Aufregung zu beherrschen. Gleich darauf erschien wieder dieses
seltsam verzerrte Bild, das ihren Herrn zeigte - einen Novadi mit erschöpftem,
schweißnassem Gesicht. Seine Lippen waren aufgesprungen und das schwarze
Haar klebte ihm in der Stirn. Um ihn herum nur Sand und Geröll. Eine
gnadenlose Sonne brannte auf einen ausgedörrten, staubigen Boden.
Im Hintergrund schien sich etwas zu regen, und alle schauten gespannt auf
das Bild in der Kugel, in der sie nun beobachten konnten, wie etwas großes,
blaugrünes mit letzter Kraft über eine Sanddüne kroch. Erst
konnten sie nicht so richtig erkennen, um was es sich dabei handelte -
doch dann erklang hinter ihnen völlig entsetzt Moordraches kratzige
Drachenstimme: "Das ist ja Schimmerschuppe!"
"Und Ihr seid sicher, werter Morholt, daß
es sich nur um diese besagte Wüste handeln kann?" erkundigte sich
Ritter Canerio ungefähr zum zehnten Mal mit besorgtem Gesicht.
"Ja, natürlich", erwiderte der Alchemist
und hörte sich entfernt so an, als sei er bereits am Rande eines Nervenzusammenbruchs
wegen Canerios Gefrage. "Es gibt nur diese eine Wüste südlich
des Drachentals - und den Weg dorthin habe ich euch ausreichend beschrieben.
Ihr könnt sie gar nicht verfehlen. Und Crosideria und Sylveria werden
ja nun mit Euch kommen, sie kennen den Weg ebenfalls - also nur keine Panik,
beruhigt Euch wieder!"
Canerio nickte, aber die Sorgenfalten in seinem
Gesicht wurden nicht weniger, als er weiterhin allerlei Gepäckstücke
auf Orhimas Rücken lud, während das arme Kamel immer tiefer in
die Knie ging.
"Ob wir diesen Abdul finden werden?"
"Wir müssen ihn einfach finden!"
schnaubte Orhima und scharrte ungeduldig im Sand. "Aber wenn Ihr mir noch
mehr von diesen seltsamen Fässern und Kisten aufladet, werde ich wohl
vorher einfach zusammenbrechen."
"Aber vergesst mir nicht, bei meiner Bekannten
vorbeizuschauen", schärfte Morholt dem Ritter ein und drückte
ihm verschiedene Säckchen und Beutel in die Hand. "Sie wartet sicher
schon auf die Kräuter und auf die Medizin für ihre Tierchen.
Kann ich mich darauf verlassen, daß Ihr die Sachen bei Chirtine abliefert?"
"Selbstverständlich!" grunzte Canerio.
"Wofür haltet Ihr uns? Versprochen ist versprochen -Knappe, seid Ihr
endlich soweit?"
"Wir warten ja nur noch auf Euch, Meister",
piepste Webolo, der Rosinante am Zügel hielt.
Umständlich und mit großem Gequietsche
und der Hilfe seines Knappen hievte sich der alte Ritter in den Sattel.
"Nun, denn... lebt wohl, werter Morholt",
rief er noch und hob die Hand zum Gruß, dann bohrte er Rosinante
theatralisch die eisernen Absätze in die Flanken.
Die alte Stute wandte mit einem resignierten
Seufzer den Kopf nach hinten.
"Ehrenwerter Meister, nichts gegen Eure Reitkunst",
bemerkte sie, "aber ich weiß von selbst, wann ich loslaufen muß."
Und dann setzte sich der Tross Richtung Süden
in Bewegung - ein alter Ritter auf seinem noch älteren Streitross,
gefolgt von seinem Knappen, zwei Hexen, einem Kamel, einem Schwarzmagier,
einem buntgefiederten Vogel und einem Drachen.
Nachdem sie einige Tage in südlicher Richtung
gezogen waren, erreichten sie einen riesigen Wald, den sie durchqueren
mußten, wenn sie die Wüste erreichen wollten. Das Wetter war
beinahe schon tropisch zu nennen, und obwohl die Sonne sich hinter Dunstschleiern
verbarg, war es so heiß, daß ihnen der Schweiß in Strömen
über die Gesichter lief.
Alle hatten sich soweit möglich sämtlicher
überflüssiger Kleidungsstücke entledigt und den Rest aufgerollt
und aufgekrempelt, und der arme Ritter in seiner schweren Rüstung
quietschte zum Steinerweichen.
Webolo war dieser Wald vom ersten Augenblick
an unheimlich. In den Wäldern, die er kannte, den Wäldern seiner
Heimat, wuchsen ganz gewöhnliche Eichen oder Birken oder Tannen und
der Boden war meist sandig oder moosbedeckt und mit Pilzen bewachsen -
aber das dichte Grün, das sich vor ihnen erstreckte, war der reinste
Dschungel.
Schlingpflanzen wucherten kreuz und quer über
den Boden, als wären sie lebendig, krochen an den Stämmen der
Bäume empor und bildeten in den Kronen dichte, netzartige Gebilde,
an denen der Dampf beschlug und in dicken Tropfen wieder zu Boden fiel
- schlimmer als in einer Waschküche. Und es wuchsen Pflanzen hier,
die den Gefährten völlig unbekannt waren - Pflanzen, die merkwürdig
aussahen, merkwürdig rochen und sich noch merkwürdiger verhielten.
Manchmal schien es, als würden sie mit Absicht den Weg versperren,
um sie an einem Fortkommen zu hindern, und die meiste Zeit über mußten
sie den Moordrachen voranschicken, damit er ihnen einen begehbaren Pfad
bahnen konnte. Aber was den armen Knappen am meisten beunruhigte, waren
die seltsamen Tiere, die sie sahen - Schmetterlinge, groß wie Krähen,
flatterten an ihnen vorbei, Schlangen räkelten sich träge von
irgendwelchen Ästen herab und manchmal sahen sie handtellergroße,
haarige Spinnen über den Weg huschen oder auf den riesigen, glänzenden
Blättern dieser merkwürdigen Pflanzen sitzen.
Webolo hatte ständig das Gefühl,
beobachtet zu werden und glich bald einem Nervenbündel, und auch der
Rest der Truppe schien sich in diesem seltsamen Wald nicht besonders wohl
zu fühlen. Immer wieder erspähten sie aus den Augenwinkeln kleine
pelzige Tierchen, die sich behende zwischen den dichten Blättern bewegten,
doch sie flitzten so schnell durchs Unterholz, daß niemand richtig
erkennen konnte, um welche Wesen es sich hierbei eigentlich handelte.
Nachdem sie sich eine Weile durch den dichten
Dschungel gepflügt hatten, stießen sie auf eine breite Schneise,
beinahe so etwas wie ein Weg - das Gras und die Blätter dort waren
niedergetrampelt und man konnte deutlich an den Spuren sehen, daß
sich des öfteren große Tiere darauf zu bewegen schienen.
Erschöpft, aber auch erleichtert darüber,
daß das Weiterkommen sich nicht mehr gar so beschwerlich gestalten
würde, ließen sie sich erst einmal nieder und legten eine kurze
Rast ein.
Webolo, der mit dem Rücken gegen einen
Baumstamm gelehnt auf dem Erdboden saß und mit mißtrauisch
zusammengekniffenen Augen die Umgebung nach Schlangen und diversen Krabbeltierchen
absuchte, entdeckte es als erster.
"Was ist das?" fragte er verblüfft und
deutete den Weg hinab. "Seht doch mal!"
Die Köpfe seiner Gefährten flogen
herum, um zu sehen, was der Knappe erspäht hatte. Ihre Blicke folgten
seiner ausgestreckten Hand, die auf eines dieser kleinen, pelzigen Wesen
deutete. Es saß mitten auf dem Weg und beobachtete die Freunde frech
aus glänzenden Knopfaugen.
"Ooooch, ist der niedlich", kicherte
Crosideria und erhob sich sogleich, um langsam und gebückt auf das
Pelztierchen zuzugehen. Sie streckte lockend die Hand aus - und wirklich,
das kleine Kerlchen kam neugierig und gar nicht schüchtern angehoppelt.
Crosideria betrachtete das Wesen, das etwa so groß wie ein Kaninchen
war und wuscheliges, braunweißes Fell besaß. Ein Paar lange,
spitze Ohren standen ihm waagerecht vom Kopf ab und verliehen ihm
entfernte Ähnlichkeit mit einem kleinen Kobold. Es war schon so nahe
herangekommen, daß sie es fast berühren konnte - da ertönte
hinter ihr plötzlich ein dröhnend lauter Drachenbrüller:
"Niiiiicht! Faß das bloß nicht
an!"
Mit einem entsetzten Satz hüpfte das
kleine Tier in die Büsche und die Hexe fuhr erschrocken herum.
"Was denn?" brummte sie erbost. "Jetzt hast
du ihn verschreckt mit deinem Gebrüll!"
Verständnislos schüttelte sie den
Kopf.
"Denkst du, er frißt mich? Warum soll
ich ihn denn nicht anfassen?"
Moordrache sah aus, als hätte er ein
Gespenst gesehen.
"D-d-das ist ein Bääärtram!"
stammelte er mit zitternder Stimme. "Ein Bääärtram..."
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