Markus sah, wie Jens wieder zu Bewusstsein
kam. Auch er sah sich verwundert in der anderen Hand um, die ihn festhielt.
Dann sah er nach unten und klammerte sich an eine Kralle.
"Oh Scheiße, was ist denn jetzt kaputt?!"
"Halt die Klappe, du Wurm!" brüllte der
Drache in einer (für Menschen) äußerst unangenehmen Lautstärke.
"Sei froh, wenn ich dich - vorübergehend - am Leben lasse!"
Markus sagte vorsichtig: "Oh Mann, ein echter
Drache, ich glaub´s nicht! Du hast Glück, dass nur wir beide
dich gesehen haben. Aber sag mal, was willst du eigentlich von uns?"
Der Drache sagte: "Von dem da eigentlich gar
nichts, aber DU bist für uns Drachen wichtig! Ist dir in deinem kleinen
Menschenleben in all den Jahren nicht etwas seltsames vorgekommen?"
Markus dachte laut nach: "Nee, eigentlich
nicht - doch warte mal... Mir ist fast nie kalt und außerdem ist
meine Mutter vor einigen Jahren spurlos verschwunden!"
Der Drache schüttelte den Kopf. "Nein,
deine Mutter ist nicht verschwunden!"
Markus sah ihn verwundet an und fragte:
"Was? DU weißt was mit meiner Mutter
passiert ist? Woher? Wer bist du eigentlich?"
"Oooh, ihr Menschen müsst immer so viele
Fragen auf einmal stellen!!" stöhnte der Drache.
"Mein Name ist Pyrotakan! Es gibt die Geschichte
vom jungen Drachen, dessen Geburt vorher von einem hellen Komet angekündigt
wird. Dieser Drache soll ein besonderer Drache sein. Ein Eisdrache!
Er wird übernatürliche Kräfte
haben, resistent gegen alle Arten von Eis und Schneezauber sein und die
Drachen vor einer tödlichen Gefahr retten!"
Markus fragte verwundert:
"Von welcher Gefahr ist eure Welt und euer
Volk bedroht?"
Zuerst schwieg Pyrotakan, doch dann sagte
er:
"Von der gleichen Gefahr, die damals die Drachen
auf eurer Erdenwelt dezimierte.
Die Eiszeit!"
"Die Eiszeit?" fragte Markus überrascht.
"Ja, die Eiszeit!" wiederholte Pyrotakan zornig.
"Die Drachen auf der Erdenwelt wurden vor
einigen tausend Jahren durch die Eiszeit stark dezimiert. Es war keine
Eiszeit, hervorgerufen durch eine Klimaänderung. Diese hätten
die Drachen in den Höhlen leicht verkraftet. Es war das Werk der mächtigen
Eiskönigin Saryn, die jetzt auch unsere Welt Eragul einfrieren will!
Hinzu kommt noch, dass die Menschen uns für
einen Vogel des Teufels hielten und uns
abschlachteten, bis keiner mehr von uns am
Leben war! Und genau deswegen hasse ich euch so. Ihr breitet euch aus wie
ein Virus, seid so dumm und zerstört die Natur, von der ihr lebt,
ihr macht euren eigenen Planeten kaputt, obwohl
ihr die Konsequenzen kennt!"
"Aber nicht alle Menschen hassen Drachen!"
mischte sich plötzlich Jens ein. "Und wenn wir nicht bald landen,
verrecke ich noch, weil du mich in deiner Hand zerquetschst!"
"Da bist du nicht der einzige!" sagte Markus.
"Oh, Entschuldigung!" sagte Pyrotakan fast
schon belustigt.
Der Drache erzählte weiter, während
sie über Täler mit merkwürdig aussehenden Bäumen flogen:
"Nur ein einziger Drache kann ihr entgegentreten,
ohne schon kilometerweit vor ihrem Eisschloss als Eisblock vom Himmel zu
fallen. Es ist ein Eisdrache, dessen Geburt uns vor 500 Jahren durch einen
Komet angekündigt wurde. Doch das Ei wurde von Saryn mit einem Zauber
belegt und zur Erde geschickt. Auf der Erde verwandelte der Zauber den
schlüpfenden Drachen in einen Menschen. Nur soviel ist uns bekannt."
Markus fragte den Drachen:
"Du glaubst, dann bin ICH dieser Drache, der
in einen Menschen verwandelt wurde? ICH soll der Eisdrache sein, der euch
vor der mächtigen Schneekönigin retten soll?"
Pyrotakan nickte.
"Das kann doch nur ein Traum sein. Wo bringst
du uns jetzt eigentlich hin?"
"Zu unserem Drachentreffpunkt am Steinkreis."
antwortete der Drache. "Wir stellen dich auf die Probe. Wenn du wirklich
der bist, den wir glauben gefunden zu haben, dann hast du ein paar schwierige
Wochen vor dir, mein Junge!"
"Und wenn nicht?" fragte Jens.
"Dann müssen wir euch beide leider beseitigen!
Ihr versteht ja sicher, dass wir euch nicht mit eurem Wissen über
uns in eure Welt zurückschicken können. Wir wollen kein Risiko
eingehen!"
Jens und Markus schluckten.
"Ist das unser Schicksal? Nur weil ihr ein
Problem mit einer Eiskönigin habt, müssen wir sterben?" jammerte
Jens, doch der Drache antwortete nicht mehr. Stundenlang flogen sie über
Gebirge, Felder, Flüsse und Seen.
Da ging Pyrotakan in einer Graslandschaft
in Sinkflug über und landete bei einer Ruine mitten in einem riesigen
Steinkreis.
"Typisch, die sind mal wieder zu spät!"
sagte der Drache gestresst.
"Ich lasse euch jetzt los, wenn ihr versprecht,
dass ihr nicht weglauft!"
Markus und Jens nickten.
Der Drache zögerte erst, doch dann ließ
er die beiden los.
Jens und Markus sahen sich erstaunt um. Eine
ungewöhnliche Landschaft eröffnete sich hinter
dem Hügel mit der Ruine, die mal früher
eine prächtige Burg gewesen sein musste. Gewaltige Berge waren am
Horizont zu sehen und ein riesiger Wald lag diesen zu Füßen.
Ein Fluss strömte in einen großen
Talsee, der einen Durchmesser von etlichen Kilometern hatte.
Ein anderer Drache kam im Landeanflug angebraust,
dann noch zwei weitere.
Sie versammelten sich um Pyrotakan und den
beiden Jungen. Eine Drachin schritt stolz und elegant auf Pyrotakan zu
und sagte:
"Wie ich sehe, hast du meinen Sohn mitgebracht.
Lasst ihn uns durch unser Ritual wieder zurück in einen Drachen verwandeln!"
"Bitte was??" fragte Markus mit schriller
Stimme.
Pyrotakan blickte Markus kurz an und sagte
zu der Drachin:
"Du weißt doch nicht einmal, ob er es
auch ist. Wir müssen ihn erst auf die Probe stellen!"
"Ähem," Jens mischte sich ein, "was läuft
denn hier eigentlich? Wie soll das Markus denn beweisen?"
Die Drachen musterten Markus von Kopf bis
Fuß und dann sagte schließlich die Drachin:
"Das lässt sich ganz leicht feststellen!"
Sie packte Markus vorsichtig mit den Krallen
und flog mit zwei weiteren Drachen zu einem
Kratersee in der Nähe. Jens stand noch
an der Ruine und sah Markus hinterher.
Früher musste der Berg mal ein gewaltiger
Vulkan gewesen sein, doch jetzt war nur noch ein See im Vulkantrichter,
der mit einer Eisschicht bedeckt war.
Die Drachin kreiste über dem zugefrorenen
See und spuckte schließlich eine Kugel aus Drachenfeuer auf das Eis.
Es bildete sich spritzend ein großes Loch.
Markus befürchtete das schlimmste und
hatte nicht unrecht:
Die Drachin ließ Markus aus 30 Meter
Höhe in den See fallen.
.
Dieser kreischte und schlug auf das eiskalte
Wasser auf.
Die Drachin rief nach unten:
"Wenn du es da drin eine Stunde aushältst,
dann hast du die Prüfung bestanden!"
Markus paddelte und strampelte. Er versuchte
sich auf das Eis zu ziehen, doch die Kruste war sehr dünn. Immer wenn
er ein Stück auf dem Eis war, brach es ab und er fiel zurück
ins eiskalte Wasser.
"Hilfe, holt mich hier raus!"
Er streckte seine Hand nach den Drachen aus,
die in aller Ruhe über ihm kreisten. Doch keiner der drei machte auch
nur Anstalten, ihm zu helfen.
Zuerst spürte er, wie die Kälte langsam
von außen in seinen Körper kroch. Nach etwa 15 Minuten spürte
er kaum noch seine Hände. Das Wasser hatte etwa minus drei Grad.
Markus wusste, dass er seine Lebenserwartung
dramatisch steigern konnte, wenn er versuchte in Bewegung zu bleiben.
Er paddelte Kreise in dem etwa zehn Meter
breitem Loch.
Nach 30 Minuten konnte er sich kaum noch bewegen.
Er spürte seinen Körper nicht mehr.
Eine innere Stimme begann ihn zu necken:
"Warum strengst du dich so unnötig
an? Du kannst das nicht! Du schaffst das nicht!
Gib lieber gleich auf!!"
Nach einer dreiviertel Stunde sagten schließlich
die zwei anderen Drachen:
"Das reicht jetzt, zieh ihn hoch! Kein normaler
Mensch könnte so lange am Leben bleiben!"
Zuerst zögerte die Drachin misstrauisch,
doch dann kam sie runter und zog Markus aus dem Wasser. Dieser drückte
sich sofort triefend an ihre warmen Schuppen und spürte, wie langsam
wieder die Wärme zurückkam.
Markus wusste, dass die Drachen recht hatten:
"Kein normaler Mensch hätte DAS überlebt!"
Er konnte sich jetzt auch wieder an frühere
Ereignisse in seiner Kindheit erinnern.
Er spürte nie die Kälte so wie die
anderen. Wenn er im Winter Schlittenfahren gegangen war, und seine Mütze
vergaß, bekam er nie kalte Ohren.
Die Drachen flogen zurück zur Ruine,
wo noch immer Jens mit den anderen Drachen wartete.
Jetzt war Markus wieder so warm, dass seine
Stimme zurückkam. Er fragte die Drachin:
"Warum hast du das getan? Ich hätte dabei
sterben können!"
"Wir wollten eben sicher sein, dass du es
auch bist. Sei froh, dass du die Prüfung bestanden hast, sonst hätten
wir dich in dem Loch sterben lassen!"
Markus spürte, wie eine Wut in ihm hochkochte.
Wut auf die Drachen, die Prüfung und die Entführung. Er könnte
jetzt gemütlich mit den anderen Segelfliegern seinen Geburtstag feiern.
Ob sein Vater ihn schon vermisste? War er
überhaupt sein Vater? Ob schon jemand an eine Entführung dachte?
Fragen über Fragen, die ihm durch den
Kopf schossen, als die Drachen bei den anderen im Steinkreis landeten.
Markus rutschte von ihrem Rücken und
plumpste wie ein Sack Kartoffeln ins Gras. Jens stürmte zu ihm hin
und gab ihm seine Jacke.
"Was haben sie mit dir angestellt?" fragte
er verdutzt.
Markus stotterte:
"D-d-die Eisp-prü-fung!!"
Jens starrte die Drachen fassungslos an.
"Ihr hättet ihn fast verrecken lassen!
Was hättet ihr dann davon, wenn er wirklich der Eisdrache gewesen
wäre?"
Die Drachen lachten sarkastisch.
"Oh Menschlein, du verstehst das nicht!" sagte
einer der älteren Drachen.
"Markus ist kein Mensch, sondern einer von
uns! Du wirst ihn ganz bestimmt nicht an seinem vorbestimmten Weg hindern!"
Markus sah den Drachen an.
Dieser erwiderte seinen Blick und sagte:
"Wir werden dich wieder zurückverwandeln!"
Jens grinste und sagte:
"Wie soll denn das gehen? Wollt ihr ihm Schuppen
an die Haut kleben?"
Selbst Markus lachte.
Pyrotakan schlug mit der Klaue auf den Boden
und brüllte:
"Halt die Klappe, du Wurm, und stör uns
jetzt nicht!"
Die Druckwelle warf Jens fünf Meter nach
hinten ins Gebüsch. Markus hatte schon damit gerechnet, dass einer
der Drachen so reagiert und sich an einem kleinen Baum festgehalten.
Seine Ohren schmerzten von diesem Schalldruck.
Die Drachin sagte:
"So, Markus, leg dich jetzt in die Mitte des
Kreises und schließe die Augen. Die Verwandlung zum Drachen wird
jetzt etwas schmerzhaft für dich."
Markus Herz raste wie wild. Was wird mit ihm
passieren? Es schien ihm wie ein Traum vorzukommen, als er mit weichen
Knien zu dem Steinkreis ging. Er fühlte sich wie gestern, als er in
das Segelflugzeug stieg. Oder war es vorgestern? Oder letzten Monat?
Tausend Fragen schossen ihm durch den Kopf,
auf die er keine logische Erklärung fand.
Was sollte er tun - weglaufen? Nach fünfzig
Metern hätten sie ihn ja doch wieder erwischt!
Die Drachen versammelten sich kreisförmig
um Markus und hoben ihre Klauen zum Himmel.
Eine Lichtkugel umgab den Steinkreis im Burghof
und Markus fühlte sich irgendwie - unwohl. Als ob sich sein Skelett
verwandeln würde.
Er starrte auf seine Hände, die plötzlich
zu Klauen wurden. Seine Haut juckte.
"Scheiße, was geht hier ab??" Er wollte
aufstehen, doch er fühlte sich leer und ohne Energie.
Seine Haut juckte stärker und jetzt stellte
er fest, dass es schon Schuppen waren!
Riesige Drachenflügel wuchsen ihm aus
dem Rücken und ihm wurde abwechselnd heiß und kalt. Die Schmerzen
waren höllisch, als sich sein Skelett umstrukturierte.
Jens starrte ungläubig auf Markus, der
sich langsam aber sicher zu einem blauen Eisdrachen "umformte".
Jetzt stand er auf und rannte davon. Die Drachen
nahmen keine Notiz von ihm, sondern standen vor Markus, der inzwischen
schon ein Drache war.
Das Leuchten um den Steinkreis verschwand,
und mit ihm die Schmerzen in seinem Körper.
Markus sah die anderen Drachen verwundert
an, die ihn zufrieden anlächelten.
Er fühlte sich jetzt irgendwie "anders".
Markus rappelte sich mühsam auf und tapste
kläglich zu einem Teich, wie ein Baby, das das Laufen lernt. Immer
wieder stolperte er über seine eigenen Krallen.
Dann blickte er in den Teich und sah ein Drachengesicht,
das ihn ungläubig anstarrte.
Mehr als ein erstauntes "UH !!" brachte Markus
nicht heraus.
Jens rannte, als wäre der Teufel persönlich
hinter ihm her. Zweige schlugen ihm ins Gesicht.
Alle fünf Sekunden drehte er sich panisch
um, um zu sehen, ob ihm die Drachen folgten.
Dann knallte er mit voller Wucht gegen einen
Baumstamm und er sah nur noch Sterne...
Er taumelte auf eine Landstraße zu,
wo gerade einige Soldaten auf Pferden angeritten kamen.
Er musste sich in der Nähe einer großen,
mittelalterlich gebauten Stadt befinden.
"Nun guckt euch mal den an!" sagte einer der
Soldaten in einer hochpolierten Rüstung,
"das ist doch bestimmt wieder einer, der spionieren
will!!"
Das alles war zuviel für Jens. Er fiel
vor ihnen ins Gras und war ohnmächtig.
Als er wieder zu sich kam, befand er sich in
einer Kerkerzelle.
Er stand auf, rüttelte an der Eisentür
und brüllte:
"He, lasst mich raus,
IHR HABT DEN FALSCHEN TYP ERWISCHT!!"
Eine kleine Luke in der Tür öffnete
sich und ein kleiner Gnom (der anscheinend der Kerkermeister war) sagte
mit knöcheriger Stimme:
"Jaja, das sagen sie alle! Die Wachen haben
dich bestimmt nicht ohne Grund eingesperrt.
Mir wurde nur gesagt, dass du anscheinend
vor irgend jemandem auf der Flucht warst."
Jens fuhr im hektisch dazwischen:
"Mein Freund wurde in einen Drachen verwandelt
! Scheiße, ich hab´s mit eigenen Augen gesehen! Es waren mindestens
sieben riesige Drachen!!"
Der Kerkermeister fing an zu lachen, das eher
wie ein Krächzen klang:
"Hahaha, jaja, das haben die Wachen auch gesagt.
Du hast im Schlaf irgend etwas von einer Entführung von eurer Welt
und einer Eisdrachenmission geredet.
Auch von einer bösen Schneekönigin,
die unser Land einfriert."
Jens merkte, dass inzwischen schon einige Soldaten
dazugekommen waren, die er durch die Türluke gar nicht bemerkt hatte.
Der Smalltalk war inzwischen schon zu einer Art Verhör geworden.
Ihre Entführung von einem Drachen aus
ihrer Welt wollten sie ihm zuerst nicht recht glauben, doch als Jens ihnen
von dem prophezeiten Eisdrachen und der Eiskönigin erzählte,
die ihre Welt gefährdete, schauten sie ihn überrascht an.
Ein Ritter fragte ihn: "Woher weißt
du darüber?"
Jens erwiderte:
"Der Drache Pyrotakan hat es mir gesagt!"
"Lüg mich nicht an, Junge!" brüllte
er.
Jens zuckte zusammen.
"Ich sag die Wahrheit, ehrlich! Woher hätte
ich denn das sonst wissen sollen?"
Die Wachen sahen sich ratlos an, bis der Ritter
sagte:
"Vielleicht sagst du ja doch die Wahrheit
- vielleicht aber auch nicht! Bis das geklärt ist, bleibst du hier,
bis wir jemanden finden, der für dich bürgt. Obwohl das schwierig
ist. Unser König ist letzte Woche ermordet worden und seitdem traut
hier keiner mehr dem anderen!"
Jens fragte verwundert: "Euer König ist
ermordet worden? Wie denn?"
"Von einem Kerl im schwarzen Umhang. Man nennt
sie `Die Suchenden`, und sie sehen echt unheimlich aus, die Kerle!"
Der Ritter verließ den Kerkerraum wieder.
Markus wachte in einer riesigen Höhle
auf. Er lag auf einem Heuboden und dachte zuerst an einen Traum. Dann überschwemmten
ihn die Erinnerungen von der Drachenverwandlung.
Er rappelte sich hoch, bis er auf allen vieren
stand und sah sich in der Höhle um. Es war keiner außer ihm
in der riesigen Kaverne. Die Höhle schien sich dem Echo nach über
Kilometer durch den Berg zu erstrecken. Ein kleines Rinnsal ergoss sich
aus einer Ecke. Markus tapste zum Ausgang.
Doch vor dem Höhleneinhang war Ende der
Fahnenstange - ein steiler Abgrund ging vor ihm in die Tiefe. Den Grund
konnte er nicht sehen, weil Wolken die Sicht versperrten.
15000 Fuß, schätzte er.
Die Höhle befand sich auf dem höchsten
Berg einer Gebirgskette, die sich über Hunderte Kilometer erstreckte.
Er konnte in der Ferne durch ein Wolkenloch ein Meer sehen.
Er sah seine riesigen Flügel an, die
um ein mehrfaches länger als sein Körper waren und am Flügelrand
eine Reihe weit auseinanderliegender Krallenfortsätze bildeten. Auf
seinem Rücken verlief vom Kopf bis zum Schwanz eine Linie aus kleinen
Zacken. Er stand am Abgrund und überlegte, ob er es wagen sollte.
Obwohl er Flugangst hatte, überkam ihn
doch recht schnell diese Neugier und Abenteuerlust.
Jetzt kam ihm Jens wieder in den Sinn. Hatten
die anderen Drachen ihn gefressen? Wo waren sie überhaupt? Kommen
sie bald zu ihm zurück?
Was werden sie jetzt mit ihm anstellen?
Plötzlich hörte er aus der Ferne
leises Flügelschlagen. Dann sah er zwei Punkte am Himmel, die immer
näher kamen.
Jetzt erkannte Markus, dass es seine "Artgenossen"
waren, die er das letzte Mal bei dem Steinkreis sah.
Der eine Drache war Pyrotakan, das erkannte
Markus sofort an den Hörnern.
Der zweite musste wohl die Drachin sein, die
ihn ins Eiswasser warf.
Markus trat zurück, dass sie landen konnten.
Die Drachen bewunderten Markus vom Kopf bis
zu den Krallen.
"Du siehst gut aus!" sagte die Drachin mit
sanfter Stimme. "Ein blauer Eisdrache. Ich wusste, du bist es, der uns
retten wird. Du warst nach der Verwandlung ohnmächtig, da haben wir
dich hier hoch gebracht, damit du dich etwas ausruhen kannst!"
Markus war zwar jetzt auch ein Drache, aber
immer noch zur Hälfte kleiner als Pyrotakan und die Drachin.
"Hast du dich von dem Schreck und der `Prozedur`
erholt?" fragte Pyrotakan.
"Wie habt ihr das mit mir angestellt?" Markus
sah sich verwundert an.
"Ihr könnt Menschen in Drachen verwandeln?"
Pyrotakan lachte: "Nein, Markus, einen Menschen
kann man nicht in einen Drachen verwandeln, das ist unmöglich. Genauso
unmöglich ist es für uns Drachen, uns selbst in Menschen zu verwandeln.
Du warst früher mal ein Drache, Markus! Die Eiskönigin hat dich
verwandelt, aber frag nicht, wie sie das angestellt hatte!"
"Dann ist es also doch möglich?"
"Kannst du dich wirklich an nichts erinnern,
was damals vor deiner Verwandlung war?" fragte die Drachin.
Markus schüttelte den Kopf.
"Wir Drachen brauchten fast unsere gesamte
Mana-Zauberkraft, um dich wieder zurückzuverwandeln!" sagte sie. "Wir
haben dich in unsere kleine Höhle hier hoch gebracht, damit du dich
ausruhen kannst. Auch wir müssen uns nach dieser Prozedur mal ne Woche
hinlegen. Nächste Woche üben wir fliegen und dann deinen Eiszauber.
Wir sind Feuerdrachen und können dir da nicht helfen. Die Sache mit
den Eiswaffen musst du also selbst rausfinden. Kannst ja jetzt schon mal
drüber nachdenken."
"Nächste Woche? " fragte Markus überrascht.
"Ihr schlaft eine ganze Woche?"
Die Drachen nickten.
"Dafür kommen wir wieder fast einen Monat
ohne Schlaf aus!"
Markus plumpste in das Heu und zog seine riesigen
Flügel eng an sich. Hier oben im Gebirge war es doch recht kalt.
Die Drachen legten sich links und rechts neben
ihn und wärmten sich gegenseitig.
Markus ließ den Kopf auf seine Klauen
sinken und kurz darauf war er eingeschlafen.
Oh ja, die nächsten Wochen würden
für ihn nicht leicht werden!
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