Der Prophet und der Totengräber von Matthias Wruck |
Kapitel 15 |
Die Menschen auf der anderen Seite der Barrikade waren bereits reichlich angeschlagen, aber als sie plötzlich den schwarzen Keil in die Rücken der Hochelfen einschlagen sahen, faßten sie neuen Mut. Die Drow krachten wie eine schwarze Metalllawine in die Legionäre und es prasselten von allen Seiten Schläge auf die Hochelfen nieder. Hierbei stellte Joro am Rande fest, daß Vierna, mit einem Langschwert und einer Kettenpeitsche bewaffnet, eine unglaublich fähige Kämpferin war. Ihre Attacken wirkten um nichts schwächer als die von Nalfein oder Dinin, was garantiert nicht nur daran lag, daß sie als Frau nicht unwesentlich größer war als ihre männlichen Volksgenossen. Wirklich überrascht war er allerdings wieder einmal über die Wirkung von Celestus’ Hilfswunder. Ihre Waffen durchschlugen die Rüstungen ihrer Gegner als seien diese aus Papier. Vierna ihrerseits begann während des Kampfes zu singen und Joro fühlte sich durch das Lied mit Mut und Entschlossenheit erfüllt. Der Einfall des unerwarteten Gegners hatte die Hochelfen in eine schwache Position gebracht, was nun ihren Untergang bedeutete. Nalfein trat auf eine Brust und holte mit einem Ruck seine Axt aus dem Kopf des toten Elfen, in dem sie steckte, und sah sich kritisch um. Einer der Menschen kam über die Barrikade, direkt auf Joro zu. "Danke für Eure Hilfe, Totengräber. Von allem in der Welt hätte ich eher Hilfe von einem Haufen Dämonen als von einem Diener des Celestus in Begleitung einer Drowarmee erwartet." Joro lachte, durch das Besiegen der Legionäre euphorisch: "Ja, aber ist es nicht schön, daß einen das Leben immer wieder überrascht?" Er deutete zu Nalfein. "Das ist unser Anführer, Nalfein mit Namen." Der Mensch verbeugte sich tief. "Wir haben nicht viel Zeit für Höflichkeiten, es sind sehr viele, Herr Nalfein." "Dann bring mich zu eurem Anführer", sagte dieser ernst. Der Mann nickte und lief im Laufschritt los, in Richtung des Marktplatzes. Joro und die Drow folgten ihm. Auf der Mitte des Marktplatzes, in einer zusätzlichen Reihe aus Barrikaden, die auf umgeworfenen Marktständen bestanden, hatte sich eine Gruppe von Bogenschützen und einigen anderen, älteren Bewohnern von Noth versammelt, die sich um Verwundete kümmerten. Zu Joros Erleichterung war Hanna unter ihnen. In ihrer Mitte stand ein Mann mit weißen Haaren, in abgewetzter Lederrüstung und mit einem Langbogen über der Schulter. Als er die Gruppe näherkommen sah, nahm sein Gesicht einen überraschten Ausdruck an. "Ausgerechnet Ihr, Nalfein? Euch hätte ich in einhundert Jahren nicht erwartet." "Das wurde uns bereits in ähnlicher Form mitgeteilt. Als wir hörten, daß ihr attackiert werdet, mußten wir helfen." "Das wird Euch nicht leicht gefallen sein, ich kenne von unseren letzten Begegnungen mehr als zur Genüge, was ihr von den Menschen haltet." "Meine Einstellung hat sich in den letzten Tagen geringfügig verändert, werter Bregan...", sagte Nalfein, zu Joro schielend. "Sagen wir einfach, daß es auch für uns Gründe gibt, die uns dazu gebracht haben, einzugreifen." Bregan schien kurz verwirrt, schüttelte das aber schnell wieder ab. "Sie sind mit fast 200 Mann gekommen, an allen Seiten des Platzes wird gekämpft." "Wo ist es zur Zeit am heftigsten?" Der Anführer der Menschen deutete nach Norden. "Sie haben ursprünglich von Norden und Westen gleichzeitig angegriffen. Im Westen konnten wir sie aufhalten, aber dabei sind viele gestorben." "Also nach Norden, gehen wir." Die Drow setzten sich in Bewegung, eine Reihe der Bogenschützen folgten ihnen. Aus den Augenwinkeln konnte Joro sehen, daß mittlerweile fast die gesamte Stadt in Flammen stehen mußte. Überall wehten Aschefetzen durch die Luft und es war stickig und sehr heiß. Während sie auf die Nordbarrikade zuliefen, sah er, wie eine Reihe Drow über die westliche Befestigung herübersprangen und zu ihnen aufschlossen. Mit einem schlechten Gefühl im Magen stellte er fest, daß einige von ihnen fehlten. Zu seiner Überraschung jedoch griff der Schatteneffekt seiner Rüstung auch auf die Neuankömmlinge über, was ihn erfreute. Am Nordrand bot sich ihnen ein grausames Bild. Mindestens fünfzig Legionäre metzelten die verteidigenden Menschen nieder. Ohne zu Zögern stürmten die Drow in die Schlacht. Joro selbst rannte in der ersten Reihe mit. Der Kampf war hart und schmerzhaft. Seine Rüstung schützte ihn zwar gut vor Schnitten, aber die Wucht der ihn treffenden Schläge wurde trotzdem nicht völlig abgefangen. So bekam er mehrere Male Schläge ab, die ihn fast zu Boden warfen. Ohne seinen Schild wäre es vermutlich noch schlimmer gewesen und er war sich sicher, daß die schwarze Schicht auf seiner Rüstung die Treffer noch zusätzlich abschwächte. Trotzdem verschwand der Schmerz immer wieder. Obwohl er sie nicht sehen konnte, fühlte er sowohl Viernas Gegenwart, als auch die ihrer Göttin und er war sich sicher, daß sie ihn immer wieder heilte. Langsam aber sicher drängten sie die Hochelfen zurück und verschafften den Bogenschützen unter den Verteidigern genügend Raum, um wieder ihre Bögen zu zücken und auf die hinteren Reihen der Hochelfen zu feuern. Zwei weitere Drowtrupps, ebenfalls leicht dezimiert, kamen um die rechten und die linken Häuserecken, zwischen denen die Barrikade stand, herum und fielen der Legion in den Rücken. Obwohl er das Zeitgefühl total verloren hatte, konnte der Kampf nicht mehr lange gedauert haben, denn bald krachte sein Hammer auf den Helm des letzten Hochelfen nieder und zerschmetterte sowohl die Metallschale als auch den darunterliegenden Schädel. Erschöpft ließ er die Waffe sinken, da hörte er eine Stimme hinter sich. "Es ist noch nicht vorbei!" Bregan kam auf sie zugelaufen und deutete hektisch auf die Ostseite des Marktes. Joro fuhr herum und konnte dort an der Barrikadenlinie eine recht große Legionseinheit, vielleicht drei Dutzend Mann stark, erkennen. Sie waren in eine Carrèeformation gegliedert, die Schilde vor den Leib gepresst und Speere zum Angriff angesetzt. In ihrer Mitte bewegte sich ein ältlich wirkender Hochelf in einer Kriegsrobe, der offensichtlich dabei war, Zauber zu wirken. "Verdammt, das ist ein Priester der Corellon", zischte Dinin, "und wenn ich mich nicht total irre, ist das sogar ein Hohepriester, zumindest trägt er entsprechende Insignien." Der Himmel über dem Platz verdunkelte sich, dann bildeten sich Flecken in den Wolken, durch die Säulen aus Sonnenlicht gen Boden fuhren und alles in Feuer ausbrechen ließen, was sie trafen. Nalfein sah Bregan ernst an. "So haben sie schon die Stadt in Brand gesetzt, stimmt das?" "Nicht nur das, schau dir die verkohlten Leichen an, die überall liegen." Der Trupp mit dem Priester bewegte sich im Gleichschritt auf sie zu, der Mann in der Mitte hatte scheinbar einen aus ihrer Gruppe fixiert und murmelte mit zornerfülltem Gesicht ein Gebet. Der Sonnenstrahl, der vom Himmel fuhr, umhüllte den Drow kurz,
dann verschwand er wieder.
Von allen Seiten des Platzes kamen die überlebenden Verteidiger
gelaufen. Sie riefen alle wild durcheinander, aber es stellte sich schnell
heraus, als hätten die Shuras im gesamten Stadtgebiet aufgeräumt,
nicht nur punktuell.
© Matthias
Wruck
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