Der Prophet und der Totengräber von Matthias Wruck
Kapitel 24

Nachdem Joro darauf bestanden hatte, zunächst die Hochelfen alle zu begraben, sich Balthasar aber geweigert hatte, sie unter den Boden seiner Festung zu bringen - Joro nahm an, daß es mit Aberglauben zu tun hatte - einigte man sich darauf, sie alle zu verbrennen. Also hatte der Priester noch gewartet, bis ein riesiger Scheiterhaufen fertig gemacht und die Leichen darauf gelegt worden waren. Erst als er den Segen gesprochen hatte, ging er hinter dem König her in die Hallen.

Eigentlich hätte sich der Totengräber ja lieber ausgeruht, aber die Sorge, vielleicht ein verräterisches Etwas an seinem Leib zu tragen, gab ihm die Kraft, dem dicken Duergar zu folgen. Nalfein, Dinin und Vierna gingen ihrerseits in ihre Zimmer, Balthasar bestand darauf, nur Joro mitzunehmen. Nalfein hatte hinter dem Rücken des Königs noch mit Gesten darauf hingewiesen, daß dies eine große Ehre sei, da Duergarrunenschmiede eigentlich nicht einmal ihre eigenen Verwandten in ihren Arbeitsräumen duldeten. Joro selbst nahm allerdings an, daß es sich vielmehr um eine Notwendigkeit in aller Augen handelte und nicht um eine tatsächliche Ehrenerweisung und Balthasar einfach nur so wenig Leute in seinen heiligen Hallen haben wollte, wie irgend möglich.

Sie umrundeten dieses Mal den Palast und bewegten sich durch mehrere kleiner Tunnel am anderen Ende der Höhle, bis sie vor einem großen Tor aus Bronze standen, auf dem neben vielen Darstellungen des Gottes Moradin, der als Schöpfer der Zwerge galt, auch eine Unmenge an Runen waren. Der König erklärte knapp, daß die meisten Schutzzeichen waren und Joro sich umzudrehen habe, während er das Tor öffnete. Noch im Umdrehen sah er, wie sich Balthasar unsichtbar machte.
Dann erscholl ein lautes Knirschen und Mahlen und hinter ihm sagte der Duergar: "Umdrehen, reinkommen!"
Der Raum war wesentlich kleiner, als Joro sich das gedacht hätte. Die Höhle war nur grob aus dem Stein gehauen, rechteckig vom Grundriß und die Decke nur etwa eine Armeslänge über ihm. Neben einer Schmelze, einer Esse und mehreren Ambossen in der Mitte, standen an den Seitenwänden diverse Werkbänke. An den Wänden selbst hingen Unmengen an Zangen, Feilen und Hämmern an grob gehämmerten Eisenhaken. Es wirkte auch nicht wirklich mythisch oder von Magie durchzogen, eher erinnerte es ihn an die Werkstatt des Hufschmiedes in seinem Heimatdorf.
Der König musterte ihn.
"Also als Erstes solltest du schon einmal die Rüstung ausziehen, ich schaue mir derweil einmal den Hammer und den Schild an."
Joro kämpfte sich mühsam aus den verschiedenen Lagen der Kriegsrobe, wobei er trotzdem zusah, wie der Duergar an dem Hammer herumhantierte. Erstaunlicherweise befaßte er sogar den Hammerkopf, ohne dabei Handschuhe anzuziehen, die Kälte schien ihm nichts auszumachen.
"Tut das nicht weh?"
"Ich habe diesen Hammer selbst geschmiedet, Jungchen. Glaubst du nicht, daß ich ihn auch unter Kontrolle habe, wenn ich ihn anfasse?"
"Oh, damit hast du vermutlich recht."
Balthasar schnaubte spöttisch und machte sich wieder ans Werk. Nach einer Weile widmete er sich dem Schild, taste ihn ab und schien dabei konstant vor sich hin zu murmeln. Dann legte er auch diesen fort und seufzte.
"Nichts. Gib mir die Brustplatte."
Es dauerte eine ganze Weile, bis der König die ganze Rüstung bis auf das kleinste Scharnier durchsucht hatte. Er grunzte und ließ sich auf einen der Schemel fallen.
"Gar nichts. Absolut gar nichts. Die Idee war ja nicht schlecht, aber ich fürchte, daß wir auf dem Holzweg sind."
Er pulte sich nachdenklich in der Nase.
"Es sei denn..."
Balthasar sprang von dem Schemel und griff sich den Helm. Dann ging er zur Esse herüber und zog an einer der Ketten, die am oberen Ende des Rauchabzuges lagen. Joro fiel auf, daß von der Esse ein Rohr in die Decke der Höhle ging und fragte sich instinktiv neugierig, wo wohl der Rauch hinging.
Eine zweite Kette wurde gezogen und mit einem Male begann die Esse in mattblauem Licht zu leuchten. Der Dunkelzwerg legte den Helm in die Mitte der Esse, auf die Lichtquelle, und wartete. Nach einiger Zeit begann auch das Metall in leicht bläulichem Licht zu glänzen.
Balthasar schlurfte herüber zu einer der Wände und nahm eine große Zange von einem der Haken, dann ging er wieder zum Helm und holte ihn aus der Esse.
Vorsichtig legte er ihn auf einem der Ambosse ab und nahm einen recht kleinen Hammer, womit er nun vorsichtig auf vereinzelte Stellen auf der Oberseite der Kopfbedeckung sanft einklopfte.
Joro schaute ihm atemlos zu und wagte nicht, irgendetwas zu sagen. Der sonst irgendwie schlampig wirkende König schien außergewöhnlich konzentriert und wahnsinnig präzise zu arbeiten. Dieser Kontrast faszinierte ihn und zeigte ihm eine Seite an Balthasar, die er nicht erwartet hatte.
Zunächst schien es keinen nennenswerten Effekt zu haben, doch plötzlich hielt der Duergar inne und schaute mit zusammengekniffenen Augen auf eine der Sichelverzierungen des Kronenrandes am Helm. Vorsichtig schlug er ein paar Male darauf ein. Dann reckte er sich.
"Aha!"
Zwei wuchtige Schläge und mit einem metallischen Knall sprang die etwa daumenlange Verzierung vom Rand des Helmes. Balthasar nahm sie auf und drehte sie einige Male in den Händen.
"Da haben wir den Übeltäter. Das hätte mir auch schon viel früher auffallen können."
"Woran hast du es erkannt?"
"Die Sichel war verformt. Aber da man Adamantit nur verbiegen kann, wenn man... Naja, ich will dich nicht mit metallurgischen Fakten langweilen. Also die Sichel ist verbogen worden. Aber nicht durch einen Schlag, sonst wäre sie schief oder irgendwie umgeknickt gewesen. Diese hier ist allerdings plattgedrückt. Und das schafft man nur indem man entweder starke Magie darauf einwirken läßt oder einen halben Berg daraufstellt. Das mit dem Berg halte ich generell für schwieriger."
"Und was machen wir jetzt damit?"
Der König warf das kleine Metallstück wortlos in die Esse, wo es bereits nach Augenblicken begann, Funken zu sprühen und ein lautes Zischen und Kreischen von sich zu geben.
"Kann ich die Rüstung wieder anziehen?"
Balthasar zögerte erst, nickte dann aber.
"Laß mich noch schnell den Helm wieder abkühlen."
Die Kopfbedeckung verschwand im Wasserbad und erzeugte einigen Wasserdampf. Joro zog unterdessen wieder die ersten Kettenteile über die wattierte Unterkleidung.
Als er fertig war nahm er von Balthasar den Helm entgegen und schaute ihn sich nachdenklich an.
"Die fehlende Sichel wird mich in der Zukunft daran erinnern, vorsichtiger zu sein."
Der Duergar nickte. "Eine gute Idee."
Joro setzte den Helm wieder auf, der allerdings immernoch reichlich warm war, wie er feststellte.
"Balthasar?"
"Ja?"
"Wirst du uns helfen?"
Der König rotzte auf den Boden und sein Gesicht verzog sich zu einer stark genervten Fratze.
"Jetzt, wo sie wissen, daß ihr hier wart, haben wir sowieso keine Ruhe mehr hier. Auch eine Methode, Allierte zu finden..."
"Du weißt genau, daß das nicht unsere Absicht war."
"Absicht oder nicht, es ist, wie es ist."
"Und wie lautet deine Antwort?"
"Wir beide gehen jetzt erstmal in den Speisesaal und trinken ein Bier zusammen, dann reden wir weiter darüber."

Wieder im Palast angekommen, zog sich Joro erst einmal seine Rüstung aus und warf seine Robe über. Er hatte mit Balthasar verabredet, sich danach unten im Saal zu treffen. Er wusch sich noch schnell ein bißchen das Gesicht und wollte gerade gehen, als die Tür kurz aufging und Vierna hereinhuschte. Sie schien geschlafen zu haben, ihre Haare hingen ziemlich wirr aus dem sonst so ordentlichen Dutt herunter und ihre Augen wirkten ziemlich müde.
"Wohin gehst du?"
"Zu Balthasar, ich muß noch einmal mit ihm reden."
"Oh... Habt ihr etwas gefunden?"
"Ja, schau dir den Helm an", er reichte ihn ihr, "die Sichel hier oben am Rand hatte wohl eine Verzauberung auf sich, die es ihnen ermöglichte, mich aufzuspüren. Oder genaugenommen die Rüstung."
Sie schaute kurz auf die Stelle wo die Sichel gewesen war und sah ihn dann wieder an.
"Und worüber willst du mit Balthasar reden?"
"Ich glaube, daß ich ihn fast soweit habe, sich uns anzuschließen. Vielleicht gelingt es mir, ihn dazu zu bringen."
Für einen Moment wollte sie ihm anbieten mitzukommen, dann entschloß sie sich aber dagegen. Stattdessen gab sie ihm einen Kuß auf die Wange und sagte:
"Ich werde hier auf dich warten. Du wirst es mit Sicherheit gut machen."
Joro nahm sie in den Arm, was sie überraschte, da er sonst immer sehr zurückhaltend ihr gegenüber war, und sagte leise: "Danke, ich hoffe du hast recht."
Dann ging er aus dem Raum.

Im Speisesaal saß Balthasar, wieder in die speckige Alltagskleidung vom Tag ihrer Ankunft gekleidet, seine Krone vor sich auf der Tafel liegend, in seinem Sessel und hatte bereits einen Bierhumpen in der Hand.
Am Platz neben ihm war ebenfalls eingedeckt und er wies Joro an, sich hinzusetzen.
"Hast du Hunger, Junge?"
Die Frage stellte sich nicht. Nach der ganzen Anstrengung fühlte sich sein Magen an, als würde er in Kürze aus seinem Mund springen und ihn aus Zorn erwürgen.
Der König hatte das wohl schon an seinem Gesichtsausdruck erkannt.
"Na, dann lasse ich mal etwas Kleines auftragen. Myellin?!"
Die Tür ging auf und Myellin, der Koch und etwa zehn andere Duergar trugen riesige Platten mit Essen herein.
Joro kicherte.
"Was Kleines?"
Balthasar zuckte mit den Achseln.
"Man braucht eine Auswahl, oder nicht? Irgendeinen echten Vorteil muß das Königsein doch haben, hehe."
Sie fraßen wie die Scheunendrescher. Erst als sie beide so satt waren, daß wirklich gar nichts mehr in sie hereingepaßt hätte, lehnten sie sich beide mit zufriedenem Gesichtsausdruck ihn ihren Sesseln zurück und Joro rülpste laut.
Balthasar kommentierte das mit einem bewußt noch lauteren und längeren Rülpser.
Der junge Mensch verzog das Gesicht.
"Das wird jetzt aber nicht schon wieder ein Duell, oder?"
Der König lachte.
"Nein, mir war nur danach. Freut mich zu sehen, daß du noch Manieren im Leibe hast, junger Mann. Und essen kannst du fast so viel, wie du saufen kannst. Man trifft heute kaum noch Leute mit solchen Qualitäten, schon gar nicht Menschen."
"Das kann ich nicht beurteilen, als ich geboren wurde, warst du immerhin schon alt wie ein Stein."
"Ein schmeichelhafter Vergleich, obgleich ich da eine gewisse Boshaftigkeit in deinen Worten wittere", er grinste selbstgefällig, dann setzte er eine ernste Miene auf.
"Also du hast mich vorhin gefragt, ob wir euch helfen werden."
"Richtig."
"Dann sag mir doch einfach einmal, was du denkst, was wir zusammen tun könnten."
"Zumindest erst einmal dafür sorgen, daß wir nicht alle von der Legion massakriert werden."
Balthasar stieß Luft aus.
"Das könnte jetzt jeder sagen. Ich frage aber dich, was du für Vorstellungen hast."
Joro überlegte. In den Tagen, in denen sie durch die Berge marschiert waren, hatte er sich durchaus einige Gedanken gemacht, was nun zu tun sei. Dabei war ihm eine Idee gekommen, die er nach und nach immer interessanter fand.
"Hast du etwas zu Zeichnen da?"
Der König sah ihn verwirrt an.
"Äh, wozu?"
"Ich habe da eine Idee, aber ich müßte sie dir aufzeichnen und ich weiß außerdem nicht, ob sie realisierbar ist. Jetzt wo eure Festung hier nicht mehr viel wert ist, wäre das vielleicht sogar eine Alternative."
"Wache!"
Einer der Metallwürfel am Halleneingang trat einen Schritt vor.
"Ja, mein König?"
"Besorg etwas Pergament und, äh, einen Kohlestift oder so etwas!"
"Jawohl, mein König!"
Der Wachsoldat stapfte klirrend aus dem Raum.
"Also, was ist das für eine Idee?"

Joro begann zu erzählen, wie Noth angegriffen worden war und wie sie die Reste der dort lebenden Menschen mit zu sich an den Eingang der Enklave gebracht hatten. Auch, daß diese nun in dem Bergwald vor dem Eingangsportal lagerten. Dabei wußte er nicht einmal, ob er damit gerade ein großes Geheimnis verraten hatte, aber da Balthasar nicht überrascht schien oder es sich zumindest nicht anmerken ließ, nahm er an, daß es in Ordnung war.
Bei näherem Überlegen war ihm jedoch etwas an der Beschaffenheit der Landschaft um diesen Wald aufgefallen.
Die Wache brachte einen großen Bogen Pergament und einige Kohlestifte und nahm dann hastig wieder ihren Platz ein.
Joro fertigte eine Skizze des Waldes und des Eingangs an. Ihm war auch aufgefallen, daß am Wald und darum herum der Berg eine Krümmung hatte. Daher war eigentlich nur der Weg nach unten offen, darum herum waren fast zwei Drittel eines Kreises von Berghängen umgeben.
Vor dem Wald selbst war der Durchgang zwischen den Bergwänden sogar reichlich schmal, vielleicht nur zweihundert oder maximal zweihunderfünfzig Schritte.
Die Zeichnung weckte Balthasars Aufmerksamkeit.
"Du sagst also, das hier überall Bergwände sind?"
"Ganz genau."
"Aus welchem Stein?"
"Äh..."
Der König stand auf und schlug mit einem der Hämmer, die zum Einschlagen der Spundlöcher an den Bierfässern war, ein paar Male heftig auf den Boden. Dann kam er mit einem kleinen Stück des Steines, aus dem der Fußboden der Halle bestand, zum Tisch zurück.
"Sehen die Steine dort so aus wie dieser hier?"
Joro betrachtete das kleine Stück und rieb es zwischen den Fingern. Von Gesteinskunde wußte er etwa genauso wenig wie von Kriegskunst, und nun mußte er ausgerechnet über beides reden.
Er versuchte, sich zu erinnern, wie die Findlinge im Wald vor der Enklave aussahen.
Dieser Stein hier war leicht gräulig und hatte sehr feine Körner. Die Steine draußen vor der Enklave hatten viele verschiedene Farben, zudem die Körner darin auch wesentlich größer waren.
Das sagte er Baltasar.
"Also Granit." Der Duergar pfiff durch die Zähne und trommelte sinnierend mit den Fingern auf den Tisch. "Das ist schwer zu bearbeiten, aber es ist unglaublich hart. Granitwände bieten einen guten Schutz."
Seine Hände flogen über die Skizze und er malte eine ganze Reihe von Zeichen und Strichen darauf, die Joro kaum etwas sagten.
Schließlich legte er das Kohlestück fort und nickte zufrieden.
"Das könnte ein wirklich guter Platz für eine Befestigungsanlage sein. Außerdem könnten wir eine nahezu unbegrenzte Anzahl in Höhlen in den Berg schlagen, die zusätzlichen Schutz bieten. Der Stein wäre hart genug dafür."
"Das klingt fast so, als hättest du deine Festung hier schon innerlich aufgegeben."
Das Gesicht des Duergar wurde unvermittelt ziemlich hart und ernst.
"Dies ist kein Zuhause für mich. Das sollte dir klar sein, Mensch. Ich bin auch mit dieser albernen Krone hier nichts als ein König ohne Reich, ein Mann ohne Ehre. Ob ich diesen Ort aufgebe oder nicht, ich verliere damit nichts außer einem Dach, das mich vor dem Regen schützt. Und jetzt, wo die Legion weiß, daß wir hier sind, werden sie garantiert wiederkommen..."
Joro nickte. Das leuchtete nicht nur ein, sondern war Grund genug, den Ort wechseln zu wollen.
"Also wirst du mit uns kämpfen?"
"Unter meinen Bedingungen, ja. Aber das wirst du kaum zu entscheiden haben, das wird die Hohepriesterin tun müssen."
Balthasar räkelte sich auf seinem Sessel.
"Es wird spät, ich gehe jetzt schlafen. Morgen werde ich mit Vierna reden und sehen, ob man mit ihr verhandeln kann."

Joro kam wenige Zeit später in sein Zimmer zurück. Die meisten der Pilzschalen waren abgedeckt, sodaß es recht dunkel im Raum war, aber er konnte sehen, daß sich auf seinem Bett, unter der Decke, klar ein Körper abzeichnete.
Vorsichtig und so leise wie er konnte ging er zum Bett herüber und betrachtete Vierna von Nahem. Sie lag friedlich und ruhig auf der Seite, hatte die Augen geschlossen und atmete leise.
Dieser Anblick hatte etwas Hypnotisierendes an sich. Vorsichtig streckte er seine Hand aus und berührte sie an der Wange.
Ihre rechte Hand schnellte vor und ergriff seine, um sie schmerzhaft fortzudrehen, während ihre Linke an seine Kehle schoß und diese mit eiserner Härte umschloß.
Für einen Moment war er vor Angst wie gelähmt, dann stammelte er mit erstickter Stimme:
"Halt! Ich bins nur!"
Der Griff an seiner Kehle lockerte sich ein bißchen und Vierna, die langsam wach wurde, rappelte sich auf.
"Was zum... Meine Güte, weißt du, daß ich dich hätte töten können?"
"Ich... ich wollte dir doch gar nichts Böses!"
Sie ließ ihn los und setzte sich im Bett auf, wischte sich verschlafen die Augen.
"Vielleicht hättest du dir denken können, daß man sich nicht an eine Drow anschleichen sollte?"
Joro war so verwirrt und  erschreckt, daß ihm unvermittelt Tränen in den Augen standen.
"Es, es tut mir leid, ich wollte nicht..." Ein Schluchzen war kaum zu unterdrücken.
Vierna nahm ihn sanft zu sich her und legte seinen Kopf an ihre Schulter.
"Ist schon gut, ich habe es ja noch schnell genug bemerkt... Obwohl du froh sein kannst, daß ich keinen Dolch dabei hatte."
Der junge Mensch konnte irgendwie seine Fassung bewahren, obwohl er durchaus doch einige Male schluchzen mußte. Aber so, wie sie ihn im Arm hielt, beruhigte er sich relativ schnell.
Schließlich setzte er sich wieder aufrecht neben sie.
Sie gab ihm einen leichten Schmatz auf die Wange und lächelte ihn an.
"Und? Was hast du nun mit Balthasar ausgemacht?"
"Er will morgen mit dir reden. Ich glaube, daß er einsieht, daß er und seine Leute hier nicht mehr bleiben können, aber ich weiß nicht, was er nun wirklich plant."
Joro erzählte ihr von seiner Idee mit dem Wald und generellen Bereich vor dem Eingangsportal der Enklave und was man dort alles machen könnte. Er erwähnte auch, daß Balthasar seinerseits diese Idee nicht schlecht gefunden hatte.
Vierna runzelte die Stirn.
"Also besteht die Idee, den Berghang vor dem Portal in eine Befestigung zu verwandeln?"
"Ganz genau. Laut dem dicken König sollte das recht einfach zu machen sein. Und die Legion hat uns zwar in Noth angetroffen, aber den Eingang zu Enklave kennt sie nicht. Sie weiß höchstens davon, daß wir in dieser Gegend unterwegs waren..."
"Hmmm..."
"Außerdem hat er etwas von einer versteckten Befestigung geredet, was ich allerdings nicht verstanden habe. Wenn es bei Balthasar um solche Angelegenheiten geht, beginnt er sehr schnell damit, mit sehr vielen Fachbegriffen um sich zu werfen, die ich alle nicht verstehe."
"Dann werde ich mir morgen früh mal Nalfein schnappen und mit ihm und dem König darüber reden müssen."
Sie gähnte und stand auf.
"Aber vielleicht sollten wir jetzt erst einmal schlafen, du bist ja noch viel länger wach als ich."
"Willst du nicht... ich meine..."
"Ja?"
"Magst du nicht noch eine Weile hier bleiben?"
Vierna lächelte verschmitzt.
"Selbst auf die Gefahr hin, daß ich in der Nacht aufwache und dir ans Leder will?"
Joro schaute sie sehr gekränkt und traurig an.
"Das ist nicht witzig..."
Sie senkte sich, ihn mit sich ziehend, wieder aufs Bett und nahm ihn ganz fest in den Arm, wobei sie ihm einen langen Kuß gab. Dann sah sie ihm ganz tief in die Augen und meinte:
"Ich hab es auch nicht böse gemeint, Joro, aber nächstes Mal solltest du vielleicht irgendwie auf dich aufmerksam machen..."

Sie blieb. Zumindest noch für eine Weile, denn als Joro am nächsten Morgen aufwachte, war sie schon wieder in ihr eigenes Zimmer gehuscht.
 

© Matthias Wruck
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Und schon geht es hier weiter zum 25. Kapitel...

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