Joro und der Bischof standen alleine in der Halle. Der junge Mann
starrte ihn die ganze Zeit an.
"Wann fragst du mich endlich?"
Er war von Albrechts Frage verunsichert.
"Was soll ich fragen?"
"Nun, da fallen mir gleich ein paar Dinge ein: Wieso redest du so
mit ihm, was bist du überhaupt, was hat dich so zynisch gemacht..."
"Das wären drei sehr gute Fragen."
Der Bischof setzte die Maske wieder auf und strich seine Robe glatt,
die beim Streiten mit Celestus durch seine starke Körpersprache derbe
Falten geworfen hatte.
"Erstens, weil er es verdient, zweitens ich bin ein Leichnam und
drittens das Leben, oder meinetwegen das 'Un'leben."
"Wie kann ein Mann, der sein Leben lang einem Gott gefolgt ist,
eine derartige Abneigung gegen ihn entwickeln?"
"Indem er nach seinem Ableben sehen muß, wie sein Lebenswerk,
das er diesem Gott gewidmet hat, Jahr für Jahr von gierigen Menschen
zerstört wird, weil es eben jenen Gott nicht im Geringsten interessiert."
"Warum bist du überhaupt ein Untoter? Wenn ich Celestus richtig
verstanden habe, sind Untote eine Existenzform, die es zu vernichten gilt,
weil ihre Seelen künstlich von der Passage in das Totenreich abgehalten
werden."
Albrecht röchelte mal wieder.
"Celestus selbst gab mir diese Form."
"Was?!"
"Das war der Preis für ein Leben in unterwürfigem Gehorsam."
"Der Preis? Also eine Art Belohnung?"
"Ganz genau. Er wollte mir sozusagen ein Leben nach dem Leben geben.
Die Vorstellung, keine Gefühle mehr zu haben und stattdessen fast
unsterblich durch die Lande ziehen zu können, erschien mir verlockend,
denn damit konnte ich auch all die menschlichen Schwächen wie Gier,
Eitelkeit und Egoismus hinter mir lassen."
"Aber mußtest auch Liebe, Glück und Zufriedenheit aufgeben."
"Das erscheint dir mit deinen jungen Jahren ein harter Tausch, was?"
"Warst du niemals verliebt?"
"Ich war der Sohn eines Fürsten aus den nördlichen Provinzen.
Der Erbprinz, um genau zu sein. Bei einem Jagdausritt, als ich fünfzehn
war, schoß mir mein kleinerer Bruder, der den Thron wollte, einen
Pfeil in den Kopf. Ich war sofort tot und wurde von Celestus wiederbelebt.
Naja, das hast du in einer ähnlichen Form sicherlich selbst hinter
dir..."
Joro nickte und Albrecht fuhr fort:
"Ich hatte niemals Zeit für die Liebe, ich habe mich sofort
in meine Arbeit gestürzt und die war die einzige Erfüllung meines
Lebens. Ich war dabei, als der letzte Stein in das Deckengewölbe der
großen Halle dieses Klosters eingesetzt wurde, das war der schönste
Tag in meinem Leben. Am Ende habe ich mit nur 55 Jahren begonnen, ein schwaches
Herz zu bekommen, bis dann eines Tages Celestus fragte, ob ich sein Geschenk
haben will. Ich griff sofort zu, und nachdem ich meinen Tod vorgetäuscht
hatte, nahm ich mein neues Unleben an."
Der Priester war erstaunt, aber er konnte es nicht nachvollziehen.
Er dachte aber spontan an etwas anderes.
"Die Wahl muß doch bald beginnen, wir sollten aufbrechen."
"Wir?" Albrecht schüttelte den Kopf. "Nein, du mußt
gehen, es war deine Entscheidung."
"Und was machst du derweil? Hier herumstehen und mit dir selbst
darüber lamentieren, wie grausam dein Schicksal ist?"
"Brauchst du meinen Beistand so dringend, daß du ausfallend
wirst, junger Mann?"
"Nein, aber mir gehen deine Spöttereien auf den Geist."
"Jetzt wo sich unsere Wege gekreuzt haben, wirst du damit leben
müssen, Joro Macun."
Joro seinerseits schnaubte verächtlich aus und ging einfach
davon.
Albrecht blieb zurück und sah sich um.
"Du bringst mich immer wieder dazu, für dich zu arbeiten, ob
ich es will oder nicht, egal, ob es am Ende zerstört wird oder gut
geht." Er schwieg kurz und sah nach oben. "Und ich kann nicht einmal mehr
über meine eigenen Witze lachen."
Joro trat auf den Hof und sah eine Unmenge an Mönchen, Priestern
und Totengräbern durch die Tore des Klosters nach draußen in
die Stadt strömen, jeder zweite von ihnen eine Fackel in der Hand,
denn die Sonne ging noch nicht auf.
Er ließ sich in den Strom nach unten zwischen die Häuser
treiben und als er auf dem Vorplatz des Schlosses angekommen war, trat
er an die Türen und wies die Wachen an, sie zu öffnen.
In dem relativ schmucklosen Eingangsbereich standen Olgerich, Justin
und dessen Dreieranhang. Der Ordinarius machte ein Gesicht, als stellte
er sich vor, wie er ihm die Eingeweide aus dem Leib riß, aber natürlich
traute er sich das nicht. Stattdessen versuchte er, ein überhebliches
Grinsen im Gesicht zu behalten, was er nicht sonderlich gut hinbekam.
Olgerich empfing den jungen Priester höflich und schaute auf
die Sanduhr, die auf einem Tisch in der Halle stand.
"Meine Herren, es wird Zeit."
Er begann die ersten Stufen, die in der Halle auf eine Galerie führten,
zu erklimmen, machte aber noch einmal Halt, als sich Justin und seine drei
Anhängsel in Bewegung setzten.
"Nur die Kandidaten, Justin, das wißt ihr, so ist es Brauch."
"Jaja, schon gut", erwiderte der Ordinarius und wedelte heftig mit
den Armen, um seinen Begleitern zu gebieten, unten zu bleiben. Joro ging
mit etwas Abstand zu ihm die Treppe hoch.
Oben angekommen hielten sie vor einer Tür, die auf einen Balkon
führte, der zum Platz hinausging. Olgerich lächelte Joro an und
sagte: "Ihr könnt die Maske abnehmen, Totengräber, es ist der
Brauch der Kirche, daß sich diejenigen, die sich wählen lassen
wollen, auch dem Gott ohne die Maske präsentieren."
Er fragte lieber nach, aber Celestus sagte knapp: "Es ist in Ordnung.",
weshalb er die Gesichtsbedeckung abnahm und an seinen Gürtel hängte.
"Seid ihr beide bereit, meine Herren?" Olgerich machte ein feierliches
Gesicht.
Beide nickten, Joro mit nervösem, Justin mit siegessicherem
Gesicht.
Der Fürst öffnete die Tür und gebot ihnen, stehenzubleiben.
Draußen brandete Jubel auf, als der kleine Mann auf den Balkon
heraustrat. Er machte beschwichtigende Gesten und wartete bis sie sich
beruhigt hatten.
"Ehrenwerte Bürger von Bargum", hob er an, "wir haben uns hier
bei Sonnenaufgang versammelt, um nach dem tragischen Dahinscheiden unseres
alten Bischofs ein neues Oberhaupt unserer Kirche zu erwählen, das
unsere Geschicke mit Güte und Weisheit überwachen soll, für
lange Jahre und mit einem erfüllten Leben voller Gnade vor dem Herrn
Celestus."
Es gab wieder Beifall, der diesmal etwas kürzer war.
"Aber ich habe eine Überraschung für euch alle, meine
braven Bürger. Denn geradezu im letzten Augenblick hat sich ein zweiter
Priester um diese Position beworben."
Ein Raunen ging durch die Menge, was der Fürst wieder mit einigen
Gesten zum Erliegen brachte.
"Ich präsentiere Euch zunächst den alten Kandidaten, den
Ordinarius unseres alten, ehrwürdigen Bischofs, Justin!"
Dieser trat ungefragt vor und stellte sich, ein paar seiner Ansicht
nach wohl majestätisch wirkende Armbewegungen machend, rechts neben
den Fürsten.
Von unten ertönte zunächst etwas verhaltener Jubel, der
dann mit einem Mal von einem zusätzlichen Chor verstärkt wurde.
Joro mußte schmunzeln, da hatte wohl jemand seinen Einsatz verpaßt.
Der Fürst nickte einmal in die Runde, dann ergriff er wieder
das Wort.
"Und nun seht den anderen, der sich zur Wahl stellt, es ist der
Totengräber unseres Herren, Joro Macun."
Der junge Priester trat heraus auf den Balkon, geriet ob der Masse
beinahe ins Schwindeln. Unter dem Balkon standen wirklich Tausende von
Menschen und schauten zu ihm herauf. Olgerich griff ihn am Ellenbogen und
lächelte ihn an, dadurch beruhigte er sich wieder.
Die Menge unter dem Balkon hatte keine Hand geregt, stattdessen
hatten alle angefangen zu tuscheln und miteinander zu diskutieren. Die
Versuche des Fürsten, sie davon abzubringen, waren erfolglos.
Justin witterte sein Chance.
"Seht euch den Mann an! Er war es, der den alten Bischof getötet
hat!"
Joro sah ihn überrascht von der Seite an, dann merkte er, wie
er wieder wütend wurde.
"Bürger von Bargum! An diesem Morgen waren Hunderte von euch
zugegen! Viele von euch werden gesehen haben, was wirklich geschah! Sagt
es diesem Lügner ins Gesicht!"
Doch der Ordinarius ließ nicht locker.
"Ich habe meinen Herren dem Bischof für über fünfzehn
Jahre gedient", rief er laut und fügte noch hastig hinzu, "und unserem
Gott genauso! Glaubt ihr mir, oder einem dahergelaufenen Bauernjungen,
der behauptet hat, in dessen Namen zu handeln?"
Ein paar Stimmen unten brüllten: "Hängt den Mörder!",
aber sie wurden ziemlich schnell von einigen Dutzend anderen niedergebrüllt,
unter anderem rief einer: "Er ist kein Mörder, der Bischof wollte
ihn umbringen lassen!"
Die Volksseele begann hochzukochen, daher entschloß sich der
Fürst dazu, ziemlich laut "RUHEEE!" zu brüllen.
Nachdem die Menge sich beruhigt hatte, ergriff wieder der Fürst
das Wort.
"Ich überlasse die Entscheidung den mündigen und weisen
Bürgern unserer Stadt." Er wollte gerade die Urnen herumgehen lassen,
als Joro ihn am Arm zupfte und fragte:
"Werden eigentlich die Bürgerschaftsurkunden kontrolliert oder
kann jeder, der die zehn Münzen mitbringt, eine Stimme abgeben?"
Olgerich sah ihn kurz befremdet an, aber dann verstand er sofort,
was Joro meinte. Er schaute schief zu Justin hinüber, der immernoch
mit arrogantem Grinsen dastand und Huldigungen von ihm ergebenen Priestern
entgegennahm.
Der Fürst sah einmal über die ganze Menge.
"Ihr hier Versammelten, ich möchte zudem eine neue Tradition
einführen, und erbitte eure Stimmen und Gegenstimmen dafür. Statt
die Gebühr zu entrichten, wollen wir es euch überlassen, ob ihr
eine Spende an die Kirche gebt, stattdessen dürfen alle, die hier
anwesend sind, per Handzeichen abstimmen, welchen der Kandidaten ihr haben
wollt."
Justin hatte mitbekommen, was da vor sich ging.
"Wie? Wartet! HALT!"
Olgerich musterte ihn.
"Was ist los, Justin, habt Ihr Einwände?"
"Ihr könnt doch nicht einfach das Prozedere ändern, das
seit Beginn unserer Kirche besteht!"
"Doch, das kann ich, denn in den Texten steht einzig und allein,
daß es dem Fürsten von Bargum obliegt, das Volk der Stadt zu
befragen, wen sie sich als Bischof wünschen. Darin steht nichts von
'nur Bürger' und die Gebühr ist auch nirgendwo festgeschrieben."
Er lächelte. "Außerdem könnt ihr euch doch der großen
Sympathie der Bürger von Bargum sicher sein, oder etwa nicht?"
Joro mußte schmunzeln. Das war wohl eine jener Verfälschungen,
von denen Celestus gesprochen hatte, als es um die Änderungen in Albrechts
Schriften ging.
Der Fürst, wieder zur Menge gewandt, rief: "Wer dafür
ist, den neuen Bischof per Handzeichen zu wählen, hebe jetzt seinen
Arm.
Eine Masse von Händen schoß in die Höhe und nach
und nach entschieden sich auch eine ganze Reihe von Unentschlossenen dafür.
"Und jetzt jene, die strikt dagegen sind!"
Die Anzahl an Händen war deutlich weniger.
Justin tobte.
"Ich warne Euch, Olgerich. Beendet dieses Schauspiel oder ihr werdet
die Konsequenzen tragen müssen."
Der sah ihn nur voller Verachtung an.
"Das tue ich gerade, du miese Filzlaus", sagte er leise, was Justin
dazu brachte, nach Luft zu schnappen.
"Nun hebe ein jeder die Hand, der den Ordinarius Justin zum nächsten
Bischof von Bargum wählen möchte."
Eine gute Anzahl der schwarz gekleideten Priesterschaft hob die
Hände. Dabei sah Joro, daß es durchaus einige gab, die ihre
unten ließen. Justin sah zu jedem Einzelnen von ihnen hinunter und
schien sie mit seinen Blicken töten zu wollen.
"Und nun hebe ein jeder die Hand, der den Totengräber Joro
Macun auf dem Sessel unseres Bischofsamtes sehen will!"
Zunächst gingen nur einige wenige Hände nach oben, was
von Justin mit einem beinahe hysterisch kreischenden Jubelgeschrei beantwortet
wurde. Joro ließ die Schultern hängen und wollte sich gerade
zum Gehen wenden, da sah er nach und nach mehr Hände hochgehen. Über
den ganzen Platz hinweg kam ein Arm nach dem anderen nach oben.
Der Ordinarius schaute immer hektischer zwischen Olgerich und der
Menge hin und her und begann lautstark zu schreien, daß der Fürst
Joro viel mehr Zeit einräumte, als ihm.
Plötzlich gab es einen dumpfen Schlag, der ihn nach vorne stolpern
und dann über die Balustrade in die Menge fallen ließ.
Da jubelte die Menge auf und mehr als drei Viertel von ihnen reckten
ihre Hände in die Höhe.
Olgerich und Joro schauten verwirrt beide nach rechts und sahen
dort, etwas im Hintergrund, zwischen den Balkontüren eine Gestalt
stehen, es war Dinin.
Der zuckte mit den Achseln und ließ den Knüppel sinken.
"Also mir ging er auf die Nerven."
Der Fürst sah fragend und kurz davor, seine Fassung zu verlieren,
zu Joro. Der grinste.
"Euer Durchlaucht, darf ich Euch meinen besten Freund und Lebensretter
vorstellen? Dies ist Dinin Veldrin’Ssreen, ein Oberflächendrow."
"O...Oberflächendrow?"
Joro seuftze. "Einer von den Guten."
"Oh." Das Gesicht des Fürsten erhellte sich. "Aber den zeigen
wir denen da unten besser nicht, sonst war die Wahl umsonst."
Olgerich drehte sich dem Volk zu.
"Damit ist es entschieden! Ich erkläre Joro Macun zum neuen
Erzbischof von Bargum!"
Die Menge jubelte und überall flogen Hüte in die Luft,
und sogar ein paar Masken, denn die Sonne hatte sich den Weg über
den Horizont gebahnt. "Gehen wir wieder hinein", meinte der Fürst,
"wir haben noch etwas Ruhe, bis man euch auf den großen Sessel setzt."
Auf dem Weg die Galerie entlang schaute sich Olgerich zu Dinin um,
der mit einigem Abstand folgte.
"Warum so scheu, Herr, verzeiht, wie war Euer Name noch gleich?"
"Dinin reicht völlig. Ich bin in Gegenwart von Menschen lieber
etwas vorsichtig."
"Ihr beleidigt mich, Dinin. Erst habt ihr den Mut, euch einer Masse
von einigen tausend Menschen auszusetzen und nun habt Ihr Angst for einem
alten Mann?"
"Eher vor dessen Schloßwachen."
"Das können wir ändern. Hauuuuptmann!"
Ein bulliger, großer Mann kam in die Eingangshalle gesprintet.
Als er Dinin neben seinem Fürsten sah, griffen er und der Drow sofort
beide gleichzeitig nach ihren Waffen.
Olgerich hob beide Hände.
"Halt! Dieser Dunkelelf ist mein Gast. Er steht unter meinem persönlichen
Schutz! Wer ihm etwas antut, wird sich vor meinem Gericht verantworten
müssen!"
Der Soldat schaute ihn verblüfft an und lockerte den Griff
um sein Schwertheft nur ein bißchen.
"S...seid Ihr sicher, Durchlaucht?"
"Das war kein Vorschlag, sondern ein Befehl, Soldat. Hast du das
verstanden?"
Der Hauptmann salutierte hastig und brüllte:
"Jawohl, mein Fürst!"
"Gut, dann geh und sage es jeder Wache im Haus und laß einen
Befehl an die Stadtwache herausgeben. Wenn diesem Mann ein Leid geschieht,
werde ich dich persönlich dafür verantwortlich machen, hast du
mich verstanden?"
Der Mann hatte seine Unsicherheit abgestreift und tat nun das, was
er offenbar am besten konnte, nämlich Befehle zu befolgen.
"Ihr habt den Fürsten gehört, bewegt eure Ärsche
und macht Meldung an alle Posten, los, los, LOOOS!"
Olgerich drehte sich wieder zu dem Drow um.
"Beruhigt Euch das ein wenig, Herr Dinin?"
Der Assassine mußte grinsen.
"Das nenne ich einen konkreten Fall von 'Gesagt-Getan'."
"Ich habe vielleicht nicht Joros Rune auf der Kehle, aber ich stehe
zu dem Wort, das ich gebe. Und ich werde mir Euer Angebot noch einmal überlegen,
Bischof."
Es fühlte sich in Joros Magen komisch an, daß er ihn
so nannte.
Dinin wollte aber noch etwas wissen.
"Wie kommt es, daß ihr das alles so gedreht und gebogen habt,
Fürst Olgerich?"
"Oh, Ihr kennt meinen Namen?"
"Sagt man Elfen nicht nach, daß sie gebildet sind?", meinte
der Drow mit einem Augenzwinkern.
"Ich fühle mich geehrt. Nun, um auf eure Frage zu antworten:
Ich war, wie ihr anhand der Abstimmung gesehen habt, nicht der Einzige
in Bargum, der Justin und die, die so waren wie er, leid waren... Ihr habt
ihn doch nicht getötet, oder?", fügte er mit einem besorgten
Gesicht hinzu.
"Nein, tot ist er nicht, aber ich denke, er wird eine ganze Weile
bewußtlos bleiben und sich hinterher an wenig erinnern."
"Gut, das hätte ich nämlich nicht gut geheißen.
Wenn hier in Bargum irgendjemand einen anderen umbringt, dann bin ich das."
Joro und Dinin sahen ihn betroffen an, aber der Fürst lachte.
"Das war ein Witz, meine Herren."
Der Priester, Verzeihung, Bischof grinste gequält und Dinin
wischte sich spontan entstandenen Schweiß von der Stirn.
Zwei der Wachen trugen Justin herein, seine drei Begleiter waren
wohl geflüchtet.
"Er lebt, Durchlaucht, auch wenn er eine riesige Beule am Hinterkopf
hat. Irgendetwas muß ihn von hinten getroffen hab... Ist das, eh,
der?"
"Ja, dieser Drow ist der besagte. Bischof Macun, was sollten wir
Eurer Ansicht nach mit diesem Mann machen?"
"Werft ihn in den Kerker und macht ihm den Prozeß, so wie
es sich für einen Verbrecher gehört."
Der Fürst stimmte dem zu.
"In den Kerker mit ihm! Und er wird nur von der Stadtwache bewacht,
ist das klar?" Er überlegte. "Nein, wartet. Ich will, daß ihr
ihn hier im Schloß in den Keller einsperrt. Keine Besucher, er wird
nicht von hier fortgebracht, außer ich oder der Bischof persönlich
kommen, um ihn zu holen!"
Joro sah sich den Fürsten an. Von der hoffnungslosen Körperhaltung,
die er noch wenige Stunden zuvor im Speisesaal des Klosters aufgewiesen
hatte, war nichts mehr übrig. Justin loszuwerden hatte ihm offenbar
eine gehörige Portion neuen Lebensmut gegeben.
Olgerich hatte Joros Blick bemerkt und fragte fröhlich:
"Was ist, Bischof, ist irgendetwas mit meinem Äußeren?"
"Nein, vielmehr frage ich mich gerade, wie es kommt, daß Ihr
auf einmal so lebendig wirkt, wo Ihr doch noch vor wenigen Stunden so trostlos
im Speisesaal des Klosters saßet."
"Heute nachmittag werdet ihr mich am selben Ort in bester Laune
erleben."
"Was geschieht jetzt?"
Der Fürst schmunzelte und meinte: "Ihr habt eine gloriose Zukunft
vor Euch, Macun, ein Mann, der so gut wie nichts über die Bräuche
dieser Kirche weiß, ist der beste, um diese neu zu formen."
"Ich hoffe, daß das alle dort so positiv sehen werden."
"Das wage ich allerdings zu bezweifeln..."
Olgerich klatschte in die Hände und ein paar Diener betraten
die Halle.
"Bringt mir meinen schönsten Umhang und meine Insignien, ich
gehe mit Bischof Macun zum Kloster."
Die Lakaien nickten alle eifrig und verschwanden wieder. Einige
Augenblicke später brachten sie einen purpurnen Samtumhang, eine Krone
und ein Szepter in die Halle.
"Herr Dinin?"
"Ja, Durchlaucht?"
"Machte es Euch viel aus, wenn Ihr hier solange wartetet?"
"Keine Angst, ich werde einen unauffälligen Weg finden, in
Joros Nähe zu bleiben."
"Gut, dann sind wir uns ja einig."
Der Fürst ging zur Tür und deutete Joro, ihm zu folgen.
Als sie vor der Tür standen, sah der kleine Mann zu ihm hoch und lächelte.
"Dann wollen wir doch mal sehen, was die Leute da draußen denken."
© Matthias
Wruck
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