»Chanel, ich lenke ab jetzt«, entschied Flanel mit strenger
Stimme. »Jemand, der andauernd gegen Meteoriten prallt, sollte kein
Auto fahren, das ist mir inzwischen klar geworden. Und das hier ist wie
das Navigieren durch einen ganzen Schwarm Meteoriten.«
»Andauernd! Es war nur zwölftausend Mal, das ist so gut
wie nichts!«, verteidigte sich Chanel beleidigt, überließ
dann aber anscheinend doch ihrer Freundin die Führung. Jedenfalls
schlängelte sich der Wagen von da an problemlos durch die entgegenkommenden,
wild hupenden Autos über die Autobahn.
Irgendwann einmal schien Flanel eine Ausfahrt erwischt zu haben,
denn bald zogen sie wieder an Häusern und Geschäften vorbei.
»In der Innenstadt darf man nicht so schnell fahren!«,
murmelte Tigris, der vor Angst und wegen der hohen Geschwindigkeit sehr
übel geworden war.
»Stimmt, Tigris kommt sonst auf diesen Fotos gar nicht richtig
zur Geltung!«, rief Chanel und Flanel drosselte daraufhin das Tempo.
»Was für Fotos?«, fragte Caramel mit großen
Augen.
»Na, diese Bilder, die diese grauen Kästen an den Straßen
von den Autofahrern aufnehmen«, erklärte Chanel, stolz darauf,
wieder einmal mit ihrem Wissen brillieren zu können. »Man kriegt
sie kostenlos zugesandt. Und wenn sie gut gelungen sind, dann spendet man
der Polizei eine Kleinigkeit für diese nette Geste. Sind eigentlich
doch gar nicht so übel, diese Polizisten, finde ich.«
Vor ihnen tauchte das Benrather Schloss auf, das von Scheinwerfern
beleuchtet wurde und dessen barocke Gebäude und Pavillons sich um
einen großen Weiher herum gruppierten. Eine leere Straßenbahn
fuhr an ihnen vorbei, ansonsten war kaum eine Menschenseele auf den Straßen
des Düsseldorfer Vororts zu sehen.
»Ist das Neu-Delhi?«, fragte Chanel und sah sich mit
großen Augen um.
»Ja«, antwortete Tigris ohne zu zögern. »Dort
hinten ist das berühmte Neu-Delhi-Schloss. Ich würde es mir wirklich
sehr gerne ansehen.«
»Okay, du sitzt ja am Steuer«, lachte Flanel und dirigierte
den Wagen prompt von der Straße, der daraufhin die kniehohen Büsche
zum Weiher durchbrach, hinter denen einige Parkbänke standen. Der
Mercedes stieß sie gnadenlos um. Dann rasten sie ungehindert auf
den großen Schlossteich zu, der friedlich im Licht einiger Scheinwerfer
glitzerte. In seiner Mitte befand sich eine kleine Insel, auf der die Enten
in Holzhüttchen schliefen.
Im letzten Moment bremste Flanel den Mercedes am Ufer abrupt ab.
Glücklicherweise besaß der Wagen einen Airbag, der sich auch
schon aufgeplustert hatte, bevor Tigris’ Kopf auf das Lenkrad krachen konnte.
»Oh, ein eingebautes Kopfkissen! Aber ich dachte, schlafen
beim Steuern ist nicht erlaubt?«, wunderte sich Chanel.
Erschöpft riss Tigris den Kopf zurück und ließ sich
zurück in den Sitz fallen. Diese Daimons, oder was auch immer sie
waren, gingen eindeutig über die Grenzen des Erträglichen.
»Manchmal muss man sich eben ausruhen, nicht?«, knurrte
sie grimmig.
»Das stimmt. Bist du jetzt ausgeruht? Und bist du sicher,
dass hier Neu-Delhi ist? Ich kann überhaupt keine anderen Daimons
wahrnehmen...« Caramel betrachtete zweifelnd den Teich.
»Nein, eigentlich nicht. Ich war noch nie in Neu-Delhi, wisst
ihr«, murmelte Tigris matt.
»Na, auch egal. Dahin können wir ja noch später
fahren.«
»Ich muss frische Luft schnappen gehen«, Tigris riss
die Wagentür auf und hechtete ins Freie.
Ein Pärchen Jugendlicher betrachteten aus ihrer Position hinter
den Hecken fassungslos den ›verunglückten‹ Mercedes, der verbeult
und zerkratzt am Ufer des Teiches stand, und das junge Mädchen, das
nur mit einem dünnen Nachthemd und Plüschpantoffel bekleidet
am Ufer des Teiches entlang stampfte und mit sich selbst redete. Eine Verrückte!
Sie rannten eiligst fort, wobei einer der beiden sein Handy im Rennen zückte.
Doch sie waren nicht die Einzigen, die schon die Polizei verständigt
hatten...
»Und gefällt es dir hier? Ein bisschen langweilig, oder?«,
rief Chanel Tigris hinterher.
»Oh, durchaus nicht. Dieser Teich spricht mich sehr an, wirklich.
Ich mag diesen Teich«, flüsterte diese tonlos. Benrath! Das
lag am südlichen Ende von Düsseldorf, mindestens zehn Kilometer
von ihrem Zuhause entfernt.
»Hm ja, davon habe ich im Handbuch gelesen. Menschen mögen
Wasser sehr. Sie treiben dort gerne Sport, zum Beispiel dieses Wasserski.
Magst du Wasserski, Herzchen?«, rief Chanel weiter.
»Oh jaaa, absolut. Man kann hier sicherlich sehr gut Wasserski
fahren!« Tigris schüttelte missmutig den Kopf.
»Na, dann halt das hier gut fest«, sagte Flanel, die
plötzlich vor ihr stand und ihr einen weißen, länglichen
Haltegriff in die Hände drückte.
»Was soll das denn?«
Die Antwort erübrigte sich jedoch.
Es riss Tigris von den Beinen, sie wurde durch das feuchte Gras
gezogen und landete mit einem unglaublichen Platscher im Wasser, den Griff
immer noch umklammernd. Als sie prustend und um Luft ringend wieder aus
dem eiskaltem Wasser auftauchte, bemerkte sie, was geschehen war: sie hielt
den Griff, an dem eine grünglitzernde Leine befestigt war, die von
den drei Daimons gezogen wurde. Die drei schwebten juchzend und zugegebenermaßen
ungemein elegant über das Wasser und schliffen Tigris dabei hinter
sich durch die Fluten.
»Halt! Nein!«, brüllte Tigris und hustete, als
sie Wasser in die Lungen bekam.
»Ach, sei nicht so schüchtern. Wir machen das wirklich
gerne für dich!«, rief Caramel in strahlendster Laune. Die drei
zogen weiterhin ihre Bahnen über den Teich, dabei harmonisch miteinander
'Moon River' summend, während Tigris um ihr Leben kämpfend an
der Leine hing.
»Vielleicht würde ich an deiner Stelle loslassen?«
bemerkte eine Stimme neben ihr. Engelbert! Er lag rücklings auf dem
Wasser und glitt entspannt neben ihr her, ohne nass zu werden.
»Aber... dann...« Ihre Einwände gingen in einem
weiteren Hustenanfall unter.
»Gut, ich erledige das. Aber komm bloß nicht auf die
Idee, mir zu danken. Ich mache das nicht aus Sympathie!« Engelbert
schnippte mit den Fingern, woraufhin die Leine zerriss.
»Zu... kalt... mich nich mehr bewegen ...«, röchelte
Tigris und schlug mit den Händen wild um sich.
»Heeeee!«, kreischten Chanel, Caramel und Flanel gleichzeitig
und kamen furios heran geschossen.
»Wir sind ihre Freundinnen, verstanden? Such dir einen anderen
Xendi aus!«
»Nein, seid ihr nicht.« Engelbert baute sich mit verschränkten
Armen vor den dreien auf, wobei er mit lässig gekreuzten Beinen auf
dem Wasserspiegel stand. »Ihr habt keinen Plan von nichts, schon
gar nicht von Menschen. Ich bin ihr BodyDaimon, von Raffiyell höchstpersönlich
beauftragt, auf sie aufzupassen. Also schwirrt ab. Sonst erzähle ich
PAGAN von euch. Man darf keine Menschen nachts in Teiche schubsen, um mit
ihnen Wasserski-Fahren zu spielen, wenn man das Wesentliche dann doch vergisst.«
»Hül-pe!«, stieß Tigris glucksend hervor,
bevor sie wieder unterging, immer noch verzweifelnd mit den Händen
rudernd. Das eisigkalte Wasser lähmte von Sekunde zu Sekunde ihre
Muskeln.
»Ach, und was haben wir vergessen?«, fragte Caramel
ärgerlich.
»Ich wage kühn zu behaupten: Die Wasserski?«
Erschrocken sahen sich die drei an.
»Pfft. Hier ist sowieso nicht Neu-Delhi, obwohl wir eigentlich
dorthin wollten«, sagte Chanel schließlich schnippisch und
warf hochmütig die Nachtboa über ihre Schulter.
»Nach Neu Delhi geht es... dort lang. Adios!« Engelbert
winkte ihnen übertrieben freundlich nach, während sie zu Funken
verglühten. Dann betrachtete er das wild um sich schlagende Mädchen
unter sich.
»Jetzt, wo du ohnehin schon unterwegs bist, können wir
ja auch gleich nach England weiterfahren, oder?«
»Hilf ... mir!«
»Und danach fahren wir nach England, versprochen?«
»Ja!«
»Na gut. Wenn ich geahnt hätte, wie überzeugend
ein kleines Bad bei dir wirkt, hätte ich dich gleich in den Indischen
Ozean geschmissen.«
Ein ungeheurer Schub erfasste Tigris und ließ sie schnell
durch das Wasser gleiten, bis sie mit einem Mal feuchte Erde unter sich
fühlte. Etwas um sie herum flatterte aufgeregt auf, dann hob ein Schnatterkonzert
ohnegleichen an. Kopflos flüchteten die Enten ins Wasser.
»Du Idiot!«, heulte Tigris auf. »Du hast mich
auf diese Enteninsel verfrachtet!«
»Hm, na ja gut, ich hab mich etwas verrechnet«, gab
Engelbert freimütig zu und setzte sich neben Tigris ins Gras. »Du
solltest eigentlich dort drüben am Ufer landen. Komm zurück ins
Wasser, dann schiebe ich dich dorthin.«
»Ich mache gar nichts mehr. Ich hasse dich - dich und diese
drei verrückten drei Dämonenbräute. Ich will nach Hause!
Mir ist kalt! Ich... ich kann nicht mehr...« Tigris fing an zu weinen,
bis sie sowohl vor Kälte als auch wegen der Schluchzer nur noch einem
bibbernden, zitternden Häufchen Elend glich.
»Ach du Schande! Ähm... wir haben ein Problem«,
bemerkte Engelbert langsam.
Tigris hob den Kopf.
Zwei Polizeiautos und ein Krankenwagen kamen mit Blaulicht durch
die Toreinfahrt des Parks gefahren.
»Oh mein Gott, wie soll ich bloß erklären, wie
ich hierher gekommen bin?«
»Bleib bei der Wahrheit: Drei Verrückte haben dich entführt,
dich schließlich ins Wasser geworfen und sind abgehauen.«
»Sie werden mich in die Klapse einweisen. Ich weiß es.«
Tigris schloss erschöpft die Augen und schlang die Arme um sich. Vor
Kälte und Angst bebte sie am ganzen Körper, während ihre
Gedanken zunächst in bunten Wirbeln durcheinander flatterten. Doch
schließlich kristallisierte sich immer stärker nur noch ein
Satz in dem Farb- und Geräuschkonzert ihres Geistes heraus: Ich habe
das Xendium.
Alles, nur das nicht!
»Sie werden mich in die Klapse einweisen. Ich will es so«,
sagte sie schließlich grimmig zu sich selber. » Ja, ich will
es. Sie werden mir Medikamente geben, und alles wird wieder gut.
Alles wird wieder gut, ich muss mir nur helfen lassen.«
»Bete zu Gott, dass sie dir kein Calmidoron 66.6 verpassen«,
antwortete Engelbert düster und sah Tigris undeutbar mit seinen kristallhellen
Augen an. »Halte durch! Ich gehe rüber nach Shangri-La und versuche,
Hilfe zu holen. Vergiss nicht: Kein Calmidoron 66.6!«
Mit diesen Worten verschwand er.
Doch Tigris achtete gar nicht mehr auf ihn, sondern erhob sich,
als ein Schlauchboot mit Motorantrieb ins dunkle Wasser des Benrather Ententeiches
gelassen wurde.
»Ja, endlich werde ich gerettet«, flüsterte sie
lächelnd. »Bald ist Schluss mit dem ganzen Mist.«
Sie nahm gar nicht mehr richtig wahr, wie das Boot anlegte, zwei
Retter zu ihr ans Ufer sprangen und sie ins Boot verfrachteten, wo ihr
eine warme Decke über die Schultern gelegt wurde. Dann lag sie in
einem Krankenwagen, über sich das ernste Gesicht eines Sanitäters,
der immer wieder auf sie einredete, bis sie endlich irgendwann einmal verstand,
dass er nach ihrem Namen fragte. Daraufhin leierte sie nicht nur ihre ganze
Anschrift mechanisch herunter, sondern auch noch ihr Geburtsdatum und ihre
Handynummer, dass Dämonen sie bedrohten, dass Neu Delhi ganz wo anders
war und dass sie später einmal gerne England besuchen wollte, wo die
abtrünnige Zauberer lebten.
Dann wirkte das Beruhigungsmittel schließlich und ließ
sie wegtreten.
.
Kaum hatte Danubia das Amulett abgelegt, sprang sie augenblicklich
das Vibrieren in der Luft an. Der Whisper war immer noch da und lullte
das Bewusstsein der Menschen im ganzen Haus ein. Er kitzelte an ihren Haarspitzen,
als wolle er sich einschmeicheln.
»Nein!« rief sie laut und entschieden und riss die Augen
auf. Keuchend sprang sie zurück, wobei sie beinahe gegen ihre Haustür
prallte.
Seher nahmen an nahezu allem eine Aura wahr, ob Stein oder Lebewesen.
Zudem erschienen ihre Farben weitaus kräftiger und unruhiger, als
vibrierten sie. Und elektrisches Licht - ... es blendete Danubia wie immer
anfangs so sehr, dass sie schockiert aufkeuchte und blind zurück in
den Wohnungsflur stolperte, zitternd eine Sonnenbrille aus der Kommode
kramte und aufsetzte. Immer noch schmerzten ihr die Augen, doch wenigstens
konnte sie die Unmengen an bläulichen Schleiern und Fäden erkennen,
die überall schwebten.
Vor ihrer eigenen Haustür befand sich eine ganze Nebelbank,
die sich jedoch bei genauerem Studium aus drei unterschiedlichen Mustern
zusammenwob.
Es waren also drei von ihnen hier gewesen. Drei Dämonen, natürlich.
Den Verwirbelungen in der Nebelbank nach zu urteilen drei aus dem Volk
Nanduri. Art und Farbe dieser Verwirbelungen waren wie Fingerabdrücke.
Ein geübter Seher kannte viele dieser Spuren. Und dass sie so gut
zu erkennen waren, erstaunte Danubia. Dämonen benutzten fürgewöhnlich
ein Artefakt aus Aethron, das ihre Spuren auf ein Minimum verwischte, so
dass man kaum etwas aus ihnen herauslesen konnte. Ihr fiel ein, wie Mira
ihr damals die Ansichten von PAGAN hatte nahe bringen wollen, was die immateriellen
Wesen anging.
›Sie sind alle von der gleichen Art, Danubia. Und ihr solltet sie
endlich nach ihren Taten beurteilen und nicht an dem, was eure alte Schriften
euch diktieren. So wie es die Menschheit gibt, gibt es die Daimons. Sie
denken. Sie fühlen. Und man kann sie nicht einfach in Engel und Teufel
einteilen. Kannst du einfach die Menschheit in eine Gruppe von Guten und
in eine Gruppe von Bösen einteilen? Nein, natürlich nicht. Auch
sie sind Individuen und können nur individuell beurteilt werden‹.
Entschlossen stürmte sie die Treppen hinunter, wobei sie immer
wieder auf Aethron-Spuren stieß. Sie hatten ihre Tochter offensichtlich
entführt.
Aber wieso?
Tigris war in jeder Hinsicht vollkommen nutzlos für sie. Sie
kannte keine Geheimnisse, war kein Führungsmitglied in den Sippen
...
›Dämonen empfinden Freude und Befriedigung daran, Menschen
zu quälen, einfach aus purer Niedertracht.‹ So lautete die Überzeugung
der Rosenstern-Allianz. ›Dies ist die Natur der Teufel, so sind sie: Abgrundtief
böse, eine schwere Prüfung für die Menschheit - und uns.
Deswegen müssen wir sie unbarmherzig verfolgen und vernichten. Sie
haben keine Seele und kein Gewissen.‹
›Das erklärt hingegen alles‹, dachte Danubia verbittert und
wischte die Gedanken an Mira oder PAGAN hinfort.
Vor der Haustür, im Vorgarten, fand sich ein ganzes grünliches
Gespinst, wie Spinnweben mit einem dichten Nebenkern in der Mitte, der
pulsierte. Aethron war angewandt worden. Die Nanduri hatten an dieser Stelle
Materie umgeformt. Offensichtlich waren ihnen dabei zwei der Schmidtkeschen
Gartenzwerge zum Opfer gefallen, es waren nur noch drei. Feine Fäden
verteilten sich überdies die ganze Straße hinab.
Danubia sprang in ihr Auto und folgte den feinen Spuren aus Aethron.
Sie führten zu ihrem Entsetzen in Richtung Autobahn.
»Oh mein Gott! Sie werden sie hoffentlich nicht mitten auf
die Fahrbahn geworfen haben!«, rief sie verzweifelt. Tigris befand
sich womöglich in der Gewalt abgrundtief böser Wesenheiten. Sogar
PAGAN, das wusste Danubia aus Gesprächen mit Mira, sympathisierten
wirklich nicht mit allen Dämonen, auch wenn die Allianz nicht müde
wurde, das Gegenteil zu behaupten.
›Es ist doch wirklich nicht so, dass wir alle Daimons als Freunde
betrachten, Danubia‹, hatte ihr Mira einmal erklärt. ›In diesem Punkt
lügt die Allianz wider besseres Wissen. Wir stimmen sehr wohl darin
überein, dass eine große Zahl von Daimons aus Überzeugung,
Unwissenheit oder auch Angst für die MultiDemoniale Liga tätig
sind. Die MDL und vor allem jene, die sie anführen, sind auch unsere
Gegner. Wann begreift die Allianz, dass wir in Wahrheit dem gleichen Feind
gegenüberstehen?‹
Gemäß PAGAN war das Hauptanliegen der MDL stets das Gleiche
auf Welten mit Leben: den Prozentsatz an Aethron - oder DiS, wie man es
bei PAGAN nannte - immer höher zu treiben, bis er wenigstens 18% erreichte.
Das war eine bedeutsame und furchtbare Marke: Wenn 18% erreicht waren,
gab es fast nie ein Zurück. Sobald 18% erreicht waren, kamen einer,
mehrere oder vielleicht sogar alle Sieben Shinnn, die Anführer der
MDL.
Und von den Sieben Shinnn sprach man in der Allianz nur mit furchtsam
gesenkter Stimme, die Weiße Bibel fest ans Herz gedrückt.
Danubia fröstelte und folgte noch konzentrierter den für
die meisten Menschen unsichtbaren Spuren aus Aethron. »Bitte, Gott,
lass sie am Leben sein! Lass es keine Dämonen der MDL sein!«
Ihr Herz setzte einen Moment aus, als die Spuren eindeutig mitten
durch eine Baustelle auf der Autobahn führten, eine Kurve beschrieben
und sich dann auf der Gegenfahrbahn Richtung Süden weiter verteilten.
Plötzlich passierte es blitzschnell: Etwas Großes, Schwarzes
flog ihr entgegen und klatschte gegen die Windschutzscheibe; sie schrie
auf, steuerte geistesgegenwärtig auf den Seitenstreifen und bremste.
Zitternd vor Angst und auch Wut und die Hände um das Lenkrad
gekrallt, schaute sie den Dämonen an.
»Ich nehme nie Anhalter mit!« sagte sie mit vor Furcht
klappernden Zähnen.
Der Dämon, als bleicher Jüngling materialisiert, lag auf
der Kühlerhaube und war dabei, sich den rechten Scheibenwischer aus
dem Auge zu ziehen, der sich bei dem Aufprall in seinen Kopf gebohrt hatte.
Das war - bei einem Pegel von 6,3% Aethron weltweit - weder blutig noch
schmerzhaft für ihn, da die niederen Daimonen erst ab 9% inkarnierten
und eine menschengleiche Gestalt annahmen - mit allen Vor- und Nachteilen.
Sie musterte seine in sich verwirbelte, charakteristische Aura,
die jeder Unirdische ausströmte. Jeder Dämon, jeder Engel - aber
auch jeder Mensch mit Xendium.
»Als ob ich nicht selber von der Stelle komme, Mensch.«
Der Dämon aus einem ihr nicht bekannten Volk bohrte mit dem abgeknickten
Scheibenwischer in seiner Nase. »Wollte dir nur Bescheid sagen, dass
deine Nervensäge von Tochter im Krankenhaus ist.«
Danubia starrte ihn mit offenem Mund an.
»Ewigverfluchter Teufel! Was hast du mit ihr gemacht?«,
stammelte sie dann tonlos.
»Ich? Ich habe sie vor den drei Nanduris gerettet! Diese Dummons
hätten sie fast in einem Weiher ertränkt. Aber es geht ihr gut,
kriegt höchstens einen dicken Schnupfen, der Frischling.«
»Welcher Weiher?«
»Hmmm ... keine Ahnung mehr. Aber bei der Masse an Spuren,
die die Drei hinterlassen haben, findest du bestimmt leicht hin.«
Augenblicklich startete Danubia den Wagen wieder.
»Ähm ... ... könnte ich mitfahren? Ich war noch
nie in einem Auto.« Der Dämon grinste versöhnlich.
Danubia sah ihn furchtsam an. »Damit du mich mitsamt meines
Wagens in die Luft sprengen kannst, Teufel?«
»Wär’ doch echt schade um das Auto, Mensch. Und übrigens
bin ich kein Teufel.«
»Du lügst. Also bist du ein Teufel.«
»Die Logik der Allianz, natürlich. Habe ich Hörner?
Und starken Sonnenbrand? Siehst du irgendwo Anzeichen für eine missglückte
Kreuzung zwischen Mensch und Huftier?«
»Mach dich nicht lächerlich, wir glauben schon lange
nicht mehr, dass Teufel nur diese legendären Gestalten annehmen.«
»Oh Wunder des Fortschritts! Und woran unterscheidet ihr dann
zwischen Teufel und euren heißgeliebten Engeln? Oder tragen alle
für euch aus Rücksicht Namensschilder um den Hals, wie etwa ›Rokko,
Teufel der Siebten Hölle, bitte nicht reizen‹?«
Danubia lachte höhnisch auf. »Natürlich unterscheiden
sich Engel und Dämonen an einem bestimmten Muster in ihrer Aura.«
»Etwa so?« Der Dämon setzte ein übertrieben
dümmliches Lächeln auf, schaute gen Himmel und summte.
Danubia konnte jedoch darüber überhaupt nicht lachen,
schon gar nicht, als die Verwirbelungen in seiner Aura über seinem
Kopf ein ihr höchstbekanntes kleines Muster annahmen, eine Abfolge
von scheinbar willkürlich auftauchenden winzigen Blitzen.
»Du ahmst die Aura eines Engels nach! Dreimal verfluchter
Teufel, wie -«
»Nein, wirklich? Woran also, frage ich noch einmal ganz bescheiden,
erkennt ihr dann Teufel oder Engel? Ist jeder Engel wirklich ein Engel?
Wie könnt ihr jemals sicher sein?«
Danubia starrte den Dämonen bestürzt an. »Engel
sind hilfsbereit, gütig und allbarmherzig...«, stammelte sie
tonlos.
»Die Lieben! Dass es sie trotzdem noch geben soll ... Man
sollte sie unter Naturschutz stellen. Also, ich bin gerne dabei, dir bei
der Suche nach deiner Tochter zu helfen. Gleichzeitig bin ich so gütig,
dich vor Dummons wie den Nanduris zu beschützen. Aber bei allbarmherzig
streike ich, der Schuh ist mir zu groß.«
Danubia überlegte, was dieses Angebot bedeutete. Sie traute
dem Geschöpf zwar immer noch nicht... andererseits: Sie lebte noch!
Und vielleicht gehörte er tatsächlich zu den gutartigen Geschöpfen.
Seine Gegenwart bedeutete außerdem, dass sie anderen, vielleicht
bösartigen Dämonen nicht mehr hilflos ausgeliefert war.
»Du bleibst aber auf dem Rücksitz. Ich mag keine Dämonen,
erst recht keinen, der einen Engel nachahmen kann.«
»Als ob ich das bei der Masse Black DiS, die du ausströmst,
nicht schon längst bemerkt hätte. Zu deinem Glück treiben
sich nicht viele Daimons in dieser Stadt herum. Sie ist äußerst
langweilig.«
»Deswegen sind wir ja auch damals hergezogen«, knurrte
Danubia und ließ den Daimon nicht aus den Augen, als er einen Satz
über das Wagendach des blauen Fiat Panda machte und dann durch die
Heckscheibe glitt, als gäbe es sie nicht. Augenblicklich streckte
er sich behaglich aus und sah sich im Inneren um. »Ich glaub’ es
nicht: Ich bin in einem Auto!«
»Was hast du eigentlich mit Tigris zu tun?«, wollte
Danubia wissen, während sie der nächsten Ausfahrt entgegeneilten,
um auf die Gegenfahrbahn zu gelangen.
»Ich bin ihr BodyDaimon. Mieser Job, aber für sein Asyl
tut man bekanntlich alles und darf sich nicht zieren.«
»Wozu sollte Tigris einen Leibwächter brauchen? Sie hat
kein Xendium. Sie ist neutral.«
»Seit wann das denn? Oder besser gesagt: Bis wann das denn?
Sie kann mich sehen, sie konnte die drei Hohlbacken wahrnehmen ... sie
ist garantiert naiv und hysterisch, aber nicht neutral.«
»Natürlich ist sie neutral. Ich bin seherisch begabt
- oder verflucht, wie man es nimmt. Und ihr Vater ... war nur ein Träger
des Xendiums. Sie kann es gar nicht haben.«
»Echt jetzt? Ist ja merkwürdig. Ich schwöre dir,
Raffiyell selber hat gesagt, sie ist eine Ruferin.«
Beinahe wäre Danubia auf ihren Vordermann aufgefahren, als
ihr Fuß wegen des Schreckens über jenen Namen ungewollt kurz
das Gaspedal durchdrückte. Als sie ohne zu blinken auf die Überholspur
wechselte, nahm sie noch nicht einmal wahr, dass der Fahrer, an dessen
Audi sie vorbeizog, ein böses Gesicht machte und ihr einen Vogel zeigte.
»Was wollte der Hohe Erzengel Raffael ausgerechnet von meiner
Tochter?«. Danubia war nun vollkommen verwirrt.
»Keine Ahnung. Er hat ihr einen blöden Anhänger
geschenkt und ihr dann empfohlen, bei den Leutz von PAGAN vorbeizuschauen,
damit ihr Bliss trainiert wird. So nennen sie dort das Xendium.«
»Ich weiß«, fauchte Danubia kalt. »Aber
ein Hoher Erzengel würde sich niemals mit den Abtrünnigen von
PAGAN einlassen. Es war wohl eher jemand von der MDL.«
»Sie haben sich schon lange mit PAGAN eingelassen, allein
aus dem Grund, damit sie hübsch die Übersicht über alles
behalten, wie sie es gern haben. Und außerdem gibt es keine Engel,
schnall das endlich. Es gibt nur Daimons. Nichts als Daimons.« Der
Dämon schüttelte verständnislos über soviel Sturheit
den Kopf.
»Von wegen!«
»So ist es aber. Sogar Omrishah ist letztendlich ein Daimon
und nicht Gott, wie man auf manchen Welten glaubt.«
»Omrishah ist ein anderer, alter Name für den Heiligen
Geist. Man benutzt ihn kaum noch, er war seit jeher ohnehin nur den Xendii
bekannt.«
»Alt stimmt, aber alles andere ist nichts als Unsinn. Er ist
noch höchst lebendig, und schon gar nicht der Heilige Geist.«
»Oh Dämon, ich verschließe meine Ohren vor deinen
lasterhaften Lügen, und mein Herz vor deinen bösen Einflüsterungen!«
»Wenn ihr anfangt, aus der Weißen Bibel zu zitieren,
wissen wir, dass ihr kurz davor seid, hysterisch zu werden.«
»Hysterisch?« Danubia lachte verbittert auf. »Mein
Leben und das meiner Tochter haben sich endlich einigermaßen eingerenkt,
alles war bis vor einigen Tagen wundervoll und normal...« Sie stockte
kurz, weil es schon wieder verdächtig in ihrer Nase kitzelte. »Wir
waren kurz davor, der Welt der Sippen oder PAGAN endgültig den Rücken
zuzukehren... Und dann bricht alles zusammen! Alles ist das reinste Chaos.
Ich will mein Leben zurück. WIR wollen unser altes Leben zurück!«
»Für jemanden, der jahrelang als Seherin für die
Allianz gearbeitet hat, bist du bemerkenswert labil«, sagte der Daimon
spöttisch. »Als ob es dir egal sein könnte, was andere
Xendii tagtäglich leisten. Wer hält denn seinen Arsch für
Feiglinge wie dich hin? Wer kämpft gegen die MDL, damit Sensibelchen
wie du ihr ›normales‹ Leben führen können? Wem ist es zu verdanken,
dass der ganze Laden hier noch nicht endgültig auseinander geflogen
ist? 6,3% DiS weltweit, Tendenz steigend. Aber egal. Hauptsache, dein Shine
lässt sich mit einem kleinen Stein dimmen. Scheuklappen an und ab
durchs Leben. Nach mir die Shinnn-Party.«
»Was versteht schon ein Daimon von den Gefühlen von Menschen?«,
höhnte Danubia.
»Wahrscheinlich nichts.« Der Daimon sah den Autos nach,
an denen sie vorbeisausten. »Aber immerhin weiß ich, wie es
ist, die MDL im Nacken zu haben. Ich habe keine Angst davor, zu versteinern,
wie manche abergläubischen Dummons meinen, wenn man still hält
und sich dort verstecken muss, wo es weder andere Daimons noch sonstiges
Leben gibt. Wenn man niemanden außer seine Gedanken zur Gesellschaft
hat. Ich kann mich selber sehr gut ertragen. Inzwischen schätze ich
mich sogar sehr. Und sollte es so etwas wie Seele geben, schätze ich
auch sie. Niemand kriegt sie. Weder MDL noch irgendwelche selbsternannten
Engel. Als ob ein Gott es nötig hätte, irgendwelche Leute dafür
einzusetzen, die sie einsammeln wie herumfliegenden Müll.«
»Du glaubst also an eine Seele, aber nicht an Gott? Das widerspricht
sich doch.«
»Ich weiß nichts von Gott. Ich hänge manchmal gerne
eine Vorstellung seiner Existenz nach, wie die meisten Lebewesen auch.
Aber niemals ist mir Gott persönlich erschienen, niemals habe ich
seine Gegenwart gefühlt, niemals hat er mich getröstet, niemals
hat er mich bestraft. Trotzdem werde ich niemals behaupten, dass es ihn
nicht gibt. Ich kann aus Mangel an Beweisen weder seine Existenz noch sein
Nichtvorhandensein bestreiten oder bejahen.«
»Woran glaubst du dann, Dämon? Was ist der Sinn deines
Lebens, ohne Gott?«
»Möglichst stressfrei mein Leben zu genießen. Und
wenn ich mich schon stressen lasse, dann nur, damit ich hinterher wieder
umso entspannter weiterleben kann.«
»Schau an! Ich vertrete fast die gleiche Meinung. Und du willst
mir Schuldgefühle wegen meiner Zukunftspläne einreden?«
»Im Moment bin ich halt so gestresst!«
»Wir sind in Benrath. War ein Schloss in der Nähe des
Weihers?«
»Ja, genau gegenüber. Aber ich würde vielleicht
daran vorbeifahren und das örtliche Krankenhaus ansteuern. Am Weiher
ist niemand mehr.«
»Verdammt!« Danubia haute mit der Faust auf das Steuer,
als sie in den kleinen Vorort mit den zahlreichen gepflegten Altbauten
bogen. »Es muss etwas mit diesem Anhänger zu tun haben. Obwohl
ich mir sicher war, dass nichts Besonderes an ihm ist.«
»Schon möglich. Raffiyell wollte ihn ihr schon seit Tagen
andrehen. Letztendlich hat er es geschafft. Für einen machtvollen
Daimon hat er diesmal ziemlich viel Zeit gebraucht. Sah ziemlich gestresst
aus, der alte Zerrafin.«
.
Natürlich war es ein Traum.
Sie wusste es ganz genau, warum auch immer.
Gleißend präsentierte sich die Sonne in einem makellosen,
leuchtendblauen Himmel und ließ die verschwenderisch blühenden,
berauschend bunten Blüten auf der Wiese und den Büschen ringsum
leuchten, die Tigris durch ihre betörenden Farben und Düfte immer
noch schwindelig werden ließen.
Nicht das laueste Windchen regte sich in der Blumenlandschaft, die
Luft hing schwer vor betäubendem Blütenduft über dem Land.
Sie befand sich mitten in diesem Postkarten-Idyll, das unirdisch
schön wirkte - zu schön, als dass es diesen Ort tatsächlich
irgendwo geben könnte. Doch das Schlimmste war: Sie kannte diese Wiese.
Alles kam ihr seltsam vertraut vor. Hatte sie einmal ein Foto davon gesehen?
Stammte sie aus einem retuschierten Reiseprospekt? Sie wusste es nicht.
Aber so schön und wundervoll all das auch erschien - der Ort
flößte ihr mit jedem Atemzug Schmerz und Trauer ein. In der
brütenden Hitze lag eine bedrohliche Stille, die von einem Seufzen
jäh unterbrochen wurde - es stammte von dem Mädchen oder der
jungen Frau, die neben ihr im weichen, blumengeschmückten Gras saß,
sie aber anscheinend nicht wahrnehmen konnte. Sie flocht mit gebeugtem
Kopf an einem Blütenkranz, sodass ihr langes hellbraunes Haar ihr
Gesicht vor Tigris verbarg. Tigris stellte nichts weiter als eine Zuschauerin
dar, die fühlte, dass etwas Entsetzliches geschehen würde.
Und dann hörte sie dieses Lied.
Die Stimme des Mädchens klang warm und einnehmend, doch eine
gewisse Bedrückung schwang darin, ließ sie wehmütig und
zittrig klingen.
Zunächst konnte Tigris Melodie und Worte nicht richtig verstehen,
als ob das Mädchen mehr flüsterte als sang, oder sich hin und
wieder etwas zwischen sie und Tigris schob, das ihre Stimme verschluckte.
Doch dann, mit einem Mal konnte sie alles deutlich hören.
Das Singen war zu einem Summen geworden.
Und Tigris erinnerte sich plötzlich an diese Melodie! Natürlich,
dieses Lied... sie kannte es doch! Sie versuchte, sich die Worte ins Gedächtnis
zurückzurufen, doch sie wollen ihr nicht einfallen.
Fast verzweifelt grübelte sie und zerbrach sich den Kopf.
Und dann endlich, blitzt eine Strophe vor ihren geistigen Augen
auf, die sie für sich selber mitflüsterte.
Schmiedet uns zusammen, für alle Zeiten
Gibt uns Kraft, wird uns sicher leiten
schenkt uns Geduld, gespeist aus Vertrauen
dass jeder auf den anderen kann bauen
Sollten auch Schleier uns jemals trennen
Lässt es uns stets uns wieder erkennen
Wenn wir auch getrennten Weges wandern
Lässt es uns spüren den Atem des anderen,
Trocknet unsere Tränen, wenn wir einsam gehen
Berauscht unsere Sinne, wenn wir uns wiedersehen
Zerstäubt unsere Angst, wenn Sie uns bedrängen
Bedrohen, bedrücken, befehlen, beengen
»Was ist ›es‹? Wer sind Sie? Und wieso bedrohen sie uns? Wer
ist überhaupt ›uns‹?«, hörte sich Tigris zu sich selber
sprechen. Unruhig ging sie unter einem Baum mit ausladenden Zweigen hin
und her. Die lachsfarbenen großen Blüten, die sich zwischen
den saftiggrünen Blättern über ihr schmiegten, verströmten
einen zarten, angenehmen Duft, der sie an Vanille erinnerte. »Ich
will weg hier. Ich will das nicht!«
Ihr Blick fiel auf die blaugrauen, schneebedeckten Berge in der
Ferne, um deren Gipfel Wolkenbänke schwebten. »Vielleicht sollte
ich einfach darauf zu gehen und von hier verschwinden.« Sie atmete
ein weiteres Mal tief ein, als ob die duftgetränkte feuchtwarme Luft
sie von den unsichtbaren Ketten befreien konnten, die ihr Herz beengten
und bedrückten.
Da raschelte es im Gras - und Tigris drehte langsam den Kopf herum:
Ein Mann war unvermittelt aufgetaucht.
Merkwürdigerweise überraschte es sie gar nicht.
Mit seinem Rücken lehnte er sich gegen den des Mädchens,
legte seinen Kopf zurück, bis er auf ihrer Schulter ruhte, vor Tigris'
Blick ebenfalls fast vollständig verborgen. Seine Haare waren rabenschwarz,
die Haut seiner Hände braungebrannt. Beide trugen altertümliche
Gewänder - sie ein langes schneeweißes schimmerndes Kleid, er
hingegen tiefrote weite Hosen und einen knielangen Kaftan derselben Farbe.
Schweigend saßen beide da, die Köpfe aneinandergeschmiegt,
ein Abbild inniger Liebe und selbstvergessenen Glücks.
Seine Stimme, die leise anhob, klang sanft und sehr zärtlich;
dunkel, doch mit angenehmen Timbre, fast wie ... nein, sie irrte sich.
Aber vor allem klang sie nach reiner Liebe. Leider waren nur Bruchstücke
deutlich zu verstehen.
»Gut, wie du möchtest: Ich gelobe dir, zu niemanden hierüber
zu sprechen, solange du es nicht wünschst, mein Ein und Alles. Bei
meiner Seele, ich schwöre es...«
Weich, fast verschwommen sah die Landschaft aus, ein Meer aus bunten
Tupfern unter dem friedvollen blauen Himmel. Das Mädchen sprach:
»Sieh nur diese Schöpfung: wie schön sie ist, wie
sie duftet. Ein so zierliches, empfindliches, einfaches Ding - und doch
so raffiniert gemacht. Von allen Dingen hier rührt sie mich am meisten.
Dass ich jemals so über all das denken würde...«
In dem Farbrausch leuchtete ein kleiner roter Punkt in den Händen
des Mannes auf, als er antwortete:
»Hier, diese Rose ist nur für dich erblüht.«
Traurig erwiderte sie:
»Aber, mein Herz, du weißt doch, sie verbrennt in meinen
Händen zu Asche...«
Die volltönende Stimme des Mannes schien immer leiser zu werden.
Aber die Worte, die sie sprach, hallten vielfach wider.
»Nein, wird sie nicht. Nimm sie. Vertraue mir.«
Ganz schwach war noch einmal die Stimme des Mädchens zu vernehmen,
wie aus weiter Ferne, während die Luft anfing, wie verrückt zu
flirren und alles verschwimmen zu lassen.
»Ich vertraue dir für alle Zeiten, mein wunderschöner
Engel.«
»Und ich werde dich stets beschützen!«
Mit den letzten Worten des Mannes kamen die Schatten auf. Tigris
schlug entsetzt die Hände vor den Mund.
In Windeseile sammelten sich dunkle, regenschwere Wolken über
den Berggipfeln, türmten sich übereinander, schoben sich ineinander,
krochen untereinander, bis das letzte Blau ausgesperrt worden war. Kalter
Wind sprang von den schneebedeckten Felsflanken hinunter in die Wiesen,
um an den zarten Blüten zu zerren, sie von den ausladenden Ästen
herunterzuschütteln, sie von den reich geschmückten Büschen
zu reißen.
»Geht weg! Flieht! Er findet euch!«, schrie Tigris außer
sich vor Angst und Entsetzen, als sie die beiden in wenigen Schritt Entfernung
vor sich stehen sah, den Rücken ihr zugewandt, die Hand in der des
anderen verschlungen.
Doch sie konnten Tigris anscheinend nicht hören.
Schon quoll dieser merkwürdige, wunderschöne vielfarbige
Schein über die Bergkämme...
Zu spät.
Tigris sank ins kalte, klamme Gras und hielt sich die Ohren zu.
Aber dem unglaublichen Lärm, der anhob, konnte sie wieder nicht entfliehen.
Donnerschläge dröhnten von allen Berggipfeln gleichzeitig,
übertonte die sturmgepeitschten, rauschenden Bäume und den tosenden
Wind. Oder brüllte jemand zornig auf die Welt hinunter?
Um sie herum schossen plötzlich gleißende Strahlen durch
die Luft und nahmen ihr die Sicht.
»Omrishah! Bitte, hört auf!«, rief das Mädchen
voller Entsetzen. Tigris sah sie von rechts in ihr Blickfeld stürzen.
Es leuchtete ein roter Blitz auf, geleitet von einem hässlichen
Zischen.
Ein durchdringender Schmerzenschrei gellte auf, der immer lauter,
immer qualvoller, immer verzweifelter wurde. Das Mädchen! Oder schrie
der Mann? Oder beide? Oder waren es sogar drei Stimmen?
Der Schrei durchbohrte das massive Gebirge und ließ es erbeben,
er sog alle Farbe aus den Blüten, bis sie in Sekundenbruchteilen verwelkten
und zu Staub zerfielen. Er hallte in Tigris' Kopf wieder, und wieder und
wieder, lauter, lauter und lauter, bohrte sich in ihr Hirn und zerpflügte
ihre Seele, setzte jede Faser ihres Fleisches in Brand, bis sie es nicht
mehr aushalten konnte und selber vor Schmerz brüllte. Die Qual und
der Schmerz in dem Schrei erschütterten sogar den Himmel, er stürzte
in sich zusammen und rote Tropfen prasselten zur Erde, warm ronnen sie
über ihre Haut.
Blut.
Es lief an ihren Armen herab, sie fühlte seine Wärme ihre
Wangen hinab rinnen wie ihre eigenen Tränen.
Es waren ihre eigenen Tränen, vermischt mit Blut!
»Tigris! Tigris, oh Gott! Bitte wach auf!«, drang von
irgendwo schwach eine Stimme zu ihr, die jedoch stetig an Kraft und Lautstärke
zunahm und alles Schreckliche hinfort wehte wie der Wind Nebelbänke
auseinander riss.
Erstaunt sah sie mit einem Mal das sorgenvolle Gesicht ihrer Mutter
in grellem Tageslicht über sich schweben. Die grünen Augen waren
rot geädert, sie hatte geweint, der ganze schwarze Kajal um ihre Augen
war verschmiert, graue Spuren zogen sich ihre Wangen hinunter. Sie schien
um Jahre gealtert zu sein.
»Mama, ich bin nicht in Ordnung«, murmelte Tigris traurig.
»Mein Kopf ist nicht in Ordnung. Sag den Ärzten, sie sollen
mir etwas geben, damit es weggeht...«
Danubia schluckte und strich ihrem einzigen Kind eine schweißnasse
Locke aus der Stirn.
»Ist mir egal, was sie ihr geben, Hauptsache kein Calmidoron
66.6«, sagte jemand hinter ihrer Mutter.
Mit einem kleinen spitzen »Nein!« schoss Tigris hoch
und klammerte sich verzweifelt und ängstlich an ihre Mutter. Danubia
drückte sie fest an sich und streichelte sie beruhigend, während
Tigris Engelbert über die Schulter ihrer Mutter hinweg mit großen
entsetzten Augen fixierte.
Er saß im Schneidersitz auf dem kleinen Tisch, an dem auch
zwei einfache Stühle für Besuch standen und war dabei, sich ständig
neue Farben für die Margeriten in der Tonvase einfallen zu lassen.
Sie wechselten von Pink in ein blaugrünes Zebramuster, und im nächsten
Moment wurden sie rabenschwarz mit rötlichem samtigem Schimmer.
»Es ist alles in Ordnung, Schatz«, hörte Tigris
währenddessen ihre Mutter leise sagen. »Ich kann ihn auch wahrnehmen.
Solange ich meinen Bernstein nicht anziehe, jedenfalls. Er heißt
Engelbert, nicht?« Tigris versteifte sich und entwand sich aus der
Umarmung. Mit glasigem Blick kletterte sie hastig aus dem Krankenhausbett
und wollte zur Tür rennen.
Aus dem Boden wuchs jedoch plötzlich eine rotweiß gestreifte
Bahnschranke, überdies tropfte aus der Decke etwas schwarzes, das
innerhalb weniger Augenblicke die Form einer Ampel annahm, die auf Rot
stand.
Geschockt blieb sie stehen und warf Engelbert einen verwirrten Blick
zu.
»Lass diese Spielchen, Dämon!«, schimpfte Danubia
und war schon bei Tigris. Sie nahm ihren Kopf zwischen ihre Hände,
schaute ihr aufmerksam in die Augen und gab ihr einen langen Kuss auf die
Stirn. Dann begann sie leise zu ihr zu sprechen. »Du bist nicht verrückt,
mein Schatz, hörst du?«
»Nein, du bist gar nicht hier. Ich habe wieder Wahnvorstellungen«,
widersprach Tigris kläglich und unsicher, blieb aber dennoch ruhig
stehen. Sie fühlte die warmen Hände ihrer Mutter auf ihren Wangen,
roch ihr vertrautes Parfum. Wie oft hatte sie ›Samsara‹ als kleines Mädchen
heimlich auf ihr Polster gesprüht, damit sie umschmeichelt von dem
Duft einschlafen konnte? Warum nur fühlten sich diese Wahnvorstellungen
auf überaus schmerzhafte Weise so realistisch an?
»Nein, Liebling. Bitte glaube mir. Vielleicht ist alles nur
ein großes Missverständnis. Aber es gibt Leute, die das alles
wieder ins Lot bringen können. Hier kann man dir nicht helfen. Du
musst jetzt ruhig und vernünftig sein, damit du schnell entlassen
wirst.«
»Aber wieso? Wieso ich? Ich wollte dieses verdammte Ding nicht!«,
stammelte Tigris und legte ihre Hand an ihr Bernstein-Pentagramm. Plötzlich
verzerrte sich ihr Gesicht in einer Mischung aus Wut und Verzweiflung.
»Dieses verfluchte Ding ist daran schuld. Seitdem ich es habe, geht
alles schief!« schrie sie und versuchte, sich einmal mehr die Kette
vom Hals zu reißen. Es ging wieder nicht.
»Mama, kannst du sie mir nicht abmachen?« Flehentlich
schaute sie ihre Mutter an. Danubia schluckte, so sehr schmerzte der Stich
in ihrem Herzen wegen dieses Blickes.
»Ich ... versuche es«, sagte diese leise und betrachtete
die Kette aufmerksamer als an dem Abend vorher, an dem Tigris durchnässt
und verwirrt heimgekehrt war.
Sie hatte keinen Verschluss. Ein sicheres Indiz dafür, dass
es sich um eines jener Amulette handelte, die sich augenblicklich auf den
Menschen fixierte, der sie anzog. Allerdings glitten die meisten von ihnen
problemlos vom Hals, wenn man es wollte. Sie selber trug eines von dieser
Sorte. Einzig die Nodenschlüssel für jene zwölf Passagen
von der Welt der Dämonen und Engel auf die Erde hatten ein noch strengeres
Sicherungssystem. Sie konnten nur unter der Zuhilfenahme einer bestimmten
Art von Aethron von ihrem Träger entfernt werden. Aber jeder Noden-Schlüssel
besaß eine goldene Aura, die so stark war, dass selbst jemand mit
untrainiertem Xendium sie wahrnehmen konnte. Dieses Ding strahlte gar nichts
ab. Es war nichts weiter als Silber und Bernstein. Keine noch so winzige
Spur von Aethron ließ sich an ihm feststellen.
»Vielleicht geht es, wenn sie sich ganz fest vornimmt, ihn
dir zu geben. Manche DiSfakte können ent-fixiert werden, wenn man
sie an eine vertrauenswürdige Person weitergibt, wenn der Wunsch,
das Ding loszuwerden, sozusagen aus tiefstem Herzen und reinem Gewissen
kommt«, sagte Engelbert.
»Das ist eine Möglichkeit«, murmelte Danubia. Dann
sagte sie sanft, aber eindringlich zu Tigris:
»Gib ihn mir, Schatz. Ich werde ihn für dich tragen.
Ich würde alles für dich tun, das weißt du. Ich werde dir
helfen. Und dann wird alles bald wieder in Ordnung kommen, wir werden so
leben, wie wir es uns schon immer erträumt haben. Zieh ihn einfach
aus und gib ihn mir!« Sie streckte Tigris die Hand entgegen. »Es
wird klappen. Du kannst ihn ausziehen und mir geben. Dann wird alles wieder
in Ordnung kommen. Es ist alles ein Missverständnis. Du brauchst ihn
nicht mehr zu tragen.«
Tigris schniefte und nickte. Dann nahm sie noch einmal das Amulett
in die Hand und versuchte, ihn über den Kopf zu streifen. Und noch
bevor sie die Kette etwas angehoben hatte, glitt sie ihr vom Hals. Glänzend
ringelte sich das Silberband in ihrer Handfläche.
»Er ... ist abgegangen!« Überrascht und glücklich
zugleich sahen sich Mutter und Tochter an.
»Na also! Wunderbar!« Danubia atmete befreit aus und
schloss überglücklich die Augen, während Tränen der
Erleichterung aus ihren Augenwinkel quollen.
»Das Ding ist ab! Das Xendium ist weg«, stammelte Tigris
glückselig und sah sogar Engelbert strahlend an.
»Du hast es im wahrsten Sinne des Wortes vom Hals«,
sagte Engelbert amüsiert, allerdings nicht wegen der Kette. Die beiden
Menschen waren vor Freude so außer sich, dass sie es noch gar nicht
geschnallt hatten. Oh, halt! Danubias irritierter Blick wanderte schnell
zwischen ihrer Tochter und dem Daimon hin und her.
»Verdammt, jetzt kriege ich auch noch eine Erkältung«,
sagte Tigris, immer noch äußerst vergnügt, dann fing sie
plötzlich wie ein Holzfäller an zu husten. Sie versuchte ein
paar Mal zu schlucken, weil ihr Hals sich wie geschwollen anfühlte.
Sie würgte und schnappte nach Luft, während ihr Kopf dabei rot
anlief.
»Oh mein Gott! Mach diese Bahnschranke weg, Dämon, ich
muss den Arzt holen!«, schrie Danubia panikerfüllt und duckte
sich bereits, um unter ihr hinweg zu tauchen. Augenblicklich löste
Engelbert seine Kreation in Luft auf. Danubia steckte den Kopf aus der
Tür und brüllte aus Leibeskräften um Hilfe. Sofort kam eine
Schwester aus einem Zimmer geschossen und eilte zu ihnen.
Verzweifelt klopfte Danubia ihrem Kind auf dem Rücken. Tigris
kroch würgend und röchelnd wie von Sinnen auf dem Boden herum.
Die Schwester warf einen kurzen Blick auf das Drama und schrie nach einem
Beatmungsgerät.
Alles spielte sich innerhalb von Sekunden ab. Tigris wurde von ihrer
Mutter und einer Schwester aufs Bett gehievt und eine Atemmaske auf ihr
Gesicht gepresst.
Danubia wurde schwindelig vor Angst. Ohne dass sie es wirklich bemerkte,
flossen unaufhörlich die Tränen aus ihren Augen. Wie in Trance
hörte sie eine Schwester sagen:»Wir müssen einen Luftröhrenschnitt
machen, sie erstickt!«.
»Verdammt, leg ihr die Kette wieder an!«, brüllte
Engelbert auf einmal Danubia an. »Ich habe von solchen DiSfakten
gehört, die niemand jemals wieder ablegen kann, ohne zu sterben!«
Die Kette!
Diese verdammte Kette. Tigris’ Hand hielt sie immer noch umklammert.
Ohne weiter nachzudenken, schubste sie die Schwestern beiseite, die sie
allerdings sofort wieder vom Krankenbett fortzerrten.
»Tu etwas! Setz meinetwegen einen Whisper ein!«, kreischte
Danubia dem Daimon zu und versuchte, sich aus dem eisernen Griff einer
stämmigen Krankenschwester zu entwinden, die beruhigend, aber streng
auf sie einredete.
»Wenn man mich so nett darum bittet...«
Und schon wurde Danubia losgelassen, weil die stämmige Schwester
auf einmal nichts Wichtigeres zu tun hatte, als zum Waschbecken im Zimmer
zu gehen und sich wohlgefällig im Spiegel zu betrachten. Danubia hatte
freie Bahn, denn auch die beiden anderen standen urplötzlich müßig
herum und unterhielten sich über Diäten und Haarfarben.
Hektisch bog Tigris' Mutter die Finger ihrer mittlerweile ohnmächtigen
Tochter auseinander und riss ihr die Kette aus der Hand. Dann legte sie
sie an Tigris’ Hals. Als lebte der Schmuck, teilten sich die silbernen
Glieder an einer Stelle und flossen an Tigris' Hals herab. Im nächsten
Moment holte das Mädchen tief Luft, atmete zunächst sehr schnell,
dann endlich immer gleichmäßiger ein und aus, ohne jedoch die
Augen zu öffnen.
»Das ist die Gelegenheit, endlich abzuhauen und nach London
zu verduften!«, verkündete Engelbert und wies auf die schwätzenden
Schwestern, die Danubia und ihre Patientin gar nicht mehr beachteten.
»Nein, ich bin doch kein Verbrecher. Und schon gar nicht James
Bond. Schenk ihnen eine kleine Amnesie und zieh dann das Aethron von ihnen
ab, das reicht für heute.«
»Ihr seid so etwas von langweilig! Dabei könnte es echt
aufregend werden, wenn wir uns mal nach mir richten könnten.«
»Bitte!« Dieses Wort gegenüber einem Dämonen
in den Mund zu nehmen, fiel Danubia unendlich schwer, aber vielleicht half
es. »Wir werden auf jeden Fall so schnell wie möglich zu PAGAN
gehen. Jemand muss schließlich meine Tochter von diesem verdammten,
hinterhältigen Artefakt befreien. Es ist mir egal, wer. Aber die Allianz
möchte ich da doch lieber heraushalten. Sonst halten sie Tigris für
eine von den Heiligen Erzengeln gesegnete Kriegerin und stellen sie an
die Spitze ihrer Armee.«
»Aberglaube kann aber unglaublich lästig sein, was?«
Ohne zu antworten, aber höchst zufrieden beobachtete Danubia,
wie sich feine grünliche spinnwebenfeine Fäden, die die ganze
Zeit um die Köpfe der ahnungslosen Frauen geschwirrt hatten, von einem
sattgrünen Nebel eingesaugt wurden, den Engelbert mit einer achtlosen
Handbewegung auf sie schleuderte und dem er eine ebenfalls grünliche
kleine Sphäre folgen ließ. Ein feiner kurzer Sprühregen
aus Wasser regnete ihnen zum Schluss aufs Haar.
»Was ist los?« fragte die dicke Schwester verdutzt.
»Nichts. Sie haben sich wahrscheinlich in der Tür geirrt«,
antwortete Danubia so unschuldig wie möglich.
Verdattert sahen sich die Schwestern an. »Aber ich erinnere
mich doch daran, dass jemand um Hilfe gerufen hat«, sagte die ältere
grauhaarige Krankenschwester stirnrunzelnd.
»Ach, das habe ich auch gehört. Der Fernseher im Nebenzimmer
war anscheinend eben ein wenig zu laut angedreht«, Danubia setzte
ihr vertrauenserweckenstes Lächeln auf. Die dicke Schwester musterte
sie und ihre anscheinend tief und fest schlafende Tochter noch einmal intensiv,
ging dann aber glücklicherweise als erstes kurzerhand wieder zur Tür,
gefolgt von ihren immer noch leicht verwirrten Kolleginnen.
Erleichtert seufzte Danubia.
Zu früh, wie sich herausstellte.
Nach einigen Minuten pochte es kurz kraftvoll an der Tür, dann
standen zwei Polizeibeamte in der Tür.
»Guten Tag, Kriminalpolizei Düsseldorf. Sind Sie Frau
Danubia Windwibb?«
Danubia nickte langsam und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen.
»Würden Sie bitte kurz hinauskommen? Wir untersuchen
einen äh, äußerst mysteriösen Fall von Autodiebstahl.«
Danubia stand zögernd auf. Ihr Blick fiel auf einen großen,
braunen Umschlag, den der Beamte in der Hand hielt. Sie warf einen schnellen
fragenden Blick zu Engelbert. Dieser lag mehr als zu sitzen auf dem Stuhl
und meinte spöttisch: »Deine Tochter sieht ziemlich blöd
hinter dem Steuer des Autos aus. Soll ich sie ändern? Die Fotos, meine
ich natürlich. So was kann einen Menschen das ganze Leben lang belasten.«
Danubia nickte kaum merklich, nicht ohne sich ein winziges Grinsen
zu verkneifen. Engelbert hatte im Bruchteil von Sekunden seine Künste
auf den Umschlag angewandt. Etwas beruhigter folgte sie den Beamten aus
dem Zimmer.
»Unglaublich«, Engelbert schnippte gegen die Margeriten,
die wie erschrocken auf Kleinstformat zusammenschrumpften und in der Vase
verschwanden. Dann sah er auf das schlafende Mädchen.
»Jemand ziemlich weit oben hat Mist gebaut, das steht fest.
Eine Sache mit einer derartigen Fixierung scheint viel zu wichtig zu sein,
als dass ein ahnungsloser, untrainierter und ziemlich untalentierter Frischling
ihn mit sich herumschleppen sollte. Ich sehe schon die Schlagzeilen im
DAIMAGOG:
Ranghohes Mitglied der Zerrafin fixiert irrtümlich wichtiges
DiSfakt auf schwachsinnigen Menschen - MDL verklagt Z7 wegen seelischer
Grausamkeit an B-inx.
Erst war ich so blöd, mich mit der MDL einzulassen. Und dann
finde ich mich in der FD wieder, in der anscheinend wieder nur Idioten
versammelt sind, die sich von Angoleahs etwas sagen lassen.
Ich sollte mir einen einsamen, kleinen Planeten suchen, auf dem
nichts weiter als Amöben herumkrauchen und endlich meine Memoiren
schreiben. Seit Äonen habe ich das vor, aber nein! Entweder wird man
von den Shinnn durch beide Dimensionen gescheucht oder muss hinter irgendwelchen
Zerrafin den Mist wegräumen, den sie verursachen.«
.
Danubia hatte es nach einer schier unendlichen Diskussion mit dem
Oberarzt geschafft, Tigris auf eigene Verantwortung mit nach Hause zu nehmen.
Dank Engelberts künstlerischer Begabung hatte die Polizei zudem auch
keinerlei belastenden Beweise mehr gegen ihre Tochter in der Hand. Als
die Beamten ihr vorhin mit ernster Miene die Fotos verschiedener Radarfallen
präsentiert hatten, waren darauf unter anderem der Bundeskanzler,
die Beatles und ein arabischer Scheich zu erkennen gewesen, aber nicht
Tigris. Somit mussten die Schmidtkes wohl oder übel ihre Anzeige gegen
sie wegen Diebstahl und Beschädigung ihres Autos und zwei Gartenzwergen
zurückziehen. Allerdings würden sie nun garantiert noch intensiver
hinter ihnen herschnüffeln, schließlich war Danubia ihnen schon
seit jeher ein Dorn im Auge.
Sie warf einen besorgten Blick auf Tigris, die eingekuschelt in
eine Wolldecke auf der Couch lag und mit ausdruckslosem Gesicht die Zimmerdecke
anstarrte.
»Ich werde noch heute Tigris vom Unterricht beurlauben lassen.
Dann fahren wir so schnell wie möglich nach London. Ich werde den
Verdacht nicht los, dass PAGAN, oder zumindest gewisse Leute dort, mit
dieser Angelegenheit zu tun haben könnten.«
»Wieso das denn?«, ertönte Engelberts Stimme vom
Esstisch her. Tigris' Lippe zitterte ein wenig, wann immer sie seine Stimme
hörte, ansonsten verzog sie keine Miene. Sie hatte anscheinend beschlossen,
ihn nicht mehr weiter zur Kenntnis zu nehmen.
»Ich - es ist nur ein Gefühl«, erklärte Danubia
hastig.
»Ich denke eher, dass da jemand an anderer Stelle Mist gebaut
hat. Vergiss nicht, dass Raffiyell ihr das Teil angedreht hat. Scheint
so, das dieser Zerrafin da etwas oder jemanden verwechselt hat.«
Tigris zuckte unangenehm berührt zusammen, schwieg jedoch.
Raffiyell ... Hoher Erzengel ...Zerrafin ... schon wieder diese Namen,
die dieses Kribbeln in ihrem Herzen verursachten. Währenddessen schien
Engelbert in einem Modemagazin zu blättern, jedenfalls hörte
sie das Rascheln von Papier. ›Ich bin gefangen in meinen Wahnvorstellungen‹,
dachte sie verbittert. ›Vielleicht liege ich in Wahrheit schon längst
in einer Gummizelle, voll gepumpt mit Beruhigungsmitteln.‹
»Möglicherweise hätte ich mich doch wieder als Frau
materialisieren sollen«, hörte sie Engelbert munter weiterplaudern.
»Die sind überall immer so schön bunt. Wusstet ihr eigentlich,
dass ich bei meiner ersten Visite hier als ägyptische Priesterin herumspaziert
bin? Das waren noch Zeiten! Der DiS-Level lag bei mindestens 20%, die Melegonin
kamen zur Sommerfrische, und sogar ein oder zwei von den Shinnn haben hier
vorbeigeschaut, ohne großartig Schaden anzurichten. Die paar Vulkanausbrüche
und Erdbeben mehr haben jedenfalls den Braten auch nicht fetter gemacht.
Und jetzt? Langeweile pur. Dieser Planet ist wirklich ziemlich langweilig
geworden, muss ich schon sagen. Kein Wunder, dass Pepp Ressi, der beste
Talkmaster der Daimonsion, ihn zur ›Langweiligsten Schnarchblase des ganzen
materiellen Universums‹ gekürt hat.«
»Deine Meinung können die meisten Menschen, die tagtäglich
die Nachrichten mitverfolgen, wohl nicht teilen, aber das ist ja auch egal«,
sagte Danubia augenverdrehend und fuhr fort, sehr böse eine Broschüre
durchzublättern, auf der vorne in großen blauen Buchstaben ›Paranormal
Associations’ Global Autonom Network‹ stand. Darunter sah Tigris, die ihre
Mutter heimlich beobachtete, ein bunt schillerndes Pentagramm mit konkaven
Seiten.
»Wir müssen nach London. Am besten noch heute«,
erklärte Danubia missmutig.
»Und wenn ein paar MDL-Agenten auftauchen? Inzwischen wissen
garantiert sämtliche Daimons auf dieser Welt über Tigris und
ihr Rendezvous mit Raffi Bescheid. Ich opfere sicher nicht meinen Arsch
für euch. Schreib PAGAN doch eine d-Mail, ihr Server ist sehr gut
gesichert.«
»MDL-Agenten!« Tigris hörte ihre Mutter bitter
auflachen und schloss genervt die Augen. Sie verstand kein Wort von dem,
was die beiden sagten. ›Das ist doch eh’ egal. Es ist nicht real‹, ermahnte
sie sich in Gedanken immer wieder. Zweifel fingen nämlich an, an ihrer
Überzeugung zu nagen. Und wenn das Amulett ihr nun doch das Xendium
beschert hatte?
»Die MDL gibt sich doch nicht mit solch kleinen Fischen wie
uns ab. Und wieso auch?«
»Zum Beispiel wegen Tigris Kette? Du glaubst doch nicht im
Ernst, dass Raffiyell unter die Modeschmuck-Designer gegangen ist?«
Daraufhin schwieg Danubia. Sie stützte müde den Kopf in
ihre Hand und überdachte laut und mit besorgter Miene Engelberts Einwand.
»Aber an dem Ding ist doch absolut nicht besonderes ... keine Aura
- nichts ... alle Arten von Aethron sind daran zu identifizieren, das haben
wir doch in den Seminaren in den ersten Unterrichtsstunden -«
Plötzlich schnellte ihr Kopf zu Tigris herum, die immer noch
mit finster zusammengezogenen Augenbrauen die Decke anstarrte.
»Ultra-DiS ...«, entfuhr es Danubia schockiert.
»Ultra-DiS? Ultra-Dis! Na klar!«, rief Engelbert zustimmend.
»Ultra-Dis gibt keinen Shine ab«, hauchte Danubia, mit
einem Mal totenbleich. »Das habe ich bei PAGAN gelernt...«
»Ach du Schande! Dann ist das Ding unter Umständen hochgefährlich!«,
rief Engelbert. »Das erklärt einiges, aber nicht, wieso Raffiyell
es ausgerechnet deiner Tochter übergeben hat.«
»Ablenkungsmanöver! PAGAN missbraucht meine Tochter als
Boten, weil die MDL natürlich erwartet, dass nur die besten Wandler
bei einer Übergabe dabei sein würden. Oh, ich werde auf der Stelle
Mira anrufen und sie zur Rede stellen«, rief Danubia grimmig. Sie
sprang aus dem Stuhl und stürzte zum Telefon. Sie hatte schon das
Mobilteil von seiner Station gerissen, als es ihr der Dämon mit einem
Fingerschnippen aus der Hand fliegen ließ.
Sie fuhr herum und starrte ihn entsetzt an, in der Erwartung, nun
würde er sich endlich zu einem furchterregenden Geschöpf verwandeln,
das sie und Tigris auf der Stelle zu Asche verbrannte.
Doch Engelbert blieb klein, blass und sommersprossig und sagte stattdessen
mit eindringlich klingender Stimme:
»Wenn dieses DiSfakt tatsächlich Ultra-DiS enthält,
dann haben wir es mit einem dermaßen brutal machtvollen Ding zu tun,
das die MDL niemals in die Hände bekommen darf. Wahrscheinlich hören
sie alle ungesicherten Telefonleitungen ab. Das können wir nicht riskieren.«
Und als er Danubias und auch Tigris befremdete Blicke auf sich spürte,
fuhr er fort: »Ja, was denn? Nur weil die Allianz noch halb hinterm
Mond lebt, müssen wir Daimons doch nicht auf den Fortschritt verzichten.
Wir können mithilfe von DiS durch das DimensioNet sogar mit euren
Computern kommunizieren - wenn ihr DOL abonniert habt. Was du natürlich
nicht hast, wie ich an deinem verwirrten Gesichtsausdruck sehe. Jedenfalls,
wollte ich eigentlich sagen, sollten wir es vermeiden, die MDL auf uns
aufmerksam zu machen. Und diese Chance ist sehr groß, wenn wir mal
eben so bei PAGAN anrufen und über dieses DiSfakt plaudern.«
»Hast du nicht gesagt, dass du dort warst, um Hilfe zu holen?«,
fragte Danubia daraufhin. »Vielleicht sind sie schon hierher unterwegs?
Wenn doch Mira noch in der Stadt wäre. Sie ist jetzt in Prag.«
»Tja ... um ehrlich zu sein ... man hat mich nicht reingelassen.
Einer der Performer, äh, oder Wandler, wie es bei euch Allianzlern
so romantisch heisst, hat zwar meine Nachricht für Präsident
Midfield aufgeschrieben ... aber ob sie inzwischen an der richtigen Stelle
angekommen ist? Der Performer schien mir ein verkappter Materialist zu
sein, der alle Daimons hasst...«
Plötzlich klingelte das Telefon auf dem Boden, sodass sogar
Tigris überrascht den Kopf zu ihrer Mutter und Engelbert umwandte.
Danubia hob das Mobilteil mit angehaltenem Atem vorsichtig auf.
»Danubia Windwibb ... Tigris? Sie ist ... krank. Ja, das werde ich
ihr natürlich ausrichten. Mhm ...ja, auf Wiedersehen.«
Tigris hatte sich hochgerappelt und sah ihre Mutter fragend an.
»Dein Schulkamerad. Darius, oder so ähnlich«, erklärte
Danubia. »Er richtet dir schöne Grüße aus. Bleib
bitte zu Hause. Rufe niemanden an, gehe nicht ans Telefon, mach niemandem
die Tür auf. Ich gehe jetzt zum Reisebüro an der Ecke, um Flugtickets
zu besorgen. Engelbert, pass auf sie auf, ja?«
Tigris öffnete den Mund, um gegen diese Bevormundung zu protestieren,
aber ihre Mutter war bereits in den Flur geeilt, wo sie Jacke und Tasche
überstreifte und schon aus der Wohnung hechtete. Dann sah sie Engelbert
wütend an, während sie sich langsam erhob und zum Telefon ging.
»Hey, wir haben doch Funkstille ausgemacht, Herzchen. Du willst
doch nicht im Ernst diesen Typen anrufen?«
»IHR beide habt das ausgemacht. Ihr bestimmt hier so locker
und lässig über mein Leben... ach was: Alle schubsen mich herum
wie eine Puppe, sogar Erzengel!«
»Warst du nicht bis eben überzeugt, dass das alles hier
eine Wahnvorstellung ist? Du hast vollkommen recht: Es ist eine Wahnvorstellung.
Leg dich hin. Schlaf etwas. Erhol dich.«
»Vielleicht auch nicht?« Tigris lächelte Engelbert
unschuldig an. »Was, wenn ich wegen dieses Amuletts tatsächlich
Xendium in mir habe? Was, wenn der Hohe Erzengel - falls es überhaupt
ein Hoher Erzengel war - und dieser Abtrünnigen-Verein meiner Mutter
und mich tatsächlich hereingelegt haben? Alle denken, sie könnten
über mein Leben bestimmen und mich mal da hin, mal dorthin dirigieren.
Aber es ist mein Leben. Ich bestimme darüber. Und ich rufe jetzt Darius
an.«
»Nö!« Engelbert machte eine kurze Handbewegung
- dann schwebte das Mobilteil auch schon dicht unter der Decke.
»Ich hasse dich!« zischte Tigris aufgebracht und stürmte
zur Haustür. Doch da flogen mit einem Mal haarscharf Bretter an ihrem
Kopf vorbei, die gegen die Haustür krachten und sie verbarrikadierten.
»Hör auf damit!« Wutentbrannt stampfte Tigris mit
dem Fuß auf und versuchte vergebens, die Bretter von der Haustür
abzumachen.
»Wenn du dich schön artig ins Bettchen legst und auf
Mami wartest, schmuggle ich dir später das Telefon ins Zimmer und
du kannst dich von deinem kleinen Xendi-Freund verabschieden. Wahrscheinlich
siehst du ihn eh bald bei PAGAN oder in irgendeiner Sippe der Allianz wieder.
PAGAN und RSA sind ganz wild auf neue Talente mit Bliss. Mit Xendium, wie
du sagen würdest. Ist inzwischen bestimmt dein Lieblingswort.«
»Was?« Verunsichert hielt Tigris inne.
»Ach, habe ich das etwa nicht erwähnt?« Engelbert
besah sich gelassen seine schwarzen Fingernägel.
»Du lügst. Du willst mich auch nur hereinlegen«,
sagte Tigris leise und presste zornbebend die Lippen aufeinander.
»Ach wo! Er hat mich in diesem Bistro sogar gesehen und gegrüßt.
Im Gegensatz zu dir steht er der ganzen Realität wesentlich aufgeschlossener
gegenüber.«
Da erinnerte sich Tigris mit einem Mal an den Morgen bei Timmy’s,
und an das, was Darius zu ihr gesagt hatte.
›Ich bin mir ziemlich sicher, dass es höhere Mächte gibt,
übernatürliche Wesen. Eines steht zum Beispiel genau neben dir.
Er hat mitternachtsblaue Haare, Sommersprossen, trägt einen langen,
schwarzen Mantel und glotzt mich gerade etwas perplex an. Sei gegrüßt!‹
Eine treffende Beschreibung von Engelbert.
Es stimmte also alles ... sie war nicht geisteskrank! Die letzten
Zweifel waren zerstoben. Sie hinterließen stattdessen eine grenzenlose
Unordnung in ihrem Kopf. Als ob in ihrem Gehirn ein Staudamm gebrochen
wäre, ergoss sich eine Flut von Gedanken in ihren Geist, die alle
durcheinander schrien.
»Sieh es doch mal positiv: Du wirst bald ziemlich aufregende
Sachen erleben. Man wird dir coole Sachen beibringen. Du wirst DiS, oder
Aethron meinetwegen, mögen«, Engelbert grinste versöhnlich.
»So wie meine Mutter, die dermaßen begeistert davon
ist, dass sie aussteigen möchte?«, fragte Tigris tonlos. Doch
wenigstens war das Durcheinander in ihrem Gehirn zu einem leisen Summen
abgeschwollen, als Engelbert sie in ein Gespräch verwickelt hatte.
»Wo ist der Haken, Engelbert, hm? Erzähl mir nicht, dass es
bei PAGAN wie auf einer Kirmes zugeht, wo alle Spaß haben und happy
sind.«
»Doch! Ähm ... hin und wieder? Ich denke mal nicht, dass
sie dich auf Einsätze gegen daimonische Aktivitäten schicken.
Du bist kein Performer, und ob du überhaupt ein großes Talent
im Rufen bist, wird sich noch herausstellen.«
»Ich bin nichts von all dem. Alles geschieht nur deswegen!«
Sie fischte mit Daumen und Zeigefinger den Anhänger aus ihrem Sweatshirt
und betrachtete ihn. »Ich will mein altes Leben wieder. Aber anscheinend
wird daraus nichts. Ich kann ihn nicht ausziehen, ohne dass ich ersticke.
Ich muss ihn für den Rest meines Lebens tragen.«
»Vielleicht nicht! Wenn die Theorie deiner Mutter stimmt -
und vieles spricht dafür -, dann kann man ihn dir bei PAGAN wieder
abnehmen.«
»Und wenn nicht?« Sie sah Engelbert traurig an.
»Na, dann ... du gewöhnst dich dran? Immerhin hat er
die gleiche Farbe wie deine Augen. Das ist doch tröstlich, oder?«
Tigris seufzte auf. Dann ging sie zum Esstisch im Wohnzimmer und
ließ sich niedergeschlagen auf den Stuhl sinken. Engelbert verharrte
noch eine Sekunde im Flur und scharrte ein wenig schuldbewusst mit dem
Fuß. Dann ließ er geräuschlos die Bretter vor der Haustür
wieder verschwinden und schlurfte zu Tigris.
»Tut mir leid, dass du wahrscheinlich gegen deinen Willen
in etwas reingezogen wurdest. Bedank dich bei Raffiyell. Ob absichtlich
oder nicht - er ist an all dem schuld.«
»Umbringen kann ich ihn wohl kaum, er ist ein Hoher Erzengel.
Sind eigentlich Dämonen unsterblich?«, fragte Tigris ohne aufzuschauen.
»Nur die obere Liga, jedenfalls, wenn sie sich nicht gegenseitig
abknallen. Wir Cherubim sind sterblich. Deswegen empfinden nicht wenige
von uns eine gewisse Sympathie mit materiellen Lebewesen. Und deswegen
sind auch wir so anfällig für Legenden von dem Danach.«
»Ah ja, die Sagen von einer After-Life-Party, die niemals
endet. Oder die Unendliche Grillgeschichte mit uns als arme Würstchen
auf dem Rost.«
Engelbert schwang sich auf den Tisch und setzte sich im Schneidersitz
vor Tigris. »So ähnlich, richtig.«
»Vielleicht sollte ich wenigstens wissen, womit ich es ab
jetzt zu tun habe. Was genau sind denn nun Zerrafin und Shinnn?«
»Das sind die beiden zweitmächtigsten Gruppen von Daimons,
die sich natürlich überhaupt nicht leiden können, worunter
seit Äonen der Rest von uns allen leiden muss, Schatzerl«, sagte
Engelbert, der wieder reichlich lustlos in der neuesten ›Amica‹ blätterte,
ohne vom Magazin aufzusehen. Eigentlich hielt er es nicht richtig in den
Händen, sondern ließ es eher vor sich her schweben.
»Und was ist die mächtigste Gruppe von Daimons? Wie viele
gibt es überhaupt von euch?«
»Es gibt vier Klassen von Daimons, Herzchen«, Engelbert
stellte sich auf den Tisch, hatte statt des Magazins nun einen Lehrstock
in der Hand und tippte auf die Raufaser-Tapete. »Da wäre die
riesige, schier unüberschaubare Klasse der Cherubim-Völker, zu
der ich auch gehöre.« Er strich mit dem Stock über die
Wand und hinterließ CHERUBIM als orangerote Spur. Die Buchstaben
glühten in einem geschmackvollem feuerähnlichen Design. »Es
gibt Million und Milliarden von uns. Je höher wir uns nun in der Skala
der Macht nach oben bewegen, umso dünner werden die Gruppierungen.
Schon die nächsthöhere Klasse, die Melegonin, besteht aus nur
zweimal einundachtzig Individuen, aber um diesen Missstand zu kaschieren,
nennen sie jede Gruppe aus neun Melegoni ›Armee‹. Klingt ja wesentlich
imposanter, nicht wahr? Je neunmal neun Daimons bilden also die Melegonin
der Zerrafin und die Melegonin der Shinnn. Sie sind so etwas wie die gut
abgerichteten Pitbulls der beiden höherklassigen Herrschaften und
extrem bissig. Die hochklassigen Herrschaften endlich sind die Angoleah.
Sie teilen sich auf in Zerrafin und Shinnn und sind beide gleich mächtig,
weswegen sie schon seit Äonen nicht mehr aufeinander losgehen. Sie
haben damit aufgehört, als eines Tages kaum mehr als eine Menschenhandvoll
von ihnen übrig waren. Deswegen gibt es also die Sieben Zerrafin und
die Sieben Shinnn. Und mit ihrem Streit haben sie inzwischen alle Daimons
größtenteils in zwei Lager gespalten. Ah, fast hätte ich
ihn vergessen!« Engelbert schlug sich mit der Hand auf seine Stirn.
»Hoch über allen schwebt Omrishah, der Einzigmächtigste
Daimon, der aber seit längerer Zeit von dem ganzen Gezänke nervlich
angegriffen ist, sich seitdem angeblich nirgendwo mehr einmischt und nur
für ein ausgeglichenes Raumklima sorgt.«
»Omrishah«, sagte Tigris leise und senkte den Kopf.
In welchem Zusammenhang hatte sie schon einmal von diesem Daimon gehört?
Und sowohl Zerrafin als auch Shinnn waren ja Begriffe, die ihr Herz ein
wenig schneller schlagen ließen, warum allerdings, darüber zerbrach
sie sich seit Tagen den Kopf.
»Deine Version der Übersinnlichen Welt hat etwas.«
Sie probierte ein schiefes Grinsen.
»Nun gut, ganz früher hielten alle Xendii an der Einteilung
Engel / Teufel fest, kein Wunder, wo ständig die Zerrafin hier abhingen
und ihnen ständig neue Geschichten auftischten. Aber ganz früher
früher nannten die Xendii sich auch selbst noch Zauberer, Hexe, Schamane
oder so ähnlich. Und die anderen Menschen hatten vollstes Verständnis
für sie, beteten sie an oder verbrannten sie, je nach Laune. Im Zuge
der Aufklärung verwarf man jedoch den Glauben an Leute, die geheime
Bücher studieren, lateinische Verse aufsagen und dann irgendwelchen
Quatsch mit ihrer Umgebung veranstalten.«
Tigris grinste.
»Na ja, nicht ganz richtig«, fuhr Engelbert fort. »Eigentlich
gibt es tatsächlich einige Leute, die irgendwann mal entdecken, dass
sie dank DiS ziemlichen Quatsch mit ihrer Umgebung veranstalten können.
Bei PAGAN werden sie Performer genannt, das sind Menschen mit dem XOC-Bliss,
einem Talent, das sie befähigt, DiS wie ein Daimon zu wandeln und
damit alles, was nicht niet- und nagelfest ist, in die merkwürdigsten
Sachen äh ... umzugestalten. Oder damit wild in der Gegend zu ballern
und wahllos Cherubim zu töten. Manchmal erwischen sie sogar die richtigen.«
»Ich weiß. Die Allianz nennt sie Wandler.«
»Hm ja. Arrogantes Pack - die meisten von denen jedenfalls«,
knurrte Engelbert. »Sondern sich gerne von den anderen Xendii ab,
schon immer. Sie sind am anfälligsten für irgendwelche Machtspielchen.
Am besten, man hält sich von ihnen fern, egal ob man ein Daimon ist
oder ein Xendi, der nicht den XOC-Bliss hat.«
»Bat Furan und Lux Montana sind Performer«, sagte Tigris
gedankenverloren und zeichnete mit ihrem Zeigefinger das Pentagramm mit
den gebogenen Seiten auf die Tischdecke.
»Vielleicht sind sie ja welche von der etwas netteren Sorte.
Obwohl Performer der Allianz auch nicht unbedingt besser sind. Das habe
ich schnell gemerkt, und das, obwohl ich die letzten tausend Jahre nicht
mehr hier war und vor kurzem erst wieder zurückgekehrt bin. Hm.«
Engelbert bemalte die Wand vor sich mit einem scheinbar willkürlichen
Muster aus sich wild durcheinander kreuzenden, bläulich glühenden
Linien. Dann trat er zurück, betrachtete mit in die Hüften gestemmten
Händen sein Kunstwerk und sagte, ohne sich zu Tigris umzuwenden.
»Wenn du in London bist und das Ding nicht loswerden kannst,
solltest du Raffiyell vielleicht verklagen.«
»Was, Tatsache? Man kann Daimons verklagen? Wo denn?«
Tigris sah Engelbert ungläubig und belustigt zugleich an.
»Beim Interdimensionalen Gerichtshof, natürlich. Ist
alles kein Problem. Aber bis deine Klage überhaupt drankommt, könnte
deine Welt schon untergegangen sein. Raffiyell hat im wahrsten Sinne des
Wortes ewig Zeit - du leider nicht.«
»Du weißt so vieles, Engelbert. Erzähl mir alles
über DiS!«
»Nun ja, äh.« Engelbert hüstelte verlegen.
»Natürlich darfst du nicht vergessen, dass ich ein klein wenig
älter als du bin, Schatzerl. Da erlebt man einiges. Und dann meine
Zeit an der Takran-Uni ... an der Theologischen Fakultät. Wenn man
das überlebt, weiß man zum Beispiel eindeutig, was der Sinn
des Lebens nicht ist.«
»Und was ist der Sinn des Lebens nicht?«
»Den Sinn des Lebens zu suchen. Eine Frage - 8,9 hoch 54 Antworten.
Man sollte doch meinen, auf so eine idiotensichere Frage gäbe es auch
eine idiotensichere Antwort ... aber nein. Hmmm .... DiS, was?« Er
sah nachdenklich zur Decke. »Man kann es sich einfach machen und
sagen: DiS ist das Gegenteil von Materie. Aber natürlich ist es komplizierter
und letztendlich weiß nicht einmal Omrishah oder sonst ein Daimon,
was DiS genau ist. Obwohl wir Daimons und unser Universum daraus bestehen.
Hin und wieder wird man den Verdacht nicht los, dass Materie irgendwie
auch etwas mit DiS zu tun hat. Die neueste Theorie behauptet: ›Materie
ist hochkomprimiertes DiS, oder auch nicht‹. Wie auch immer. Tatsache ist:
DiS kann Materie beeinflussen und atomare Strukturen ändern. Wenn
ein Performer aus einem Karamellbonbon eine Batterie macht, sieht das vielleicht
nach Zauberei aus, ist aber nichts weiter als atomare Umstrukturierung.
Mit DiS und ein wenig Einfühlungsvermögen geht das problemlos.«
»Und ich könnte das auch?«
»Nein, du bist doch eine Attraktorin, kein Performer. Was
ich übrigens sehr beruhigend finde.«
»Wieso eigentlich benutzen die bei PAGAN diese komischen Wörter,
von denen die meisten englisch sind?«
»Weil Latein nach Meinung von PAGAN schon länger so was
von out ist, und weil Englisch nun einmal in vielen Teilen der Welt verstanden
wird. Bei PAGAN unterscheidet man die drei Arten von Bliss in XOC-Bliss,
XOA-Bliss und XOP-Bliss. XOC bedeutet Extraordinary Conversion, also eine
außergewöhnliche Fähigkeit, Dinge mihilfe von DiS in ihrer
Form, Farbe, Beschaffenheit und so weiter zu verändern. Der Bliss
deiner Mutter ist XOP, Extraordinary Perceiption. Wer ihn hat, kann außergewöhnlich
gut wahrnehmen, sei es Geräusche, Empfindungen ... Spuren von DiS,
die bei jeder Anwendung von DiS durch Daimons oder Xendii hinterlassen
werden. Als dritten, allerdings weitaus selteneren Bliss gibt es noch XOA,
Extraordinary Attraction. Diese Menschen können Energien und DiS anziehen
und bis zu einem bestimmten Grad speichern. Sie wurden von PAGAN schon
immer gehätschelt und gefördert, ähnlich den wirklich guten
Performern.«
»Wie bei der Allianz«, bemerkte Tigris spöttisch.
»Welchen Bliss hat dann Darius?«
»Keine Ahnung. Wir Cherubim können zwar DiS ziemlich
gut wandeln, aber mit der Wahrnehmungsfähigkeit von Shines und all
dem Kram hapert es ein wenig. Wahrscheinlich ist er auch ein Seher. Sonst
wäre er schon längst in euren Irrenanstalten gelandet. Oder in
Excelsior.«
»Excelsior? Was ist das?«
»Frag besser: Wo ist das? Aber das fragen sich die Xendii
auch vergeblich. Keiner weiß, wo dieser Ort liegt. PAGAN vermutet,
irgendwo in den Vereinigten Staaten oder im hintersten Winkel von Russland.
Es ist ein Geheimlabor internationaler Wissenschaftler, nur wenige in den
obersten Etagen wissen davon, gar nicht zu reden von den gewöhnlichen
Sterblichen. Um es mal poetisch auszudrücken: Es ist ein riesiger,
scharf bewachter Laborkäfig. Und statt Ratten nimmt man dort Menschen,
die durch merkwürdige Verhaltensweisen irgendwann einmal irgendwo
auf der Welt dermaßen aufgefallen sind, dass es den Wissenschaftlern
in Excelsior zu Ohren gekommen ist.«
»Xendii!«
»Yep!«
»Mein Gott! Dann sind wir alle ...« Tigris schluckte,
da ihr der Rest des Satzes nicht über die Lippen kommen wollte. …›In
Gefahr, selbst wenn keine Dämonen in der Nähe sind.‹
In diesem Moment wurde die Haustür aufgeschlossen und Danubia
fegte atemlos ins Wohnzimmer. Ein wenig überrascht registrierte sie
das traute Beisammensein ihrer Tochter mit Engelbert.
»Ich bin ins nächstbeste Reisebüro gegangen. Leider
habe ich nur noch einen Flug für morgen früh um neun Uhr erwischen
können ... Egal. Ich packe jetzt ein paar Sachen.« Ihr Blick
fiel zufällig auf die Decke. »Wieso schwebt das Telefon dort?«
»Macht sich doch gut dort, oder? Hat ja nicht jeder. Ist Platz
sparend und originell, finde ich.«
Engelbert wischte mit einer schnellen Handbewegung erst seine Zeichnung
von der Wand und ließ dann das Telefon auf den Esstisch sinken.
Danubia trat an ihre Tochter heran, beugte sich zu ihr herunter
und drückte sie fest an sich. »Es wird alles wieder gut, Spätzchen«,
flüsterte sie. »Morgen früh sind wir in London. Alles wird
wieder ins Lot kommen.« Sie drückte Tigris einen Kuss aufs Haar.
»Du kannst jetzt ruhig Berry und deinen Freund anrufen. Sag ihnen,
dass wir wegen familiären Angelegenheiten dringend nach London müssen
und in ein paar Tagen wieder zurück sind. Ich rufe später auch
in der Schule an und lasse dich beurlauben.«
Tigris nickte, nahm das Telefon und verzog sich in ihr Zimmer.
Dort setzte sie sich auf ihr Bett und betrachtete nachdenklich die
schwarzen Tasten des silbernen Mobilteils. Darius hatte sie angerufen!
Darius ... der auch ein Xendi war. Wahrscheinlich war er der einzige, der
die unerhörten Sachen, die sie erlebt hatte, glauben würde. Vielleicht
hatte er Ähnliches am eigenen Leib erfahren!
Glücklicherweise hatte das Telefon seine Nummer gespeichert,
als er angerufen hatte.
Ihr Herz klopfte, als das Freizeichen ertönte.
»Hallo, meine Schöne«, begrüßte sie
auch schon Darius’ lässige Stimme.
»Hey, woher wusstest du, dass ich ’rangehe? Es hätte
auch meine Mutter sein können.«
»Ist sie etwa nicht schön? Wie die Mutter, so die Tochter.«
Tigris musste lachen.
»Und? Geht es dir besser, Tigris? Ärgerlich, ärgerlich,
dass du siech daniederliegst. Ich wollte eigentlich heute Abend gerne mit
dir ausgehen.«
»Es geht mir schon besser. Ich war nur etwas geschockt, weil
... eine Tante von mir in London plötzlich gestorben ist. Ich und
meine Mutter fliegen morgen früh für ein paar Tage nach England.«
»Mein aufrichtiges Beileid ... Aber wer weiß? Vielleicht
ist sie nun in einer besseren Welt ... ich wünsche es ihr. Bring mir
eine Totenkerze mit, meine Hübsche. Ich sammele die Dinger. Inzwischen
kann ich mein ganzes Zimmer damit taghell ausleuchten.«
»Aber klar. Vielleicht auch ein wenig von ihrer Asche? Oder
Weihwasser?«
»Ah, damit würdest du bei mir ungeheuer punkten!«
»Wenn das kein Ansporn ist. Und wohin wolltest du mich entführen?«
»Vielleicht ins ›Cathedral‹. Hin und wieder lasse ich mich
doch tatsächlich dazu herab, mich unter gewöhnliche Jugendliche
zu mischen. Mit dir zusammen könnte ich diese In-Disco geradezu richtig
genießen. Vielleicht würde es mich sogar glücklich machen.«
»Was, du schätzt dieses Gefühl? Hm. Cathedral. Das
ist doch diese Kirche, aus der sie eine Disco gemacht haben. Vielleicht...«
Tigris dämpfte die Stimme. »Vielleicht komme ich mit. Ich habe
so ein merkwürdiges Gefühl, dass wir uns in gewisser Hinsicht
ziemlich ähnlich sind.«
»Genau das Gefühl habe auch ich. Sollen ich und mein
Gefolge kommen und dich dorthin geleiten? Wir wären gegen neun Uhr
bei dir.«
»Ich denke, ich könnte mich schon irgendwie loseisen.
Obwohl meine Mutter wahrscheinlich nicht so dafür wäre.«
»Deine Mutter? Oder dein Leibwächter?«
Tigris sog scharf den Atem ein. ›Er weiß es!‹, schoss es ihr
durch den Kopf. Ein wenig unsicher sagte sie: »Beide. Letzterer ist
ein wenig lästig. Wie das halt mit Dämonen so ist.«
»Hmmm. Ich glaube, ich warte in diesem Fall besser in der
Nähe deiner Haustür. Mit Dämonen kann ich fertig werden,
aber deine Mutter musst du selber irgendwie ablenken.«
»Wenn du Engelbert ablenken kannst, ist der Rest ein Kinderspiel.«
»Engelbert.« Tigris hörte Darius leise lachen.
Dann sagte er: »Gut, dann halte dich gegen neun Uhr bereit. Meine
Güte, es gibt so vieles, das ich dir gerne erzählen würde!«
»Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr es mir genauso geht!«
»Ich kann. Bis heute Abend, meine Schöne. Ich freue mich.«
Als Darius aufgelegt hatte, war Tigris völlig aus dem Häuschen
vor Glück. Alles, selbst die MDL traten mit einem Mal völlig
in den Hintergrund, während sie an Darius dachte.
Sie wollte ihn sehen.
Sie würde ihn sehen! Dafür wollte sie schon sorgen.
© I.S.
Alaxa
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bitte das unmittelbar am @ angrenzende "NO" und "SPAM" entfernen!
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