Xendium - Manifestation von I.S. Alaxa
Teil 1 - Geschenk des Himmels
Kapitel VII

Blut.
Wieder schoss es von allen Seiten heran, um die Welt zu ertränken, schon stak Tigris knöcheltief darin. Es überflutete die verdorrte Wiese, besudelte Sonne und Himmel, bis selbst die Sterne in einem Universum aus Blut ihre Bahnen zogen.
Würgend und blind vor Entsetzen schlug Tigris um sich. Um sie herum stieg der widerlich-warme Blutozean an und versuchte sie unter sich zu begraben. Grollend wogte eine Blutwoge heran und verschlang sie. Verzweifelt ruderte sie mit Händen und Füßen, um wieder an die Oberfläche zu gelangen und endlich Luft schöpfen zu können, doch das dickflüssige, träge rote Meer wollte sie nicht freigeben.
Ihre Hand, die rechte Hand!
Sie hatte sich zu einer Faust verkrampft, die etwas zartes weiches umschlossen hielt, als wollte sie es um jeden Preis vor der Katastrophe retten, ja, sogar mit hinüber in den Tod nehmen.
Schon fühlte sie das Stechen und Pochen in ihren Lungen, die heraufkriechende gnadenvolle Benommenheit ihres Verstandes.
Plötzlich spürte sie Gestein in ihrem Rücken.
Mit letzter Kraft gelang es ihr, sich an dem unebenen, scharfkantigen Felsen hochzuziehen und ihn zu erklimmen, was mit nur einer willigen Hand eine mühselige, schmerzvolle Angelegenheit war.
Blut aushustend, sah sie sich um.
Sie war alleine, vollkommen alleine.
War so verlassen, verzweifelt, zerschlagen, müde und unendlich traurig.
Soweit sie sehen konnte, wohin sie auch schaute, wogte der Ozean aus Blut.
Alles war verschwunden: die Berge, die Wiese, das Mädchen, der Mann, das... Etwas.
Nichts als Rot in Rot; die rötliche Sonne und kleine hellrote Flecken im weinroten Himmel spiegelten sich auf einer schier unendlichen Blutlache, und nur sie alleine auf diesem Felsen ragte daraus hervor.
Ein Gefühl tiefster Verzweiflung und Einsamkeit packte sie. Schweigend weinte sie, blutige Tränen ronnen langsam über ihr Gesicht.
Wie entfernt die Sonne doch war - und so kraftlos. Von Augenblick zu Augenblick schienen sie und die Sterne schwächer zu werden, schienen langsam zu verlöschen und zu sterben.
Aber ganz weit hinten am Horizont, anfangs nicht mehr als ein dünner schwarzer Strich, da zog eine Finsternis herauf, und Tigris wusste, sie machte, dass die letzten Lichter verlöschten, dass das letzte bisschen Wärme von dem eisigen, unbarmherzigen Sturm eingesogen wurde, der sich mit der Finsternis ankündigte.
Ein merkwürdiges Geräusch erreichte sie auf ihrem Felsen, stetig nahm es an Kraft und Intensität zu.
Es war ein Knirschen und Krachen, Splittern und Rumpeln.
Vorsichtig stellte sie sich aufrecht hin.
Eis.
Der Ozean begann zu erstarren; hinten am Horizont fing es an, und es kam näher und näher auf sie zu.
Es gab kein Entrinnen.
Kein Entrinnen gab es vor dem Eis, das Länge um Länge auf sie zuhielt, und vor der Dunkelheit, die den Himmel vor Tigris verschloss, um sie für immer einzufrieren, in Finsternis und Schweigen gefangen zu halten.
So durchdringend und allmächtig war die Kälte, dass sie spürte, wie ihre Glieder allmählich taub wurden, wie sogar die Angst in ihr gefror, ja selbst die Gedanken.
Und ihre Faust war immer noch geballt, hielt irgendetwas darin fest, doch sie wusste nicht, was es sein konnte.
Das erste Eis hatte den Felsen erreicht, das letzte Licht die Welt verlassen.
»Nein!«, hörte sie sich mit einem Mal aufbegehren. »Ich will nicht sterben! Hilfe! Oh, mein Gott, hilf mir doch! Ich habe dir immer treu gedient, verlass mich nicht!«
Wie Eis brennen konnte!
Ihr Fuß schien zu verglühen, und noch immer schrie sie wie von Sinnen.
Von irgendwoher fielen schmerzerfüllte Rufe in den Ihren mit ein.
Mit einem Schrei aus Wut und Todesverzweiflung kämpfte sie ein letztes Mal gegen das Erfrieren an.
Schlagartig wechselte das Bild, der Todesschrei verhallte in der Ferne, während Motorengeräusch herangetragen wurde.
Sie war umfangen von Dunkelheit, über die in unregelmäßigen Abständen plötzliches Licht flutete, das ebenso rasch verglühte wie es kam.
Die Liege vibrierte und rüttelte sie sanft: Sie lag in einem Auto, wahrscheinlich ein Lieferwagen oder ähnliches.
Noch immer raste ihr Herz, Schweiß ronn ihr über den Rücken und die Stirn. Doch sie konnte sich nicht bewegen, nicht einmal den Finger rühren, bis auf ihre Augen schien ihr ganzer Körper gelähmt zu sein.
Etwas Nasses, Warmes lief aus ihrem Mundwinkel: Es war ihr eigener Speichel. Nicht einmal die Lippen konnte sie verschließen.
Und doch nahm sie alles wahr.
Undeutlich erinnerte sie sich an ihre Mutter, die sie auf einer Bahre neben sich liegen gesehen hatte. War das ein Traum gewesen? Sie war nicht mehr da.
›Bitte, Gott, lass es einen Traum gewesen sein‹, dachte sie verzweifelt, während Tränen die vorbeiziehenden Lichter verschwimmen ließen. In unzusammenhängenden Bildfetzen, die vor ihr aufblitzten und wieder vergingen, sah sie nacheinander Engelbert, die drei merkwürdigen Daimonen, die sie im Benrather Schlossteich versenkt hatten ... Darius, der aufgehängt an einem Seil zu ersticken drohte ... die grausamen Zwillinge, das Feuer in der Kirche ... und das Kopfsteinpflaster, das auf sie zuraste.
Das Amulett.
In dem Augenblick, in dem sie sich erinnerte, was ihr Leben zerstört hatte, fühlte sie es auch schon deutlich zwischen ihren Brüsten auf ihrer nackten Haut, als ob es sich in sie eingebrannt hätte.
Grünlicher Nebel strömte aus der Decke über ihr.
›Oh nein, bitte nicht ...‹ Tigris schloss die Augen. Aber natürlich half es nicht.
»Das war’s dann, Performer«, zischelte Maruké schadenfreudig.
»Auf und vorbei, waf?«
»Schie ischt schon gansch schprachlosch vor Entschetschen.«
»Ach was, sie hat eine Überdosis Calmidoron 66.6 verpasst bekommen. Das haut selbst den stärksten Performer um.«
»Daf ftimmt. Waf follen die in Exfelfior jetft mit ihr nur anfangen?«
Excelsior! Ihr Herzschlag setzte für einen langen, quälenden Moment aus.
»Auscher schabbern ischt niksch mehr drin, wie’sch auschieht.«
»Na toll. Dann können wir ja auch gleich wieder gehen. Etwas Langweiligeres als Xendii, die zuviel Calmidoron abbekommen haben, gibt es ja nun wirklich nicht.«
›Ja bitte! Verschwinde!‹, dachte Tigris müde und ohne jede Hoffnung.
Excelsior... wenn Maruké die Wahrheit sprach, war sie auf dem Weg zu ihrem Ende. Man würde sie einsperren und nie wieder freilassen, würde womöglich an ihrem Gehirn herumexperimentieren. Und sie würde nie herausfinden, was mit ihrer Mutter passiert war. Vielleicht lebte sie noch und kam um vor Sorge und Verzweiflung.
In ihrem Herzen brannte die Wut über diese Ungerechtigkeit wie Säure. Niemand hatte das Recht, über ihr Leben zu bestimmen ... oder über ihren Tod.
»Man muss dennoch immer positiv bleiben, Kleines: Ein Performer weniger. Niemand kann den Lauf des Schicksals mehr aufhalten. Das Ende dieser Welt ist sowieso herangebrochen. Und auch wenn eine ganze Armee von Performer sich dagegen stemmen wollte: Gegen den Seelenfresser kommt keiner mehr an.«
Maruké kicherte und zischelte boshaft.
Tigris öffnete die Augen wieder.
Die drei schwarzen Augenpaare der Schlangenköpfe starrten auf sie hinab, schienen in Gedanken versunken zu sein und mit sich selber zu sprechen.
»Ich fühle esch auch ...«
»Natürlich. Er ist schon längst hier, irgendwo auf dieser Welt. So nah!
Ein Teil seiner Seele ist in der Meinen, da er sein Werk an mir nicht vollenden konnte. Und nun ist dieses Stückchen Seele aufgewacht. Er ist zurückgekehrt. Nach so langer Zeit ist es so kalt geworden, dass keine Erinnerung ihn mehr verbrennen kann. Diese Welt ist kalt geworden, ja. Eiskalt. Wie seine Seele.«
Der mittlere Kopf seufzte zischelnd auf und betrachtete das regungslos daniederliegende Mädchen versonnen.
»Tja, das machen sie mit Leuten wie dir. Jagen dir irgendein Zeugs ins Gehirn, weil du nicht bist wie sie, weil du Dinge siehst, die sie nicht sehen. Und jetzt liegst du da und bist ›ruhiggestellt‹.
Oh, ich habe wundervolle Gerüchte über Excelsior gehört. Über die trickreichen Maschinen und Apparate dort, die die Rätsel lösen sollen, die Menschen wie du ihnen aufgeben. Es ist den Ärzten dort gleichgültig, wie groß oder klein Euresgleichen ist, sie kennen keine Gnade.«
Die Köpfe senkten sich weiter zu Tigris hinab, bis sie so nah waren, dass das Mädchen wieder das Kraftfeld spürte, aus dem Daimonen zu bestehen schienen. In einem genüsslichen Plauderton fuhr der mittlere Kopf fort, von Excelsior zu erzählen: »Ich hörte von einem jungen Mädchen, das sie durch diesen Tunnel geschickt haben, durch den Blitze jagen. Danach war es nicht mehr als eine blutigschwarze Masse, die noch rauchte, als sie nachschauten. Sie hatten sich leider geirrt, es war kein Rufer.
Wer weiß, vielleicht schicken sie dich auch durch diese Röhre? Oder schauen gleich in deinem Gehirn nach, ob irgendetwas daran anders ist als an anderen Menschengehirnen.«
Die schwarzen Augen schienen etwas in den Ihren zu suchen.
»Schade eigentlich... ausch irgendeinem merkwürdigen Grund fühle ich mich tschu dir scho hingetschogen. Kennen wir unsch von irgendwoher? Vielleicht ausch einem früheren Leben?«
Plötzlich schnellte er verärgert wieder zur Decke, was seine seitlichen Köpfe sichtlich verschreckte, und auch Tigris riss überrascht die Augen auf.
Böse grummelte Marukés Mittelteil vor sich hin.
»Du wirst nicht mehr sein als eine Ratte. Und wie eine Ratte wirst du dort umkommen. Vielleicht wird Er dich dort sogar töten ... Er weiß schon längst, wo es ist. Er könnte es zerstören, und die hunderte von Xendii mit einem Schlag zu Asche verbrennen, die man dort zusammengepfercht hat. Oh ja, er könnte das, und noch viel mehr. Er ist unglaublich mächtig geworden.«

›Nein, sei ganz beruhigt, mein Herz.
Ich habe den besten Beschützer für dich gefunden, den die Welten sich vorstellen können. Niemand kann dir etwas tun, solange er auf dich Acht gibt. Selbst wenn der Tag kommen mag, an dem du deinen letzten Atemzug zu tun glaubst, so verzweifle nicht und vertraue vollkommen auf deinen machtvollen Engel, dann wird dir nichts geschehen.‹

Wer hatte das gesagt?
Nein, es war wieder eine Stimme in ihrem Kopf gewesen, zwar nicht die von Raffiyell, aber eindeutig konnte nur sie, Tigris, die Stimme vernehmen, denn Marukés Köpfe tuschelten weiterhin begeistert miteinander.
Eine sanfte, leicht kratzige Stimme war es diesmal gewesen, wie die eines netten alten Mannes. Jedenfalls war ein weißbärtiges Gesicht vor ihren geistigen Augen aufgetaucht.
Ein unerwartetes ›Wooosch‹ ließ Maruké dreifach überrascht aufzischeln.
»DU!«
»Tolles Timing, nicht wahr? Ja, so bin ich eben. Schatzerl!«
Engelbert!
Vor Freude über seine Stimme wummerte Tigris' Herz los. Sogar ihr Mundwinkel zuckte, wie sie erleichtert feststellte.
»Endlich habe ich dich gefunden! Übrigens, Maruké: Verkrümel dich besser. Die Leute von der Allianz fahren hinter uns her. Du weißt hoffentlich, was das bedeutet?«
Maruké brauchte gar nicht lange zu überlegen. Noch schneller als das erste Mal sah Tigris die Köpfe in den Schlangenleib fahren, den Nebel in sich zusammenschrumpfen und schließlich verschwinden.
Hilfe war unterwegs?
Hilfe war unterwegs!
Aber kamen sie auch rechtzeitig? Der Krankenwagen erhöhte bereits das Tempo, als ob der Fahrer - wer auch immer es sein mochte - Engelberts Worte mit angehört hätte.

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Trotz seiner Geschwindigkeit konnte der weiße Kleintransporter den unerbittlich heranbrausenden Krankenwagen zunächst nicht abhängen. Innerhalb weniger Augenblicke befand er sich gleich hinter ihm.
Der Fahrer des Wagens, einer derjenigen, die niemals Fragen stellten, wenn der Preis stimmte, überlegte deswegen nicht lange, als die nächste Ausfahrt auftauchte. Nun gut, es war nicht die richtige... aber als er im letzten Moment das Steuer herumriss und in die Dunkelheit abbog, schien seine Erfahrung mit Verfolgern sich auszuzahlen: der Krankenwagen raste geradeaus weiter, das Martinshorn wurde leiser und leiser. Er kicherte befriedigt. Der kleine Umweg kostete vielleicht drei Minuten mehr, doch über Funk hatte man ihm mitgeteilt, dass das Privatflugzeug auf dem nahen kleinen Flugplatz schon die Motoren angeworfen hatte.
›Zehntausend Mäuse, ich komme!‹, dachte er zufrieden. Dann schrie er mit einem Mal ärgerlich auf: Hinter ihm brauste der Krankenwagen wieder heran, diesmal ohne Festbeleuchtung und Sirene. Wann hörte dieser verdammte Wald endlich auf, durch den die Landstraße führte!
»Na endlich!«, rief er zornig, als linkerhand die schwarze Wand aus Tannen abrupt endete und einem weiten Feld Platz machte, wo Nebelschlieren über der feuchtkalten Erde dahin zogen.
Und dahinter, vielleicht zwei Kilometer querfeldein, konnte man schon die Scheinwerfer des kleinen Flugfeldes erkennen.
Dort warteten seine Auftraggeber bereits ungeduldig auf ihre Fracht.
Und Sicherheitskräfte mit Waffen.
Sie würden diese Leute - wer auch immer sie sein mochten - erledigen, sobald ihr ›Krankenwagen‹ in Schussweite käme.
»Na, dann ab durch die Mitte!«, knurrte er entschlossen.

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»Er fährt querfeldein! Macht euch bereit!«, rief Bat Furan und schnellte empor, um die Dachluke aufzustoßen. Nacheinander kletterten er und Antigua auf das Dach des Krankenwagens, obwohl das Gefährt schon durch die unebene Ackerfläche pflügte und sie gehörig durchschüttelte. Immerhin kam der Kleintransporter wegen des matschigen Boden auch nicht schneller voran. Nur noch wenige Meter trennten die beiden Autos.
Und dann war es soweit.
Mit einem geradezu unglaublichen Satz flogen die beiden Xendii durch die Luft und landeten auf dem Kleintransporter.
»Kannst du ihn zuwhispern?«, rief Antigua, die wie Bat Furan flach auf dem Dach lag und nur deswegen nicht hinuntergeschleudert werden konnte, weil sie sich an dem Wandler festhielt. Dieser hatte sich mittels Aethron regelrecht an der Metallfläche festgesaugt.
»Was glaubst du, was ich die ganze Zeit schon versuche. Aber es klappt nicht. Dieser Wagen hier ist anscheinend präpariert. Excelsior hat dazugelernt!«
»Verdammt!«
Doch Bat Furan war ein Meister der Improvisation.
»Auch ich war fleißig. Halte dich gut fest, Antigua!«
Er streckte eine Hand aus. Feiner grüner Nebel quoll aus ihrer Innenfläche und glitt rasch an der Vorderscheibe des Transporters, die daraufhin vor Eis beschlug.

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Soso, der Feind setzte so etwas wie Eisspray ein!
Grimmig drückte der Fahrer des Kleintransporters einen Knopf und bestimmte anhand des Infrarot-Displays seinen Weg Richtung Flugfeld.
»Was für ein unscheinbares aber ausgeklügeltes High-Tech-Auto du doch bist«, freute er sich.
Es konnte sich nur noch um wenige Sekunden handeln, dann war der verdammte Acker endlich zu Ende und er in Sicherheit. Auf dem Display tauchten schon eilig hin- und hersausende winzige Punkte auf, die ihm verrieten, dass die Sicherheitskräfte auf dem Flugfeld Stellung bezogen.
»Ihr habt verloren, haha!«, rief er und sandte einen kurzen Blick Richtung Wagendach, auf dem zwei Verfolger ihrem sicheren Ende zurasten.
Ein plötzlicher Aufprall ließ ihm nicht einmal mehr Zeit für einen Aufschrei. Er knallte mit voller Wucht gegen die Scheibe aus Spezialglas und federte mit blutigem Gesicht ohnmächtig zurück.

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Die beiden Xendii waren vom Wagendach gesprungen, bevor sich der Transporter in den Erdwall bohrte, der sich urplötzlich vor ihm aufgetürmt hatte und den Acker auf ganzer Breite einnahm. Es war eine der leichteren Übungen für Bat Furan gewesen.
Während Antigua sich vergewisserte, ob der Fahrer ausgeschaltet worden war, zerschoss Bat Furan das Schloss mit einem schnellen Strahl.
»Oh nein! Tigris!«, keuchte er und sprang ins Wageninnere, wo Tigris besinnungslos auf dem Boden lag. Doch sie lebte noch, und ihr eigenes Gefährt war schon bei ihnen angelangt.
Sie waren gerade dabei, das Mädchen zum Krankenwagen zu tragen, als die ersten Schüsse fielen. Sie kamen aus Richtung der Baracke, die höchstens zweihundert Schritt entfernt war. Dann preschte ein schwarzer Kleinbus aus seinem Schatten hervor.
Außerdem knatterte es über ihnen in der Luft: ein Hubschrauber war aufgestiegen.
»Dein Typ ist gefragt!«, rief Bat Furan Antigua zu, die nur kurz nickte und mitten auf das freie Feld hinter ihnen hinauslief.
»Ras Algheti, du musst mir helfen! Und ihr fahrt los!«, befahl Bat Furan dann den Insassen des Krankenwagens. »Wartet dann irgendwo im Wald auf uns.«
Aus dem Krankenwagen sprang ein junger Farbiger und lief zu dem anderen Wandler, während das Fahrzeug augenblicklich Gas gab.
Zusammen mit Bat Furan schlich Ras Algheti dann zu dem ›verunglückten‹ Transporter, wo sie auf das herannahende Fahrzeug warteten.
Indessen war Antigua in sicherer Entfernung stehen geblieben, atmete tief durch und breitete mit geschlossenen Augen die Arme aus.
Gleich darauf kündete ein leises Donnergrollen ein herannahendes Gewitter an. Obgleich der Wind die Wolken nach Norden zu treiben suchte, zogen sie in die entgegengesetzte Richtung, unwiderstehlich angezogen von dem schmalen blonden Mädchen im schwarzen Leinenoverall.
»Das nenne ich Vernebelungstaktik!«, lachte Ras Algheti nach einem schnellen Blick in den Himmel. Die Wolken hingen tief über dem Acker, schon leuchteten es in ihnen verräterisch auf: Blitze. Keine Chance für den Hubschrauber, der beidrehte und sich wieder entfernte.
Währenddessen hatte das gepanzerte Fahrzeug der Feinde den Erdwall erreicht und begann ihn mit lautem Brummen zu erklimmen.
»Irgendeine zündende Idee?«, flüsterte Bat Furan Ras Algheti zu. Beide pressten sich gegen den Erdwall, während schon die Scheinwerfer des Amphifahrzeugs über ihnen den Acker vor ihnen erleuchteten.
»Ich hab`s! Wie wäre es... mit einer La-ola-Welle?«, schlug Ras Algheti mit einem verschwörerischen Grinsen vor.
»So eine, die du gestern an der Algarve gestartet hast, um diese kleine hübsche Badenixe geradewegs in deine heldenhaften Arme zu spülen?«
»Yeah. Nur diesmal als Trockenübung mit Rückwärtsgang.«
Die beiden Wandler stellten sich vor den Erdwall, als wollten sie ihn gemeinsam fortschieben. Zunächst ging ein Beben durch den Hügel, dann wälzten sich die Erdmassen von den beiden Jungen fort, sackten schlagartig in sich zusammen, um sich schließlich einige Meter weiter genauso plötzlich wieder zu erheben. Wieder bewegten sie sich fort, duckten sich und wuchsen empor, wobei sie das gegnerische Gefährt mit ihrer Wellenbewegung fort trugen, das gegen die unruhige, schlammige Erde nicht ankam.
Zu guter Letzt hielten die beiden Wandler die Erdmassen unter ein Dauerfeuer aus kleinen blauglühenden Geschossen, ließen sie auseinander fließen, bis das Gefährt ihnen für einen kurzen Moment in höchstens zwanzig Metern Entfernung genau gegenüberstand. Vermummte Köpfe und Gewehrläufe schossen aus den Seitenfenstern. Doch bevor sie abdrücken konnten, flog den Angreifern schlammige Erde von allen Seiten um die Ohren und regnete auf ihr Fahrzeug hinab. Binnen drei Minuten war das Gefährt samt Insassen regelrecht beerdigt.
»Nichts wie weg, solange sie damit beschäftigt sind, Maulwurf zu spielen«, rief Bat Furan. Gemeinsam mit Antigua machten sich die beiden Wandler schleunigst vom Acker und liefen in das angrenzende Waldstück hinein, wo sie bald darauf auf den Krankenwagen stießen und hinten einsteigen.
Dann ging es auch schon mit Höchstgeschwindigkeit zurück nach Düsseldorf.

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»Kein erfreulicher Anblick. Ob Lux Livas das wieder hinkriegt?« Ras Algheti betrachtete zweifelnd die Speichelfäden, die aus Tigris’ halbgeöffnetem Mund troffen und ihre unkontrolliert umherrollenden Augäpfel. »Das Mädel scheint eine Überdosis Calmidoron abbekommen zu haben.«
»Auch wenn nicht ... Hauptsache, Excelsior hat sie nicht in seine Klauen bekommen«, antwortete Antigua düster und schloss die Augen. Die Kopfschmerzen fingen wieder an, wie so oft, wenn sie sich mit ihren Fähigkeiten überanstrengt hatte.
»Aber was ist, wenn sie den Rest ihres Lebens im Dämmerzustand verbringen muss?«, fragte Bat Furan und strich Tigris besorgt über die schweißnasse kalte Stirn.
»Vielleicht wäre es das beste für sie«, sagte Ras Algheti, öffnete ein kleines Fläschchen voller Pillen und warf eine davon hoch in die Luft, um sie geschickt in seinem Mund landen zu lassen. Lux Montana hatte sie ihnen mitgegeben, sie linderten Bauchkrämpfe und Übelkeit, die sich langsam bei dem jungen Farbigen bemerkbar machten. Er war erst vor drei Tagen von den Windwibbs adoptiert worden und stammte aus einer New Yorker Sippe, die von der Domén Arx Amerikas wegen subversiver Aktivitäten aufgelöst worden war. Einige ranghohe Mitglieder Rastabans saßen mittlerweile im Gefängnis, während die jüngeren Xendii der Sippe in kleine, wohl beleumundete Xendii-Gemeinschaften auf der ganzen Welt verteilt worden waren, für immer verstreut in alle Himmelsrichtungen. »Denn wenn es stimmt, dass der Heilige Erzengel Raffael sie auserwählt und sie zu einer von uns gemacht hat, was glaubst du, was dann los wäre? Man würde sie nach Barcelona bringen; die Domén Arx bestünde darauf, sie selber auszubilden.«
»Dann wäre ihr erst recht geistige Umnachtung zu wünschen!« Antigua senkte den Kopf und starrte zornig auf ihre Hände, was die klopfenden Kopfschmerzen in ihrem Schädel noch weiter verstärkte.
»Im Moment weiß De Navarris noch gar nichts. Lux Danubia sagt, sie hat mit niemandem darüber gesprochen«, wandte Bat Furan ein. »Die Windwibbs halten zusammen, notfalls sogar gegen die Domén Arx. Das war schon immer so.«
»Du hast Nasenbluten«, bemerkte Ras Algheti tonlos.
»Endlich. Ich konnte es die ganze Zeit kaum erwarten«, knurrte Bat Furan, schnappte sich einen Stapel Taschentücher, die auf einem kleinen Rollregal neben ihm standen und warf den Kopf nach hinten.
»Wo ist eigentlich Tigris’ Schutzengel?« sagte Ras Algheti und sah die anderen mit erhobener Braue an.
»Vielleicht beratschlagt er sich mit den Heiligen Zerrafin, oder so«, meinte Antigua, ein wenig neidisch. War Tigris tatsächlich so wichtig, dass die Hohen Erzengel ihr einen eigenen Schutzengel gesandt hatten, der über sie wachen sollte? Schöner Schutzengel! »Gerade toll hat er Tigris ja nicht beschützt. Und wenn Ilvyn ihn sieht, bekommt sie einen Heulkrampf.«
Sicher, Engelbert hatte ein langes, funkelndes Gewand getragen, als sie ihn vorhin bei Lux Danubia in dem Düsseldorfer Krankenhaus angetroffen hatten, in dem sie lag; seine kleinen Flügel sahen ebenfalls hübsch aus, wie auch die kurzen goldblonden Locken adrett wirkten. Aber seine Ausdrucksweise! Und ständig kratzte er sich am ... Allerwertesten.
Es war nur Lux Livas zu verdanken, dass sie gerade rechtzeitig in Düsseldorf eintrafen. Er hatte Lux Danubias Anwesenheit bei einem lange geplanten Treffen in der Burg vermisst, obwohl sie eigentlich die Zuverlässigkeit in Person war. Lux Joel hatte in ihrer Düsseldorfer Wohnung Unmengen von Dämonenspuren gefunden, während die beiden wie vom Erdboden verschluckt waren, was eine sofortige Suchaktion zur Folge gehabt hatte. Dann noch die ausgebrannte Kirche, zu der Lux Joel sie geführt hatte...
Wirklich besorgniserregend hingegen waren die Aussagen des Chefarztes der Klinik gewesen, in der sie Danubia schließlich gefunden hatten. Unter Aethron befragt, hatte der Mann zugegeben, für eine Organisation zu arbeiten, die Ausschau nach schweren Fällen von Geisteskrankheiten hielt, um sie im Auftrag der Regierung gründlich zu studieren und Medikamente zu entwickeln. Zum Wohle der Menschheit, natürlich.
Excelsiors Arm reichte mittlerweile besorgniserregend weit.
»Tigris haben sie jedenfalls nicht bekommen«, wiederholte Antigua, noch in Gedanken versunken. »Das ist das einzige, was zählt.«

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Tigris schlug die Augen auf und bemerkte verwirrt die Dunkelheit um sich herum - dann legte sich unerwartet auf ihre Wange eine warme Hand, die nach Samsara duftete.
»Mama!«
»Spätzchen...«, kam die gehauchte, tränenerstickte Antwort. »Oh Gott, mein Schatz, das wollte ich nicht, bitte verzeih mir.«
Tigris fühlte, wie ihre Mutter, die an ihrem Bett saß, sich über sie beugte und ihren Kopf an der Brust ihrer einzigen Tochter barg, während ihre Tränen den Stoff von Tigris’ Nachthemd nässten.
»Wo sind wir? In Excelsior?« Sie erinnerte sich bruchstückhaft an Engelberts fröhliche Stimme. »Nein, nicht wahr?«
»Nein. Wir sind für’s erste in Sicherheit. Wir sind in Windwibbenburg.«
»Scheiße.«
Ihre Mutter richtete sich in der Dunkelheit auf und schniefte.
»Ich habe das Treffen letzten Donnerstag ganz vergessen, daraufhin haben sie nach mir gesucht und sind natürlich auf die Massen von Dämonenspuren gestoßen. Natürlich hat es nicht lange gedauert und sie haben mich in der Lukas-Klinik gefunden. Sie haben herausbekommen, dass man dich entführt hat und einen Einsatztrupp hinterhergeschickt, der dich retten konnte. Oh, ich bin ja so froh, dass du den Sturz überlebt hast. Ich dachte, du wärst tot!«
»Das Amulett muss mich beschützt haben. Wann gehen wir endlich nach London?«, fragte Tigris flehentlich. »Ich habe es satt, ständig in irgendwelchen Krankenhäuser oder Lieferwagen aufzuwachen.«
Danubia seufzte verzweifelt. »Im Moment ist nicht daran zu denken. Livas hat bereits unser Privates Tor gelöscht. Wir können hier nicht weg. Was vielleicht auch besser ist.«
Tigris schwieg betroffen. Es war also alles aus. Aus und vorbei. Ihre Zukunft, die sie sich schon in den schönsten Farben ausgemalt hatte - vorbei. Ein normales Leben - vorbei.
Jetzt war sie eine Xendi, und die Sippen würden sie beide nie wieder gehen lassen. Jetzt nicht mehr.
»Und wie geht es weiter mit mir? Bestimmt ruft Livas die Leute der Domén Arx, damit sie kommen und mich holen!« 
»Tigris, nein, er-«
»Er hält mich sicher für eine, die der Heilige Erzengel Raffael auserwählt und der er ein Amulett geschenkt hat, das aus einem normalen Menschen einen Xendi macht.« Tigris hob in der Dunkelheit die Hände und betrachtete ihre schemenhaften Konturen. »Ich habe damit Strahlen aus Aethron abgeschossen, Kugeln... wie ein Wandler.«
»Was? Engelbert sagte mir, du hättest das Xendium der Rufer!« Wie bestürzt die Stimme ihrer Mutter klang!
»Vielleicht habe ich beide. Oder alle drei. Was wissen wir schon über dieses verfluchte Amulett? Es scheint etwas sehr machtvolles zu sein. Kein Wunder, dass alle Dämonen der Hölle hinter mir her sind. Aber wieso ich? Oder hat sich Raffael, oder Raffiyell, wie auch immer sein verfluchter Name ist... hat er sich tatsächlich geirrt? Wer sollte es in Wahrheit bekommen?«
»Tigris! Verfluche nicht die Namen der Engel, bitte! Immerhin hat es dich beschützt, wie du schon sagtest. Und auch das Calmidoron konnte dir nichts anhaben, jedenfalls nicht-«
»Wer ist eigentlich Procyon?«, unterbrach Tigris ihre Mutter unvermittelt. Sie hörte deutlich, wie diese hörbar scharf den Atem vor Schreck einsog.
»Woher hast du diesen Namen?«, fragte Danubia hastig, fast panisch.
»Ich habe dich mit dieser Mira darüber reden hören können, als ich im Treppenhaus stand. Auch eine nette Wirkung des Amuletts. Was hat er ›für mich‹ getan?«
Ihre Mutter zögerte zunächst mit der Antwort, doch dann sagte sie erstaunlich ruhig: »Er hat dich als kleines Mädchen von einer schweren Krankheit geheilt.«
»Ist das ein Schwerverbrechen? Wieso hast du es mir niemals gesagt?«
»Damit du dich nicht aus Versehen verplapperst. Procyon Zimberdale ist ein Name, den die Allianz auf die geheime Liste derer gesetzt hat, auf die ein Kopfgeld ausgelobt ist. Und jetzt wollen sie ihn erst recht töten.«
»Weil er kleine Kinder heilt?«
»Weil er seit einigen Tagen das neue Oberhaupt der Domén Arx von Atlantika ist und nichts eiligeres zu tun hatte, als sein Versprechen wahr zu machen. Er hat geschworen, er würde sofort aus der Allianz austreten und sich PAGAN anschließen, käme der Tag, an dem er das Oberhaupt der Zimberdales werden sollte. Sein Vater hat es immer geschickt verstanden, sich nicht von der Allianz zu sehr vereinnahmen zu lassen und auch ausgesprochen gute Kontakte zu PAGAN zu unterhalten, weswegen sowohl einige Leute der Allianz und bei PAGAN ihn der Spionage für die Gegenseite verdächtigten. Sein Erbe hat die letzten Zweifler überzeugt - so oder so. In nächster Zeit droht viel Blutvergießen. Denn nicht alle atlantischen Sippen wollen sich von der Domén Arx lösen und ihrem neuen Oberhaupt folgen. Diese Allianztreuen wiederum werden dabei natürlich nach allen Kräften von der RSA unterstützt.«
»Als ob wir nicht andere Probleme hätten.« Tigris schnaubte verächtlich.
»Ja, wem sagst du das. Viele Xendii denken wie wir beide. Aber seit wann hören die Generäle auf die einfachen Soldaten? Machtstreben und Einfluss haben bisher immer noch Vernunft und Mäßigkeit auszuschalten gewusst.«
»Idioten. Mama!« Tigris setzte sich in einem Anflug von Angst auf und fiel ihrer Mutter in die Arme. »Ich will nicht, dass mich die Domén Arx holen kommt!«
»Keine Sorge, das wird nicht geschehen.« Fest drückte Danubia ihre Tochter an sich. »Lux Livas mag mich und dich sehr. Er würde niemals zulassen, dass uns beiden etwas zustößt, wir sind doch Windwibbs. Und Windwibbs halten zusammen. Schon immer war das so. Gottergeben, doch misstrauisch gegen irdische Obrigkeiten, das sind die Windwibbs. Diese Sippe ist uralt - und stolz auf ihre Geschichte.
Livas wird es so drehen, dass du unter einem falschen Namen ins Register eingetragen wirst, als neuen Ruferin oder Wandlerin, meinetwegen, die aus einer Psychiatrie befreit worden ist. Die Domén Arx wird keinen Verdacht schöpfen, wenn sie die Anmeldung erhalten. Sie werden zwar jemanden schicken, der dich begutachten wird, aber die Beamten von De Navarris sind so arrogant, dass sie nur einmal kurz deine Aura angucken und dann wieder nach Barcelona verschwinden.«
»Du machst Scherze. Denkst du das wirklich? Livas?« Nein, das mochte Tigris einfach nicht glauben.
»Aber sicher. Er ist eigentlich nicht übel. Zwar übervorsichtig und ständig besorgt, aber seine Loyalität gilt in erster Linie der Sippe. Glaubst du, jeder bekommt einfach so ein Privates Tor? Oder seinen Wunsch nach einem normalen Leben erfüllt?«
»Und wieso mag er uns so sehr? Ich kann das immer noch nicht glauben, Mama.«
»Nun ja ... als wir beide noch junge Schüler waren, war er in mich ›verschossen‹ gewesen. Ich habe den Verdacht, er denkt noch gerne an unser kurzes Techtelmechtel zurück.«
»Mama!« Tigris bebte beim Kichern in Danubias Armen. »Davon hast du mir niemals erzählt!«
»Ach, das war doch nichts Ernstes. Eine jugendliche Schwärmerei, bei mir jedenfalls. Wer ist nicht beeindruckt, wenn man eine Blume geschenkt bekommt, die tagelang ständig die Farbe und Musterung wechselt.«
»Wie romantisch!«
»Ja. Er hat sogar eine kleine Intonation hinzugefügt, sodass das Ding ständig leise, aber unabstellbar 'Ich liebe dich' in hundertzehn Sprachen und Dialekten gesäuselt hat.«
»Wow. Das hätte ich ihm nie zugetraut.«
»Aber so war es. Jedenfalls habe ich schon mit ihm gesprochen. Er wird vorerst keinesfalls der Domén Arx irgendetwas sagen. Allerdings will er auch nichts davon hören, dich mit mir nach London gehen zu lassen, um PAGAN versuchen zu lassen, dich von dem Amulett zu befreien.«
»Das kann man ihm ja nicht verdenken. Vielleicht sollten wir es ihnen auch besser nicht in die Hände fallen lassen. Vielleicht haben sie uns ja wirklich belogen?«
»Möglich. Obwohl ich es nicht glauben kann, dass mich Mira so hintergangen haben soll. Sie war damals meine beste Freundin bei PAGAN, als ich in kurzzeitiger geistiger Verwirrung aus Windwibbenburg verschwunden und zu den Abtrünnigen gegangen bin.«
»Vielleicht weiß sie ja auch nicht, was in den oberen Etagen von PAGAN vorgeht.«
»Spätzchen, sie ist die obere Etage von PAGAN, oder zumindest ein Abschnitt davon.«
»Oh. Das wusste ich nicht. Dabei fand ich sie und ihren Hund... hey!« Tigris erstarrte und löste sich von ihrer Mutter. »Letztendlich war Spika schuld, dass ich in den Wald geraten bin, wo Raffiyell aufgetaucht ist! Vielleicht sollte er mich dorthin bringen!«
»Das erklärt einiges«, murmelte ihre Mutter traurig.
Daraufhin ergriff Tigris ihre zarten Hände und betrachtete nachdenklich ihre schmale Silhouette in der Dunkelheit. Ganz zart, wie winzige, goldfarbene Schlieren, die aus ihrem Körper auszuströmen schienen, konnte Tigris die Aura ihrer Mutter wahrnehmen. Manchmal schien sie zu verschwinden, dann wieder deutlicher sichtbar zu werden. Tigris schluckte, behielt diese neue Erkenntnis jedoch für sich. Stattdessen sagte sie mit leiser, fast trauriger Stimme: »Wir bleiben hier, Mama. Wir können niemandem trauen, außer unseren Leuten!«
Noch vor wenigen Tagen hatten sie beide gehofft, für immer in Düsseldorf bleiben zu können.
Nun jedoch sah es ganz danach aus, als sollten sie für den Rest ihres Lebens in Windwibbenburg bleiben.
 

© I.S. Alaxa
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Und schon geht's weiter zum 8. Kapitel (bzw. zum 1. Kapitel des 2. Teils)...

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