Fryijo erwachte ziemlich zerschlagen am nächsten
Morgen und blickte sich suchend nach seinen Gefährten und Meister
Manilo um. Doch niemand war zu sehen, außer... auf einem Stuhl in
der Nähe des Fensters saß eine dünne und baumlange Gestalt
mit welligem Haar, die ihn jetzt, wenn auch wenig erfreut, so doch aufmerksam
ansah.
"Ich wünsche euch einen Guten Morgen, mein Junge.Wie
fühlt ihr euch?"
Fryijo starrte noch immer völlig verwirrt auf den
Mann, der jetzt aufstand und mit staksigen Bewegungen auf ihn zu kam.
"Ich... ich weiß nicht... was... wer seid ihr,
und wo ist mein Onkel und Meister Manilo?"
"Oh, entschuldigt, ich habe mich nicht vorgestellt.Tartan
MacLean mein Name.Mein Beruf: Barde und Dichter. Ich sang für die
schönsten Frauen Íja Macárs und dichtete für die
größten Helden! Jetzt bin ich hier, um euch auf eurer Reise
zu begleiten!" Stolz verschränkte er beide Arme vor seiner Brust und
sah abwarten auf Fryijo hinab, der noch immer auf seiner Bettstatt saß
und sich bemühte, zu begreifen, was hier vor sich ging.
"Ihr wart im Nebeltal?" war schliesslich alles, was er
mühsam über seine Lippen brachte.
"Nun, ja, ich denke, das kann ich mit Stolz von mir behaupten."
Der Barde schüttelte seinen Kopf, holte einmal tief Luft und begann
mit einem satten Bariton ein Lied zu singen:
"Draussen in den dunklen Wäldern, draussen dort im
Nebeltal
hausen widrige Gestalten, doch ich hatte keine Wahl
Einst kam ich vom Wege ab und begegnete dem Grauen
dunkle Schatten lauern hier, niemanden kannst du Vertrauen..."
Er hielt inne und räusperte sich kurz. Fryijo, der
inzwischen aufgestanden war um sich anzuziehen, wirkte noch immer etwas
verdattert. Die letzten Tage waren mehr als verwirrend gewesen und wie
es schien, war kein Ende in Sicht.
"Wie ist es dort, ich meine, im Nebeltal, und wie habt
ihr dort wieder heraus gefunden?"
Tartan lächelte ihn nachsichtig an und antwortete:
"Das sind aber viele Fragen auf einmal. Ich denke, ihr macht euch jetzt
besser fertig für unsere Reise.Unterwegs werden wir genug Zeit haben
zu plaudern.Wenn ihr gestattet, werde ich draussen auf euch warten, bis
ihr eure Sachen gepackt habt, und mich nach Reittieren für uns umsehen?"
"Ja, sicher..."
Tartan verlies mit seinem staksiken Gang den Raum und
lies Fryijo mit einem Haufen unbeantworteter Fragen im Kopf zurück.
Dieser Barde erschien ihm äußerst seltsam.
Und wo war Meister Manilo? Und sein Onkel? Warum hatte ihm niemand Bescheid
gesagt?
Fragen über Fragen, sein Kopf glich einem überfüllten
Eimer, der ständig nachgefüllt wurde, und nirgendswo war mehr
Platz.
Er packte seine Sachen in eine kleine Reisetasche aus
altem Leder und ging hinaus.
Draussen traf er den Barden auf einem alten Ross sitzen,
das schon bessere Tage gesehen hatte, neben ihm eine Mischung aus Perd
und ... ?, einfach nicht zu definieren, es sah aber recht rüstig und
gesund aus und so setzte sich Fryijo auf, und schweigsam machten sie sich
auf den Weg.
Nach einer kurzen Weile sagte Fryijo: "Ihr wolltet mir
erzählen, wie ihr aus dem Nebeltal heraus gefunden habt."
Der Barde blickte ihn kurz an und lächelte. "Ich
habe nicht heraus gefunden..."
"Was?" rief Fryijo erschrocken, "aber ihr sagtet..."
"Nein, mein Junge, nicht ich sagte, andere sagten. Das
ist der Unterschied. Laß mich dir ein paar Dinge erklären..."
Er hielt sein Pferd an und machte ein ernstes Gesicht.
"Das Nebeltal", begann er mit leiser Stimme zu erzählen,
"ist in der Tat ein seltsamer Ort. Aber er ist nicht annähernd so,
wie die meisten Menschen es glauben.Ich habe dort nicht herausgefunden,
sondern
es hat mich heraus gelassen." Er nickte dazu mit dem Kopf, als wolle er
sich selber noch einmal bestätigen, das es genau so war, und nicht
anderst.
Dann, leise, als würde er zu sich selbst sprechen,
fuhr er mit seinen Erzählungen fort: "Dieser Ort lebt, ja, das ganze
verdammte Nebeltal ist ein lebendiges Wesen mit Intelligenz und Gefühlen.
Und nur es ganz alleine entscheidet, wer es verlässt oder betritt."
Fryijo, dessen Gesichtsfarbe sich langsam der Farbe von
weißem Mehl näherte, fragte vorsichtig: "Was geschieht mit denen,
die es nicht verlassen ... dürfen?"
"Keine Ahnung, mein Junge, ich weiß es wirklich
nicht." Der Barde seufzte, doch dann fing er sich ziemlich schnell.
"Du hast eine große Aufgabe vor dir. Und glaube
mir, das Nebeltal wird dir dabei eine große Hilfe sein. Denn es erkennt
den wahren Helden und wird ihn stärken, den Feigling aber wird es
vernichten. Es wird dich herausfordern und dich prüfen, und solltest
du bestehen, bist du gehärteter Stahl, den niemand jemals wird brechen
können."
"Wie meint ihr das?"
"Seht, es ist ganz einfach.Wenn ihr vorne einen Helden
rein schickt, der im Grunde seines Herzens ein Angsthase und Feigling ist,
so wird am Ende nichts dabei heraus kommen. Aber schickt ihr einen Angsthasen
hinein, der seine wahren Kräfte nur noch nicht entdeckt hat, dann
kommt am Ende..."
"...auch ein Held heraus", beendete Fryijo den Satz.
So einfach also. Das Nebeltal war ein katalysator menschlicher Eigenschaften.
Langsam begann er zu verstehen. Die Frage die sich im
jetzt noch stellte, war, was würde passieren, wenn er nicht bestand?
"Bitte, sagt mir, wer seid ihr wirklich, Tartan?" fragte
Fryijo plötzlich.
"Ihr werdet es noch früh genug erfahren, und bis
dahin... vertraut mir!"
"Vertraue einem Wolf und er wird dich fressen", dachte
Fryijo.
Tartan nickte wissend, als hätten seine Gedanken
ihn verraten.
"Nun", sprach der Barde fröhlich, "lass es uns zusammen
heraus finden!"
So setzten sie ihre Reise fort, zwei Gefährten auf
dem Weg in eine unbestimmte und gefahrvolle Zukunft, deren Ende noch niemand
vorhersehen konnte.
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