Triáb hatte den Druiden
aufmerksam beobachtet. Nicht viele Sterbliche versuchten die Pflanze Nachtblau
in ihren Tränken und alchimistischen Gebräuen zu verwenden. Dafür
war die Pflanze zum einen zu selten und zu schwer zu finden, zum anderen
war der eigentliche Wirkstoff in seiner Wirkung sehr komplex. Zu Komplex,
als daß ihn bisher jemand in seinem vollen Umfang hatte erforschen
können. Elgórod war damals schon sehr weit gekommen und hatte
fast herausgefunden was es genau mit den Tränen der Elben auf sich
hatte, doch dank der unglaublich passenden Aktion eines nicht näher
zu erwähnenden Feuergottes war es nicht dazu gekommen.
Um so erfreulicher war die Tatsache,
daß der Druide begonnen hatte mit dieser Pflanze zu arbeiten.
Das war zwar ganz nett, aber nicht
der eigentliche Grund für sein Interesse. Er hatte festgestellt, daß
Liakes Interesse nicht unbedingt dem Druiden oder dem Nachtblau galt, sondern
vielmehr diesem eigenartigen Mensch, der bei dem Druiden wohnte.
Triáb beobachtete also und
hielt sich weitgehend heraus. Dann jedoch wurde es interessant. Der Druide
war mit dem komischen Menschen in den Wald gegangen um Nachtblau zu suchen.
Triáb hatte dafür gesorgt, daß es eine wohl dosierte
Menge der Pflanze im richtigen Stadium gab.
Der Gott der Früchte machte
sich auf, um den Gott des Feuers einen Besuch abzustatten. Für diesen
Besuch hatte er sich eine kleine Überraschung ausgedacht.
Liake und Tóth ließen
sich die Leckereien schmecken, welche die Feuerkobolde herbeigeschafft
hatten. Sie legten sich dabei auf bequemen Kissen zurecht, um gemütlich
die Geschehnisse unter ihnen beobachten zu können. Sie unterhielten
sich dabei angenehm, denn im Moment gab es nichts weiter zu beobachten.
Armáran und der fremde Mensch liefen im Wald umher und der Druide
suchte offensichtlich Zutaten für seine Tränke.
Während sie sich so die Zeit
vertrieben kam Triáb vorbei. Liake hielt nicht viel von dem Gott
der Früchte. Er war der Meinung, jemand der sich tatsächlich
Gedanken darüber macht, wie Früchte aussehen sollten, könne
nicht alle Tassen im Schrank haben. Es war ihm selbst auch völlig
egal, ob ein Apfel nun eher rot oder eher grün, oder von ihm aus auch
blau sein mochte. Triáb aber konnte sich unendlich lange mit solchen
Kleinigkeiten beschäftigen. Na sollte er, wenn es ihm Spaß machte.
Aber daß dieser Tölpel ausgerechnet jetzt vorbeikommen mußte.
"Hallo Tóth, Hallo Liake,
was macht die Kunst. Alle Vulkane schön heiß?" Triáb
lächelte den Feuergott an und ließ sich bei den beiden Göttern
nieder.
"Oh, der Gott der Früchte.
Konntest du dich von deinen Farbtabellen loseisen?" Liake konnte sich die
spöttische Bemerkung einfach nicht verkneifen.
Triáb ließ sich nichts
anmerken. "Haha", versuchte er ein etwas gezwungenes Lachen. "Nein ganz
im Ernst. Ich brauche euren Rat. Ich habe eine Frucht etwas überarbeitet
und würde gerne eure Meinung dazu hören."
Liake verdrehte leicht die Augen:
"Klar doch, immer her damit."
Triáb schnippte mit dem
Finger und ein kleines Füllhorn auf Beinen eilte herbei. Der Gott
der Früchte dirigierte das kleine Horn zu den beiden anderen Göttern.
"Probiert doch bitte eine von den
kleinen roten länglichen Früchten, und sagt mir eure Meinung."
Tóth nahm zwar eine Frucht,
spielte aber eher unentschlossen damit herum. Er kannte den Gott der Früchte
besser als Liake und war sich nicht ganz so sicher, was nun folgen würde.
"Immerhin sind sie rot." Schon
mal ein vielversprechender Anfang. Rot war eindeutig Liakes Lieblingsfarbe.
Der Feuergott nahm gleich eine ganze Handvoll der kleinen Dinger in den
Mund und kaute genüßlich darauf herum. Sie hatten einen würzigen
Geschmack, der ihm gut gefiel. Triáb schien da doch mal etwas richtig
gemacht zu haben. Er schluckte, und wollte sich gerade ein paar weitere
Früchte nehmen, als sich in seinem Hals ein leichtes Brennen breit
machte. Erstaunlich, denn gegen Hitze war er als Feuergott natürlich
imun.
"Diese längliche kurze Form
ist mal was anderes dachte ich." Triáb nahm sich eine Frucht und
betrachtete sie interessiert.
Das Brennen kroch langsam Liakes
Hals hinauf und erreichte nun den hinteren Rachen. Er holte tief Luft.
Das Atemholen verstärkte das Brennen jedoch weiter.
"Ich hoffe sie sind nicht zu stark.
Ich dachte, vielleicht kann man sie klein malen und als Gewürz verwenden."
Der Gott der Früchte biß ein kleines Stück der Frucht ab.
Das Brennen hatte nun den ganzen
Mundraum erfüllt. Gleichzeitig wurde es dem Feuergott ungewöhnlich
warm. Erste Schweißtropfen bildeten sich auf seiner Stirn. Liake
griff wie beiläufig zu seinem Glas und versuchte das Brennen im Hals
zu ignorieren. Dann stürzte er die Flüssigkeit mit einem Mal
hinunter.
"Ich dachte ich nenne sie Feuerfeigen."
Triáb beobachtete vergnügt wie Liake versuchte, sich nichts
anmerken zu lassen.
Liakes Augen begannen nun zu tränen.
Das Wasser aus seinem Glas hatte überhaupt keine Linderung gebracht.
Sein Hals brannte wie Feuer und jeder Atemzug war schmerzhaft. Liake versuchte,
Haltung zu bewahren, und nicht an große Mengen erfrischendes kühlendes
Wasser zu denken.
Triáb beobachtete indessen
unauffällig den Druiden unter sich, der eben das Nachtblau gefunden
hatte. Der eigenartige Mensch hatte sich mitten zwischen die Pflanzen gesetzt
und war gerade im Begriff eine Beere zu verspeisen. "Ah", rutschte es ihm
heraus, und er wandte sich schnell wieder Liake zu.
Der hatte jedoch schon bemerkt,
daß er nicht mehr ganz das Zentrum von Triábs Aufmerksamkeit
war. Er sah sich kurz um und konnte gerade noch erkennen wie der seltsame
Mensch der Mullsróm mit verdrehten Augen nach hinten kippte und
wie tot dalag. Liake wollte laut fluchen, aber es kam nur ein leises Röcheln,
was zudem noch das Brennen im Hals arg verstärkte und die eingeatmete
Luft wie eine Flamme seinen Hals lodern ließ.
Triáb hatte sich bei Liakes
Wutausbruch erhoben, griff das kleine Füllhorn und hielt es nun für
angebracht sich zu entfernen. Seine Aufgabe war eh erfüllt.
Liake hingegen war sich nicht sicher,
ob er froh sein sollte Triáb endlich los zu sein, da er nun endlich
zusehen konnte wie er das Brennen aus seinem Hals entfernte, oder sauer
sein sollte, daß der blöde Früchtegott ihm einen derartigen
Streich gespielt hatte. In dieser Sache war das letzte Wort noch nicht
gesprochen. Dessen war sich der Feuergott jedoch sicher.
Graham hatte plötzlich einen
Anflug von Hunger bekommen. Öko-Armahran hatte ihn alleine gelassen,
war im Unterholz verschwunden und hatte irgend etwas gemurmelt. Wahrscheinlich
auf der Suche nach dem ultimativen Kräutertee, dachte sich Graham.
Zuerst lief er ein wenig im Wald umher ohne sich jedoch weit vom Ausgangspunkt
zu entfernen. Dann kam der kleine Hunger und er entdeckte eine kleine Ansammlung
hübscher kleiner blauer Pflanzen, die alle eine saftige Beere als
Frucht trugen. Ohne groß darüber nachzudenken pflückte
er eine solche Beere und steckte sie in den Mund.
In dem Augenblick kam Armahran
zurück und sah ihn entgeistert an. Dann begann er aufgeregt und wild
gestikulierend auf ihn einzureden. Graham verstand natürlich kein
Wort. Und irgendwie erschien es ihm auch völlig unwichtig, was der
Kerl ihm sagen wollte. Eine leichte Müdigkeit machte sich breit und
seine Augen begannen ihm zu jucken, wie immer wenn er müde wurde.
Er wollte etwas sagen, bemerkte jedoch, daß es ihm nicht gelang.
Er brachte nur ein leichtes Lallen zustande. Die Müdigkeit wurde schnell
stärker und seine Augen juckten jetzt richtig. Er wollte sie reiben,
doch Armahran hielt ihn davon ab. Graham wurde schwindelig. Dann schwanden
ihm die Sinne vollständig und er sank in eine Ohnmacht.
Wirre Träume begleiteten ihn.
Er bekam eine Menge Besuch. Allerlei eigenartige Wesen besuchten ihn und
erzählten ihm eine Menge Dinge und obwohl er die einzelnen Worte durchaus
verstehen konnte blieb ihm der Sinn meistens verborgen. Alles war dunkel.
Die Wesen bestanden nur aus Stimmen. Weder Gesichter noch Körper konnte
er ausmachen.
Seine Augen juckten weiter, doch
immer wenn er versuchte, sich die Augen zu reiben, hinderte ihn etwas daran.
Das Jucken wurde immer schlimmer und er begann die seltsamen Wesen zu fragen,
ob sie ihm nicht die Augen reiben wollten. Doch irgendwie wollten oder
konnten die das nicht. Seine Augen machten ihn jetzt fast wahnsinnig. Das
kann doch kaum noch ein Traum sein, dachte sich Graham. Er gab sich einen
Ruck und bemühte sich die Augen aufzumachen. Alles fühlte sich
auch so an, als wären seine Augenlider geöffnet, doch es blieb
weiterhin dunkel. Wieder wollte er sich die Augen reiben, doch wieder hielt
ihn etwas davon ab. Diesmal jedoch konnte er zwei starke Hände spüren
die seine Hände festhielten, Armahrans Hände wahrscheinlich.
Graham bewegt sich langsam und spürte wie er auf dem Waldboden lag.
Er kniff sich ins Bein. Es tat weh, also mußte er inzwischen tatsächlich
wach sein.
In seinem Kopf konnte er Geräusche
hören. Er schüttelte leicht den Kopf. Die Geräusche gingen
jedoch nicht weg. Langsam schlich sich ein Gedanke in Grahams Bewußtsein:
er war schwachsinnig geworden. Schlicht und einfach verrückt. Nicht
die manische Abart, sondern eher die, in der die eigene Wahrnehmung nichts
mehr mit der Außenwelt zu tun hatte. Wahrscheinlich würde er
als nächstes Stimmen hören. Kaum hatte er das gedacht, verwandelten
sich die Geräusche in seinem Kopf in einzelne Wort. Das brachte ihn
aber auch nur in der Gewißheit verrückt zu sein weiter, denn
die Worte hatten keinen Zusammenhang. Er konnte nur hoffen, daß sein
Augenlicht irgendwann wiederkehren würde. Das Jucken der Augen hatte
etwas nachgelassen, übte aber noch immer einen starken Reiz, die Augen
zu reiben, aus. Grahams Stimmung sank auf einen Tiefpunkt.
Vielleicht hatte Öko-Armahran
ja auch gegen Schwachsinnigkeit einen Tee. Der Mann schien jetzt auch wieder
mit ihm zu sprechen. Er verstand natürlich kein Wort. Das mußte
der Mann doch inzwischen wissen. Und jetzt, da er nicht mal mehr sehen
konnte, fiel die Verständigung mit Hand und Fuß ebenfalls flach.
Zudem wurden die Worte in seinem Kopf, die jetzt sogar unterschiedliche
Stimmen hatten, intensiver. Nach einer kurzen Zeit konnte er sogar bestimmte
Stimmen identifizieren. Wenn er den Kopf bewegt war es eine Stimme, die
ihm was erzählte, wenn Armahran zu ihm sprach war es eine andere Stimme.
Wenn beides zugleich zutraf, brabbelten die beiden durcheinander. Das konnte
ja heiter werden.
Armahran ließ seine Hände
los und Graham bemühte sich hinzusetzen. Sein Hals war trocken. Noch
während er darüber nachdachte, wie er seinem Gegenüber das
klarmachen konnte, sprach eine der Stimmen wieder zu ihm. Was sie genau
sagte, war ihm nicht ganz klar, aber nun war er sich 100%ig sicher das
der Wald-Öhi seine Wasserflasche abgestellt hatte und wo diese nun
stand. Er streckte seine Hand danach aus, und die Stimme korrigierte ihn.
So gelang es ihm ohne groß Tasten zu müssen, die Wasserflasche
zu greifen und daraus zu trinken. Kaum war er fertig damit, sprach Armahran
zu ihm. Graham wollte ihm gerade klar machen, daß er nichts sehen
oder verstehen konnte, da meldete sich die zweite Stimme: "Er will wissen
wie du das gemacht hast." Graham ließ vor Schreck die Flasche fallen.
"Wer", stammelte er.
"Na der Wald-Öhi, oder wie
immer du ihn nennst." Die Stimme war leicht amüsiert.
"Nein, das meine ich nicht, ich
meine wer bist du?" Eindeutig Verrückt. Daran gab es kein Zweifel
mehr.
"Verstehst du eh nicht. Jedenfalls
jetzt noch nicht, also lassen wird das."
"Übrigens solltest du das
nicht immer alles laut sagen. Sonst hält man dich für verrückt",
meldete sich nun eine dritte Stimme. Die Stimme war neu. "Übrigens
hast du jetzt wunderschöne nachtblaue Augen. Pupille, Iris, alles
herrlich dunkel blau.
"Nun laßt ihn doch mal in
Ruhe", meldet sich eine vierte Stimme. "Er wird ja sonst noch ganz wirr
im Kopf."
"Das mußt du gerade sagen",
warf eine fünfte Stimme verächtlich ein.
Weitere Stimmen schalteten sich
ein, und bald war eine heftige Diskussion im Gange.
Das war zuviel für Graham.
Eine Stimme, die ihm half, sein Augenlicht zu kompensieren, war ja noch
in Ordnung. Eine zweite Stimme, die Übersetzer spielen wollte, war
ebenfalls erträglich. Aber gleich eine ganze Horde, die nun in seinem
Kopf eine Diskussionsrunde starten wollten, war definitiv zu viel. Graham
hielt sich die Ohren zu, stand auf und rannte schreiend los. Die Bewegungsstimme
wollte ihn zwar noch leiten, aber es war schon zu spät. Mit voller
Wucht prallte er gegen einen Baum und wurde erneut ohnmächtig.
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