Fryijo nahm das Mädchen vorsichtig
auf die Arme, denn eines war ihm bewusst, hier bleiben konnte er auf gar
keinen Fall. Andere Chrúms würden sicher bald folgen, und diese
wären bestimmt mächtig sauer, wenn sie ihre Kameraden alle tot
am Boden liegend fänden. Fryijo wagte einen vorsichtigen Blick, nach
rechts und nach links, an dem Höhleneingang. Als er sich sicher war,
dass niemand auf der Lauer lag, rannte er so gut er konnte in den tiefen
Wald, dort würden ihn die Chrúms so schnell nicht finden.
Es verging eine lange Zeit, bis
Fryjios Beine ihn nicht mehr tragen wollten und er völlig kraftlos
zusammensackte. Völlig erschöpft, galt seine erste Sorge dem
Mädchen. Ihr Atem war sehr flach und ihren Pulsschlag konnte Fryijo
kaum spüren. "Komm schon, Mädchen, mach jetzt nicht schlapp,
ich werde schon Hilfe finden", flehte Fryjio bittend. Aber tief in seinem
Innern wusste er genau, dass, wenn er nicht sehr bald Hilfe finden würde,
das Mädchen keine Chance hatte zu überleben. Zu hoch war der
Blutverlust, und so wie es schien, füllte sich die Lunge des Mädchens
langsam mit Blut. Wenn das der Fall war, müsste sie wohl an ihrem
eigenen Blut ersticken. Müde lehnte sich Fryijo an einem Baum und
schloss nur kurz seine Augen.
"Ich glaube er kommt langsam wieder
zu sich."
"Sieht so aus, wie gehts dem Mädchen
inzwischen?"
"Na ja, sie lebt noch. Hatte verdammtes
Glück, dass wir vorbeigekommen sind, noch einige Zeit mehr und sie
wäre gestorben"
Fryjio vernahm merkwürdige
Stimmen, aber sie klangen so weit entfernt. Er wollte seine Augen öffnen,
doch hatte er nicht die Kraft dazu, zu müde war er. Er fühlte
sich bleischwer. Doch als er das Wort "Mädchen" hörte, fiel ihm
plötzlich wieder alles ein. Fryjio riss seine Augen erschrocken auf.
Wo war er bloss? Er lag am Boden, mit einer Decke bedeckt. Er befand sich
immer noch im Wald, allerdings nicht mehr an der Stelle, wo er sich vorhin
noch befunden hatte. In der Mitte brannte ein Lagerfeuer und rechts von
ihm an einem Baum gebunden stand ein kleiner Esel. Fryjio stützte
sich auf seine Ellenbogen und blickte sich rings um im Lager. Da sah er
einige Schritte von ihm entfernt das Mädchen liegen. Auf weichen Decken
gebettet und wärmend zugedeckt. Neben ihr stand ein Zwerg, mit zwei
bis an die Schultern reichende Zöpfe und einem langen Bart, in den
er sich an den Enden ebenfalls kleine Zöpfe geflochten hatte. Er stand
einfach da, blickte Fryjio aus dunklen Augen an und grinste zu ihm herüber.
"Na, junger Mann, könnt ihr
euch wieder bewegen? Hier habt ihr etwas zu trinken."
Fryjio erschrak fürchterlich,
als neben ihm eine tiefe Stimme donnerte und diese Worte zu ihm sprach.
Als er sich umblickte sah er allerdings erst einmal ein paar Pferdehufe.
Sein Blick wanderte nach oben, und dort, wo normalerweise der Hals und
der Kopf eines Pferdes zu vermuten gewesen wäre, begann der Oberkörper
eines Mannes. "Was zum...", stotterte Fryjio mit zitternden Lippen.
Was dort neben ihm stand, war tatsächlich
ein Assandé. Einer derjenigen, die man nur aus den Geschichten kennt.
Sie galten als furchtlose Krieger, als Mythos. Fryjio hatte als Kind einige
Geschichten über dieses Volk gehört, aber gesehen hatte er noch
nie einen von ihnen. Der Assandé ging mit seinen Vorderbeinen in
die Knie und beugte sich tief zu Fryjio hinunter, um ihm einen Becher zu
reichen. Fryjio bemerkte wie muskolös dieser Assandé war. Das
Fell des Pferdekörpers hatte einen dunklen Braunton, das beinahe lückenlos
in die Hautfarbe des Menschlichen Teils überging. Er hatte schwarzes,
schulterlanges Haar, das er zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte.
Er trug ausserdem einen gut geschnittenen Bart. Zwei Goldenen Ohrringe
schmückten den Assandé und Fryjio hätte auch schwören
können, noch nie in so farbintensive blaugrüne Augen gesehen
zu haben.
"Da..Danke", brachte Fryjio nur
recht zögerlich hervor, und trank begierig das kühle Wasser,
aus dem Becher, das ihm der Assandé gereicht hatte.
"Sagt mal, was ist denn passiert,
euch und diesem Mädchen dort, seid ihr überfallen worden?"
Neugierig musterte der Assandé,
Fryjio und lauschte dessen Bericht über die Chrúms, und dass
das Mädchen ihm auf der Flucht geholfen hatte, er sie allerdings nicht
kannte.
"So, Chrúms also!" brummte
der Assandé. "Eines jener Völker, die das Leben anderer nicht
achten und erst aufhören zu morden und zu töten, wenn sie selbst
in ihrem Blut am Boden liegen und ihr widerliches Dasein mit einem letzten
Atemzug beenden." Man merkte dem Assandè regelrecht seinen Ekel
den Chrúms gegenüber an. Dann wandte sich der Assandé
an den Zwerg: "Kosh, wache du über unsere Gäste, ich lasse dir
Sirti hier, dieser wird jede Gefahr wittern. Ich hingegen werde mich auf
den Weg machen und den Chrúms entgegen gehen, bevor sie unser Lager
entdecken, denn dann wäre das Leben des Mädchens wieder in Gefahr."
Der Zwerg nickte kurz und meinte
noch: "Nimiéed, pass auf dich auf, diese Chrúms sind feige
und hinterhältige Kämpfer."
"Keine Sorge, Kosh, ich werde mir
zu helfen wissen." Der Assandé lächelte kurz zu Fryjio herüber
und verschwand im Dickicht des Waldes.
Fryjio stand langsam auf und ging
mit wackeligen Beinen zu dem Zwerg und dem Mädchen hinüber. "Entschuldigt
bitte, wer ist Sirti?" Der Zwerg konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen,
und zeigte auf einen Haufen Steine, der direkt neben der Schlafstelle von
Fryjio lag. "Das ist Sirti", verkündete der Zwerg sichtlich amüsiert.
Fryjio runzelte die Stirn, hatte
er gerade richtig verstanden? Meinte der Zwerg wirklich den Haufen Steine
dort? Doch was war das? Mit einem Male, kam Leben in die Steine, das schmutzige
Grau wich einem dunklen Grün, das zwischendrin auch einige Tupfer
Rot und Blau enthielt. Die glatte Oberfläche wurde plötzlich
Schuppig und an einem Ende des Haufens, blitzte in einem Nu ein tiefrotes
Augenpaar auf.
"Ein Drache, Sirti ist ein Drache?"
rief Fryjio überrascht auf.
"Ja, aber einer von der kleinen
Sorte, und liebenswerter als die anderen. Eigendlich ist er ja für
mich mehr wie ein Hund, nur streicheln und schmusen kann man mit ihm nicht
so gut, es sei denn man mag sich überall Schürfwunden holen,
an den ganzen Hornplatten und Krallen. Aber er kann jederzeit und überall
ein Lagerfeuer entfachen. Und... er hat euch beide gefunden", setzte der
Zwerg noch nach.
Fryjio sass da und sperrte den
Mund auf, jetzt hatte er schon zwei mysthische Wesen an einem Tag gesehen,
und das kurz hintereinander.
Der Wald war ziemlich dicht. Überall
wucherten Schlingpflanzen und Farne. Riesige Bäume mit dichtem Geäst
und undurchdringlichem Blätterdach liessen kaum Licht auf den Boden
fallen. Niemiéed liebte diese Wälder und deren Duft. Obwohl
er es auch liebte über weite Prärien zu galoppieren, mit dem
Wind im Haar, und im Wettstreit mit den wildlebenden Pferden. Doch Stimmen
weckten Niemiéed aus seinen Gedanken:
"Hier muss Mann gewesen sein, viel
Blut hier am Boden"
Tatsächlich, eine Rotte von
zehn Chrúms hatte sich gebildet, und diese verfolgten nun die Spur
von Fryjio. Sie waren nun genau an der Stelle, an der Sirti Fryjio und
das Mädchen aufgespürrt hatte. Einer der Chrúms tastete
den Boden ab und roch an seinen Fingern.
"Nicht alt das, vielleicht wenig
Zeit vergangen, aber dann kommen grosse Tier und Pferd und eine kleine
Pferd, bestimmt mitgenommen Mann und andere Mann"
Die Chrúms hatten trotz ihrer
Beschränktheit bemerkt, dass Fryjio und das Mädchen von Sirti
gefunden worden war, und dass Niemiéed und Kosh die beiden mitgenommen
hatten. Plötzlich war ein Brüllen zu hören, über Niemiéed
hatte sich einer der Chrúms in einem Baum versteckt gehabt, und
liess sich nun mit einem gezückten Schwert auf den Rücken von
Niemiéed fallen. Doch das war ein böser Fehler. Niemiéed
war ein erfahrener Assandé Krieger, und er wusste genau, dass seine
Gegner immer versuchten, auf den Rücken eines Assandé zu gelangen,
um diesem einen Dolch oder ähnliches in den Rücken zu stoßen.
Oder gar versuchten, einem Assandé die Kehle durchzuschneiden. Deswegen
hatte sich Niemiéed seine Rückenklingen angelegt. Dolchartige
Handlange Spitzen die am gesamten Rücken des Pferdekörpers entlangliefen,
und jeder der so dumm war, Niemiéed auf den Rücken zu springen,
trieb sich diese Klingen in den Körper. Genau so erging es auch dem
Chrúms. Mit einem jaulenden Aufschrei und einem wimmernden Jammern,
bermerkte der Chrúms seinen Fehler erst, als er sich zwei der Klingen
in den Unterleib getrieben hatte. Niemiéed reagierte Blitzschnell.
Er drehte seinen Menschlichen Oberkörper herum, griff sich in dieser
Bewegung sein Langschwert, und hieb dem Chrúms mit einem Schlag
den Kopf ab. Schlapp sackte der nun tote Körper in sich zusammen und
stürtzte von Niemiéeds Rücken. Ein zweiter Chrúms
hatte sich eine Lanze geschnappt und stürmte mit dieser auf Niemiéed
zu, um ihn damit zu durchbohren. Niemiéed parierte den Stoß
mit seinem Schwert und ließ den Chrúms an sich vorbei stürmen.
Dieser drehte sofort um, ließ die Lanze fallen und zog sein Schwert.
Niemiéed setzte nun seine Beinklingen ein. Diese saßen über
den Hufen und konnten von einem Assandé wie Krallen ausgefahren
werden. Diese Klingen hatten eine säbelartige Form, allerdings mit
der Spitze nach unten gebogen. Diese Klingen waren etwa unterarm-lang und
wirkungsvolle Waffen. Ausserdem schützte diese Waffenrüstung
auch die Beine eines Assandé, und diese wurden meistens an allen
vier Beinen angebracht.
Niemiéed bäumte sich
auf, fuhr die Beinklinge an seinem rechten Bein aus, und rammte diese beim
herunterschlagen in die Brust des Chrúms. Knirschend durchdrang
die Klinge das Schulterbein und das Herzen des Chrúms. Die anderen
Chrúms stürmten weiter vor. Niemiéed nutzte den Abstand
und zog seinen Bogen hervor, er legte einen Pfeil an und schoss. Mit einem
dumpfen Schlag, so wie wenn man zwei Töpfe aneinanderschlägt,
durchschlug der Pfeil die Plattenpanzerung eines Chrúms, direkt
beim Herzen. Der Pfeil hatte eine so gewaltige Wucht, dass er den ersten
Chrúms einfach durchschlug und einen zweiten, direkt dahinter stehenden
Chrúms ebenfalls durchbohrte. Tödlich getroffen stürtzten
die beiden übereinander auf den Waldboden. Einer der übrigen
Angreifer hatte Niemiéed nun erreicht und wollte diesem gerade mit
einem Schwerthieb zu Leibe rücken, doch bekam dieser den äusserst
harten Bogen zu schmecken, den ihm Niemiéed blitzschnell mit einem
mächtigen Hieb gegen den Helmbewährten Kopf schlug. Ein lautes
aber kurzes Knacken liess erkennen, dass der Helm zwar stabil gewesen sein
mochte, aber nicht das Genick des Chrúms. Mehrere Schritte flog
der so getötete Chrúms rücklings durch die Luft.
Doch die Chrúms gaben einfach
nicht auf. Jetzt war es Zeit für einen Gegenangriff. Niemiéed
zog sein Doppelklingenschwert aus der Halterung an seinem Rücken heraus,
und wirbelte durch die Gruppe der restlichen sechs Chrúms. Diese
waren so überrascht von diesem Gegenangriff, dass sie beinahe erschrocken
zurückwichen. Niemiéed wirbelte sein Doppelklingenschwert über
seinen Kopf und an den Seiten entlang, wobei er einen Chrúms am
Hals erwischte und einem anderen die Klinge zwischen die Plattenpanzerung
rammte. Einen anderen Chrúms konnte er noch mit einem Tritt nach
hinten und einer seiner Beinklingen erledigen. Jetzt standen die letzten
zwei Chrúms ratlos da. Sie blickten sich an. Dann warf sich einer
von ihnen auf den Boden und schrie: "Du haben Erbarmen, wir nix mehr kämpfen,
bitte verschonen!" Worauf sich auch der zweite in den Dreck warf.
Endlich hatten sie aufgegeben.
Niemiéed konnte es nicht fassen, noch nie hatten Chrúms so
verbissen um etwas gekämpft. Normalerweise traten diese nach dem ersten
getöteten Chrúms die Flucht an. Irgendetwas musste sie dazu
getrieben haben. Wie dem auch war, Niemiéed fesselte und knebelte
die beiden und beschloss, sie zu einem Verhör mit ins Lager zu nehmen.
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