Magische
Welt
Íja Macár
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 Der Besucher / K83 (Uriel Sakarhim)
 

Hochzeitsglückwünsche und Fersengeld
K107
 von: Uriel Sakarhim
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Mannek Rüiba, Fryijos Onkel, war ein typischer Emporkömmling, der eines Tages als junger Spund mit vielen Ideen in Baneju aufgetaucht war, sich im Hafen als Tagelöhner verdingt und dann, nach und nach einen Handel mit Fischbroten hochgezogen hatte. Das Prinzip (Marinierter Fisch und Salat, zwischen zwei Brotscheiben eingeklemmt) hatte er sich selber ausgedacht und, wie seine jetzigen Verkäufer untereinander erzählten, seine komplette spätere Erfolgsgeschichte mit dem einfachen Tausch eines Fischbrotes gegen ein Paar Schuhe begonnen. Mannek schwieg sich zu dieser Geschichte beharrlich aus.
Heute bewohnte er eines der älteren und größeren Patrizierhäuser, wurde aus Dráau, Fallama und Arngram mit Fisch beliefert (in den Gewässern vor Baneju lebte kein genießbarer Fisch mehr; die Absonderungen der Stadt ins Meer waren zu giftig) und ließ sechzig Menschen als Straßenhändler überall seine Ware verkaufen. Das Großhändlertum rümpfte über ihm die Nase und weigerte sich strikt, ihn als einen der Ihren anzuerkennen, wozu sie bei ihm gekauft hätten. Aber das machte ihm nichts aus, denn die überwiegende Mehrheit der Banejuer wusste das gesunde und billige Essen zu schätzen.
Als sein Sekretär ihm Fryijos Ankunft meldete, ließ er den und seinen Anhang in den "Salon" bitten, den einzigen Raum, der den Vorzug eines Kamines bot, welcher nur dazu diente, im Winter die Luft zu erwärmen.
Sein Empfang war überschwänglich und wortreich.
 "Na, wenn das nicht mein lieber Neffe ist! Freut mich, dass du hergefunden hast. Albien ist gerade am Hafen, verhandelt mit einem Lieferanten. Er wird erst zum Abendessen bei uns sein.
War deine Reise friedlich? Man hört ja einiges über die Elben im Wald, was die so mit Wanderern anstellen sollen, haarsträubend, sag ich dir. Gerade heute war wieder was los, angeblich hat einer von ihnen das Stadtgefängnis komplett dem Erdboden gleichgemacht, kannst du dir das vorstellen?!
Und wen hast du denn da mitgebracht? Einen Freund von dir?"
Fryijo hatte sich entschlossen, den Namenlosen Eryk zu nennen, nicht nur, weil das der erste Name war, den der genannt hatte, er war auch kurz und einprägsam. Jetzt war Eryk gerade damit beschäftigt, Mannek trotz dessen opulenter Erscheinung zu ignorieren und sich die Wandteppiche anzusehen. Mit Augen und Händen.
 "Hallo, Onkel, die Elben haben mich in Ruhe gelassen. Ich freue mich, dass dein Geschäft offenbar immernoch so hervorragend läuft wie eh und je.
Das ist Eryk, ein...", er zögerte, während sein Kopf nach einer nicht zu platten Lüge suchte.
 "...ähm. Er ist eigentlich ein Ritter, der bei einer Überfahrt über Bord gegangen war. Ich habe ihn aus dem Wasser gezogen und seit dem bleibt er bei mir. Meint, er schuldet mir was." Verlegen lächelte der junge Fischer.
 "Ah, ja. Ein Mann von Ehre, wie ich sehe. Nun, Edler Eryk, willkommen in meinem bescheidenen Hause!"
Manneks Kopf schien gar nicht zu registrieren, dass der Angesprochene ihm weiterhin den Rücken zukehrte und ganz offensichtlich nicht zuhörte, sondern ließ den Mund immer weiter reden und reden, bis er irgendwann außer Atem war.
In der schnaufenden Stille drehte Eryk sich um, musterte Mannek kurz von oben bis unten und ergriff dann selber das Wort: "Ihr seid ein Guter Mann, Rüiba."
Mehr nicht.
Selbst Fryijos Onkel war kurz verdutzt, fing sich aber recht schnell wieder.
 "Also, wenn es euch nichts ausmacht, würde ich euch beiden gerne die Stadt zeigen. Würde mir auch gut tun, ich habe das Gefühl, schon seit Ewigkeiten nur noch in meinem Arbeitszimmer zu leben, als ob es gar kein Draußen mehr gäbe. A-Hahaha..." Das Lachen verstummte unnatürlich schnell, als er Eryk ansah.
 "Aber sehr gerne doch, Onkel", half Fryijo ihm aus der Patsche.

 "Sag mal, aus welcher Ecke der Welt stammt dein Ritter eigentlich?"
Sie liefen auf dem Weg zum Haus des Rates, wo Mannek die kleine Besichtigungstour beginnen wollte, durch das Gewirr einer nachmittäglichen Handelstadt. Händler priesen ihre Waren an, Gewürze, Schmuck, exotische Speisen (von denen sie mitunter selber nicht wussten, woraus diese eigentlich bestanden und woher sie kamen), aber auch Alltagsgegenstände, wie Kerzen und Pergament, und an einer Ecke hielt jemand seine Dienste als Abort-Leerer feil. Eryk schaute sich alles mit großen, staunenden Augen an, was Fryijo verwunderte, der noch zu gute seine Worte im Kopf hatte.
 Ich weiß mehr über euch, als ihr selber wissen könnt...
Im Tageslicht wunderte auch der Onkel sich nun endlich wirklich über den angeblichen Ritter. Genauer gesagt, über dessen Aufzug, eines Ritters durchaus untypisch.
Wieder musste Fryijo sich eine Lüge ausdenken.
 "Darüber hat er nie geredet... Das heißt, doch. Einmal hat er was von der Insel Váy gesagt...", murmelte er.
Dies nun war ein recht gerissener Schachzug. Váy war hier oben im Norden das Synonym für Merkwürdigkeiten und Ungereimtheiten schlechthin. Mit einem Hinweis auf diese Insel, die man halb für eine Legende, halb für etwas Wahres hielt, ließ sich schlichtweg alles entschuldigen.
 "So? Bei Hith! Ein Insulaner! Ich sollte ihn fragen, was für Fische es in den Gewässern da unten gibt, vielleicht kann ich dann ja eine neue Sorte anbieten."
Sie kamen am Kanal entlang und begegneten Albien, der von seinem Vetter sofort mit Glückwünschen überhäuft und über seine Braut ausgefragt wurde.
 "Was denn, du bist Nemia noch nicht begegnet? Sie wird wohl in der Spinnstube gesessen sein. Ist wirklich ein Schatz, du wirst begeistert sein. Wie sieht es denn bei dir aus? Schon ein Mädchen im Auge, Vetterlein?"
 "J-ja. Aber ihre Familie ist reicher als unsere -"
 "Papperlapapp", unterbrach Albien ihn, "das bereden wir heute Abend. Mein Vater wird dir sicher etwas für die Brautsteuer mitgeben können, und wenn ich dann eines Tages sein Geschäft erbe, kommst du mit Frau und Kindern nach Baneju und wir führen es gemeinsam weiter."
Eigentlich wollte er noch von seinen weiteren Plänen berichten. Denn warum die Fischbrote nur in Baneju verkaufen, wenn es in Varnáo auch hungrige Mägen gab, für deren Besitzer der Fisch aus den westlichen Meeren eine Delikatesse war? Aber diesmal wurde er unterbrochen, und zwar von Eryk.
 "Es ist gut, zu träumen, aber ich fürchte, daraus wird nichts werden können...", und dann verlor sein Blick sich auf das offene Meer, wo sich am Himmel dunkle Sturmwolken zusammenbrauten, wie Fryijo feststellte, als er dem Blick folgte.
Das wird eine ungemütliche Nacht werden.
 "Hör ma’, wer bist’n du, dass du dich hier einmischst in Sachen, die dich gar nichts angehen?" Albien stieß Eryk unfreundlich an, was Mannek empört nach Luft schnappen ließ.
 "Er ist der Begleiter deines Vetters, Sohn, und also auch unser Gast und du solltest ihm gegenüber höflicher sein.
Entschuldigt bitte seine Manieren", fuhr er an Eryk gewandt fort, der allerdings davon nichts mitzubekommen schien, "er hat halt viel mit den Hafenarbeitern zu tun und da sind Sitten und Ton nunmal rauer."
 "Wie Ihr meint", kam leise und seltsam hoch und unbeteiligt die Antwort.
Und weiter ging es durch die brütende Hitze, ohne Unterbrechung diesmal, bis zum Haus des Rates. Doch dort angekommen, erlebten sie eine faustdicke Überraschung. Der Torwächter am Vorhof nämlich, ein alter aber mehr als rüstiger Mann mit einiger Drahtigkeit, hielt sie an und deutete auf Eryk, der das gleichmütig hinnahm.
 "Ist das nicht der Gefangene, der heute Vormittag aus dem Gefängnis ausgebrochen ist?"
Fryijo brach der Angstschweiß aus. Glücklicherweise fiel das niemandem außer dem Hund des Wächters auf, weil er in der Sonne ohnehin schwitzte.
Aber Mannek machte sich nichts aus der Beschuldigung und versuchte, sie mit der geliehenen Würde eines Mannes, dessen Kenntnisse noch nicht alt genug waren, um widerlegt worden zu sein, auszuräumen.
 "Aber nicht doch, guter Mann, dies ist Eryk, Ritter von der Insel Váy, und mein Gast. Ich zeige ihm die Stadt. Ihr solltet nicht vorschnell falsche Anklagen erheben."
Der, um den es ging, hatte unterdessen begonnen, einen eigenartigen Singsang zu summen, wobei er den Wächter unentwegt anstarrte.
Der Alte blickte Mannek verwirrt an, hob dann die Hand zum Ohr und schrie fast:
 "Was hat er gesagt? Er muss lauter reden!"
Der Singsang verstummte.
 "Verdammt!", ließ Eryk sich nun zum erstenmal seit ihrer Ankunft bei Mannek anders als gleichgültig vernehmen. "Der Kerl ist schwerhörig."
Was dann geschah, kam Fryijo wie ein Traum vor und wollte auch mit den Jahren der Erinnerung nicht wirklicher werden. Der alte Wächter schrie Alarm!, woraufhin von den Seiten des Gebäudes mindestens zwei Dutzend Wächter ausrückten, gleichzeitig wurde Fryijo am Arm gepackt und zurück, in Richtung des Kanals, gezogen, während Eryk mit sich überschlagender Stimme unverständliche Worte schrie, die eine Panik in den Menschen auf ihrem Weg auslösen mussten, denn überall um sie herum brach Tumult aus, der den Wächtern den Weg versperrte. Am Kanal stürmten sie an Bord eines Gewürzhändlers, der gerade die Ladung löschte und dessen Mannschaft, nachdem Eryk laut und drohend das Wort "Springt!" gerufen hatte, über die Rehling ging.
Fryijo wurde auf die Planken geworfen.
Eryk holte den Landungssteg ein, machte die Taue vom Schiff los und warf sie von Bord.
Es schaukelte nur leicht in der Strömung, bewegte sich aber nicht vom Fleck.
Sie sahen sich verdutzt an und begriffen jetzt erst, was eben geschehen war.
Fryijo geriet in Panik.
 "Und jetzt? Wir kommen hier nicht weg! Es ist windstill. Sie werden uns kriegen und mich auch ins Gefängnis werfen, weil ich dir bei der Flucht geholfen habe, und wie sollen meine Eltern ohne mich zurecht kommen, sie sind alt. Und jetzt werde ich Tjala nie wieder sehen und..." Eryk schlug ihn bewusstlos.
Dann lief er über das Deck und überlegte.
Dann stellte er sich vor den Mast.
 "Nun fahr schon los, verdammte Kiste!"
Das Schiff schien sich den Anweisungen des Mannes nicht widersetzen zu wollen, denn es trieb tatsächlich von der Mohle ab und setzte sich stromabwärts in Bewegung.

Als Fryijo wieder zu sich kam und sich aufrichtete, sah er, dass sie weit draußen auf dem Oúrnalam-Meer waren. Es dämmerte bereits. Das heißt, genau genommen, schätze er nur, dass es dämmerte, denn die Wolkendecke, die am Nachmittag noch in weiter Ferne gewesen war, lag nun direkt über ihnen und warf einen unheilschwangeren Schatten auf die Welt. Der Wind hatte aufgefrischt, erste Blitze zuckten durch den Himmel, der Wellengang war bereits höher, als das Schiff, aber noch gleichmäßig - was sich bald ändern würde.
 "Hith, steh mir bei!", keuchte er und hörte ein auftrumpfendes kurzes Lachen.
 "Nein. Ich denke, dass ich dir eine bessere Hilfe sein werde", vernahm er Eryk hinter sich.
 "Wie sind wir denn aus dem Hafen gekommen?"
 "Das ist jetzt wirklich nicht unser vordringlichstes Problem. Der Sturm wird uns gehörig durchschütteln. Ich hab die Luken bereits abgedichtet, wir sollten uns unter Deck verkriechen und hoffen, dass wir nicht leckgeschlagen werden."
Fryijo drehte sich um. Und richtig: Da sah er den Menschen, den er heute Morgen noch gar nicht gekannt, und der ihn jetzt in diese ... diese Lage gebracht hatte. Er stand, auf die Rehling gestützt, da und schaute zum Horizont.
 Er hat mit einem Schrei eine ganze Stadt in Panik versetzt. Wieso sollte er nicht gegen den Sturm ankommen?
Eryk musste die stumme Frage gehört haben, denn er antwortete: "Nunja. Meine Stimme kann nur beeinflussen, was greifbar ist. Menschen, Steine, Schiffe. Aber nicht den Wind. Nein. Da können wir nur hoffen."
Sie gingen unter Deck und hüllten sich zwischen Gewürzsäcken in Decken ein. Stumm saßen sie Stunde um Stunde im Zwielicht und hörten, wie der Sturm heftiger wurde, wie Wellen über das Oberdeck hinweg fegten und Blitze in das Meer einschlugen. Irgendwo musste es von oben hereintropfen, denn bald hatte sich eine Wasserlache auf dem Boden gebildet, die in den Bewegungen des Schiffes hin und her tanzte.
Wir sind verloren, dachte Fryijo, und diesmal kam keine Antwort von seinem hellhörigen Begleiter. Wir werden sinken, bis zum Grunde des Meeres und auf dem Weg dorthin ertrinken. Er weinte. Die Trauer über all jene, die er zurücklassen würde, schüttelte seinen Körper und presste seine Gedärme zusammen.  Irgendwann ebbte der Gefühssturm ab und er fühlte sich besser. Zwar schwach und hoffnungslos, aber eigenartig friedlich, und schlief ein.
 

© Uriel Sakarhim
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... und so setzt sich das Abenteuer fort:
Hebbeddehebbedde - Ranasandana! -K108 (Uriel Sakarhim)
 

... wenn Ihr aber noch weitere Fortsetzungen kennt, dann mailt mir diese bitte!
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