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Hebbeddehebedde – Ranasandana! /
K108 (Uriel Sakarhim)
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von: Uriel
Sakarhim
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"Aufgewachsen bin ich in einer Hirtensiedlung im Umland von Márna. Die Schafe waren mein Leben, aber etwas langweilig. Und als ich vierzehn Jahre alt war, kam ein Alchemist bei uns durchgereist, Smärög hieß er, war zu fuß unterwegs, nur ein Packpferd mit sich führend, und blieb über Nacht in unserer Hütte. Das traf sich gut, denn meine Großmutter hatte sich unlängst ein Bein gebrochen und lag im Fieber. Er meinte, helfen zu können und tat das, indem er die Bruchstelle erst aufschnitt, das schlechte Blut herauspresste und dann eine Salbe auftrug, die sofort wirkte, wie wir sahen, denn zum ersten Mal seit einer Woche war sie an jenem Abend wieder bei klarem Verstand. Das hat mich so sehr beeindruckt, dass ich ihn, da er in meiner Ecke schlief, die halbe Nacht lang mit meinen Fragen wach hielt, doch ein so freundlicher Mann, wie er war, hat er mir geduldig alles erklärt, was ich zu wissen begehrte und damit wohl, ohne Absicht freilich, dafür gesorgt, dass ich sein Lehrling werden wollte. Am nächsten Tag zog er schon früh weiter nach der Stadt und um die Mittagszeit, als ich eigentlich die Schafe hüten sollte, die auf der Weide grasten, welche Richtung Márna lag, bin ich ihm hinterher gelaufen und habe ihn gegen Abend an einem Heuschober eingeholt. Es dauerte lange, bis er mir die Beteuerungen glaubte, meine Eltern seien damit einverstanden. Ein wenig kannte ich mich mit dem Heilen ja schon aus, wenn auch nur, soweit es um Schafe ging, denen ich aus Wiesenkräutern Wickel für gestauchte Beine und Aufgüsse gegen die Kolik machen konnte und ähnliches - aber das ist ja nicht ungewöhnlich, wenn man von diesen Tieren lebt. Wir zogen also gemeinsam nach Márna, wo er sich ein neues Laboratorium einrichten wollte, um die Minerale des hiesigen Bodens zu erforschen. Die Schwierigkeiten fingen aber schon am Stadttor an, denn da er keine Empfehlungsschreiben vorweisen konnte, vermuteten die Wachen, er sei ein Pfuscher, den man woanders davongejagt habe, und ließen uns nicht durch. Missmutig stampfte er an der Stadtmauer entlang und zog sein schwer beladenes Pferd ungerecht ungeduldig hinter sich her. Dieser Umgang mit dem Tier erschreckte mich, sodass ich mich nicht traute, ihm Vorschläge zu machen, wie wir dennoch hineingelangen konnten. Doch manchmal lösen sich Probleme auch von alleine, wenn man sie nur lässt. Als wir nämlich das Flussufer östlich der Stadt erreichten, welches vorzeiten mit Feldsteinen befestigt worden war, hörten wir unvermittelt merkwürdige Pfiffe aus dem Schilf, die wohl einen Singvogel nachahmen sollten, es aber nicht trafen, gleichwohl sie aus dem Gebüsch an der Landseite beantwortet wurden. Mein Meister vermutete Wegelagerer und zog einen langen, dünnen Dolch aus der Satteltasche, den ich später von ihm erbte und der mir sehr gute Dienste erweisen sollte. Ich habe ihn sogar hierher mitbringen können." Sinnijussus zog ihn aus einer Scheide an seinem Gürtel und zeigte ihn mit ein wenig Stolz seinen beiden Gästen. Er war aus blau schimmerndem Stahl geschmiedet und hatte eine kleine Parierstange, auf der ein kurzer Spruch eingraviert war. "Vergoss’nes Blut: es sei vergiftet", las Fryijo auf der einen Seite laut vor und der Alchemist ergänzte, was auf der anderen stand: "’Geschnitt’nes Fleisch und Brot: sei rein’. Damals konnte ich noch nicht lesen. Der Meister warnte mich nur leise, mir den Dolch ja nicht entwinden zu lassen und hieß mich ins Schilf schlagen, um auszukundschaften, was es mit den Pfeifern auf sich habe, während er selber ein Kurzschwert zog und gespannt die Büsche beobachtete. Um es kurz zu machen, es waren keine Räuber, sondern Schmuggler und der am Wasser hatte seinen Kumpanen unseretwegen nur gewarnt. Doch wir hatten sie nun in unserer Gewalt und es wäre ein Leichtes gewesen, sie der Stadtwache auszuliefern und uns so als vertrauenswürdige und rechtschaffene Menschen zu erweisen; zumindest schien es uns so und wir hielten es auch für eine gute Idee. Aber die Schmuggler schlugen uns einen Handel vor: Sie wollten uns samt Ausrüstung und Pferd in die Stadt bringen, im Tausch gegen unser Schweigen und machten uns auch klar, dass es besser sei, bei ihresgleichen einen Stein im Brett zu haben, denn die Obrigkeit genoss zu der Zeit kein großes Ansehen und man hätte uns eher gemieden. Wenn wir uns aber von ihnen helfen ließen, so hätten wir gleich zwei Dutzend Freunde in der Stadt, die uns auch über die ersten Schwierigkeiten hinweg helfen würden. 'Seht ihr, eine Hand wäscht doch schließlich die andere und eine Krähe hackt der andern kein Auge aus', meinte der eine, 'Eurer Ausrüstung nach könnt ihr Wunden versorgen, so etwas zählt bei uns viel, da hättet ihr eine gute Kundschaft mit uns, denn hin und wieder lässt es sich nicht vermeiden, dass einer oder zweie von den Wachen mehr abbekommen, als nur unfreundliche Schimpfworte. Und wenn ihr mal in Not geraten solltet - es sei, was es wolle - die Rote Gilde erweist sich ihren Freunden auch als treue Freundin.' Zwar hatten wir einige Zweifel, wie sie ein Pferd mit einem Boot in den Hafen schmuggeln wollten, ließen es aber dennoch auf den Versuch ankommen. Das Boot war eine sehr seltsame Vorrichtung. Über Wasser nahm es sich nicht anders aus, als irgendein gewöhnliches Ruderboot, wie es auch die Patroullien benutzten. Aber das Deck konnte aufgeklappt werden und gab dann einen fast doppelt so großen und sehr tief gehenden Laderaum frei. Sie hatten sogar eine Planke dabei, auf der das Pferd, nachdem Smärög ihm einen Trank zur Beruhigung eingeholfen hatte, ganz ruhig hineingelangen konnte. Und, so groß war der Laderaum, es passte sogar noch das halbe Dutzend mit verschiedenstem Inhalt gefüllter Körbe hinein, die der eine, gestapelt und hoch aufgetürmt, auf dem Rücken durch das weglose Dickicht herbeigetragen hatte. Bis zur Dunkelheit dauerte es noch einige Zeit, die wir nutzten, um uns bei einem gemeinsamen, wenn auch recht bescheidenen Mahl vertrauter miteinander zu machen. Dabei erzählten sie uns, dass ohne das Schmugglergewerbe wohl die Hälfte der Bürgerschaft hätte Hunger leiden müssen, da der Magistrat die Zölle seit geraumer Zeit erheblich in die Höhe getrieben hatte und so selbst eine einfache Kanne Milch oder ein Ballen Stoff mehr kostete, als die meisten sich leisten konnten. Ich wusste davon nichts, da wir Schäfer keine freien Züchter und Händler waren, sondern der Stadt hörig, die jedes Jahr Wolle und Hammelfleisch als Steuern einzog und uns dafür vor Räubern und Wölfen schützte und bei Verlusten durch schwere Winter half. Als es bereits dämmerte, kam noch ein dritter hinzu, Tichú mit Namen. An ihn erinnere ich mich besonders, weil er mir später noch begegnete und ich viel Umgang mit ihm haben sollte. Er war tagsüber Wächter und hielt als einer von zwei Spionen die Gilde über die Methoden der Wache auf dem neuesten Stand. Da die Patroullien vor kurzem verstärkt worden waren, wurde er gebraucht, um notfalls die richtigen Antworten geben zu können. Als der Halbmond aufging, gingen wir zu dritt unter Deck und Tichú ruderte mit dem anderen in den Hafen. Wir hatten Glück, wurden nicht entdeckt und legten alsbald unter einem der zahlreichen Stege an, wo ein Vierter das Boot bereits erwartete und zwar überrascht war, dass noch zwei Fremde mit dabei waren, nach einer kurzen Erklärung uns aber mit freundlichem Handschlag begrüßte. Dem Pferd mussten wir Tücher um die Hufe binden, um Lärm zu vermeiden und der Beruhigungstrank kam nochmals zum Einsatz, und dann ging es durch einen langen und erstaunlich geräumigen Tunnel ins Innere der Stadt. Smärög führte sein Pferd, ich half den anderen mit den Körben. Ich weiß nicht mehr, wie lange wir da gingen, aber irgendwann, an einer scheinbar beliebigen Stelle, bedeuteten uns unsere neuen Freunde, stehen zu bleiben und ruhig zu sein. Nach kurzem Warten war ein rhythmisches Klopfen von der Wand zu hören, das Tichú mit einem anderen Rhythmus beantwortete, woraufhin sich eine Wand in der Tür öffnete, hinter der sich ein weit ausgedehntes Kellergewölbe erstreckte. Später erfuhr ich, dass dies nur eines von vielen Lagern war, die alle miteinander durch den Tunnel verbunden waren. Der Mann, der uns geöffnet hatte, stellte sich als Oleg und Wirt des Vulkanes vor. Es war schnell abgemacht, dass wir bei ihm bleiben konnten, die Körbe wurden verstaut und das Pferd abgeladen und mittels einer Hebevorrichtung an Seilen an die Oberfläche geschafft, wo es untergestellt wurde - im Stall des Magistratshauses, in dessen Kellergeschoss sich der Vulkan befand. Mein Meister und ich erschraken darüber, doch Oleg lachte nur und meinte, dies sei genau der richtige Ort. Denn die Mächtigen, wie argwöhnisch sie auch die Stadt im Auge hatten, schauten nur sehr oberflächlich unter ihren eigenen Nasen nach, sodass sie nicht wussten, dass sich unterhalb der Kellerkneipe noch zwei Geschosse befanden, deren Zugänge auch gut verborgen waren. Wer diese ganzen unterirdischen Räume und Wege angelegt hatte, wusste niemand und zwischenzeitlich waren sie nahezu in Vergessenheit geraten, bis halt die Schmuggelei notwendig und durch jene wenigen begründet wurde, welche irgendwann zufällig darauf gestoßen waren. Der dritte Keller unter dem Gebäude diente als Lagerraum, der zweite als Unterkunft für gesuchte und von außerhalb kommende Mitglieder der Gilde, als welche wir bereits betrachtet wurden. Smärög durfte sich sein Labor dort einrichten und seine Versuche treiben und sollte im Gegenzug sich um Verletzte und Kranke kümmern, während ich beim Ver- und Entladen des Schmuggelgutes helfen sollte. So begann unsere Zeit in Márna. Mein Meister erforschte die Minerale im Untergrund, die er sich als Proben leicht von den Tunnelwänden beschaffen konnte, ich lernte bei ihm, wie man die Elemente miteinander verbindet oder voneinander trennt und das eine aus dem anderen gewinnt, sowie die Herstellung zahlreicher Heilmittel gegen Wundbrand, Ausschläge, Fieber und was es noch an Schlimmem gibt auf der Welt und fuhr in jeder zweiten Nacht mit den anderen hinaus. Die Rote Gilde beschaffte uns sogar noch mehr Geräte, als wir mitgebracht hatten, sodass mein Meister, wie er sagte, besser und genauer arbeiten konnte, als er je zu träumen gewagt hatte. Allein, das Gestein gab nicht das her, was Smärög sich erhofft hatte und er wandte sich bald anderm zu, davon das erste der Pflaumenwein war, den der Vulkan als seine importierte Spezialität von der Insel Búna, woher Oleg stammte, ausschenkte. Zwar war das meiste davon nicht bei Tage in die Stadt gelangt, doch die Ratsherren schienen sich nicht sonderlich darum zu bekümmern, wie er beschafft worden war, und sprachen ihm nach ihren Sitzungen, wie die meisten anderen Gäste auch, munter zu. Eines Morgens nun, ich war gerade von einer Einfuhr zurück, die mich in eine besonders entlegenes Lager im Lockere-Sitten-Viertel geführt hatte, und wollte mich eigentlich erschöpft zur Ruhe legen, hielt mich der Meister nun davon ab mit der Meinung, er müsse mir etwas außerordentliches zeigen. Auf dem Arbeitstisch standen drei Krüge. 'Sieh her', sagte Smärög, 'da haben wir den Pflaumenwein. Natürlich hat er eine hervorragende Qualität, aber Oleg hat mir erzählt, dass, besonders im Sommer, manchmal sauer gewordene Ladungen ankommen. Nach allem, was wir wissen, liegt das an den fauligen Dunstgeistern, die sich in der warmen Luft umhertreiben und von der süßen Flüssigkeit angezogen werden, wie Bienen vom Honig...' Er unterbrach sich kurz, kramte nach einem Stück Pergament und einem Federkiel und machte eine eilige Notiz, bevor er weiter ausführte: 'Wie erwehrt man sich dieser nun?' Er sah mich mit prüfendem Blick an, der mir bedeutete, dass ich sehr wohl in der Lage sei, die Antwort, wenn schon nicht zu wissen, so doch zu erschließen. Doch Müdigkeit macht dumm und mir fiel nur die Lösung ein, die wir bei mir zu hause gegen unwillkommene Geister hatten: Amulette. Des Meisters Blick zeigte Enttäuschung und er schnaubte verächtlich. 'Na! Bei jeder Schlacht, zu der ein Heer aufbricht, verkaufen sich hundertfach Amulette gegen Pfeile und Schwertwunden, und sie helfen die Kriegern doch nichts. Und ich habe Oleg befragt, der mir das auch bezüglich des Weines bestätigte. Nein! Wie gegen das Schwert nur ein stärkerer Panzer hilft, so muss man den faulen Geistern einen stärkeren Geist entgegensetzen!' Er deutete auf einen Kolben, der auf einem Dreifuß stand und so erhitzt werden konnte. 'Es ist schwierig, denn man muss sehr genau mit der Hitze aufpassen, damit der Wein nicht verkocht, aber wenn man es richtig anstellt, dann -', er zeigte auf den mittleren der drei Krüge. 'Nur zu. Koste einen Schluck davon. Aber um des Vergleiches Willen, nimm zuerst einen von dem normalen Pflaumenwein.' Ich kostete erst aus dem ersten Krug und es schmeckte wie gewohnt, dann aus dem zweiten - und prustete, wobei mir einige Tropfen in die Nase gerieten und ich aufschrie, so sehr brannte es. Smärög lachte. 'Siehst du wohl! Mit einem einigermaßen einfachen Verfahren lässt sich der Geist des Weines zu größerer Stärke konzentrieren und kann sich dann gegen die Dunstgeister erwehren. Aber das ist noch nicht alles. Ich habe mich nämlich gefragt, was passiert denn, wenn ich dem Dampf noch ein wenig Schwefel mit auf den Weg gebe? Das Ergebnis ist im dritten Krug.' Er bedeutete mir, auch davon zu kosten und mit zitternder Hand nahm ich einen Schluck davon. Sehr zu meiner Überraschung schmeckte er milder als zuvor, doch dafür war ich jetzt benommen und schwankte im Stehen. Wie von Ferne und hallend hörte ich noch die Worte: 'Hier nützt uns das freilich recht wenig, wenn die Ladung bereits verdorben ist, daher werde ich es dir beibringen und du wirst nach Búna gehen und es ihnen dort beibringen.' Dann fiel ich um, und versank in einem schweren Rauschschlaf." Sinnijussus legte eine Pause ein und nahm einen großen Schluck von dem Tee, während er an Fryijo und Eryk vorbei auf den Sternenhimmel spähte. Fryijo räusperte sich. "Da sagtest - Schwefel?" Bestätigend nickte der Alchemist. "Ja, ja. Solche Kopfschmerzen wünsche ich wirklich nichts und niemandem auf Íja Macár", murmelte er geistesabwesend. "Heißt das, du warst bei der Erfindung des Vulkanwassers dabei? Ich fasse es nicht. Bei uns zu hause haben wir immer ein paar Flaschen davon stehen, für die Feiertage." "Ja. So hat Oleg es dann genannt. Verkaufte sich noch besser, als der Wein. Leider hat er zu viel Gefallen daran gefunden und sich ein halbes Jahr nachdem er ihn im Angebot hatte, daran zu Tode getrunken. 'Großer Wettbewerb', hieß es, 'Wer den Wirt unter den Tisch trinkt, trinkt bis zum Winter auf’s Haus', hieß es. Nun, er war immerhin der einzige, der sich unter der Tisch getrunken hat. Und unter die Erde. Smärög fühlte sich schuldig daran. Und dann musste er den Vulkan auch noch übernehmen, weil er sich am besten mit allem auskannte. Er hat ihn zur Erinnerung an Oleg dann Der Trunkene Vulkan genannt und ich war fortan für das Alchemistische verantwortlich. So lebten wir fast zehn Jahre lang sehr gut. Die Gilde ging ihren Geschäften gegen den Magistrat nach, über den Smärög immer am besten unterrichtet und damit so etwas wie der Anführer war. Ich forschte, weiter mit seiner Hilfe, vervollkommnete meine Kenntnisse und versorgte Kranke und Verwundete, und eigentlich hätte es ein Leben lang so weitergehen können. Doch eines Tages lief ein großes Getuschel um in der Stadt und erschreckte Smärög, mich und die meisten anderen von der Gilde bis ins Mark. Es hieß, die Wache habe den größten Schmuggelversuch überhaupt hochgehen lassen und die Masche sei über die Maßen dämlich gewesen: In der Nacht war ein großer Dreimaster vor dem Hafen aufgetaucht, ohne Licht und scheinbar ruderlos. Es sei aufgebracht worden, aber niemand wäre an Bord. Der Laderaum sei vollgestopft mit Säcken, aber man wisse noch nichts genaues, weil der Magistrat bei der Sichtung dabei sein und dann einen entscheidenden Triumph über das Schmugglerunwesen verkünden wollte, erzählte Tichú. Ausgerechnet in jener Nacht aber war keinem etwas über irgendeine Aktion bekannt, und alle warteten gespannt darauf, was sich dahinter wohl verbergen mochte. Auf dem Marktplatz wurde extra eine Tribüne errichtet, auf welche die entladenen Säcke vom an die Mohle geschleppten Schiff gebracht wurden, und vor aller Augen geöffnet werden sollten. Man sah den Männern an, dass die unförmigen Säcke sehr schwer waren, die sie da in einer Reihe aufbauten. Dann marschierte der Magistrat auf’s Podium, es wurde höhnisch geredet und darüber wurde es heißer Mittag. Ein merkwürdiger, süßlicher Geruch breitete sich über dem Platz aus. Nach Stunden kam man endlich dazu, die Säcke feierlich zu öffnen. Ich stand sehr weit hinten, sah gar nicht, was da zum Vorschein kam und wunderte mich über die entsetzten Schreie, die von vorne ertönten. Jàon, unser zweiter Mann in der Wache, schnitt einen weiteren Sack auf, ich sah ihn erbleichen und vornüberkippen. Wie er mir später erzählte, musste er sich übergeben. Eine Panik ergriff die Menge, die Menschen rannten durcheinander, jeder schien auf einmal von dem Platz wegkommen zu wollen, kaum jemand kam auf die Idee, sich in die nächste Straße zu entfernen, sondern alle wollten mitten über den Platz. Durch das Gedränge schob ich mich langsam nach vorne, sah meinen Meister, der weiter vorne gestanden hatte, mit weit aufgerissenen Augen an mir vorbeihasten und dann sah ich es endlich. Man hatte Gewürze erwartet, Stoffballen oder Edelsteine oder wenigstens Gemüse, aber bekommen hatte man - Leichen. Zahllos quollen sie aus der Jute hervor, mit grotesk verrenkten Gliedern, verzerrten Gesichtern und schon zum Teil verwest. Es war nicht auszumachen, woran sie gestorben waren. Und die Wache führte ihren Befehl weiter aus, bis der Ratsherr Juschnek endlich den Schneid fand, den Befehl zum Aufhören zu geben, man solle sich um Ordnung in der Menge kümmern. Da wir heilen zu können im Rufe standen, hatten Smärög und ich in den folgenden Wochen sehr viel zu tun. Der Trunkene Vulkan wurde als Kneipe geschlossen und zu einem Hospital umfunktioniert. Zuerst behandelten wir Verletzungen, die aus der Massenpanik hervorgegangen waren und erstmals auch nicht auf Gildemitglieder beschränkt, denn, so waren wir übereingekommen, da wir beide die einzigen wirklich brauchbaren Heiler in der Stadt waren und die Rote Gilde ja eben zum Wohle der Bürger da war (wenn auch per Dekret verboten), war es einfach unsere Pflicht. Doch dann bekamen wir auch das zu Gesicht, woran die Schiffsbesatzung gestorben war: Eine neue Krankheit. Sie begann mit grünem Ausschlag, der nach zwei Tagen zu Blasenwurf wurde, mit dem ein Fieber aufkam, das die meisten, und jene hatten Glück, in Bewusstlosigkeit sterben ließ. Wer das Fieber überlebte, dem gingen auch die Blasen zurück, doch jede Bewegung bereitete nun Schmerzen, wie weißglühendes Eisen, die ihm wieder die Besinnung nahmen und schließlich auch dahinrafften. Ihre Schreie verfolgten mich bis in den spärlich gewordenen Schlaf hinein. Da Smärög so etwas noch nie zuvor gesehen hatte, waren wir machtlos. Das für eine lange Zeit des Experimentierens, Suchens und Probierens einzige, was wir tun konnten, war, sie mit Vulkanwasser zu betäuben. Obgleich die Leichen längst von Kerkerhäftlingen unter Aufsicht des Henkers zurück an Bord gebracht und das Schiff draußen im Golf in Brand gesteckt worden war, breitete sich die Krankheit scheinbar stündlich weiter aus. Schließlich traf es auch meinen Meister, der sich durch einen eisernen Willen zwang, bei klarem Verstand zu bleiben und im Selbstversuch jede neue Mischung, die wir ersannen, ausprobierte; doch es half alles nichts. Nach einer Woche war auch er gestorben. Zwei Tage später traf es Tichú. Ich war verzweifelt, die Vorräte an Substanzen und Kräutern beinahe gänzlich verbraucht. Als er ins Blasenstadium kam, hatte ich nur noch eine Ampulle mit einem Mittel gegen Verstopfung, dem ich, völlig übermüdet und wie in einem Anfall von Wahnsinn, ein Stück meines alten Wollmantels beigab, dies aufkochen ließ und ihm einflößte. Zunächst erlitt er Durchfälle, doch das Fieber ging zurück, die Blasen glätteten sich nicht, sondern platzten auf, er war wieder bei klarem Verstand und schmerzfrei. Das Mittel war gefunden und - leicht herzustellen. Die Kräuter für die Grundmischung konnte ich auf den Wiesen vor der Stadt einsammeln und alles binnen eines halben Tages fertig stellen. Zugleich musste dafür Sorge getragen werden, dass genügend heißer Bäder zu Verfügung standen, um alle Verunreinigung mit dem Sekret der Blasen fortzuwaschen, obwohl ich natürlich auch Proben entnahm um sie zu untersuchen, aber das sollte sich als fruchtlos herausstellen. Eine sehr große Aufgabe, doch nun war sie nicht mehr aussichtslos. In einer letzten Anstrengung brachten wir wenigen, die noch bei Gesundheit und nicht von Hoffnungslosigkeit vergiftet waren, den Fluss bei der Stadt beinahe zum Austrocknen und alle Häuser, die wegen der Krankheit nun unbewohnt waren, wurden ihres Holzes beraubt um das Wasser heißmachen zu können. Die Menschen wurden nach und nach gesund, und blieben es auch. Der Magistrat dahingerafft, die Wache zum größten Teil ebenso und ohne Befehlshaber, stand Márna nun vor dem völligen Neubeginn. Wir Überlebenden machten Jalina, die während der ganzen Seuche und selbst noch, als sie sich angesteckt hatte, den klarsten Kopf und den besten Sinn für das Notwendige bewiesen hatte, zu unserer Ersten und sie wählte sich einen Stab von Fachleuten, darunter mich für die gesundheitlichen Belange der Stadt, Tichú für den Aufbau der neuen Wache und einige andere, die meisten aus der Gilde. Zuerst wurde Der Trunkene Vulkan wieder eröffnet, dann das Magistratshaus nach den Einnahmen durchsucht, die wegen der hohen Zölle gemacht worden waren, wobei ein ganzer Saal voller Truhen gefunden wurde, die uns nun sehr hilfreich sein würden. Wir sandten Boten aus, um die Geschäftsbeziehungen wiederherzustellen, gaben die Siedlungen im Umland frei, sodass die Schäfer auf eigene Rechnung handeln konnten, nahmen den Zoll zurück und ich machte mich auf die Suche nach jungen Leuten, die fähig waren, das Alchemistenhandwerk zu erlernen, denn das hatte ich gelernt: Man kann in einer Stadt nicht genug Heilkundige haben. Aber es waren nicht mal eine Handvoll, die Interesse zeigten, sodass ich an den Druiden von Fallama schrieb, den ich in meiner Zeit auf Búna kennengelernt hatte, und er schickte mir einen seiner Schüler. So ging es wieder bergauf mit der Stadt, Jaliná war bald allseits als Adlige anerkannt, heiratete, bekam Kinder und führte ihr Amt noch fünfzehn Jahre weiter aus, bis sie bei einem Überfall durch Wegelagerer bei einem Besuch in den Siedlungen ums Leben kam und ihr Sohn, der Gewohnheit nach unter Beratschlagung mit dem Stab, die Regentschaft übernahm. Unter meiner Anleitung hatte sich eine hervorragende Gruppe heilkundiger Alchemisten gebildet, die bald für sich selber sorgen konnte, sodass mir wieder mehr Zeit für meine Forschung blieb, gefördert durch Jalinás Familie. Das Wiederaufstreben der Stadt hatte natürlich auch andere meines Faches von außerhalb angelockt, die meisten davon Scharlatane, die sich bei Hofe vorstellten und mit allerlei scheinbar verblüffenden Farbspielchen im Reagenzkolben mir den Rang abzulaufen versuchten. Manche scheuten nicht einmal vor dem Versuch meines Mordes zurück, damit die Stelle frei werde. In der Zeit hat sich eine andere Gabe von mir entwickelt, was damit begann, dass ich eines Abends, ohne zu wissen, warum, den Dolch meines Meisters unter das Kopfkissen legte. In der Nacht träumte mir von einem riesigen Drachen, der gekommen war, um mich zu verschlingen und den ich mit einem Schwert bekämpfte; wie er gerade dabei war, von oben auf mich herabzustoßen und ich ihm die Klinge entgegenhielt, erwachte ich von einem unterdrückten Aufschrei. Über mich gebeugt, sah ich eine vermummte Gestalt und bemerkte, dass ich den Dolch fest in der Faust umklammert hielt, welcher den Fremden an der Schulter getroffen hatte. Ich rief nach den Wachen, doch der Attentäter war bereits durch das Fenster verschwunden. Bereits am nächsten Tag sah ich ihn wieder. Er ging an dem nun Palast genannten Magistratshaus vorbei und der Arm, dessen Schulter ich in der vorigen Nacht verletzt hatte, baumelte wie erstorben an seiner Seite. Ich ging hinaus und befragte den Fremden. Er erhoffte sich vielleicht, dass ich ihm helfen würde, und gestand den Anschlag und da erst sah ich mir den Dolch genauer an und entdeckte die Inschrift. 'Selbst, wenn ich wollte', sagte ich daraufhin zu ihm, 'ich kann dir nicht helfen. Die Klinge ist mit einem Zauber besprochen und ich fürchte, du wirst bald tot sein. Vielleicht kann dir ja ein Magier helfen, aber ich kann dir nichts versprechen.' Von da an hatte ich des öfteren Gesichte und Eingebungen, die ich befolgte und es gereichte mir zum Guten. Auch sah ich den Tod des Sohnes Jalinás voraus und versuchte, ihn zu warnen, doch er hörte nicht auf mich und ertrank bei einem Unwetter auf See. Seine Tochter Cassinde trat die Nachfolge an und ich erlebte die dritte Generation der Fürsten von Márna. Sie war mir nicht so wohlgesinnt, wie ihre Großmutter gewesen war, doch ließ sie mich alternden Mann meist in Ruhe, mit Ausnahme ihrer gelegentlichen Spötteleien über meine Forschungen. Ab ihrem zweiten Regentschaftsjahr reizte mich genau dies zu einem Versuch, den die Gesichte mir bereits seit längerer Zeit nahe gelegt hatten, der jedoch sehr schwierig durchzuführen sein würde: Die Herstellung von Gold aus Sand. Ich begab mich also auf Reisen, mein Amt als Mitglied des Stabes in die Hände eines mehr als würdigen Nachfolgers übergebend. Zu den Elben im Wald Énegwa ging es zuerst, wo ich eine Heilerin traf und ihr von der Seuche erzählte, die ich mehr als drei Jahrzehnte zuvor besiegt hatte. Zu meinem Erstaunen kannte sie die Krankheit und berichtete mir, dass etwa um die selbe Zeit zwei Männer in einem Ruderboot an die Küste gespült worden seien, die bereits vom Ausschlag gezeichnet waren. Sie hatte damals die beiden abgetastet, so sagte sie, festgestellt, dass die Krankheit für Elben ungefährlich sei, und sie im Flüsschen neben dem Dorf habe baden lassen, woraufhin der Ausschlag verschwunden sei. Sie wunderte sich über meine damalige Hilflosigkeit und die Unsicherheit der Suche, verzichtete aber darauf, zu spotten. 'Ihr Menschen', sagte sie, 'Ihr habt eines der schwersten Lose gezogen. Ihr lebt vielleicht sechzig Jahre, und wenn es hochkommt, sind’s siebzig, und ich bewundere euch wirklich dafür, dass ihr in der kurzen Zeit genügend Dinge und die gründlich genug lernen könnt, um überhaupt am Leben zu bleiben.' Doch bei meinem Versuch konnte sie mir nicht helfen, doch es gebe da einen alten Druiden an der Westküste, der vielleicht etwas wisse. Ich überwinterte also bei den Elben und lernte einiges zu meiner Heilkunst hinzu, obgleich sie mir wohl nicht alles preisgeben wollten. Doch waren sie sehr freundlich, gaben mir im Frühling Proviant für die Wanderung mit und wünschten mir den Segen der Götter. Ich erreichte die Küste schneller, als ich gedacht hatte und vermute, es lag an der Verpflegung, denn nach jeder Rast fühlte ich mich nicht nur ausgeruht, sondern wie um Jahre jünger, besonders, wenn ich von dem Wasser getrunken hatte. Bald fand ich Mercilux, den Druiden. Ich stellte mich ehrerbietig vor, denn er war ein Mann von allerbestem Ruf und wirkte mindestens doppelt so alt wie ich. Als ich jedoch auf meinen Versuch zu sprechen kam, lachte er mich an, wie ein Großvater über den Streich seiner Enkel. 'Siehst du hier irgendwo Sand, Sin?', fragte er mich und ich musste ehrlich verneinen. 'Wie willst du denn aus Sand Gold gewinnen, wenn du noch nichteinmal Sand hast?' Und er sah mich an, wie Smärög, nachdem er das Vulkanwasser erfunden hatte. Doch diesmal war ich ausgeruhter, wacher und vor allem: Erfahrener. 'Gar nicht', gab ich also zur Antwort, 'ich muss dahin gehen, wo der Sand ist, und wenn es möglich ist, werde ich die Lösung für meine selbstgestellte Aufgabe auch dort finden.' 'Sehr gut. Wer weiß, wohin er will, dem kann geholfen werden. Mit der Váy hättest du eine ganze Insel voller Sand. Es dürfte nur so um die sieben Tage dauern... nein, fünf Tage. Ich lade dich ein, solange mein Gast zu sein.' Die Einladung nahm ich bereitwillig an, in der Hoffnung, vielleicht noch den einen oder anderen Brocken aufzuschnappen, der mir behilflich sein könne. Doch nichts war es damit. Er sammelte Kräuter aus einem nahegelegenen Wäldchen ein und nahm mich mit mit der Bitte, ihm von mir zu erzählen. Auch er hatte von der Seuche gehört, wunderte sich allerdings darüber, dass ausgerechnet alte Schafwolle die entscheidende Ingredienz gewesen war, meinte, er habe von meiner Alchemistenschule sehr viel Gutes gehört und anderswo sei es ebenfalls 'in Mode gekommen', dass Alchemisten sich gleich mehrere Lehrlinge suchten und so eine Schule gründeten, deren Adepten irgendwann auf Wanderschaft gingen. So verging die Zeit, wir plauderten über verschiedene Heilpflanzen und das Problem der Dosis, wobei Mercilux meinte, man müsse mit der Gabe von Quecksilber und Arsen langsam lernen, vorsichtiger zu werden. Wie nebenbei wurde ein Trank fertig, den ich gegen Mittag des fünften Tages trinken sollte. Ich sah ihn verwundert an, doch er meinte, ich solle Vertrauen haben, ich werde alles bekommen, was ich benötige und alles werde sich fügen. So tat ich denn einen großen Zug aus dem Trinkhorn, das er mir darbot, und wie ich es wieder absetzte, fand ich mich inmitten einer Wüste stehen. Ein kühler feuchter Wind blies von Norden her, und doch war es fast unerträglich heiß. Aber nur fast. In weiter Ferne sah ich etwas wie eine Fontäne aus dem Boden schnellen und dann wieder dem Sand entgegen stürzen. Doch statt zerschmettert zu werden, tauchte sie ein, als wäre es Wasser, das sie traf, und ich sah auch, wie der Sand ringsum riesige Wellen schlug. Da ich weder Hunger noch Durst verspürte und auch die Sonne mich nicht drückte, machte ich mich frohgemut auf den Weg, um mir den Ort jenes Spektakels anzusehen. Ihr werdet nicht glauben, was ich dort vorfand..." Sinnijussus machte eine Pause, um die Spannung zu erhöhen und nippte an seinem Tee. "Zwei Löcher?" vermutete Eryk und Fryijo sah, dass er ein Grinsen unterdrückte. "Nein. Es war Gold. Und wie ich gerade an der Stelle ankam, erbebte der Boden, unter mir tat sich ein Loch auf und unversehens stand ich auf der Vorderseite des Sandwurmes, der mit atemnehmender Geschwindigkeit in die Höhe schoss. Hastig suchte ich in meinen Taschen nach einem Glaskolben, bückte mich so vorsichtig als möglich und nahm von dem Schleim, der sich auf der Haut befand, soviel wie möglich in das Gefäß auf. Auf dem Wendepunkt des Aufstieges, als er begann, sich zum Boden zurückzuwerfen, wurde mir klar, dass ich mich in einer Höhe von mehr als 100 Fuß befand und demnächst fallen würde. Aber, ich habe es bereits gesagt, manche Probleme lösen sich von selber. Ich fiel zwar, aber nicht für lange, denn ehe ich mich versah, stand ich wieder auf festem Boden, und er war nicht sandig, sondern eine Weide. Ich sah mich um und erblickte in einer halbe Meile Entfernung eine Stadtmauer. Eine eigenartige Mixtur hatte Mercilux mir da gebraut. Sie hatte mich lange genug auf die Insel Váy versetzt, um an den Schleim des Sandwurmes zu kommen und mich dann zurückgebracht, nach hause. Erst auf den zweiten Blick erkannte ich die Mauern von Márna. Als ich diesmal in die Stadt wollte, gab es keinerlei Probleme. Im Palast angekommen, nahm ich mir gar nicht erst die Zeit, die Substanz näher zu untersuchen, sondern ließ sofort eine Generalversammlung für den Abend anberaumen, ankündigen, ich habe einen Weg gefunden, aus Sand Gold zu machen und schloss mich in meine Kammer ein, um alles noch einmal in Ruhe zu durchdenken. Der Sand war beim Aufprall des Wurmes zu Gold geworden. Es musste an dem Schleim liegen, der beim Aufprall offensichtlich seine verwandelnde Wirkung tat. Da tauchte ein schwebender Schatten vor mir auf und schien den Kopf zu schütteln, doch als ich die Augen zusammenkniff und noch einmal hinsah, war er verschwunden, so dachte ich an eine Sinnestäuschung. Heute weiß ich, dass es einer meiner unsichtbaren Freunde war, der mich warnen wollte. Von einem Pagen ließ ich mir eine Schaufel Sand von der Straße bringen. Der Abend rückte schnell heran und bald stand ich im großen Saal vor dem versammelten Hofstaat, erzählte kurz, wie ich an das Mittel gekommen war und nunmehr zur Demonstration zu schreiten gedachte, wobei ich natürlich sorgfältig darauf achtete, dass genug von der Substanz übrig blieb, um es später untersuchen und künstlich herstellen zu können - eitle Pläne! Denn etwas ging schief. Heute, nach langem Nachdenken, vermute ich, dass es nur mit Wüstensand funktioniert. Das wirkliche Ergebnis jedenfalls war verheerend: Auf meinen Mörserschlag folgte ein ohrenbetäubendes Krachen, der Mörser flog mir aus der Hand und der Tisch auseinander, unter den Geladenen entstand Unruhe, Cassinde schrie, den Attentäter zu fassen, woraufhin bereits einer der Wächter bei mir war und mich zur Herrin führte, die kurz abwinkte und mich in den Kerker zu bringen hieß. Doch es kam anders. Unter dem Wächter brach im Erdgeschoss plötzlich der Boden ein, er fiel und ließ mich los, sodass ich davonlaufen konnte. In meiner Kammer suchte ich so schnell es eben ging das notwendigste zusammen, darunter meine Reisetasche, in der noch die Vorräte der Elben waren, und wollte die Flucht antreten, doch auch vor meiner eigenen Schwelle brach der Boden ein. Ich weiß nicht, wie ich den Sturz überleben konnte. Als ich wieder zu mir kam, war ich nicht in Ketten, konnte also nicht in den Kerker gebracht worden sein. Ein dämmeriges blaues Licht umgab mich. Ich stand auf und konnte mich kaum auf den Beinen halten, ging dennoch los und suchte einen Ausgang, denn das Loch über mir war offensichtlich verschlossen. Ich weiß nicht, wie lange ich da im Untergrund umherirrte. Wenn ich müde war, legte ich mich hin und schlief, war ich hungrig oder durstig, bediente ich mich am Proviant. Unterwegs traf ich auf Schatten wie jenen, den ich am Tag der misslungenen Demonstration gesehen hatte. Nun lernte ich, ihnen zuzuhören. Einige blieben bei mir. Die Geister jener, die vor mir in diesen Gängen waren und nicht herausgefunden hatten. Irgendwann, mitten in der Nacht, erstieg ich eine Treppe, und kam hier, auf dieser Insel heraus. Ich kenne den Zugang noch, aber ich lege keinen Wert darauf, von hier fort zu gehen. Man kann hier sehr gut und friedlich leben." Sinnijussus lehnte sich zurück und leerte den letzten Schluck Tee aus. Seine Geschichte war erzählt und er schien zufrieden, dass er sie mit jemandem hatte teilen können. "Das heißt...", Fryijo wollte betont vorsichtig fragen, "...es gibt einen Weg von der Insel herunter, der nicht über das Meer führt?" Der ehemalige Alchemist blinzelte ihn träge an. "Ja. Aber ich werde ihn euch nicht zeigen. Ich will nicht, dass hier eines Tages noch jemand erscheint und meinen Frieden stört. Ihr zwei seid harmlos und könnt bleiben. Wenn dem nicht so wäre...", er grinste gemein. "Soll das eine Drohung sein?", fragte Eryk plötzlich aufbrausend. "Nein. Es ist die simple Feststellung, dass meine Freunde euch vernichten würden, wenn ihr gefährlich wäret." Eryk spuckte kräftig auf den Boden. "Das erlaube ich mir doch, zu bezweifeln.", rief er laut und überdeutlich aus, woraufhin der jetzige Hexer seinerseits aufsprang und ebenso laut eine Erwiderung rief. Fryijo sah mit wachsender Besorgnis zu, wie die beiden sich, kleinen Kindern gleich, gegenseitig reizten und das so lange, bis Sinnijussus eine Herausforderung aussprach, die am Mittag des folgenden Tages ausgetragen werden sollte. Die beiden wollten in einer Art "Beschwörungswettkampf" messen, wem die mächtigeren Geister gehorchen würden. "In Ordnung!", schrie Eryk mit sich überschlagender Stimme, "aber es wäre doch außerordentlich langweilig, wenn es für Dich um nichts ginge, Herr Hexer. Ich fordere einen Einsatz Deinerseits: Wenn ich morgen gewinne, dann zeigst du uns gefälligst diesen vermaledeiten Ausgang, oder ich werde dich samt deiner Insulam maledictam auf den Grund des Meeres schicken!" "Du kannst sowieso nicht gewinnen, respektloses Großmaul, also habe ich gar nichts zu verlieren. Dein letzter Wunsch sei Dir erfüllt!" Sie verbeugten sich kurz und heftig voreinander, Eryk drehte sich wutschnaubend um und verließ, Fryijo grob am Arm greifend, die Behausung des Hexers. Sie suchten sich die bequemste Stelle
am Schotterstrand aus und legten sich unter den sternenklaren Himmel. Es
dauerte eine geraume Zeit, bis Fryijo sich traute, seinen Kompagnon anzusprechen.
© Uriel
Sakarhim
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... und so setzt sich das Abenteuer fort: Unter der Erde -K110 (Uriel Sakarhim) ... wenn Ihr aber noch weitere Fortsetzungen kennt, dann
mailt
mir diese bitte!
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