Magische
Welt Íja Macár |
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Auf der Jagd / K112
(Elfenfeuer)
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von: Elfenfeuer | ||
Nachdem Torsi sich wieder beruhigt hatte, drängte Aerendíl auf den Aufbruch. Dem Koboldmädchen blieb keine andere Wahl als mit ihm zu kommen, obwohl sie lieber noch sitzen geblieben wäre, und einem weiteren Lied des Elben gelauscht hätte. Die Lieder wirkten angenehm beruhigend; sie zähmten all die Ängste, die in ihr schlummerten, und nur darauf warteten sie erneut zu bedrängen. Immerhin erkundigte sich der Elb bei Torsi sowohl nach ihrem Befinden bevor sie aufbrachen. Torsi bejahte und ließ sich wie zuvor von Aerendíl in den Arm nehmen, wo sie es sich vorsichtig in seiner Armbeuge bequem machte. Mühelos nahm der Elb wieder die Fährte des flüchtenden Schwarzlings auf. Unterwegs schilderte er in seiner nüchternen und dennoch unterhaltsamen Art, was ihn die Spuren des Schwarzlings lehrten. "So wie der Schwarzling achtlos durch das Unterholz geprescht ist, war er ziemlich in Panik. Er muss über mehrere Stunden auf’s geradewohl durch den Wald gerannt sein. Warum, kannst du dir vielleicht denken." Aerendíl warf Torsi einen vieldeutigen Blick zu. Das Koboldmädchen erschauderte, als sie begriff, worauf sich der Elb bezog. "Keine Bange, Torsi. Solange du bei mir bist, wird der Dämon dich nicht mehr behelligen." Die Zuversicht des Elben erstaunte Torsi ein wenig, aber irgendwie fühlte sie sich durch seine Worte beruhigt. Wer konnte schon sagen, zu was ein Elb alles fähig war. Bestimmt besaß er magische Kräfte, mit denen er die Bestie kurzfristig bannen konnte, oder er konnte in die Zukunft blicken und hatte dort gesehen, dass die Bestie in der nächsten Zeit nicht mehr erwachen würde. Torsi war froh, dem Elben begegnet zu sein. Er war gar nicht so, wie die Leute in ihrem Dorf die Elben in ihren Geschichten beschrieben. Ich muss Mama und Papa von ihm erzählen. Dann werden auch die anderen nicht mehr denken, dass Elben so böse sind! Der Gedanke begeisterte Torsi so sehr, dass sie gar nicht bemerkte, dass der Elbensänger schon wieder weitersprach. "... bedeutet aber auch, dass es äußerst zweifelhaft ist, dass der Schwarzling uns direkt zu einem vermeintlichen Auftraggeber führen wird. Möglicherweise bringt uns diese Verfolgungsjagd ja gar nichts. Vielleicht hätte ich doch nicht auf..." Der Elb unterbrach sich und blickte unvermittelt in die Ferne. Fasziniert verfolge Torsi das Mienenspiel in seinem edlen Gesicht. Offensichtlich machte er sich über verschiedene Dinge Gedanken, die allerdings nicht in direktem Zusammenhang mit Torsis Problem standen, sonst wäre seine scharfen Elbenaugen sicherlich nicht so abwesend umhergewandert. "Ich Narr...," murmelte er kaum vernehmlich, doch das Gehör eines Kobolds stand dem eines Elben kaum nach, so dass Torsi die Worte hörte, die so sicherlich nicht für sie bestimmt waren. Zu guter Letzt glättete sich die Miene des Elben und sein Gesicht nahm wieder den zuversichtlichen Ausdruck an, den Torsi gewohnt war. Bis zur Mittagszeit folgten sie der Fährte durch den Wald. Doch als die Sonne ihren höchsten Punkt erreichte, begann der Wald sich zu lichten. Immer öfters streiften sie baumlose Wiesen, die der Schwarzling zwar gemieden hatte, an deren Rändern er aber zügig voran gekommen war. Schließlich fand Aerendíl erste Spuren von Waldarbeiten und machte Torsi darauf aufmerksam: Baumstümpfe in unterschiedlichen Stadien des Verfalls, die eindeutig mit entsprechender Gerätschaft bearbeitet worden waren, sowie hier und dort vergessene Stapel von Baumstämmen und Ästen, die von Holzfällern einst aufgeschichtet und nie abgeholt worden waren. Kurze Zeit später entdeckten sie jenseits der Waldgrenze die ersten Getreidefelder, und ehe sie sich versahen, blickten sie, zwischen den letzten Buchenstämmen stehend, von einer leichten Anhöhe auf die braunen Dächer einer Ansiedlung hinab. Menschen! "Hmm, das hätte ich nicht gedacht," brummte Aerendíl irritiert. "Stimmt etwas nicht?" fragte Torsi besorgt. Die Aussicht einer Begegnung mit Menschen war alles andere als erfreulich. Ihre Eltern und die Leute im Dorf hatten sie vor den Menschen gewarnt. Hütet Euch vor den Menschen! Sie kennen weder die Verlockung des Feuers und noch wissen sie um unsere Wege, damit umzugehen. Deshalb fürchten sie uns, und Furcht gebiert Feindschaft. Und war es nicht ein Zauberer der Menschen gewesen, der Torsi verflucht hatte? "Nun ja, ich hatte erwartet, den Schwarzling noch innerhalb dieses Waldes zu treffen. Schwarzlinge, ebenso wie die Chrúms, sind keine Freunde der Sonne; sie meiden helles Licht, wo sie nur können. Meine Hoffnung bestand darin, dass der gesamte Schwarzlingtrupp, der uns gestern überfallen hat, in der Abgeschiedenheit des Waldes vielleicht einen Stützpunkt oder einen Lagerplatz haben würde, wo wir weitere Hinweise auf die Beweggründe und Absichten der Schwarzlinge gefunden hätten. Doch leider muss ich erkennen, dass ich mich in dieser Hinsicht geirrt habe." Aerendíls Blick schweifte über die Felder zwischen ihrem Standort und der kleinen Ortschaft. "Andererseits besteht die Möglichkeit, dass er nicht fern von hier weitere Artgenossen weiß, weshalb er das Risiko auf sich genommen hat, bei hellem Tageslicht diese Felder zu überqueren." Aerendíl deutete auf einen Hügel einige Längen von ihnen entfernt. Auf seiner Kuppe zeichnete sich ebenfalls die dunkle Linie von dichtem Baumbestand ab. "Wenn mich nicht alles täuscht, war das Waldfleckchen dort hinten sein Ziel. Zumindest erscheint mir dies das Naheliegendste zu sein. Aber wie auch immer, ich kann mich auch in dieser Hinsicht täuschen. Es wäre nicht das erste Mal in diesen Tagen." Aerendíl warf Torsi einen aufmunternden Blick zu. "Immerhin hat er uns eine schöne Fährte hinterlassen." Tatsächlich war die Spur, die der Schwarzling auf seinem Weg über die Äcker und Wiesen hinterlassen hatte, selbst für Torsi unschwer zu erkennen. Wie ein Pflug war der Flüchtende durch die Getreidefelder gewalzt oder hatte seine Stiefelabdrücke im weichen Erdreich hinterlassen. "Siehst du, Torsi", meinte der Elb. "Spurenlesen ist gar nicht so schwer, wenn man erst einmal weiß, worauf man zu achten hat. Sicher, der Schwarzling hat sich keine Mühe gemacht, seine Spuren zu verbergen, doch im Prinzip, sind es immer die gleichen verräterischen Zeichen, die eine Fährte kennzeichnen." Torsi nickte, auch wenn sie nicht alles verstand, was der Elb ihr zu erläutern versuchte. Aber sie war begierig, möglichst viel von ihm zu lernen. "Warum ist der Schwarzling dann hier von seinem Weg abgewichen?" fragte sie neugierig, als die Spur mitten in einem Weizenfeld abbrach, und sich auf eine Reihe von Bäumen zu bewegte. "So ganz dumm ist der Schwarzling dann doch nicht," erwiderte Aerendíl. "Er hat natürlich auch die Dächer gesehen, und war sich der Gefahr bewusst, von Menschen entdeckt zu werden. Deshalb hat er sich immer wieder entlang vereinzelter Bäume oder Reihen von Büschen und Sträuchern bewegt, um diese als Deckung zu benutzen." "Ah, das verstehe ich", meinte Torsi und strahlte mit dem ganzen Gesicht. Dann wurde sie nachdenklich. "Aber warum hat er sich nicht einfach unsichtbar gemacht?" "Weil Schwarzlinge das nicht können", schmunzelte Aerendíl belustigt. "Nicht jede Rasse Íja Macárs besitzt diese inhärente Fähigkeit sich der Umgebung so perfekt anzupassen, dass man praktisch unsichtbar wird, wie es euch Kobolden zu eigen ist." "Oh!" brummte Torsi und besah sich seltsam bewegt ihre kleinen Fingerchen. Dann blickte sie wieder zu Aerendíl auf. "Was bedeutet in-heh-rent?" "Angeboren. Einem Kobold liegt diese Fähigkeit quasi im Blut. Ich vermute, dass dir niemand wirklich beigebracht hat, dich unsichtbar zu machen? Irgendwann hat es einfach funktioniert, richtig?" Torsi nickte, obwohl sie nicht alles begriff, was Aerendíl ihr zu erklären versuchte. Aber vermutlich war das auch nicht so wichtig, obwohl sie in der kurzen, gemeinsamen Zeit bereits erkannt hatte, dass vieles, was der Elb ihr erzählte, eigentlich ziemlich nützlich war. So wie auch bei der alten Qualka, daheim im Kobolddorf. "Die alte Qualka ist genauso wie du", meinte Torsi daher plötzlich ohne Umschweife. Aerendíl blinzelte und warf Torsi einen seltsamen Blick zu. "Die alte Qualka... soso. Na, das ist dann ja wohl ein großes Kompliment." Torsi nickte erneut - obwohl die Bemerkung über die alte Koboldfrau ihr eher intuitiv über die Lippen gekommen war. Aber wenn der Elb sich dadurch geschmeichelt fühlte... Da fiel Torsi noch eine weitere Redewendung der alten Frau ein. "Die alte Qualka hat auch immer gesagt, wer Freude erhält, soll Freude schenken." "Hat sie das?" antwortete Aerendíl lachend, ohne jeden Anflug von Geringschätzung. "Mir dünkt, die alte Qualka ist eine sehr weise Frau. Du bist gut beraten, all ihre Lehren zu beherzigen und möglichst nie zu vergessen!" "Das werde ich!" entgegnete Torsi ernsthaft, und mit einem Mal begriff sie, dass all die vielen Reden und Phrasen der alten Qualka, die ihr bislang schrullig und teils auch überflüssig vorgekommen waren, einen großen Schatz an Ratschlägen und Wissen beherbergten. Und sie nahm sich vor, das nächste Mal noch viel besser zuzuhören, wenn die alte Qualka ihr schimpfend wieder eine Rede hielt. Doch mit der Erinnerung an die alte Koboldfrau und ihre Macken, kehrte auch das Heimweh wieder in Torsis Herz ein. Trübselig fragte sie sich, ob Aerendíl ihr wirklich würde helfen können, wieder zu ihrer Familie zurück zu finden. Derart mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt, entging Torsi beinahe, dass der Elb noch immer an ihrem gegenwärtigen Standort verharrte. Wie um ihre Beobachtung zu bestätigen, ergriff der Spielmann wieder das Wort. "Eine Sache irritiert mich aber", meinte Aerendíl nachdenklich. "Siehst du die Dächer der Häuser dort drüben?" Torsi reckte sich in Aerendíls Arm und antwortete: "Ja, die sehe ich. Was ist damit?" "Es kommt Rauch aus den Schornsteinen, das bedeutet, die Siedlung ist bewohnt." "Von Menschen, oder?" fragte sie und schaute Aerendíl mit großen Augen an. "Richtig. Aber wo sind all die Menschen, die dort leben? Die Mittagszeit ist vorbei, aber die Sonne steht noch hoch genug am Himmel, um auf den Feldern zu arbeiten. Es ist Erntezeit, verstehst du?" Aerendíl blickte sich in alle Richtungen um. "Nein," erwiderte Torsi bekümmert. Aerendíl seufzte. "Naja, vielleicht mache ich mir inzwischen allzu viel Sorgen." Aufmunternd lächelte er Torsi zu. "Komm, lass uns der Spur weiter folgen. Wir sind ihm dicht auf den Fersen." Mit ausgreifenden Schritten wandte sich der Elbenbarde hügelab, immer den Spuren des Schwarzlings hinterher. Kurze Zeit später erreichten sie das Zentrum des Einschnitts zwischen den beiden Hügeln. Ohne Vorwarnung tat sich plötzlich vor ihnen ein Hohlweg auf, der, von Sträuchern und Dorngestrüpp verdeckt, von oben kaum zu entdecken gewesen war. Aerendíl starrte die steile Böschung hinab, und kratzte sich mit seiner freien Hand am Kinn. "Hmm, siehst du die Rutschspuren hier direkt unterhalb von uns?" Torsi beugte sich vor und nickte. "Der Schwarzling ist genau an dieser Stelle auf den Weg getroffen, und offensichtlich hatte er noch weniger damit gerechnet als wir. Schau, wie der kleine Busch da unten zerzaust ist, ich würde mich nicht wundern, wenn er in seiner Hast hier mehr runtergestürzt als gerutscht ist. Er wird sich dann aufgerappelt haben, und als nächstes... hmm, schwer zu sagen..." "Was ist schwer zu sagen?" fragte Torsi neugierig. "Ich kann von hier oben nicht erkennen, an welcher Stelle der Schwarzling auf der anderen Seite wieder hoch geklettert ist." Aerendíls Blick wanderte über die gegenüber liegende Böschung, und dann weiter entlang des Weges, erst nach rechts und dann nach links. "Vielleicht ist der den Weg entlang?" mutmaßte Torsi. "Also ich würde dem Weg folgen, hier ist es doch viel zu steil!" Aerendíl warf Torsi ein freundliches Lächeln zu. "Wohlgesprochen, kleine Dame. Nur in welche Richtung wird er sich gewandt haben?" Aerendíls Augen funkelten belustigt. Torsi glaubte eine gewisse Neugierde in ihnen zu erkennen. Sie spürte, dass er sie auf die Probe stellte. "Hmm, nach rechts?" erwiderte Torsi zögerlich, und blickte den Elb mit großen, fragenden Augen an. "Soso, nach rechts. Und wieso, wenn ich fragen darf?" Darauf wusste Torsi zunächst keine Antwort. Sie hatte 'rechts' einfach instinktiv daher geplappert. Aber irgendwas an Aerendíl Reaktion sagte ihr, dass sie richtig gelegen hatte. Jetzt musste sie nur noch herausfinden, wieso. Unruhig zappelte sie in Aerendíls Armen. Was war rechts anders als links? Na, klar, das Dorf der Menschen! Das musste die Erklärung sein. Trotzdem war ihre Stimme leise und unsicher, als sie antwortete. "Links sind doch die Menschen, oder?" "Sehr gut, kleine Dame. Ausgezeichnet!" Aerendíl belohnte ihre Spitzfindigkeit mit einem breiten Grinsen. "Wir machen aus dir noch eine richtig gute Koboldpfadfinderin." Torsi freute sich und lachte. Ein solches Lob aus dem Munde dieses Elben tat ihr richtig gut. Mit einem Mal verblasste das Heimweh, ebenso wie die Sorgen und Ängste der vergangenen Nacht. Stattdessen fasste Torsi einen weiteren Beschluss: Wenn sie wieder daheim war, würde sie ihrem Vater sagen, dass sie Pfadfinderin werden wollte! Aerendíl hatte sich in der Zwischenzeit wieder ihrem weiteren Vorwärtskommen gewidmet und sich rasch umgesehen. "Also, auf, dann wollen wir uns mal einen leichteren Weg hinab suchen. Ohne Sturz und Schrammen. Schau, dort ist ein geeigneter Abstieg!" Geschickt umging der Elb ein im Weg befindliches Gestrüpp mit gemeinen, spitzen Dornen, welches seine Äste begierig nach Torsi reckte. Dank Aerendíls Umsicht standen sie aber kurz danach ohne Dornenkratzer an der von ihm auserkorenen Stelle, wo ein aus der Böschung ragender Fels eine Art natürlicher Treppenstufe bildete. Leichtfüßig sprang der Elb auf den Felsen ohne auch nur einen Moment aus dem Gleichgewicht zu geraten. Schon setzte er an, um von dort das letzte Stückchen des Abstiegs zu bewältigen, als er seinen Kopf ruckartig herumriss. "Hast du das gehört, Torsi?" fragte Aerendíl mit gedämpfter Stimme. Torsi blinzelte überrascht. "Was ist?" Instinktiv senkte das Koboldmädchen ihre helle Stimme. "Ich habe nichts gehört." "Aus dem Dorf..." Aerendíl lauschte angestrengt den Hohlweg hinab. "Ich dachte... Schreie?" "Ein Überfall?" "Nein, ich glaube nicht. Eher... Jubel, oder zumindest keine Schreckensschreie." Der Elb schien sichtlich irritiert. Ein ganzes Spektrum unterschiedlicher Regungen huschte über sein Gesicht, reichend von wachsam über nachdenklich zu entschlossen. Seine Augen wanderten in die Ferne, während Torsi sich anstrengte so gut wie möglich zu lauschen. Zunächst hörte sie nur das Gezwitscher der Vögel in dem nahe gelegenem Geäst sowie das Summen von Bienen auf ihrer Suche nach süßem Blütenstaub. Doch dann vernahm auch sie - ganz aus der Ferne - das unterschwellige Murmeln aufgeregter Stimmen. "Ich glaube, ich höre auch etwas," flüsterte Torsi leise. Aerendíl warf ihr einen überraschten Blick zu. Dann lächelte er wieder. "Ah, das feine Gehör eines Kobolds. Ich hätte daran denken müssen!" Aerendíl verzog den Mund, offensichtlich in Beratung mit sich selbst. Plötzlich sah er das Koboldmädchen eindringlich an und seine Stimme bekam einen seltsamen Unterton "Warte bitte einen Moment, Torsi. Und beweg dich nicht." Torsi blickte Aerendíl erstaunt an. So ernst hatte sie den Elben noch nie erlebt. Doch Torsi vertraute ihm mittlerweile hinreichend genug, um mucksmäuschenstill und regungslos zu verharren. Gebannt verfolgte sie, wie die blauen Augen des Elben einen seltsamen, glasigen Schimmer bekamen und sich ihr Fokus weit in die Ferne richtete. Zunächst passierte nichts, doch dann verspürte sie plötzlich ein aufkommendes Prickeln in ihren Gliedern. Sanft und elektrisierend, ein zärtlicher Hauch von Magie. Die Haare auf ihrer Haut stellten sich auf, und vor ihren Augen huschte ein Bild von Feuer und Tänzern vorbei. Dann war die Vision vorbei. Und die schrägen Elbenaugen nahmen wieder ihren natürlichen Glanz an. "Ich kann keine Gefahr erkennen," murmelte Aerendíl leise. "Im Gegenteil, ich verspüre viel Gutes. Die Menschen im Dorf sind seltsam erleichtert und freudig erregt." Torsi wusste zunächst nicht, was sie darauf erwidern sollte. Torsi besaß genug eigene Magie - Koboldmagie - um zu erkennen, dass der Elb soeben gezaubert hatte. Doch solch eine Form der Magie hatte sie noch nie erlebt. Sie konnte Illusionen schaffen, sie konnte Dinge schweben lassen, und manchmal gelang es ihr, nur Kraft ihrer Gedanken, ein richtiges, kleines Feuer zu entfachen. Aber das hier ging über ihr Begreifen. "W-Wie hast du das gemacht?" Aerendíl sah Torsi geheimnisvoll an. Für den Bruchteil einer Sekunde erhaschte Torsi einen Blick hinter die lebenslustige und charmante Fassade des Abenteurers und Spielmanns, doch der Moment war zu kurz, um einen bleibenden Eindruck bei dem jungen Koboldmädchen zu hinterlassen. Sonst hätte sie sich möglicherweise angesichts der überlegenen, magischen Fähigkeiten des Elben zutiefst erschrocken. Doch so blieb nur unschuldiges Erstaunen und neugierige Bewunderung als Aerendíl sagte: "Ein Trick. Vielleicht wahre Magie oder einfach nur inhärente Befähigung. Wer vermag das schon zu sagen?" Aerendíl zwinkerte Torsi zu: "Was meinst du?" Torsi wusste nicht, was sie antworten sollte. Doch der Gedanke, dass sie soeben Zeugin von Elbenzauberei geworden war, beflügelte sie. "Ich weiß nicht. Aber ich mag dich!" erklärte sie seltsam bewegt und begeistert zugleich. Mit einem Mal schien es ihr nicht mehr ganz abwegig, dass der Elbenbarde tatsächlich einen Weg finden würde, sie sowohl vor dem Dämon zu beschützen als auch wieder nach Hause zu bringen - mehr Anlass zur Hoffnung konnte sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erwarten. "Vielen Dank, das freut mich zu hören", erwiderte Aerendíl mit aufrichtigem, breitem Grinsen. Verschmitzt schmunzelnd fügte er hinzu: "Ich mag dich auch recht ordentlich, Torsi. Doch nun lass uns herausfinden, was die Menschen in dem Dorf so in Aufruhr versetzt hat. Ich habe das Gefühl, dass dieser kleine Umweg uns nicht zum Schaden gereichen wird!" Torsi nickte. Zu diesem Zeitpunkt wäre sie dem Elben überall hin gefolgt. *** Wenn Aerendíl ehrlich war,
so wusste er auch nicht zu sagen, wieso er sich entschieden hatte, die
Siedlung aufzusuchen, und nicht weiter der Fährte des Schwarzlings
zu folgen. Es gab weder einen logischen Grund noch irgendeinen offenkundigen
Zusammenhang zwischen der kleinen Ortschaft hier und den Ereignissen um
das Koboldmädchen in seinen Armen. Doch mit Logik war er bislang nicht
allzu weit gekommen; vielleicht war es an der Zeit, wieder stärker
seinen Gefühlen zu vertrauen. Logik war das Seziermesser, welches
seine Schwester bevorzugt ansetzte, um ihn von ihren Ratschlägen zu
überzeugen; an seine Intuition appellierte sie meistens nur dann,
wenn sie selber um einen Rat verlegen war. Der Spur des Schwarzlings zu
folgen war ihrer Logik entsprungen - Aerendíl schalt sich deswegen
bereits einen blinden Narren. Es wäre vermutlich geschickter gewesen,
das Buch zu finden, von dem Torsi erzählt hatte. Die bislang wenig
erfolgreiche Jagd nach dem Schwarzling bekräftigte ihn in diesem Urteil.
Doch zur Umkehr war es nun längst zu spät. Anastasya suchte nach
dem mysteriösen Buch und er folgte einer mehr als vagen Spur. Aerendíl
hatte wenig Zweifel, dass es seiner Schwester gelang, in den Besitz des
rätselhaften Buches zu kommen - sofern es tatsächlich existierte;
es war jedoch durchaus fraglich, ob Anastasya es auch umgehend verwenden
würde, um Torsi zu helfen. Anastasya war nicht vorsätzlich boshaft
- wenn ihr allerdings Macht in seiner reinsten Form winkte, unterlag ihr
Bewusstsein von Recht und Unrecht unvorhersagbaren Schwankungen.
* * * "Ouch!" schrie Liáke, der
Feuergott, erschrocken, als er sich zum ersten Mal seit... uhm, ja, seit
er gehen, laufen, Unfug anstellen und denken konnte... die Finger verbrannte.
Das wiederum ist bei einem Feuergott nahezu unmöglich, und so selten
wie ein 6er im Lotto mit Zusatzzahl und Millionenjoker. Eigentlich ist
es noch seltener. Aber egal, Liáke hatte tatsächlich "Ouch!"
geschrieen, weil er sich tatsächlich seinen Finger beim Anrühren
eines Lavacardi-on-Ice am Lavatopf verbrannt hatte. Doch was war das für
eine Nebensächlichkeit angesichts der jüngsten Entwicklungen
da unten auf dem göttlichen Spielbrett von Íja Macár
- abgesehen davon, dass Liáke nun fassungslos seinen verbrühten
Zeigefinger anglotzte und sich fragte, ob es vielleicht doch unter seine
Würde war, wenn er jetzt Farkán, seinen Vater und nebenher
auch noch Gott der Gesundheit, um ein Pflästerchen bitten sollte.
Angewidert schüttelte Liáke sein Haupt. Papa Farkán
war ja außerdem noch für das Sterben zuständig.
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... und wie geht's weiter? Das würde ich auch gern erfahren. Mailt mir bitte, wenn ihr es wisst! . |