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 Teuflische Experimente / A05 (Andreas Fischer)
 
Spiegel der Schatten
K102
 von: Sion J. Parzival

Torsi ließ ihren Blick über das Trümmerfeld schweifen, zu welchem der Raum während ihrer Ohnmacht geworden war. Stühle waren umgeworfen, der hölzerne Tisch in der Mitte des Raumes hatte sich in einen kaum wieder erkennbaren Haufen aus geschwärztem Holz und zahllosen Splittern unterschiedlicher Größe verwandelt. Der Schrank, aus welchem der Magier den unheimlichen blauen Stab entnommen hatte, war verheert, die darin enthaltenen Reagenzgläser waren zerborsten. Die Flüssigkeiten, welche sich darin befunden hatten, bahnten sich nun ihren Weg durch den im Sonnenlicht glitzernden Dschungel aus Glassplittern und tropften von den demolierten Regalen.
Die kleine Koboldin sah nun an sich herab, ließ einen prüfenden, von Tränen erfüllten Blick über ihre Arme und Hände gleiten und untersuchte ihre Beine und Füße. Keine Wunde, kein Blut, nicht einmal ein kleiner Kratzer. Sie war unverletzt; und doch ...
... irgendetwas war anders. Sie konnte es nicht beschreiben, nicht in Worte fassen, aber sie war sicher: Irgendetwas war anders an ihr - in ihr. Sie wusste nicht, was es war, aber sie wusste sehr wohl, dass es da war.
Sie stand auf. Sofort begann sich ein Schwindelgefühl ihrer zu bemächtigen und ließ sie für drei, vier Sekunden taumeln, bevor sie ihre Gegenoffensive startete und ihr Gleichgewicht zurückerlangte. Am anderen Ende des Raumes gewahrte sie einen Spiegel, dessen Oberfläche von einer dicken Staubkruste überzogen war.
Unsicheren Schrittes begann sie auf den Spiegel zuzugehen, doch als sie an dem leblosen Körper des Magiers vorbeiging, fiel ihr Blick auf die riesige Wunde, die sich über den gesamten Brustkorb zog und scheinbar gar nicht daran dachte, mit dem Bluten aufzuhören. Liter um Liter pulsierte der rote Lebenssaft aus der grausigen Verletzung und vergrößerte die schwarzrote Lache, in welcher der Leichnam lag. Oh ihr Götter, dachte Torsi, was ist hier nur geschehen?
Übelkeit kroch wie eine schleimige Spinne ihre Kehle empor, lüstern darauf den Mageninhalt der Koboldin neben dem leblosen Magier zu platzieren. Torsi schluckte zwei-, dreimal tapfer, um den Kloß in ihrem Hals wieder Richtung Magen zu schicken. Sie wandte den Blick von der grausam entstellten Leiche ab, deren starre Augen auf irgendeinen imaginären Punkt am Himmel fixiert zu sein schienen, und ging weiter auf den Spiegel zu.
Ihre Hand fuhr über die dicke Schicht aus Staub, welcher sich hartnäckig zu halten versuchte, so als ob er nicht von seinem angestammten Platz verdrängt werden möchte, nachdem er Jahre gebraucht hatte, um ihn zu beziehen. Das Gesicht, welches darunter zum Vorschein kam, unterschied sich in keinster Weise zu jenem Torsis. Eine innere Faust, die bisher ihr Herz umklammert hielt, löste erleichtert ihren festen Griff -
- nur um sofort darauf mit doppelter Kraft zuzudrücken. Nur mühsam konnte die kleine Koboldin einen Schrei unterdrücken. Ihr war so, als wäre ein Schatten über ihr Gesicht gehuscht, verstohlen und hämisch. Sie keuchte, ihr Atem galoppierte und ihr Herz schlug mit einer Frequenz, die sie bisher nicht für möglich gehalten hätte. Das war keine Einbildung gewesen! Das war echt!
Sie wollte gerade ihren Blick von dem Spiegel, der ihr kein guter Freund zu sein schien, nehmen, als er erneut auftauchte. Eine wabernde Masse aus geronnener Schwärze verdeckte auf der reflektierenden Oberfläche ihr Antlitz. Sie wogte, zog sich zusammen und dehnte sich wieder aus und zog sich erneut zusammen, nur um sich daraufhin wieder einer schwarzen Anemone gleich zu entfalten. Fassungslos und fasziniert zugleich betrachtete Torsi das bizarre Schauspiel, welches ihr sich auf dem Spiegel - in dem Spiegel! - darbot.
Ein düsteres Wispern drang an ihr Ohr, kaum wahrnehmbar zuerst, dann immer intensiver und deutlicher. Komm zu uns! Zier dich nicht! Komm her zu uns!
Etwas begann sich in ihr zu regen. Nein, nicht einfach etwas - das Etwas, das sie schon die ganze Zeit in sich heranreifen gespürt hatte. Dieses seltsame Gefühl, eine mulmige Mischung aus obskurer Faszination und unendlichem Schmerz, welches in ihr heranwuchs wie die bösartige Frucht eines düsteren Gewächses. Es wuchs, nahm immer mehr an Größe zu, bildete sich immer deutlicher und bestialischer heraus und -
Ein knackendes Geräusch ließ sie herumfahren - und erstarren.
 

... und so setzt sich das Abenteuer fort:
Der Ritter aus Schwärze -K103 (Sion J. Parzival)
 

... wenn Ihr aber noch weitere Fortsetzungen kennt, dann mailt mir diese bitte!
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